IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1998, Seite 121 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Der Chef als Kunde und Dienstleister seiner Mitarbeiter

Erfolgreich führen in der Kunden-Lieferanten-Organisation

Dipl.-Kfm. Manfred R.A. Rüdenauer* Teil 5

Nachdem das Prinzip der Führung im Kunden-Lieferanten-Verhältnis in den letzten Beiträgen dargestellt worden ist, geht es in dieser und der nächsten Folge um die Führungsfunktionen und ihre erfolgreiche Wahrnehmung.

Grundlage zeitgemäßer Führung in der Kunden-Lieferanten-Organisation sind der in drei Phasen gegliederte Führungsprozeß (in den zwei vorherigen Beiträgen ausführlich erörtert) und ein aus Beobachtungen der Führungspraxis gewonnenes System von Führungsfunktionen. Als Führungsfunktionen bezeichnen wir die für den unternehmerischen Führungsprozeß typischen fünf Aufgabengesamtheiten: Informieren, Initiieren, Qualifizieren, Koordinieren/Kooperieren, Kontrollieren. Durch die Wahrnehmung der Führungsfunktionen sollen die beiden grundlegenden Zielsetzungen erreicht werden, die alle Wirtschaftsunternehmen in Wettbewerbssituationen unaufhörlich verfolgen müssen:

  1. ihren (potentiellen) Kunden nützlich zu sein, und
  2. dies zu wettbewerbsfähigen Kosten zu tun.

Das erste Ziel verlangt, daß sich das Unternehmen - und das heißt: seine Mitarbeiter (sämtliche Führungskräfte sind ebenso gemeint) - strikt an den Bedürfnissen seiner (potentiellen) Kunden orientiert. Von der Produktentwicklung, der Konstruktion und der Werbung, über die Auswahl der Zulieferer, die Fertigung, die Auslieferung und die Montage bis hin zum Service und der Kundenbetreuung muß alles auf den Nutzen für den Kunden ausgerichtet sein.

Das zweite Ziel verlangt technisches und ökonomisches Wissen und die Fähigkeit, es umzusetzen. Dabei kommt es einerseits darauf an, den Nutzen für den Kunden durch das Angebot eines Produkts oder einer Dienstleistung technisch oder auch ökonomisch zu verwirklichen. Andererseits muß dies durch sparsamen Einsatz von Kapital und Arbeit geschehen, was ebenfalls technische und ökonomische sowie zudem organisatorische Leistungen erfordert.

Beide Ziele lassen sich nur mit gut qualifizierten und einsatzfreudigen Menschen erreichen, die effizient zusammenarbeiten. Dies dauerhaft zu gewährleisten, ist Aufgabe der Führung.

Die Führungsaufgabe

Die wenigsten Führungskräfte sind durch eine vorausgehende Ausbildung oder durch berufsbegleitende Weiterbildung auf ihre Aufgabe vorbereitet. Führen wird von den meisten "wild" gelernt, durch Versuch und Irrtum.

Mitarbeiterführung ist aber heute viel zu wichtig, als daß man sie dem Zufall überlassen könnte. Im Zeitalter des globalen Wettbewerbs, in dem die Kundenansprüche ebenso schnell steigen wie die Preise fallen, mit unaufhörlichem Druck auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter, ständig zu lernen, um besser zu werden als die Konkurrenz, kommt es mehr denn je auf das optimale Zusammenspiel der Belegschaften an. Die Führungsqualität entscheidet maßgeblich darüber, wie gut das Zusammenspiel klappt, wie nützlich sich die einzelnen Mitarbeiter mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten in den gemeinsamen Leistungsprozeß einbringen und wie erfolgreich die Mannschaft am Markt schließlich ist.

Bild 3: Der Führungsprozeß mit seinen Phasen und Funktionen.
 

Führen heißt, erwünschtes Verhalten und erwünschte Leistungen durch (persönliche) Einwirkung auf Mitarbeiter zu erreichen. Damit ist die Führung als Kommunikationsaufgabe definiert. Sie wird von den Vorgesetzten in allen drei Phasen des Führungsprozesses (z.B. durch Information, Delegation, Qualifizierung, Kontrolle) wahrgenommen, und sie vollzieht sich in Form zahlreicher Einzel- und Gruppengespräche in Form von Vorträgen, schriftlichen Berichten sowie durch schriftlich fixierte Ordnungen, Regelungen, Arbeits- und Verfahrensanweisungen. Aus der kommunikativen Natur der Führung folgt, daß Führungskräfte effektive Kommunikatoren sein müssen, wollen sie erfolgreich sein. In Bild 3 ist das dargestellt.

Die Führungsfunktionen

Der Führungsprozeß in einem Unternehmen besteht aus sämtlichen Aktivitäten, mittels derer die Führungskräfte ihre Führungsfunktionen wahrnehmen. Die Führungsfunktionen und die aus ihnen abzuleitenden Detailaufgaben bilden die qualitativen Vorgaben für das Führungshandeln. Sie werden im folgenden nur knapp skizziert, müssen im Rahmen eines betrieblichen Qualitätsmanagements aber genau und operational beschrieben werden.

Führungsfunktion 1: Informieren

Zum reibungslosen Funktionieren benötigt der betriebliche Führungs- und Leistungsprozeß einen geregelten, störungsfreien Informationsfluß zwischen den einzelnen Abteilungen und Mitarbeitern, horizontal und vertikal sowie von außen in den Betrieb und vom Betrieb nach außen. Nur richtig informierte Mitarbeiter können ihre Potentiale an Wissen und Können optimal zur Verfolgung der Unternehmensziele einsetzen. Das klingt selbstverständlich. Leider handeln allzuviele Vorgesetzte nicht danach und verhindern dadurch mögliche Produktivitätsverbesserungen. Siehe hierzu den Kasten "Sind Sie sicher, daß".

Zu den Führungsaufgaben gehört es, dafür zu sorgen, daß alle benötigten Informationen zur richtigen Zeit in der richtigen Form an der richtigen Stelle sind. Informationen sind Entscheidungsgrundlagen. Von deren Qualität hängen die Richtigkeit bzw. Angemessenheit der Entscheidungen ab und in der Folge schließlich der Unternehmenserfolg.

Die Qualität der betrieblichen Information übt auch nachhaltigen Einfluß auf das geistige Klima in einem Betrieb sowie auf die Motivation der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Unternehmen aus. Information kann dazu beitragen, daß Mitarbeiter sich als Glieder eines organischen Ganzen empfinden und ihre Tätigkeit als sinnvollen Beitrag zur gemeinsamen Leistung sehen. Fehlende oder unzureichende Information kann Fehlverhalten der Mitarbeiter auslösen oder ihnen das Gefühl der Sinnlosigkeit ihres Tuns und der Entfremdung geben. Deshalb sollten Führungskräfte der betrieblichen Information viel mehr Aufmerksamkeit widmen als sie es leider üblicherweise tun.

Eine große Herausforderung für das Informationsmanagement sind die Auswahl (Informationsflut!) und Aufbereitung (Verständlichkeit, Verwertbarkeit) der Informationen. Im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung besteht eine Tendenz zur Überinformation, wobei die Informationsanbieter auf die Bedürfnisse der Informationsempfänger allzu wenig Rücksicht nehmen. Die Folge sind einerseits Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat, und andererseits unbrauchbare oder fehlende Antworten auf wichtige Fragen.

Führungskräfte müssen als Informationslieferanten in der Lage sein, ihre Mitarbeiter zutreffend und in angemessener Form zu informieren, und sie müssen die Informationsbedürfnisse ihrer Organisationseinheiten als Kunden gegenüber potentiellen Informationslieferanten artikulieren können.

Führungsfunktion 2: Initiieren

Initiieren bedeutet: Ziele setzen bzw. mit Mitarbeitern vereinbaren, Leistungsprozesse durch Beauftragen, Anweisen oder Delegieren ingangsetzen und organisatorische Voraussetzungen dafür schaffen, daß Mitarbeiter unternehmerisch mitdenkend handeln können. Initiativen, die Mitarbeiter zum selbständigen und eigenverantwortlichen Handeln bringen sollen, bedürfen gewissenhafter Information!

Führungskräfte unterscheiden sich von Verwaltern dadurch, daß sie ihr Unternehmen im Einklang mit der Entwicklung der Unternehmensumwelt vorantreiben. Sie geben dem Denken und Handeln ihrer Mitarbeiter Impuls und Richtung. Die Initiierungsfunktion erfordert, daß der Blick der Führungskräfte über ihre Schreibtischkante hinausreicht und auch die Vorgänge in der Umwelt (z.B. Innovationen, Marktbewegungen, Kundenbedürfnisse, rechtliche und politische Entwicklungen) sowie deren Bedeutung mit erfaßt. Insofern repräsentiert die Führungsfunktion Initiieren den eigentlichen unternehmerischen Aspekt der Führung.

Hauptaspekte dieser Führungsfunktion sind Zielsetzung sowie Anstoß und Motivierung. Aufgabe der Führungskräfte ist es, attraktive (weil z.B. herausfordernde) Leistungsziele für die eigene Organisationseinheit zu bestimmen, die Mitarbeiter einzusetzen und zu motivieren.

Mitwirkung bei der Zielbestimmung ist für Mitarbeiter höchst motivierend. Erleben sie sich dadurch doch als Teilhabende und Mitgestalter des Betriebsprozesses und nicht nur als Betroffene. Führungskräfte sind gut beraten, ihre Mitarbeiter an der Zielbestimmung zu beteiligen. Die Frage: "Was kann ich, was können wir zum Zukunftserfolg des Unternehmens beitragen?" sollte dabei allgegenwärtig sein.

Das Bewirken von Leistungen durch Mitarbeiter erfordert, daß die Führungskräfte Handlungsimpulse vermitteln. Das kann durch (einzelne) Anweisungen oder durch (generelle) Delegation geschehen. Die Delegation entspricht am besten den Erfordernissen komplexer Organisationen in sich schnell wandelnden Umwelten und den Bedürfnissen hochqualifizierter Mitarbeiter. Siehe hierzu den Kasten "Voraussetzungen für eine effektive Delegation sind".

Sofern die Voraussetzungen für Delegation beim Mitarbeiter oder in den technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen noch nicht vorhanden sind, ist es die Aufgabe des Vorgesetzten, dafür zu sorgen, daß sie - z.B. durch Leistungsvereinbarungen mit anderen Betriebsteilen oder durch Qualifizierungsmaßnahmen - geschaffen werden.

Die Delegation von Aufgaben verlangt vom Mitarbeiter selbständige, eigenverantwortliche Tätigkeit. Sie gibt ihm einen nur von seiner Aufgabenstellung und den zu verfolgenden Zielen eingegrenzten relativ großen Entfaltungsspielraum. Die Kontrolle seiner Arbeit kann er anhand vorher gemeinsam mit dem Vorgesetzten festgelegter Kriterien weitgehend selbst vornehmen. Das wirkt sich erfahrungsgemäß günstig auf seine Einsatz- und Leistungsbereitschaft aus. Delegation fordert vom Mitarbeiter aber auch Selbstdisziplin, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft. Jeder Führungspraktiker weiß, daß nicht alle Mitarbeiter diese Eigenschaften in der wünschenswerten Ausprägung mitbringen. Für solche Mitarbeiter wird der Entscheidungs- und Entfaltungsspielraum (zunächst) enger definiert und der Vorgesetzte begleitet und beaufsichtigt sie intensiver als ihre selbständigeren Kollegen. Mit der Zeit und nach Qualifizierungsmaßnahmen werden aber auch viele dieser Mitarbeiter einen größeren Freiraum für eigenverantwortliche Tätigkeit zu schätzen wissen.

Führungskräfteausbildung kann den Vorgesetzten helfen, die Führungsmethode der Delegation besser zu nutzen. Dazu muß sie ihnen die Techniken der Zielsetzung bzw. Aufgabenstellung und der Ergebniskontrolle vermitteln. Außerdem müssen die Führungskräfte häufig erst lernen, Aufgaben zur selbständigen Bearbeitung an ihre Mitarbeiter abzugeben, weil sie irrtümlich glauben, damit an Macht und Einfluß zu verlieren. Das Vertrauen der Vorgesetzten in das Können und die Zuverlässigkeit ihrer Mitarbeiter steht im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Befürchtung, entbehrlich zu werden. Erfolgreiche Führungskräfte zeichnen sich aber gerade dadurch aus, daß sie ihre Mitarbeiter dazu bringen, in selbständiger Arbeit das (oder sogar mehr) zu leisten, was sie von ihnen erwarten. Die Führungsfähigkeit eines Vorgesetzten spiegelt sich im Verhalten und in den selbständig erbrachten Leistungen seiner Mitarbeiter wider. (Fortsetzung folgt)


Sind Sie sicher, daß


Voraussetzungen für eine effektive Delegation sind


*) Der Autor, Dipl.-Kfm. Manfred R.A. Rüdenauer, ist neben seiner inzwischen über 24jährigen Tätigkeit als Berater, Trainer und Coach auf den Gebieten Kommunikation, Führung, Verkauf und Personalentwicklung auch Autor mehrerer Bücher.


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