IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1998, Seite 65 f.
INTERVIEW
Keramag
Markenprofilierung
Nach nur wenigen Monaten Vorstandstätigkeit übernahm Dr. Georg Wagner kürzlich den Vorstandsvorsitz der Keramag AG. Anlaß für die Redaktion der IKZ-HAUSTECHNIK, mit Dr. Wagner über den Themenkomplex Marke/Mehrwert zu sprechen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wo sehen Sie die Vorteile einer "Marke" für die SHK-Branche?
Dr. Wagner: Der Begriff Marke wird geprägt durch ein sehr umfangreiches Bündel an Leistungsmerkmalen. Allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten innerhalb der einzelnen Distributionsstufen. So sind auf Seiten der Hersteller z.B. Fragen nach der Kompetenz bei der Produktentwicklung, den Lieferzeiten oder den Garantie- und Kulanzregelungen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Anforderungen auf der Kundenseite; denken Sie nur an private Konsumenten oder institutionelle Investorengruppen, die unterschiedlich bedient werden müssen. Generell darf Marke nicht nur ein durch werbliche Maßnahmen erzeugtes "Image" darstellen. Es geht darum gemeinsam mit den verschiedenen Vertriebsstufen auch etwas zu realisieren, was letztlich allen Beteiligten - vom Hersteller bis zum Endkunden - Vorteile bringt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Glauben Sie daß "eine" Marke die von Ihnen dargelegte Bandbreite vollkommen abdecken kann?
Dr. Wagner: Wir glauben nicht nur daran, sondern stellen mit einer detailliert definierten Angebotsauswahl, die der Segmentierung des Marktes gerecht wird, tagtäglich diese Leistungsfähigkeit unter Beweis.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie sind aus Ihrer Sicht "Hausmarken" zu sehen?
Dr. Wagner: Sehr kritisch.
"Marke darf nicht nur ein durch werbliche Maßnahmen erzeugtes Image darstellen."
IKZ-HAUSTECHNIK: Vom Fachhandwerk wird zunehmend der Verkauf von "Mehrwert" gefordert. Wie definieren Sie diesen Begriff?
Dr. Wagner: Mehrwert ist vorrangig in der Planungsphase zu sehen, also bei der Kundenbetreuung und -beratung. Etwa bei der Fragestellung: Wie optimiere ich die Badgestaltung? Natürlich müssen auch hier die Erwartungen der entsprechenden Zielgruppen berücksichtigt werden. So sollte im Privatbereich eine Badplanung nicht ausschließlich nach den örtlichen Gegebenheiten sondern nach den Bedürfnissen und Wünschen der Nutzer geplant und ausgeführt werden. Blickt man in den gewerblichen Bereich, so kann z.B. die Reinigungsfreundlichkeit von außerordentlicher Wichtigkeit sein. Das gesamte Spektrum der Beratungsleistung muß jedoch bereits beim Hersteller beginnen. Die Entwicklung montage- und servicefreundlicher Produkte gehört ebenso dazu wie übersichtliche und verständliche Handbücher, Nachkaufgarantien und Gewährleistungsvereinbarungen. Auch die Fachhandwerker sind in besonderem Maße gefordert. Sie sind mit den Realitäten vor Ort wie kein anderer vertraut und erkennen häufig auf einen Blick die Möglichkeiten der individuellen Badgestaltung, was letztlich in der Formulierung eines problemlösungsorientierten Angebots münden muß. Als weiterer wichtiger Punkt ist die konsequente Durchführung der Dienstleistung zu nennen. Also beispielsweise die fristgemäße und bestellkonforme Lieferung der Produkte, die durch einen qualifizierten Produzenten und den zuliefernden Großhandel abzusichern ist sowie durch die saubere und pünktliche Arbeitsdurchführung.
IKZ-HAUSTECHNIK: Mehrwert in Form zusätzlicher Beratungsleistung bedeutet auch höhere Preise. Wie sollen diese bei gleichen Produkten durchgesetzt werden, wenn der Mitbewerber an der nächsten Straßenecke darauf verzichtet?
Dr. Wagner: Das ist eine Frage der Kalkulation. Weitere Differenzierungen halte ich bei dem bereits vorhandenen breiten Produktspektrum nicht für tragfähig. Markentreue zahlt sich für die Verarbeiter schon deshalb aus, weil sie die zuvor genannte notwendige Unterstützung eines Marken-Herstellers langfristig sicherstellt. Im übrigen zeugt eine ausgewogene und qualifizierte Kundenbetreuung von Kompetenz, die noch lange nicht jeder Mitbewerber erbringt.
"Markentreue sichert langfristig die Unterstützung des Herstellers."
IKZ-HAUSTECHNIK: Markenprodukten haftet gelegentlich auch der Makel "zu teuer" an. Gibt es keine Probleme mit Plagiaten?
Dr. Wagner: Sie sprechen damit ein Thema an, das vor nicht allzu langer Zeit von uns aktiv aufgegriffen wurde. Einerseits gehen die Aktivitäten der "Trittbrettfahrer" zu Lasten der betroffenen Hersteller, die enorme Mühen und Kosten in neue Produkte investieren. Andererseits sind aber auch die Partner im professionellen Vertrieb betroffen, denn Plagiatproduzenten sind lediglich daran interessiert, ihre Produkte zu verkaufen. Die von Markenproduzenten im professionellen Vertrieb selbstverständlich angebotenen zusätzlichen Dienstleistungen wie z.B. Nachkaufgarantie, Gewährleistungsvereinbarungen oder technische Kundenbetreuung bleiben dabei auf der Strecke.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sehen Sie derzeit besondere Schwierigkeiten für den professionellen Vertrieb in Deutschland?
Dr. Wagner: Die sprunghafte Absatzentwicklung zu Beginn der 90er Jahre darf kein Maßstab sein. Unser Warenabsatz in Westdeutschland hat heute etwa die Größenordnung wie zum Ende der 80er Jahre. Allerdings hat sich die Situation in Ostdeutschland etwas verschlechtert. Ich sehe nicht mehr oder weniger Schwierigkeiten als in der Vergangenheit. Wenn jeder Partner seinen Beitrag am professionellen Vertrieb nach bestem Wissen und Gewissen leistet, wird es auch zukünftig keine Probleme geben.
"Wenn jeder Partner seinen Beitrag am professionellen Vertrieb nach bestem Wissen und Gewissen leistet, wird es auch zukünftig keine Probleme geben."
IKZ-HAUSTECHNIK: Also Friede, Freude, Eierkuchen?
Dr. Wagner: Friede, Freude, Eierkuchen gibt es aufgrund der spannungsgeladenen Zusammenarbeit nie. Die Bedürfnisse der Endkunden müssen von allen Marktpartnern erfüllt werden. Dabei gilt es einen reibungslosen Ablauf zu realisieren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sind noch nicht allzu lange in der SHK-Branche beheimatet. Können Sie neue Impulse aus ihren vorhergegangenen Tätigkeiten in die SHK-Branche übertragen?
Dr. Wagner: Die Kenntnis unterschiedlicher Vertriebsformen ist sicher kein Nachteil. Innerhalb dreistufiger Vertriebsformen ist es möglich, sich wechselseitig weiter zu entwickeln, Strukturen kritisch zu beäugen und anzupassen sowie Geschäftsprozesse gemeinsam zu optimieren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie haben in der Vergangenheit auch verantwortliche Positionen im Werkzeugmaschinenbereich bekleidet. Kann die Entwicklung dort für die SHK-Branche Anlaß zum Nachdenken geben?
Dr. Wagner: In der Werkzeugmaschinenbranche wurde seinerzeit der Wunsch des Handels nach "preiswertesten" Produkten durchgesetzt. Für Hersteller und Handel kann sich die Entscheidung bei diesem Preiskampf mitzuwirken nach einigen Jahren als Bumerang erweisen. Die völlig unnötig in Bewegung gebrachte Preis-Spirale hat dazu geführt, daß der ein oder andere Hersteller der aktiv diese Entscheidung mitgetragen hat, heute nicht mehr an Bord ist und auch der Handel keine rechte Freude an der damals forcierten Vorgehensweise hat. Man sieht aber andererseits auch eine starke Wiederbelebung der Marken. Das zeugt von einem existierenden Vertrauen der Kunden in kompetente Hersteller die Sicherheit, Qualität und Service bieten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Der Wunsch nach "preiswertesten" Sanitärartikeln ist derzeit unüberhörbar. Ist das von Ihnen geschilderte Szenario auch in der SHK-Branche vorstellbar?
Dr. Wagner: Durchaus. Ist die Preis-Spirale erst einmal in Bewegung gesetzt, kommt natürlich die ein oder andere Unternehmensleitung ins grübeln, wenn zweistellige Umsatzzuwächse in Aussicht gestellt werden. Stimmt dann der Ertrag nicht mehr, sind jedoch die Folgen, wie zuvor skizziert, vorprogrammiert - und dies in allen Stufen des Vertriebsweges.
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