IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1999, Seite 66 ff.
INTERVIEW
Neue SHK-Tarife in Bayern:
3,2% mehr Löhne und Gehälter
Über zweieinhalb Jahre vergingen nach dem Auslaufen der letzten Tarifverträge, ehe in Bayern eine Einigung über Lohn- und Gehaltstarifverträge erzielt werden konnte. Erich Schulz, Vorsitzender der Tarifkommission SHK/Bayern und gleichzeitig stellvertretender Landesinnungsmeister des Fachverbandes Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern, erläutert neben den Gründen für dieses lange Vakuum auch die Neuerungen der aktuellen Vereinbarung.
IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Schulz, 30 Monate, also zweieinhalb Jahre nach dem Auslaufen der letzten Lohn- und Gehaltstarifverträge hat man sich auf eine Erhöhung um 3,2% bei einer Laufzeit von 18 Monaten geeinigt. Ist man da nicht zu lange untätig geblieben?
Schulz: Ganz im Gegenteil, wir waren in den vergangenen 30 Monaten aktiv wie nie zuvor: Als schwierig stellten sich die Verhandlungen zum Manteltarifvertrag heraus, worauf wir sicher gleich noch zu sprechen kommen.
IKZ-HAUSTECHNIK: 1995 hat man sehr moderne Tarifverträge präsentiert. Sind diese so schnell veraltet?
Schulz: Wir haben zum 1. Januar 1995 sämtliche Tarifverträge textlich modernisiert, doch neben der Einführung einer beachtenswerten flexiblen Arbeitszeitgestaltung den "Besitzstand" unserer Arbeitnehmer im wesentlichen festgeschrieben.
Leider hat sich während der 18-monatigen Laufzeit, wie jedermann weiß, die gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert, was auch die SHK-Handwerke in Bayern zu spüren bekommen haben. Um unsere Leistungen auf dem Markt verkaufen zu können, sind wir gezwungen, die hausgemachten, also die tariflich festgelegten Lohnzusatzkosten zu senken.
Wir haben deshalb von Arbeitgeberseite her die Manteltarifverträge der gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten sowie die Tarifverträge über Montagearbeiten, Vermögenswirksame Leistungen und Weihnachtsgeld gekündigt. Der Gewerkschaftsseite blieb es überlassen, die Löhne und Gehälter sowie die Ausbildungsvergütungen zu kündigen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wo lagen die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen?
Schulz: Wir haben nach Ablauf der Tarifverträge sowohl mit der Industriegewerkschaft Metall (IGM) als auch mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), mit denen wir seit langem identische Tarifverträge abgeschlossen hatten, die Verhandlungen aufgenommen, allerdings auf der Grundlage eines von der Arbeitgeberseite vorgelegten Forderungskataloges auf Abbau tariflicher Leistungen, die neben den Löhnen und Gehältern gewährt werden. Diese, für Gewerkschaften ungewohnte Situation, daß man über Forderungen der Arbeitgeber verhandeln sollte, waren sowohl für die IGM als auch die CGM völlig neu und zumindest der IGM nicht vermittelbar, die auf den errungenen Besitzstand pochte. Darüber hinaus trennte uns bei den Verhandlungen mit der IGM die Frage der 80%igen Lohnfortzahlung bei gewerblichen Arbeitnehmern.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wann sind die Tarifverhandlungen endgültig gescheitert?
Erich Schulz, Vorsitzender der Tarifkommission SHKI Bayern. |
Schulz: Von einem scheitern möchte ich nicht sprechen, da das Scheitern von Verhandlungen im Tarifgeschäft eine ernsthafte Sache darstellt. Ich würde eher sagen, daß man sich Ende 1996 einig war, daß keine Einigung erzielt werden kann.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die Tarifkommission SHK/Bayern hat zum 1. Januar 1997 eine Tarifempfehlung herausgegeben, die unterschiedlich bewertet wurde. Worauf ist dies zurückzuführen?
Schulz: Verständlicherweise hat unsere Tarifempfehlung 1997 bei den Gewerkschaften keine Begeisterung hervorgerufen. Es sind damals, besonders aus Richtung IGM scharfe Worte gefallen. Doch ein von der IGM arrangiertes Störfeuer in Form von Auftragnehmerlisten, die sich zum Tarifvertrag bekennen, ist im Sande verlaufen.
Bei den Mitgliedsbetrieben ist die Tarifempfehlung, einer Umfrage entsprechend, unterschiedlich umgesetzt worden. Die Bandbreite reichte vom vollständigen Vollzug bis hin zur Gewährung der vorgeschlagenen Lohn- und Gehaltserhöhung ohne Reduzierung tariflicher Leistungen. Die Schwierigkeit lag sicher in der einzelbetrieblichen Umsetzung per Individualvereinbarung mit dem jeweiligen Arbeitnehmer.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie ist es Ihnen gelungen, nach der Verärgerung der Gewerkschaften die Verhandlungen wieder aufzunehmen?
Schulz: Im nachhinein würde ich sagen durch konsequente Fortführung der Verhandlungen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Wenn man etwas erreichen will, was man nur gemeinsam bewerkstelligen kann, so muß man auch in angespannten Zeiten miteinander reden. Nach meinem Eindruck tat sich die IGM hier besonders schwer, da der von Arbeitgeberseite vorgelegte Forderungskatalog nach wie vor auf dem Tisch lag. Ein wenig gesprächsbereiter zeigte sich die CGM, was aber nicht bedeuten soll, daß die Verhandlungen weniger schwierig waren und auch einige Male vor dem Abbruch standen, jedoch hat letztlich eine Politik der kleinen Schritte nach vielen Gesprächen im kleinen und großen Kreis zum Erfolg geführt. Somit ist Fakt, daß sich die IGM aus den Verhandlungen ausgeblendet hat, während mit der CGM neue Tarifverträge möglich waren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie hat die IGM den Tarifabschluß mit der CGM aufgenommen?
Schulz: Wir haben die IGM von dem Tarifabschluß mit der CGM frühzeitig verständigt, verbunden mit der Frage des Abschlusses eines Anschlußtarifvertrages. Dafür konnte sich die IGM nicht begeistern. Es ist nicht auszuschließen, daß die IGM im Hinblick auf den CGM-Tarifabschluß ein momentanes Problem hat. Auf Wunsch der IGM sind wir jedoch gerne bereit, diese, wie alle anderen Fragen zu diskutieren. Allerdings muß die IGM begreifen, daß die Konkurrenz mit der CGM geeignet ist, das Tarifgeschäft zu beleben. Auch halte ich es zum jetzigen Zeitpunkt für ausgeschlossen, in Bayern unterschiedliche Tarifverträge mit der IGM und der CGM abzuschließen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Ist eine Lohn- und Gehaltserhöhung um 3,2% aus Sicht der Arbeitgeber nicht ein zu großer "Schluck aus der Pulle", wenn man die wirtschaftliche Lage der SHK-Handwerke berücksichtigt?
Schulz: Wenn man nur die nackten Zahlen betrachtet, mag das auf den ersten Blick vielleicht so sein, jedoch relativiert sich dies schnell bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise.
Die Lohn- und Gehaltserhöhung um 3,2% deckt insgesamt vier Jahre ab, die sich aus 30 sog. Null-Monaten zusammensetzen und 18 Monate Laufzeit der neuen Tarife. Unsere zum 1. Januar 1997 ausgesprochene Tarifempfehlung mit 1,5% ist in den 3,2% enthalten. Weiterhin läßt sich die Zahl 3,2%, je nach Betriebsstruktur, um einige Zehntel nach unten korrigieren, da es gelungen ist, im Hinblick auf tarifliche Lohnzusatzkosten folgende Reduzierungen zu vereinbaren:
1. Das zusätzliche Urlaubsgeld wird für drei Jahre auf dem Stand von 1998 eingefroren, es nimmt also an der Erhöhung um 3,2% nicht teil.
2. Beim Weihnachtsgeld ist die Berechnungsbasis auf dem Stand von 1998 für drei Jahre eingefroren. Hier gilt das gleiche wie beim Urlaubsgeld.
3. Berechnungsbasis für alle Zuschläge (z.B. Überstundenzuschlag, Erschwerniszuschlag) oder sonstige Ansprüche errechnen sich nur mehr aus dem Tariflohn.
4. Der Überstundenzuschlag beträgt werktags generell nur noch 25% (bisher ab der zweiten Überstunde 50%). Zuschläge für Nachtarbeit sind nur noch für die Zeit von 22 bis 6 Uhr (bisher 20 bis 6 Uhr) zu gewähren.
5. Freistellung unter Lohnfortzahlung für einen Tag wird nur noch gewährt bei
- eigener Eheschließung,
- Entbindung der Ehefrau,
- Todesfällen eines Ehegatten, eines Kindes oder eines Elternteiles.
In allen anderen Fällen ist die aufgrund von Freistellung ausgefallene Arbeitszeit durch Vor- oder Nacharbeit auszugleichen oder Urlaub einzubringen. Freistellungszeiten für Arztbesuche sind entfallen.
6. Auszubildende, die nach Abschluß der Gesellenprüfung in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, werden im ersten Jahr niedriger eingruppiert.
7. Bei der Nahmontage werden die Entfernungszonen für die Wegezeitvergütung neu eingeteilt:
- Zone 1: Entfernung 25 bis 50 km (bis 25 km keine Wegezeitvergütung): 12,30 DM
- Zone 2: Entfernung über 50 km (ohne Übernachtung): 19,70 DM
8. Auszubildende erhalten bei der Wegezeitvergütung die hälftigen Pauschalsätze
9. Kundendienstmonteure der Lohngruppe K haben keinen Anspruch auf Wegezeitvergütung
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Reaktionen aus Mitgliedskreisen hat der Tarifabschluß gebracht?
Schulz: In Anbetracht der Lohnforderungen bei diversen Gewerkschaften, die wir täglich der Zeitung entnehmen können, kann man wohl sagen, daß wir "unsere Tarife" gerade noch rechtzeitig hinbekommen haben. Das wird auch von den Mitgliedsbetrieben so gesehen. Aus Erfahrung weiß ich, daß der Vorsitzende einer Tarifkommission schon dann recht zufrieden sein kann, wenn er nicht von allen Seiten beschimpft wird. Beanstandungen oder gerechtfertigte Kritik sind mir bis heute nicht zu Ohren gekommen; über einige Zustimmungen habe ich mich sehr gefreut.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die neuen Tarifverträge enthalten eine Neufassung der flexiblen Arbeitszeit. Wird dieses Modell in den Betrieben angewendet?
Schulz: In den neuen Manteltarifverträgen wurden zwei bereits bestehende Arbeitszeitmodelle zu einem zusammengefaßt, von dem man mit Recht behaupten kann, daß ihm in der übrigen Tariflandschaft eine herausragende Stellung zukommt. Damit können die Arbeitgeber ohne Überstundenzuschläge bezahlen zu müssen, saisonale Spitzenbelastungen zum Vorteil des Kunden besser abfedern, die Arbeitnehmer erhalten im Gegenzug für die geleistete Mehrarbeit einen entsprechenden Ausgleich in bezahlter Freizeit, den sie an anderer Stelle arbeitszeitvermindernd bzw. urlaubsverlängernd einbringen können. Im Prinzip wird die über die betriebliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit durch bezahlte Freistellung während der betrieblichen Arbeitszeit ausgeglichen. Dabei darf die tägliche Arbeitszeit zehn Stunden nicht überschreiten. Die bezahlte Freistellung von der Arbeit schließt auch die völlige Freistellung an einem oder mehreren Arbeitstagen ein. Auch bei ungleichmäßiger Arbeitszeit erhält der Arbeitnehmer seine Bezahlung auf der Basis von 38½ Stunden pro Woche. Im Durchschnitt von längstens sechs Monaten (Ausgleichszeitraum) muß die Arbeitszeit 38½ Stunden betragen; soweit betriebliche Belange es erfordern, kann der Ausgleichszeitraum um bis zu weitere sechs Monate verlängert werden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Auf welche Arbeitsverhältnisse sind die neuen Tarifverträge nun anwendbar?
Schulz: Die neuen Tarifverträge 1999 für gewerbliche Arbeitnehmer einschließlich gewerblich Auszubildender und Angestellte einschließlich kaufmännisch und technisch Auszubildender sind nicht allgemeinverbindlich. Dies hat zur Folge, daß sie keine unmittelbare normative Kraft entfalten, also nicht alle Arbeitsverhältnisse der SHK-Branche in Bayern automatisch erfassen.
Die neuen SHK-Tarifverträge finden auf das einzelne Arbeitsverhältnis nur dann unmittelbar Anwendung, wenn die Arbeitsvertragsparteien organisiert sind, d.h. der Arbeitgeber ist Mitglied einer SHK-Innung und der Arbeitnehmer ist Mitglied der CGM.
Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die der IGM angehören, werden von den neuen, ausschließlich mit der CGM abgeschlossenen Tarifverträgen nicht erfaßt. In diesem Falle gilt entweder der zuletzt mit der IGM abgeschlossene Tarifvertrag (Stand 1. Januar 1995) in Form der Nachwirkung fort oder es gilt eine die gekündigten Tarifverträge ablösende Betriebsvereinbarung oder eine individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossene Vereinbarung.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was läßt sich über die künftige Tarifpolitik in Bayern aussagen?
Schulz: Grundsätzlich wird die tarifpolitische Kommission SHK/Bayern, deren Vorsitzender ich bin, am Flächentarifvertrag festhalten. Zum einen wird dadurch ein gewisser Ordnungsfaktor für die Branche erreicht, die mit als Kalkulationsgrundlage dienen kann, zum anderen können die SHK-Betriebe vereinbarte Lohngleitklauseln bedienen.
Die Verhandlungen selbst dürften in Zukunft sicherlich nicht leichter werden. Zum einen liegt unser Forderungskatalog zur Reduzierung der Lohnzusatzkosten noch auf dem Tisch, den es weiterhin abzuarbeiten gilt, zum anderen haben wir darüber hinausgehende Entlastungen angedacht, die wir zu gegebener Zeit in die Diskussion einführen werden. Im übrigen muß man über viele, in Tarifverträgen seit langem festzementierte Regelungen nachdenken, die schon heute keinen rechten Sinn mehr ergeben. Hier gilt es aufzuräumen und zu entstauben, wenn man zeitgemäße Lösungen präsentieren will. Dabei darf man nie außer acht lassen, daß jede, noch so wünschenswerte Regelung die Gewerkschaftsseite mittragen muß. An Arbeit und Diskussionsstoff wird es uns also in den nächsten Jahren bestimmt nicht fehlen.
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