IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1998, Seite 70 ff.


RECHT-ECK


Anschluß- und Benutzungszwang bei Regenwassernutzungsanlagen

Die Rechtliche Situation der Brauch- und Regenwassernutzung

Herleitung und Voraussetzungen des Anspruchs auf Teilbefreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang

RA Guido Th. Pöttgen*

Angesichts des Umfanges der Problematik wird im folgenden dargestellt, wie der Anspruch auf Teilbefreiungen vom allgemeinen Anschluß- und Benutzungszwang rechtlich herzuleiten ist und unter welchen Voraussetzungen er steht. Hierbei soll im Rahmen dieses Beitrages hinsichtlich der Ausführungen zu den einzelnen Voraussetzungen zunächst nur der Bereich der Regenwassernutzung im privaten Bereich und den dort typischen Verbrauchsstellen näher beleuchtet werden.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß die Entscheidung zum Einbau und zur Nutzung einer Regenwassernutzungsanlage neben wirtschaftlichen Interessen immer auch eine Entscheidung, dem sich u.a. aus § 1 a Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie Art. 20 a GG ergebenden Gebot des sparsamen Umganges mit Wasser als begrenzter natürlicher Ressource nachzukommen ist.

Eingeschränkt wird die Möglichkeit zur Nutzung entsprechender Anlagen insbesondere durch den im gesamten Bundesgebiet in den Gemeindeordnungen verankerten allgemeinen Anschluß- und Benutzungszwang. Dieser Zwang, entstanden aus dem Bedürfnis der Erhaltung der Volksgesundheit, stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG dar, ist jedoch auch Ausfluß des Gedankens der Bindung des Eigentums.

Da ein Eingriff in die Grundrechte gegeben ist, ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sind dann auch die weiteren Vorschriften und Regelungen bis hin zum Satzungsrecht der Wasserversorgungsunternehmen zu betrachten, welche die Möglichkeiten der Regenwassernutzung einschränken und reglementieren. Wesentlich im Bereich dieser Regelungen und Vorschriften ist der § 35 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV).

Dieser sieht vor, daß geltende Rechtsvorschriften - wie die Satzungen der Wasserversorgungsunternehmen - welche das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, entsprechend dieser Verordnung anzupassen sind.

Fast alle Wasserversorgungsunternehmen sind inzwischen der durch § 35 Abs. 2 AVBWasserV vorgeschriebenen Satzungsanpassung nachgekommen, indem sie die bundesrechtlichen Vorgaben des § 3 AVBWasserV übernommen haben.

Wirtschaftliche Zumutbarkeit

Entsprechend § 3 Abs. 1 AVBWasserV haben die Wasserversorgungsunternehmen ihren Kunden im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug von Wasser auf einen von diesem gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken, d.h. eine Teilbefreiung vom Anschlußzwang zu ermöglichen.

Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist ein Ausgleich widerstreitender Interessen. Zum einen besteht ein Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst sicheren, kostengünstigen und zu weitgehend gleichen Bedingungen erfolgenden Wasserversorgung. Weiterhin bestehen jedoch auch Individualinteressen der einzelnen Verbraucher an einer Berücksichtigung ihrer jeweils besonderen Bedürfnisse und Wünsche (vgl. BVerwG, NVWZ 1982, 306).

Die Individualinteressen des einzelnen Verbrauchers sollen nur dann zurückstehen müssen, wenn ihre Berücksichtigung für das Versorgungsunternehmen wirtschaftlich unzumutbar ist (BVerwG, NVWZ 1986, 754 (755); BayVGH, KStZ 1985, 72 (73); HessVGH, HSGZ 1988, 294 (295); OVGNW, DÖV 1990, S. 151 (152)).

Das Vorliegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ist durch das Versorgungsunternehmen zu beweisen (vgl. OVG Koblenz, NVWZ-RR 1996, 193 (195); VGH Kassel, NVWZ 1988, 1049).

Das Argument wirtschaftlicher Unzumutbarkeit wird vielfach von den Wasserversorgungsunternehmen angeführt, um damit die Ablehnung eines Antrages auf Teilbefreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang zu stützen. Hierbei ist auffällig, daß im Rahmen der mir bekannten Verfahren die wirtschaftliche Unzumutbarkeit pauschal behauptet wird. Zumeist wird hierbei vorgebracht, es sei mit einer Vielzahl von Folgeanträgen seitens der Verbraucher zu rechnen, welche dann zu einer untragbaren Erhöhung der Wasserpreise für die übrigen Benutzer führen werde.

Dieses pauschale Behaupten reicht im Bereich des Versagungsgrundes der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit jedoch nicht aus um einen Teilbefreiungsantrag des Kunden zu Fall zu bringen. Das Versorgungsunternehmen hat, will es eine beantragte Teilbefreiung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit versagen, konkret darzulegen, welche gleichartigen Anträge vorliegen oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. VGH München, KStZ 1987, 130; OVGNW, DÖV 1990, S.151 (152); NVWZ-RR 1991, 585 (586)).

Die bloße Befürchtung von Folgeanträgen ohne konkrete Darstellung der preislichen Auswirkungen reicht nicht aus.

Weiterhin wird durch die Unternehmen oft eingewandt, weiteren noch nicht vorliegenden aber zu erwartenden Anträgen auf Teilbefreiung sei unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs.1 GG stattzugeben.

Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß auch der Gleichbehandlungsgrundsatz dann eine Ungleichbehandlung zuläßt, wenn hierfür sachgerechte Gründe gegeben sind.

Es besteht demnach auch im Bereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Unternehmen die Möglichkeit, Folgeanträge dann zurückzuweisen, wenn weitere Befreiungen aufgrund einer Situationsveränderung infolge schon erteilter Befreiungen zu einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit führen würden. Auch dieses ist dann, wie oben dargestellt, durch das Unternehmen konkret darzulegen.

Selbst wenn die Wasserversorgungsunternehmen - gerade auch auf dem Gebiet der neuen Bundesländer - in den letzten Jahren erhebliche Investitionen getätigt haben und daher auf eine entsprechende Wasserabnahme durch den Verbraucher angewiesen sind, so sind ihnen enge Grenzen gesteckt, einen Antrag auf satzungsgemäße Teilbefreiung vom Benutzungszwang aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen.

Rückwirkungen in das öffentliche Versorgungsnetz

Der weiterhin zumeist seitens der Wasserversorgungsunternehmen vorgebrachte Grund, um einen Teilbefreiungsantrag abzulehnen, ist das Argument der möglichen Rückwirkungen auf das öffentliche Wasserversorgungsnetz und den damit verbundenen Gefahren für die Volksgesundheit.

Dieses Argument entstammt § 3 Abs. 2 AVBWasserV, wonach der Kunde, welcher die Teilbefreiung begehrt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wassernetz möglich sind.

Diese Voraussetzung der AVBWasserV wurde ebenfalls durch fast alle Wasserversorgungsunternehmen in die entsprechenden Wasserversorgungssatzungen aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte zumeist verbunden mit dem Hinweis auf die in diesem Bereich einschlägige DIN 1988. Durch die Anwendung der DIN 1988 wird eine Trennung des öffentlichen Versorgungsnetzes und der privaten Regenwassernutzungsanlage gewährleistet.

Durch den fachgerechten Einbau einer Anlage unter Beachtung der DIN 1988 und entsprechender DIN-gerechter Kennzeichnung ist eine Rückwirkung auf das öffentliche Versorgungsnetz auszuschließen, so daß diese Voraussetzung im Rahmen des Teilbefreiungsantrages keine weiteren Schwierigkeiten aufwirft. Dem Wasserversorgungsunternehmen ist jedoch in diesem Zusammenhang ein umfassendes Prüfungsrecht sowohl vor als auch während des Betriebes der Anlage einzuräumen.

Entsprechend sieht § 3 Abs. 2 AVBWasserV eine Mitteilungspflicht des Kunden vor der Errichtung der Eigengewinnungsanlage vor, so daß eine Prüfung durch das Wasserversorgungsunternehmen praktisch auch ermöglicht wird.

Gefährdung der Volksgesundheit

Durch die Regenwassernutzungsanlage darf es weiterhin nicht zu einer Gefährdung der Volksgesundheit kommen.

Wie dargestellt, sind Gefährdungen der Volksgesundheit durch eine Verbindung öffentlicher Versorgungsnetze und privater Anlagen durch DIN-gerecht eingebaute Anlagen auszuschließen.

Weiterhin sind die Bereiche, in denen das gewonnene Wasser eingesetzt wird, einzuschränken. Die häufigsten Teilbefreiungsanträge privater Nutzer beziehen sich auf die Verbrauchsstellen Toilettenanlage und Waschküche sowie die Entnahme zum Zwecke der Gartenbewässerung bzw. der Fahrzeugwäsche. Die Nutzung von Regenwasser zum Zwecke der Fahrzeugwäsche sowie Gartenbewässerung ist hierbei bereits durch die meisten Satzungen expressis verbis von dem Anschlußzwang ausgenommen, so daß sich in diesen Fällen ein diesbezüglicher Teilbefreiungsantrag seitens des Kunden erübrigt.

Problematischer stellen sich die weiteren Anwendungsbereiche Toilettenspülung und Wäschewaschen dar.

Wird teilweise in der Literatur und auch im Rahmen von Veröffentlichungen des Bundesgesundheitsamtes immer noch davon ausgegangen, daß es sich bei Regenwasser um mikrobiologisch und chemisch verunreinigtes Wasser handelt, dessen Einsatz in den genannten Bereichen zu einer Gesundheitsgefährdung führe (so z.B. BGA-Pressedienst Nr. 50/1993; Bundesgesundheitsblatt Nr. 4/96, S. 134), so ist durch neuere Untersuchungen und Analysen gutachterlich belegt, daß neben den weiteren angesprochenen Nutzungsbereichen auch im Bereich der Toilettenspülung und dem Wäschewaschen ein gesundheitliches Risiko für den Menschen bei Verwendung von Regenwasser ausgeschlossen werden kann (so z.B. Gutachten von Dr. R. Holländer "Mikrobiologisch-hygienische Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser für Toilettenspülung, Gartenbewässerung und Wäschewaschen" in: Das Gesundheitswesen, 58. Jahrgang, Heft 5, S. 287 ff.)

Es liegen jedoch auch diverse durch Städte- und Gemeinden in Auftrag gegebene Gutachten vor, welche zum gleichen Ergebnis führen. Es kann diesbezüglich z.B. auf ein Gutachten der Stadt Hannover aus dem Jahre 1995 verwiesen werden, welches unter Berücksichtigung mehrerer Pilotanlagen erstellt wurde. Aber auch in der Rechtsprechung wird nicht von einer Gefahr für die Volksgesundheit ausgegangen.

So hat z.B. das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom 9. Juli 1992 (Az.: 22 A 2675/91) hinsichtlich eines Teilbefreiungsantrages, bezogen auf eine Teilbefreiung, für die Verbrauchsstellen Toilettenspülung, Waschküche und Gartenberieselungsanlage u.a. ausgeführt:

"Auch die vom Beklagten angeführten Gefahren für die Volksgesundheit - soweit diese der Satzungsgeber mit der Normierung der Teilbefreiung entsprechend der Vorgaben des § 3 (AVBWasserV) nicht schon als generell unbeachtlich eingestuft hat - sind im Falle einer weiteren Nutzung der Eigenwasseranlage des Klägers für die von ihm genannten eingeschränkten Gebrauchszwecke konkret nicht zu befürchten."

Die von der Nutzung des Regenwassers ausgehenden Gefahren werden in diesem Urteil mit denjenigen verglichen, welche von Springbrunnen und von sonstigen nicht durch Trinkwasser gespeisten Wasserspielen ausgehen, die in der Öffentlichkeit betrieben werden.

Zum gleichen Ergebnis kommt auch ein rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichtes Weimar aus dem Februar dieses Jahres (Az.: 6 K 900/97.We). Gegenstand des Rechtsstreites war die Ablehnung eines Teilbefreiungsantrages einer Kassenärztlichen Vereinigung, welche Teilbefreiung in bezug auf die Abnahmestelle Toilettenspülung vom dortigen Wasserversorgungszweckverband begehrte.

Es bleibt damit festzuhalten, daß eine Gefährdung der Volksgesundheit durch die Nutzung von Regenwasser aus fachgerecht installierten Regenwassernutzungsanlagen in vorgenannten Nutzungsbereichen nicht gegeben ist.

Bei Berücksichtigung der zuvor dargestellten Voraussetzungen ist damit im Ergebnis festzustellen, daß ein Kunde bei DIN-gerechter Installation einer privaten Regenwassernutzungsanlage, wirtschaftlicher Zumutbarkeit für das jeweilige Versorgungsunternehmen sowie Beachtung der bestehenden Antragserfordernisse einen Anspruch auf Teilbefreiung hinsichtlich der genannten Nutzungszwecke hat.

Bei dem sich ergebenden Anspruch auf Teilbefreiung vom Benutzungszwang handelt es sich meines Erachtens auch nicht lediglich um einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sondern um einen gebundenen Anspruch.

Das Vorliegen eines gebundenen Anspruchs des Kunden ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung von Satzungsbestimmungen im Hinblick auf die bundesrechtlichen Anforderungen aus § 3 Abs. 1 AVBWasserV.

Gemäß dem Wortlaut der Regelung "hat" und nicht "kann" das jeweilige Wasserversorgungsunternehmen den Benutzern im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihnen gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken.

Sind demnach die satzungsgemäßen Voraussetzungen erfüllt, so ist die Teilbefreiung durch das Versorgungsunternehmen auszusprechen. Ein Ermessen seitens des Unternehmens ist nicht mehr gegeben.


*) Anwaltskanzlei Rössl & Pöttgen, Chemnitz


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]