IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1998, Seite 42 f.



Messe und Technik

Interview der IKZ-HAUSTECHNIK mit Josef Rahmen, Geschäftsführer Technik der Leipziger Messe GmbH.

IKZ-HAUSTECHNIK: Das neue Leipziger Messegelände ist mit modernster Gebäudetechnik ausgerüstet. Jetzt ist sie über zwei Jahre in Betrieb. Wie hat sie sich bewährt; sind die errechneten Werte erreicht?

Rahmen: Diese Frage nach dem Erreichen der geplanten Werte kann uneingeschränkt mit ja beantwortet werden. Wir haben während des Probebetriebes und der Anpassungsphase der Meß-, Steuer- und Regelungstechnik an die im Messebetrieb sehr unterschiedlichen Anforderungen die Anlagen optimiert. Die Ergebnisse des ersten "echten" Betriebsjahres 1997 haben gezeigt, daß mit den Anlagen ein sehr wirtschaftlicher Betrieb möglich ist. Aus den Befragungen der Aussteller und Besucher wissen wir, daß trotz des sehr kostengünstigen Betriebes Qualität und Funktionalität der Technik des Messegeländes mit gut bis sehr gut bewertet werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Trägt die installierte Technik und die Gebäudeautomation zur Kostensenkung bei? Können Sie dazu Beispiele nennen?

Rahmen: Über die mehr als 30000 Datenpunkte der Gebäudeautomation werden umfangreiche Informationen zum Betrieb des Messegeländes an die zentrale Leittechnik übermittelt. In Auswertung der eingegangenen Daten konnten die Betriebsweisen der sehr kostenintensiven Bereiche Kälteerzeugung, Heizung und Lüftungstechnik in ihren Fahrweisen an die laufenden Veranstaltungen optimal angepaßt werden. So werden wir z.B. im Ergebnis der Auswertung des Schwachlastbetriebes der Heizzentrale zusätzlich ein kleines BHKW einbauen. Die Kombination von Wärme- und Stromerzeugung führt gerade während der Sommermonate zu erheblichen Kosteneinsparungen gegenüber heruntergeregeltem oder getaktetem Heizkesselbetrieb. Die Gebäudeautomation läßt einen optimierten Betrieb des 54 MWh großen Eisspeichers zu und reduziert hierdurch die Einschaltzeiten der Großkälteanlagen.

IKZ-HAUSTECHNIK: In der Messeleitzentrale werden alle Leitungen zu einem umfassenden Überwachungs- und Regelungssystem verknüpft. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Zentrale, läßt sie sich während einer Störung auch manuell bedienen?

Rahmen: Die Einrichtung einer zentralen Gebäudeleitwarte, in der neben den Daten der Gebäudetechnik auch die Daten aller Sicherheitssysteme zusammenlaufen, hat sich bewährt. Gerade für den Stör- und Krisenfall besteht so die Möglichkeit, zentral an einem Punkt alle Informationen auszuwerten und weiterzugeben. Unabhängig von der Zusammenführung aller Daten in die zentrale Leitwarte laufen selbstverständlich die einzelnen Systeme über Unterstationen, die über BUS-Systeme an die Leitwarte angebunden sind. Diese Struktur garantiert bei Ausfall der zentralen Einrichtungen oder bei Unterbrechungen im BUS-System das autarke Weiterarbeiten aller Unterstationen. Eine manuelle Bedienung vor Ort ist für alle Systeme, sowohl die Gebäudeleittechnik wie auch die sicherheitstechnischen Anlagen betreffend, im eingeschränkten Umfang möglich. Ein Notbetrieb ist selbst bei Ausfall der Zentrale und der Unterstationen gewährleistet. Ein Höchstmaß an Ausfallsicherheit wird durch eine Kombination von Stern- und Ringverkabelung und eine komplette Versorgung aller Gebäude und Sicherheitssysteme über Notstrom erreicht.

IKZ-HAUSTECHNIK: Letzte Frage: Sehen Sie in der Gebäudeautomation einen Markt für die Zukunft oder hat er bereits begonnen?

Rahmen: Die Zukunft der Gebäudeautomation hat bereits vor einigen Jahrzehnten begonnen. Ich selbst habe schon Anfang der 70er Jahre mit gebäudeleittechnischen Systemen gearbeitet, welche aber bei weitem nicht den Komfort aufwiesen wie die heutigen Systeme. Hierbei handelte es sich überwiegend um Fernwirkanlagen für das Ein- und Ausschalten von Anlagen und deren Überwachung, kombiniert mit pneumatischen, nur vor Ort einstellbaren Regelungen. Mit der Miniaturisierung der Reglerkomponenten und dem Einsatz moderner, preiswerter Mikroprozessoren hat die Gebäudeautomatisierung neue Dimensionen erreicht. Sie ist heute im gewerblichen Bereich "Stand of the art" und aus dem alltäglichen Betrieb nicht mehr wegzudenken. Im Gegensatz zum gewerblichen Bereich, in dem Gebäudeautomation heute aus betriebswirtschaftlichen Gründen eingesetzt werden muß, wird im privaten Bereich die Gebäudeautomation nur in Einzelkomponenten, z.B. Heizkesselsteuerung, verwendet. Möglichkeiten, die Gebäudeleitsysteme im nichtgewerblichen Bereich bieten, werden nicht erkannt bzw. im Verhältnis zu konventioneller Technik als noch zu kostenintensiv angesehen. Ich glaube daher, daß sich dies in den nächsten Jahren sehr stark verändern wird, da hier ähnliche Entwicklungen zu erwarten sind, wie in der Kfz-Technologie. Wenn man bedenkt, daß heute in einem modernen Mittelklassewagen mehr Meß-, Steuer- und Regelungstechnik installiert ist als in einem Einfamilienhaus und der Kostenanteil für diese Systeme nicht unerheblich ist, kann man ermessen, welches Potential hier noch erschlossen werden kann. Die Chancen und der Nutzen der Automatisierungstechnik müssen hinsichtlich Komfort und Sicherheit klarer dargestellt werden.


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