IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/1999, Seite 32 ff.
KLEMPNERTECHNIK
Unser Beispielobjekt "Der Flieger von Appen", ein Lehrsaalgebäude für die Unteroffizierschule der Luftwaffe im Bereich der Marseille-Kaserne, erhielt großflächige Metalldächer, ausgeführt in Klempnertechnik. (Luftbild: photo company gmbh, Itzehoe)
Der "Flieger" von Appen |
Ein nicht alltägliches Metalldach, gedeckt in Klempnertechnik, auf einem ungewöhnlichen Gebäude
Friedolin Behning und Frank Neumann
Daß Dächer nicht immer gleich aussehen - vor allem wenn sie mit Metall gedeckt sind - ist neben der Architektur auch ein Verdienst der Klempnertechnik. Das in diesem Beitrag vorgestellte Baubeispiel ist in Form eines großen Flugzeuges gestaltet. Seine Dachflächen wurden handwerklich von Klempnern mit Titanzink in Doppelstehfalztechnik gedeckt.
Realisierung einer Entwurfsidee
Etwa zwanzig Kilometer Luftlinie nordöstlich des Zentrums von Hamburg liegt Appen, zwischen Pinneberg und Uetersen. Hier wurde im Jahr 1994 auf dem Gelände der Marseille-Kaserne ein neues Lehrsaalgebäude für die Unteroffizierschule der Luftwaffe (USLw) fertiggestellt. Der Standort, an der Nahtstelle zwischen parkähnlich eingegrüntem Kasernenareal und einem großflächigen Flugplatz, inspirierte die Planer von der Zentralen Planungsstelle der Landesbauverwaltung Schleswig-Holstein zu einem Neubau in Flugzeugform.
Teilansicht aus Fußgängerperspektive. Der gewölbte Dachbereich oberhalb des Einganges läßt die charakteristische Struktur der Doppelstehfalzdeckung erkennen. (Werkbild Rheinzink GmbH) |
Nimmt man als Basis die Zielsetzung, also eine Ausbildungsstätte für junge Luftwaffenangehörige, und stellt einen historischen Zusammenhang zum Namensgeber der Kaserne, dem erfolgreichen deutschen Jagdflieger Hans-Joachim Marseille (1919 bis 1942) her, ist diese Entwurfsidee sehr gut nachvollziehbar. Ihre Verwirklichung gelang auf überzeugende Weise und das Ergebnis - ein elegant gestalteter, trotz seiner Ausdehnung leicht wirkender Baukörper - besticht aus jeder Perspektive. Am meisten natürlich aus der Luft gesehen, von wo man den Eindruck gewinnt, daß ein futuristisches Flugzeug von enormen Ausmaßen unbemerkt und auf rätselhafte Weise in einer Lichtung aufgesetzt hat.
Beeindruckende Ausmaße, zahlreiche Funktionen
Mit einer Gebäudelänge von 132 m, 48 m Breite und 12 m Höhe ist der Neubau aus verschiedenen Blickrichtungen den charakteristischen Konturen eines Fliegers nachempfunden. Anhand der Abbildungen werden die beeindruckenden Ausmaße des "Fliegers von Appen" erkennbar. Der zweigeschossige Massivbau mit 25.800 m3 Rauminhalt ist nicht unterkellert und wurde auf einem Stahlbeton-Balkenrost mit Rammpfählen gegründet. Seine weiteren konstruktiven Merkmale sind gemauerte Lochfassaden, Stahlbetondecken und mit beschichtetem Aluminium bekleidete Außenwände.
Die Rundungen in den Endbereichen der Dächer wurden mittels konischer Scharen gedeckt. Anschluß an die Gefällestufe durch Quetschfalze; die Doppelstehfalze sind noch nicht geschlossen. (Foto: Rolf Ters) |
Die Hauptnutzfläche von 2880 m2 beinhaltet 42 Lehrsäle à 60 m2, elf Lehrsäle für computergestützten Unterricht, einen Konferenzsaal (150 m2) sowie eine Fachbibliothek (40 m2). Dazu kommen Managementräume, Kopierraum, Magazine und Nebenräume.
Der Bereich des Haupteinganges wird von einem transparent konzipierten, eingeschossigen Vorbau mit konkav geschwungenem Glas-Metall-Schutzdach bestimmt. Über die eingeschossige Eingangshalle erreichen Besucher die beidseitig angeordneten Lehrsaalflügel im Erdgeschoß. Das Obergeschoß mit großer Pausenhalle, Lehrsälen und Konferenzräumen wird über eine zentrale Treppenanlage erreicht. Zweigeschossige Lichthöfe mit filigran wirkenden Glasdachzonen sorgen für eine effiziente Belichtung des Gebäudeinneren.
Klempnertechnik im Flugzeuglook
Die gewölbten, ausladenden Dächer im Bereich der "Tragflächen" und des "Rumpfes" wurden mit insgesamt über 2000 m2 Rheinzink-Band "vorbewittert", Dicke 0,7 mm, in Doppelstehfalztechnik gedeckt. Mit dem natürlichen matten Blaugrau dieser metallischen Dachhaut und der gleichmäßigen Struktur der Doppelstehfalze wird auch auf größere Distanz der Flugzeuglook des Gebäudes noch verstärkt.
Zeichnungen: EG-Grundriß, Schnitt und Ansichten. (Mit freundlicher Genehmigung von "Die Bauverwaltung und Bauamt & Gemeindebau")
Die Ausführung der Metallarbeiten auf dem Dach übernahm das Unternehmen Rolf Ters, Klempnerei und Installation, aus 25436 Uetersen, welches auch die Fotos von der Baustelle zur Verfügung stellte.
Wie bei praktisch allen Metallbedachungen mit Bandmaterial in Doppelstehfalztechnik wurde zuerst die erforderliche hölzerne Unterkonstruktion geschaffen, die in Formgebung und Aufbau für die endgültige Gestalt des Daches entscheidend ist. Sie besteht aus einer durchlüfteten Holzpfettenkonstruktion mit oberer, vollflächiger Holzschalung. Wichtig ist, daß alle Versprünge, Abtreppungen, Durchbrüche, Aufbauten und sonstiges bereits bei der Erstellung dieser Unterkonstruktion berücksichtigt werden, um spätere ggf. kostenträchtige Nacharbeiten möglichst auszuschließen. In unserm Falle hieß das zum Beispiel, den erforderlichen umlaufenden Gefällesprung ebenso zu berücksichtigen wie die Anschlüsse im Bereich der Firstentlüftung, der Oberlichtfelder und der beidseitigen Ausdehnungabschnitte, parallel zum "Rumpf".
Zur wirtschaftlichen Ausführung der Metallbedachung wurden Anzahl und Abmessungen der verschiedenen Scharen auf der fertiggestellten Unterkonstruktion sorgfältig ermittelt und dokumentiert. Natürlich war hier die exakte Vorfertigung ein Muß, damit gleichmäßige Ergebnisse und paßgenaue Zuschnitte erzielt werden.
Fertiggestellte Dachflächen mit umlaufender Gefällestufe. Links oben sind die noch abgedeckten Oberlichtfelder zu sehen und im Hintergrund der noch nicht eingedeckte "Rumpf". (Foto: Rolf Ters) |
Die gesamte Menge an vorprofilierten Service-Scharen wurde nach Bedarf in der am nächsten liegenden Rheinzink-Niederlassung in Rellingen geordert, gefertigt und zur Baustelle transportiert. Die Verlegung auf Trennlage und durchlüfteter Holzschalung, unter Verwendung der regelkonformen Anzahl von Haften, erfolgte abschnittweise, entsprechend dem Baufortschritt.
Aufgrund relativ geringer Dachneigung wurden aus Sicherheitsgründen Ilmod-Dichtungsbänder in die Falze eingelegt. Zusammengerechnet kamen 5300 m vorgefertigte Scharen 600/530 mm zur Ausführung, für die beidseitigen Dachenden und die "Rumpfspitze" in konischer Form. Weiterhin waren 1200 m Rheinzink-Profile sowie rund 500 m Dachrinnen und Regenfallrohre aus dem gleichen, "vorbewitterten" Werkstoff erforderlich.
Metallbedachung erfüllt Forderungen
Das harmonische Erscheinungsbild der Metallbedachung an diesem Objekt resultiert aus exakter Vorplanung. Die Aufteilung der Dachflächen berücksichtigt die spezielle Formgebung, die den Umrißlinien eines Flugzeuges ähnelt. Die Linie der traufseitig umlaufenden Gefällestufe betont die schwungvolle Kontur der "Flügel" und die in der Dach-Längsachse liegenden Oberlichte und Lüftungsfirste setzen dazu einen dynamischen Akzent.
Der Blick auf eines der "Tragflächen"-Dächer macht die Größenverhältnisse des Bauwerks sichtbar. (Foto: Rolf Ters) |
Bemerkenswert sind auch die radial aufgeteilten Scharen an den beiden Flügelenden sowie oberhalb des Haupteinganges, deren Maße die Handwerker direkt vor Ort in 1:1-Abwicklungen ermittelten. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß auch bei diesem ungewöhnlichen Bauwerk die Forderungen nach Wirtschaftlichkeit, langer Nutzungsdauer und ansprechender Gestaltung mit einer handwerklich ausgeführten Metallbedachung in Klempnertechnik erfüllt wurden.
Bautafel
Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Oberfinanzdirektion Kiel, vertreten durch Landesbauamt Itzehoe.
Entwurfsidee: Zentrale Planungsstelle (ZP) der Landesbauverwaltung Schleswig-Holstein
Planung und Bauleitung: Schnittger Architekten, Kiel
Tragwerksplanung: Ing.-Büro KSK, Ascheberg
Betriebstechn. Anlagen: Ing.-Büro Andresen+Carstensen, Hamburg
Klempnerarbeiten: Rolf Ters, Uetersen
Fachberatung Metalldächer: Anwendungstechnik Rheinzink GmbH
L i t e r a t u r : Die Bauverwaltung und Bauamt & Gemeindebau, 12/94
*) Die Autoren sind Mitarbeiter der Rheinzink GmbH, Datteln
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