IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/1999, Seite 70 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Entwicklungstendenzen im Gasgerätemarkt auf europäischer Ebene

Gerätetechnik im Umbruch

Dipl.-Physiker Theo B. Jannemann · Teil 2

Im ersten Teil dieses Fachbeitrages, den wir in Ausgabe 6/99 veröffentlicht haben, zog der Autor Bilanz über die Konsequenzen, die sich seit Einführung der europäischen Gasgeräterichtlinie 1996 für Hersteller, Vertreiber und Prüfstellen von Gasgeräten ergeben haben. Der zweite Teil befaßt sich mit der Gerätetechnik und beschreibt neben den Möglichkeiten einer optimierten Verbrennungstechnik auch das wichtige Thema Gerätesicherheit.

Bild 5: Europäische und nationale Gasarten und Gasgeräte- kategorien nach DIN-EN 437.

Kein Einheitsgasgerät

Ständige Entwicklungsbemühungen gelten seit Jahren der Frage der Austauschbarkeit der unterschiedlichen Brenngase in den verschiedenen Brenneranwendungen. Die Bandbreite der europäischen Erdgase liegt in einem Wobbeindexbereich von etwa 10 bis 16 kWh/m3 (Bild 5). Durch Einteilung der in Deutschland zum Einsatz kommenden Erdgase in die Gruppen H und LL konnte das Problem der Austauschbarkeit bei Erdgasen auf zwei Einstellwerte reduziert werden, wobei Schwankungen der Belastung innerhalb der Bandbreite dieser beiden Einstellgruppen in Kauf genommen werden (SRG-Methode). Da zumindest im Bereich H Wobbeindexschwankungen von bis zu 30% beherrscht werden müssen, verlangt dies hohe Stabilitätsanforderungen an die zum Einsatz kommenden Brenner. Für herkömmliche atmosphärische Brenner war dies bislang kein Problem. Jedoch mußten bei vollständig vormischenden gebläseunterstützten Flächenbrennern sowie bei hochvormischenden atmosphärischen Brennern große Entwicklungsanstrengungen unternommen werden, um die notwendigen Stabilitätskriterien hierfür zu erfüllen. Trotzdem kommt es in Grenzbereichen immer wieder zu Stabilitätsproblemen, beispielsweise bei kurzfristiger Umschaltung auf Flüssiggas-Luft-Gemische, die einige Versorgungsunternehmen zur Spitzenlastdeckung an kalten Wintertagen einsetzen.

Vor zwei Jahren ist es nun einem Hersteller gelungen, einen uralten Wunschtraum der Gasbrenner-Entwickler zu realisieren. Die als sensationell zu bezeichnende Lösung einer elektronischen Verbrennungsregelung beruht auf einer intelligenten Auswertung des Ionisationsstroms der Flammenüberwachung, der zu einem eindeutigen Kriterium für die Gemischzusammensetzung des Brenners ausgewertet werden kann. Der als SCOT (System Control Technology) bezeichnete Regelungsalgorithmus kann in einem Mikroprozessor-Steuerungsbaustein, wie er in jedem modernen heutigen Gasgerät üblich ist, integriert werden und in Verbindung mit der vorhandenen Ionisationsflammenüberwachung und einem Gas- oder Luft-Steuerelement zu einer einfachen, zuverlässigen und sehr wirkungsvollen elektronischen Verbrennungsregelung benutzt werden (Bild 6). Der große Vorteil dieses Systems liegt u.a. darin, daß es prinzipiell an jeden Brenner angepaßt werden kann und damit sowohl für gebläseunterstützte als auch atmosphärische Brenner einsetzbar ist.

Bild 6: Arbeitsbereich und Prinzipskizze des Brenner-Regelungssystems SCOT.

Die Ruhrgas AG, selbst mit Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet beschäftigt, hat eine General-Lizenz für SCOT erworben, um das System weiterzuentwickeln und allen Geräteherstellern, die Interesse daran besitzen, verfügbar zu machen. Damit könnte mittelfristig eine Gerätegeneration am Markt etabliert werden, die eine vollautomatische Anpassung an die unterschiedlichsten Gase innerhalb der gesamten Erdgas-Bandbreite ermöglichen würde. Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Gasbeschaffenheiten zur Last- und Versorgungsoptimierung, wie er bei den künftig zu erwartenden Durchleitungsverpflichtungen vermehrt auftreten könnte, wäre damit - eine entsprechende Penetration derartiger Geräte vorausgesetzt - in greifbare Nähe gerückt. Verschiedene Hersteller haben bereits weiterführende Anpassungsentwicklungen für SCOT übernommen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Entwicklung einfacher Stellorgane, die vor allem bei atmosphärischen Brennern für die Steuerung der korrekten Gasmenge dienen. Hier reichen die Ansätze von dynamischen Stellventilen über elektronisch regelbare Gebläse bis hin zu Düsen mit verstellbaren Querschnitten.

Wandgeräte für Europa

Unter allen Entwicklungstrends dominiert das wandhängende Heizgerät, welches aufgrund der vielen Vorteile eine immer größere Verbreitung findet. Zwar hat der Gasspezialheizkessel nach wie vor noch einen Anteil von rd. 25% am Gesamt-Gasgerätemarkt in Deutschland, bei etwa 65% handelt es sich jedoch um Wandgeräte. Gegenüber vier Anbietern von Wandgeräten am deutschen Markt im Jahre 1990 verzeichnen wir heute über 50 unterschiedliche Handelsmarken in diesem Bereich.

Bild 7: Wandheizgerät mit integriertem Kleinspeicher (Hydrotherm).

Hinzu kommt ein weiterer Trend, der jedoch noch nicht so stark ausgeprägt ist: Statt der für Heizung und Warmwasserbereitung bisher üblichen Kombithermen, kommen nun verstärkt auch Heizgeräte mit eingebautem Kleinspeicher, wiederum vorzugsweise als wandhängende Ausführung zum Einsatz (Bild 7). Diese Lösung hat gegenüber dem Kombigerät den Vorteil, daß sie bei nur geringfügig größeren Abmessungen einen höheren Warmwasserkomfort bieten. Speicherinhalte zwischen 20 und 40 l sind hier üblich. Bei der Kombination mit noch größeren Speicherinhalten, wie sie vor allem bei Brennwertgeräten beliebt ist, wird dann jedoch der Speicher als separate Einheit nebenstehend (bis ca. 60 l) oder unter dem Heizgerät hängend oder stehend (90 - 120 l) angeordnet.

Auch sogenannte Warmwasser-Speicherkessel, eine Mischung aus direkt beheiztem Vorratswasserheizer und Heizkessel erfreuen sich, vor allem im benachbarten Ausland, zunehmender Beliebtheit. Hierbei handelt es sich meist um bodenstehende Ausführungen, bei denen ein mit einem Gasbrenner befeuerter Warmwasserspeicher zusätzlich mit einem Doppelmantel oder einem Schlangenrohr-Wärmeaustauscher versehen ist, über den die für die Raumheizung benötigte Wärme ausgekoppelt wird (Bild 8). Gerade für die Brennwertnutzung bieten derartige Lösungen große Vorteile, da sie durch die Trinkwassererwärmung häufig mit niedrigen Temperaturen beaufschlagt werden und so einen hohen Grad an Kondensationswärmenutzung zulassen. Prädestiniert sind solche Geräte für Niedrigenergiehäuser, da sie auf der einen Seite einen hohen Warmwasserkomfort bieten und auf der anderen Seite die benötigten kleinen Heizleistungen energetisch günstig bereitstellen können.

Bild 8: Brennwert-Kombi-Speicher- kessel (EWFE).

Trotz eines mittelfristigen Rückganges des Heizwärmebedarfs durch verschärfte Wärmedämmvorschriften (Energiesparverordnung 2000) und Niedrigenergiehäuser nimmt der Anteil der Brennwertgeräte am Gesamt-Gasgerätemarkt in Deutschland deutlich zu (Bild 9). Unter allen Geräten besitzen Brennwertgeräte heute die größten Zuwachsraten. Dies wird sicherlich auch verursacht durch das infolge zunehmenden Wettbewerbs sinkende Preisniveau.

Bild 9: Anteil der Brennwertgeräte am deutschen Gasgerätemarkt.

Komplettsystem Gasgerät

Viele Gerätekonzepte sind in den letzten Jahren deutlich überarbeitet worden. Verbesserte korrosionsbeständige Wärmeaustauscher, vollständig vormischende schadstoffarme Flächenbrenner mit modulierender Gas-Luft-Verbundregelung, Mikroprozessor-Gerätesteuerungen mit integrierten Diagnosesystemen sowie gemeinsam mit dem Gerät gelieferte und zugelassene Luft-Abgassysteme sind heute Stand der Technik. Damit stehen modernste Gerätelösungen mit einem Höchstmaß an Energieausnutzung und Schadstoffarmut zur Verfügung, die allerdings im oberen Preissegment anzusiedeln sind. Insbesondere durch abgestimmte, integrierte Gesamtkonzepte ergeben sich jedoch Vorteile bei der Gesamt-Anlagenkonzeption. So können durch die bei Brennwertgeräten extrem niedrigen Abgastemperaturen preiswerte Kunststoff-Abgasrohrsysteme eingesetzt werden. Viele Hersteller bieten heute eine breite Palette an Abgas-Systemzubehör an, welches gemeinsam mit dem Gerät einer Systemzertifizierung unterzogen und somit auch ohne größeren Aufwand vom Anlagenersteller mit geplant und eingebaut werden kann (Bild 10). Gegenüber klassischen Schornsteinlösungen bieten sich damit deutliche Kostensenkungspotentiale, die einen Teil der Mehrkosten der Brennwerttechnik kompensieren können.

Bild 10: System aus Gasgerät und Abgasanlage.

Abgas ohne Schadstoffe?

Neben einfachen Standardlösungen bei der konventionellen wie bei der Brennwerttechnik geht natürlich auch die Entwicklung im High-Tech-Bereich weiter. Große Fortschritte wurden im Bereich der vollständig vormischenden Flächenbrenner und der damit verbundenen Regelungstechnik erzielt. Durch pneumatische oder elektronische Gas-Luft-Verbundsteuerungen können derartige Brenner heute bis zu einem Regelbereich von 1 : 5, d.h. bis auf 20% ihrer Nennlast, modulierend geregelt werden, bei gleichzeitiger Erfüllung der notwendigen Stabilität innerhalb der erforderlichen europäischen Gasgerätekategorien. Dabei bewegen sich die Emissionen auf einem derart niedrigen Level, der bis an die Grenzen der Meßtoleranzen geht. Eine noch weitergehende Absenkung der Stickstoffoxyd- und Kohlenmonoxyd-Konzentration kann mit der katalytischen oder katalytisch unterstützten Verbrennung erzielt werden (s. Bild 2). Einige Hersteller haben die Flammenhalter ihrer Vormischbrenner mit einer katalytisch wirksamen Oberflächenbeschichtung versehen, die eine Absenkung der Schadstoffemissionen bis in die Größenordnung der MIK-Grenzwerte (MIK = maximale Immissions-Konzentration) bewirkt (Bild 11). Werden diese Brenner in Verbindung mit der Brennwerttechnik eingesetzt, haben Energieausnutzung und Schadstoffminimierung ihre physikalischen Grenzen erreicht. Interessant ist, daß solche Lösungen bereits am Markt zu vertretbaren Preisen erhältlich sind und damit jeder, der einen besonderen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten will, dies auch mit vertretbarem Aufwand tun kann.

Bild 11: Katalytischer Brenner für Wandgeräte (Vaillant).

Sicherheit und Qualität für Europa

Einige Schlußbetrachtungen sollen noch den Themen Sicherheit und Qualität gewidmet sein. Über die Sicherheit von Gasgeräten wurde in der Vergangenheit nie großartig diskutiert, wenn man von der Problematik der raumluftabhängigen Feuerstätten nach Einführung der fugendichten Fenster im Zuge der Energiespargesetzgebung Ende der 70er Jahre einmal absieht. Hier wurden von der Industrie umgehend technisch einfache, preiswerte und zuverlässige Lösungen in Form der heute auch europäisch zum Standard gewordenen Abgasüberwachungseinrichtung (AÜE) entwickelt. Die Sicherheit bei Gasgeräten ist also, abgesehen von diesem Sonderfall, stets in einem hohen Maße vorhanden gewesen und war auch immer oberstes Ziel der bis vor wenigen Jahren verbindlichen Prüf- und Zulassungsanforderungen des DVGW. Durch die Einführung der EG-Gasgeräterichtlinie mit Sicherheitsanforderungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner aller Mitgliedsstaaten sind diese Regelungen nun durch europäisches Recht ersetzt worden. Zulassungsstellen in ganz Europa können seither Prüfungen und Zertifizierungen durchführen, die dann in allen anderen Mitgliedsstaaten der EU anzuerkennen sind.

Leider scheinen in diesem für die Prüf- und Zertifizierungsstellen zunehmenden Wettbewerb nicht mehr allein Verläßlichkeit und Sorgfalt an oberster Stelle zu stehen, sondern Vergrößerung des Marktanteils, des Umsatzes und des Produktdurchsatzes. An dieser Stelle soll nicht der Eindruck erweckt werden, daß in der Vergangenheit oder heute nur die Prüfungen und Zulassungen des DVGW den höchsten Verläßlichkeitsgrad genießen, jedoch stehen bei manchen europäischen Zertifizierungsstellen nicht Gemeinnützigkeit und Gemeinwohl an erster Stelle, sondern Umsatzvergrößerung und Profitmaximierung. Das hierbei manchmal die bis vor kurzem durchgängige Gründlichkeit und Verläßlichkeit zu kurz kommen kann, ist deshalb nicht verwunderlich. So hat sich der DVGW auch weiterhin als Zielsetzung auf die Fahne geschrieben, daß Sicherheit, Hygiene und Zuverlässigkeit bei für den Verbraucher so sensitiven Produkten wie Gasgeräten oder Trinkwasseranlagen auch weiterhin als oberste Maxime seiner Prüf- und Zulassungstätigkeit stehen und gewährleistet dies mit der Kompetenz seiner Prüfstellen und dem verbandsinternen Fachwissen der gesamten Branche.

Weitergehende Qualitätsnachweise wie das DVGW-Qualitätszeichen, das in seinen Aussagen weit über die Mindest-Sicherheitsanforderungen der CE-Kennzeichnung hinausgeht, sollen dazu dienen, den Marktpartnern wie Fachhandwerkern, Planern und Verbrauchern verläßliche Aussagen über das nach wie vor am Markt vorhandene hohe Qualitäts- und Sicherheitsniveau moderner Gasgeräte (Bild 12) zu vermitteln. Das 1995 eingeführte DVGW-Qualitätszeichen soll die entstandene Lücke zwischen dem CE-Zeichen und dem bisherigen DVGW-Prüfzeichen schließen, um dem Installateur und dem Endverbraucher auch weiterhin eine Verwendungssicherheit für europäisch zugelassene Produkte zu bescheinigen. Bislang nahmen mehr als 40 Hersteller für über 200 Gasgeräte dieses Angebot der DVGW-Zertifizierungsstelle in Anspruch. Ihre Produkte durchliefen ein integriertes Prüfverfahren, das neben der Konformität mit den zutreffenden EG-Richtlinien vor allem auch die Einhaltung der bauaufsichtlichen und installationsseitigen Rahmenbedingungen mit dem DVGW-Qualitätszeichen dokumentiert.

Bild 12: DVGW-Qualitätszeichen.

Nur so hat das installierende Handwerk und damit auch der Kunde die Gewißheit, ein hochwertiges Produkt zu erhalten, das in jeder Hinsicht den bei uns herrschenden Stand der Technik repräsentiert und kompatibel ist mit anderen Peripherieprodukten wie Installationsbauteilen, Fittings, Rohren, Armaturen und Abgasanlagen, deren Verwendung nicht durch die EG-Gasgeräterichtlinie geregelt wird.

Fazit

Bei allen Entwicklungen zur Kostenreduktion muß das bisher bei uns erreichte hohe sicherheitstechnische und qualitative Niveau in jedem Fall erhalten bleiben, damit nicht das Image der gesamten Branche unter wenigen schwarzen Schafen leidet. In diesem Sinne steht der DVGW seinen Mitgliedsunternehmen, Kunden und Marktpartnern auch zukünftig als neutrale, von Wirtschaftsinteressen unabhängige und fachlich kompetente Stelle für die Sicherheit und Hygiene im gesamten Gas- und Wasserfach zur Verfügung.

 


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