IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1999, Seite 198 ff.
HEIZUNGSTECHNIK
Entwicklungstendenzen im Gasgerätemarkt auf europäischer Ebene
Konsequenzen der EG-Gasgeräterichtlinie für Hersteller, Vertreiber und Prüfstellen
Dipl.-Physiker Theo B. Jannemann* · Teil 1
Zum 1. Januar 1996 wurde nach Ablauf einer mehrjährigen Übergangsfrist die Anwendung der EG-Gasgeräterichtlinie (90/396/EWG) auch in der Bundesrepublik Deutschland verbindlich. Nachdem der europäische Binnenmarkt im Bereich der Gasgerätetechnik damit nun seit drei Jahren Realität ist, läßt sich eine erste Bilanz der hierdurch verursachten Auswirkungen ziehen. Durch die europaweit einheitlichen Zertifizierungsverfahren, die seit dem 1. Januar 1996 in allen Mitgliedsstaaten vorgeschrieben sind, haben sich am deutschen Gasgerätemarkt erhebliche Änderungen vollzogen.
Vereinfachte Zulassungsverfahren, aber auch starke Globalisierungsbestrebungen im zunehmenden europäischen Wettbewerb haben viele Gerätehersteller veranlaßt, ihr Vertriebsprogramm deutlich zu "europäisieren". Statt weniger, auf die nationalen Märkte abgestimmte, spezialisierte Gerätelösungen, haben nun weitgehend vereinheitlichte Basismodelle, die z.T. in unterschiedlichen Ausführungsvarianten für die einzelnen, regionalen Märkte hergestellt werden, ihre Verbreitung gefunden. Durch den zunehmenden Trend der Konzernbildung haben sich zudem mannigfaltige Umstrukturierungen in der Herstellerlandschaft, bedingt durch zahlreiche Firmenver- und -aufkäufe, ergeben. Kaum einer der bekannten traditionellen Hersteller befindet sich heute noch in den über lange Jahre herrschenden früheren Besitzverhältnissen. Viele der bekannten europäischen Marken haben inzwischen einen neuen Besitzer gefunden oder sind in anderen Konzernen integriert oder auch ganz vom Markt verschwunden. Ein interessantes Phänomen bei dieser Entwicklung ist die Tatsache, daß aus Gründen der Kundenbindung viele traditionsreiche Markennamen beibehalten wurden, unter denen nun oftmals baugleiche Geräte desselben Herstellers, aber von unterschiedlichen Vertreibern und mit unterschiedlichen Marken- und Typenbezeichnungen vertrieben werden.
Bild 1: EG-Baumusterprüfbescheinigung mit mehreren Vertreibern. |
Möglichkeiten der Zertifizierung
Dies hat auch in der täglichen Arbeit der DVGW-Zertifizierungsstelle seinen Niederschlag gefunden. Den Unternehmen wird heute die Möglichkeit geboten, für ein Produkt mit unterschiedlichen Markennamen und verschiedenen Vertreibern ein gemeinsames Zertifikat mit einer einheitlichen Registriernummer zu erlangen. Hierbei tritt der tatsächliche Hersteller als Zertifikatinhaber auf, während für jeden Handelsnamen (Modell) bzw. jeden Vertreiber ein eigenes Zertifikatblatt mit den spezifischen Modell- und Typbezeichnungen ausgestellt wird (Bild 1). In Einzelfällen wurden bereits Zertifikate mit über zehn Modell-Vertreiberkombinationen ausgestellt. Die Häufigkeit, mit der die Hersteller von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, zeugt von der eingangs erwähnten Konzernbildung und den zahlreichen baugleichen Vertriebsvarianten, die heute von ein und demselben Ursprungsprodukt am Markt zu finden sind.
Eine weitere Besonderheit bei den europäischen Zulassungen von Gasgeräten ist die Tatsache, daß sich als Hersteller und damit als Zertifikatinhaber auch ein Vertreiber von Produkten ausgeben kann, wenn dieser die zertifizierten Geräte eigenverantwortlich in Verkehr bringt, d.h. das volle Produkthaftungsrisiko übernimmt. Neben der zuvor beschriebenen Variante eines gemeinsamen Zertifikats für alle Vertriebsvarianten eines Produkts mit einem zentralen Hersteller (Inhaber) gibt es auch die Möglichkeit, daß einzelne oder alle Vertreiber sowie der Hersteller selbst jeweils eigene Zulassungen, ausgestellt auf den eigenen Namen als Zertifikatinhaber und mit jeweils eigener Registriernummer, beantragen können. Hierdurch geht natürlich die Information verloren, wer tatsächlich das Produkt fertigt bzw. wer für die Entwicklung und Fertigung verantwortlich zeichnet. Es genügt, wenn der die Zulassung besitzende Vertreiber sich mit Hilfe geeigneter vertraglicher Vereinbarungen von der Qualitätssicherung des zugelieferten Produktes überzeugt und hierfür die Verantwortung übernimmt.
Über eine einheitliche Registriernummer, mit der jede EG-Baumusterprüfbescheinigung eindeutig identifiziert werden kann, bietet sich die einzige Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit und Identifizierbarkeit europäisch zertifizierter Produkte. Die europäisch auch als Produkt-Identnummer (PIN) bezeichnete, vom Hersteller freiwillig anwendbare Registriernummer setzt sich zusammen aus den Buchstaben CE (1), der Kennummer der benannten Stelle, die diese Zertifizierung durchgeführt hat (2), z.B. 0085 für die DVGW-Zertifizierungsstelle, der in zwei Buchstaben codierten Jahreszahl der Baumusterprüfung (3), z.B. AP für 1994, und einer laufenden eindeutigen Nummer für das jeweilige Jahr (4). Damit kann ein nach der EG-Gasgeräterichtlinie zertifiziertes Produkt in ganz Europa einheitlich identifiziert und hinsichtlich seiner Zertifizierungsbedingungen zurückverfolgt werden.
CE - | 0085 | AP | 0285 |
Renaissance des atmosphärischen Brenners
Vereinheitlichung der Zulassungsbedingungen in ganz Europa, Bildung großer multinationaler Konzerne mit deutlich gestrafften und vereinheitlichten Produktpaletten sowie der zunehmende Wettbewerb der unterschiedlichen Energieträger bewirken eine merkliche Reduktion der Herstellkosten. Durch den offenen europäischen Binnenmarkt kommt es hierbei zu einem zunehmenden Wettbewerb am deutschen Markt, bei dem in steigendem Maße auch Produkte aus anderen europäischen Ländern mit niedrigeren Herstellkosten zum Einsatz kommen. Sie haben zu einem deutlichen Absinken des Preisniveaus am deutschen Gasgerätemarkt in den letzten zwei Jahren geführt. Hierbei sind interessante Entwicklungstrends bei den heutigen Gerätekonstruktionen zu verzeichnen.
Neben nach wie vor bestehenden High-Tech-Lösungen finden sich heute am Markt zunehmend preiswerte Gerätekonstruktionen auf einem hohen qualitativen und funktionstechnischen Niveau. Nach der noch vor kurzem festzustellenden Tendenz zu extrem schadstoffarmen Brennwertgeräten mit Wirkungsgraden und Emissionen nahe der Grenze des technisch Machbaren, ist heute ein Trend zu einfachen, robusten und preiswerten Geräten zu verzeichnen, die dennoch hinsichtlich Funktionalität, Gebrauchstauglichkeit, Emissionsverhalten und Energieausnutzung ausreichend gute Eigenschaften besitzen. Hierbei hat sich die atmosphärische Verbrennungstechnik gegenüber dem früheren Stand erheblich verbessert. So findet man heute Geräte am Markt, die Emissionen und Wirkungsgrade moderner, gebläsebefeuerter Öl- und Gasheizkessel übertreffen und dabei aufgrund ihrer einfachen Konstruktion hinsichtlich Kosten, Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Wartungsfreundlichkeit letzteren z.T. sogar überlegen sind.
Bild 2: Entwicklung der NOx- und CO-Emissionen bei atmosphärischen Brennern.
Durch große Entwicklungsanstrengungen, vor allem der deutschen Gasgeräteindustrie, unterstützt durch Forschungsvorhaben der Versorgungswirtschaft und ihrer Forschungseinrichtungen, hier vor allem mit Förderung des DVGW, konnte eine erhebliche Verbesserung des atmosphärischen Verbrennungsprinzips hinsichtlich Emissionsverhalten, Verbrennungsqualität und Brennstabilität erreicht werden. Durch Erhöhung der Primärluftzahl, Herabsetzung der spezifischen Flächenbelastung sowie neuartige Brennerperforationen mit optimierten Flammengeometrien lassen sich heute mit atmosphärischen Brennern Emissionen in der Größenordnung von 60 mg/kWh mühelos erreichen (Bild 2). Untersuchungen im Rahmen internationaler Forschungsvorhaben haben zu einer weiteren Optimierung der Anpassung von Brenner, Brennkammer und Wärmeaustauscher geführt, so daß ein hohes Kosten-Nutzen-Verhältnis bei dieser Gerätetechnik gegeben ist.
Vorteile
Die wichtigsten Vorteile des atmosphärischen Verbrennungsprinzips in Verbindung mit einer Unterdruckfeuerung sollen nachfolgend noch einmal zusammengefaßt werden:
- einfache Konstruktion und niedrige Herstellkosten,
- selbstentlüftende Abgaswege,
- hohe Betriebssicherheit,
- geräuscharme Verbrennung,
- robuste, langlebige Bauweise,
- bewährte Technik,
- unkomplizierte Wartung,
- Unempfindlichkeit gegenüber Staub in der Verbrennungsluft,
- kein elektrischer Energieverbrauch für ein Gebläse,
- emissionsseitig der Gebläsebrennertechnik inzwischen ebenbürtig.
Demgegenüber stehen die folgenden Nachteile:
- bei hohem Vormischverhältnis geringe Brennerstabilität,
- modulierender Betrieb mit niedriger Teillast aufwendig,
- raumluftunabhängige Bauweise erfordert im allgemeinen einen Hilfsventilator,
- Wärmeübergang auf laminare Strömung beschränkt, daher taupunktsichere Konstruktion aufwendiger als bei Überdruckfeuerung,
- für Brennwerttechnik praktisch nicht geeignet,
- grundsätzliche Möglichkeit des Abgasaustritts über die Strömungssicherung (daher sind Abgasüberwachungseinrichtungen europaweit vorgeschrieben),
- kompakte Bauweise ist aus den vorgenannten Gründen nur aufwendig zu realisieren.
Aber auch bei der gebläseunterstützten Verbrennung finden sich eine Fülle neuartiger oder erheblich verbesserter Lösungen, von denen die vollständig vormischenden Flächenbrenner mit Brennflächen aus Keramik, Faserkeramik, Metall-Lochblech, Metallamellen und Metallvlies wohl die interessantesten Lösungen darstellen, die sich - zumindest in diesem Leistungsbereich - zum Standard entwickelt haben. Dies beweist die Flexibilität dieses Verbrennungssystems, bei dem sich Brennerform und Verbrennungsgasführung nahezu beliebig der Bauweise von Brennkammer und Wärmeaustauscher anpassen lassen. Gegenüber den rein atmosphärisch arbeitenden Vormischsystemen bieten diese Lösungen neben noch geringeren NOx-Emissionswerten von 20-40 mg/kWh den Vorteil, daß durch die Gebläseunterstützung einerseits eine Abgasabführung auch mit erhöhten Strömungswiderständen möglich ist, wie es kompakte raumluftunabhängige Wandgeräte und Brennwertfeuerstätten erfordern und andererseits eine sehr stabile Verbrennung auch bei unterschiedlichen Druckverhältnissen in der Brennkammer und im Abgassystem ermöglicht wird. Zudem bietet ein Gebläse eine einfache Möglichkeit, steuernd auf den Verbrennungsprozeß einzuwirken, indem über die Gebläsedrehzahl die Verbrennungsluftmenge der gewünschten Leistung angepaßt wird.
Bild 3: Klassifizierung von Gasbrenner- und Gerätebauarten.
Klassifizierung notwendig
Angesichts dieser Entwicklungen wird es immer schwieriger, noch eine eindeutige Unterscheidung zwischen atmosphärischen und gebläsebetriebenen Verbrennungssystemen zu treffen. Längst haben sich die früher klaren Differenzierungsmerkmale vermischt, so daß eine Reihe von Lösungen existieren, die nicht genau der einen oder anderen Gerätekategorie zugeordnet werden können. Es ist hinsichtlich einiger zulassungsseitiger und aufstellbedingter Sicherheitsanforderungen jedoch eine gewisse Klassifizierung notwendig (Bild 3). Diese betrifft in erster Linie die unkontrollierte Bildung zündfähiger Gemische in der Brennkammer, die Sicherstellung einer hygienisch einwandfreien Verbrennung und die Vermeidung von Abgasaustritt in den Aufstellraum. Diesbezüglich besitzt die atmosphärische Verbrennung einige entscheidende Vorteile.
Bild 4: Europäische Gasgeräteartenklassifizierung nach CEN (aus DVGW-TRGI).
Diese Vorteile lassen sich jedoch auch bei bestimmten Modifikationen des klassischen atmosphärischen Prinzips einhalten, bei denen zur Verbesserung der Gemischaufbereitung oder zur Abgasabführung ein Hilfsventilator eingesetzt wird. Man spricht dann von "ventilatorunterstützter" atmosphärischer Verbrennung. Es sollte eine Abgrenzung des Gebläsebrennersystems vom atmosphärischen Verbrennungsprinzips dort getroffen werden, wo die Gemischaufbereitung ausschließlich mit Hilfe eines Gebläses erfolgt. Darüber hinaus muß bei den Feuerstätten eine Unterscheidung von Unterdruck- und Überdruck-Abgasführung vorgenommen werden, da dies die Aufstellbedingungen maßgeblich beeinflußt. Die in der überarbeiteten DVGW-TRGI ’86/96 zu findende Bauart-Klassifizierung trägt den heute verfügbaren Gerätelösungen Rechnung (Bild 4). Die über Jahrzehnte weitgehend unveränderten Konstruktionsformen und historisch gewachsenen Regelwerke haben angesichts der umwälzenden Neuentwicklungen und Neukonzeptionen der jüngsten Vergangenheit eine umfassende Novellierung im Rahmen der europäischen CEN-Normung erfahren. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden vom DIN bzw. von CEN etwa 150 neue Gerätenormen herausgebracht. Fortsetzung folgt.
* Dipl.-Physiker Theo B. Jannemann, Leiter der Zertifizierungsstelle im Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Bonn
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