IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1998, Seite 84 ff.


INTERVIEW


Einzelhandels-Diskussion

"Es geht keineswegs nur um die Marge"

Über eine forsche "Initiative" und den neuen Reformeifer in der Sanitärbranche

Was die TV-Nation in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes mehr oder weniger schmerzlich vermißt, fand in der Sanitärbranche - allerdings unter Ausschluß der Öffentlichkeit - bereits Mitte Juni 1998 statt: Ein Treffen, das man gemeinhin respektlos als "Elefantenrunde" bezeichnet. Gekrönte und ungekrönte Häupter von Industrie, Großhandel und Handwerk diskutierten in Berlin über Gegenwart und Zukunft des traditionellen Vertriebsweges. Egal, ob es wirklich der erste gemeinsame Top-Zirkel war, chronikverdächtig dürfte er bestimmt sein. Denn: Nach jahrelangen Debatten wurden in der Hauptstadt durch die Bildung eines paritätisch besetzten Arbeitskreises konkrete Weichen zur Lösung eines in der Tat drängenden Problems gestellt - dem leistungsgerechten Umgang mit einzelhandelsaktiven Installateuren. Bereits in wenigen Monaten soll ein praktikables Konzept auf dem dreistufigen Tisch liegen.

Markenprodukte oder Hausmarken? Zumindest der Sprecher der neuen Initiative favorisiert Sortimente mit erkennbarem Herstelleretikett.

Wenn sie es auch bisher nicht aussprach, die Ehre, den Stein ins Rollen gebracht zu haben, reklamiert vermutlich eine im März gegründete Interessengemeinschaft für sich. Sie heißt "Initiative Einzelhandel Bad in Deutschland". Unter diesem Dach formierten sich mehrere Handwerkerkooperationen wie "bad & heizung", "SHK" und "Simba" sowie zahlreiche "Einzelkämpfer". Ihren ersten öffentlichen Auftritt garnierte die Gruppe gleich mit durchaus kämpferischen "Grußadressen" primär an Großhandel und Industrie. Tenor: Wenn man die besonderen Kosten und Leistungen professioneller Einzelhändler im Handwerksbereich nicht bald angemessen honoriert, müssen die sich eben nach anderen Partnern umsehen.

LUXUS

"Regionale Lösungen sind große Zeitverschwendung auf allen Seiten, die wir uns nicht mehr leisten können."

Franz-Josef Meier zur Forderung der Initiative, ganzheitliche Branchenkonzepte zu entwickeln.

Keinen vergessen

Wohl als ein weiterer (positiver) Effekt des Berliner Forums klingen die Töne inzwischen zwar wieder erheblich moderater, aber für die IKZ-HAUSTECHNIK war der "initiative" Schritt Grund genug, Meinungen und Perspektiven zu hinterfragen. Natürlich bei allen beteiligten Vertriebsstufen. Für die Redaktion übernahm Frank Linnig diesen Job. Am Ende kam dabei immerhin eine kleine "Elefantenrunde" heraus - ohne externe "Beauftragte".

Wer sein Geld nicht zum Fenster hinauswerfen will, muß den Einzelhandel professionell betreiben. Dazu gehört natürlich auch die entsprechende Partner-Unterstützung.

Im einzelnen standen Rede und Antwort: Franz-Josef Meier als Sprecher der Initiative für die Handwerkerfraktion, Gienger-Chef Heinz Wippich als 2. DGH-Vorsitzender für den Großhandel und Sanipa-Geschäftsführer Dieter Kerth als Vorsitzender der Industrievereinigung Badeinrichtung (IBE) für die Produzentenseite. Logisch, daß dabei nicht alle Fragen alle Trio-Mitglieder gleichermaßen betrafen. So war der Beginn der journalistischen Recherche ein reines "Meier-Thema".

RUHE

"Manchmal ist es besser, nicht hektisch zu reagieren."

Heinz Wippich mit vornehmer Kritik an den anfangs harschen Tönen der Interessengemeinschaft.

Selbstporträt zum Einstieg

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie charakterisiert die Initiative sich selbst? Welche Hintergründe, Ziele, Strukturen und Mitglieder hat sie?

Meier: In der Initiative haben sich Menschen zusammengefunden, die seit vielen Jahren gemeinsam mit Kollegen oder beauftragt durch einzelhandelsaktive Installateure den Markt und die Branche aus der Perspektive des Einzelhändlers betrachten. Allen gemeinsam ist die Einschätzung, daß diese Branche nach wie vor strukturell und finanziell den echten Badeinzelhändler benachteiligt. Das wurde durch die Absenkung der Bruttopreise und verschleierte Preiserhöhungen im Großhandel auf breiter Front im Frühjahr dieses Jahres so schmerzhaft spürbar, daß endlich gelang, was eigentlich schon viel früher hätte passieren müssen: Daß sich diejenigen zusammentun, die ein gemeinsames Anliegen haben.

Zur Struktur unserer Arbeit: Wie es schon in den ersten Verlautbarungen zu lesen war, verstehen wir uns vor allem als kompetente Gesprächspartner für alle, die eine echte Lösung wollen. Und die scharen sich in der Tat bereits um die Initiative. Es gibt fortwährend Gespräche mit Vertretern aus Großhandel, Industrie und ZVSHK. Anders, als dies bisher in der Branche üblich war, geschieht das allerdings nicht öffentlich, sondern spontan, schnell und individuell. Das beschreibt gleichzeitig die Arbeitsweise in der Initiative. Wir verlieren keine Zeit mit Vereinsmodalitäten, sondern kommunizieren auf kürzesten Wegen miteinander. Dadurch erreichen wir eine neue Qualität von Effektivität.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sind die in den diversen Presseberichten veröffentlichten pauschalen Vorwürfe z.B. an ZVSHK, Großhandel und Industrie berechtigt?

LOGIK

"Wer eine differenzierte Behandlung einfordert, darf nicht selbst undifferenziert urteilen."

Dieter Kerth und seine Warnung vor falscher Pauschalierung.

Meier: Die aktuellen Preislisten vieler Großhändler sprechen - verglichen mit früheren Preislisten - eine sehr klare Sprache, an der auch nichts herumzudeuteln ist. Sie sind Ausdruck eines aus unserer Sicht untauglichen Versuchs, ausschließlich durch Preispolitik Marktpolitik zu betreiben.

In jedem Falle gilt, daß die Bedürfnisse einer Gruppe von rund 1500 Unternehmern dabei völlig unberücksichtigt blieben. Von Unternehmern nämlich, die das hochwertige Bad aus einer Hand verkaufen und für die die veränderte Preisstruktur teilweise dramatische Folgen hat.

Fakt ist, daß die Badeinzelhändler im Fachhandwerk bisher nur von wenigen mit ihren besonderen Merkmalen wahrgenommen werden. Dieser - ja nicht kleinen - Gruppe bietet bisher niemand ein umfassendes Leistungspaket, das uns wirklich nach vorne bringt und spezielle Rabattstrukturen, aber auch Marketingunterstützung und Informationsmanagement enthält. Es geht um vieles, was eine professionelle Marktbearbeitung erst möglich macht.

Installateure mit eigenen Badausstellungen können nun darauf hoffen, daß an dem Motto "Leistung muß sich lohnen" doch etwas dran ist.

Pauschal sind unsere Vorwürfe übrigens nur in dem Sinne, daß es bisher keine "pauschale" Lösung gibt, die eine wirklich brauchbare Grundlage für individuelle Geschäftsbeziehungen sein kann. "Einzellösungen" oder "Regionale Lösungen" sind große Zeitverschwendung auf allen Seiten, die wir uns in enger werdenden Märkten nicht mehr leisten können. Unsere Zeit und unsere Kraft gehören in den Markt.

Wippich: Veränderungen im dreistufigen Vertriebsweg vorzunehmen, ist nicht einfach. Manchmal ist es auch besser, nicht zu hektisch zu reagieren. Tatsache ist, daß sich Hersteller, Großhandel und Handwerk (ZVSHK) in mehreren Gesprächsrunden getroffen haben, um die Problematik des Einzelhandels im Handwerk zu besprechen und die aufgezeigten Mängel zu beheben.

KONSEQUENZ

"Sowohl Hersteller als auch Großhandel müßten darauf antworten."

Heinz Wippich zu den Folgen eines wachsenden Direktbezugs.

Kerth: Die veröffentlichten pauschalen Vorwürfe gegen ZVSHK, Großhandel und Industrie sind in dieser Form sicherlich nicht berechtigt und müssen sehr eingehend diskutiert werden. Wer - wie die Initiative es ja betont - den Dialog will, sollte die Fronten von vornherein nicht unnötig verhärten. Über Gesprächsergebnisse entscheidet eben oft auch die Gesprächsatmosphäre.

Im übrigen sind Pauschalierungen jedweder Art fehl am Platze. Das Handwerk gibt es ebensowenig wie den Großhandel oder die Industrie. Wer eine differenzierte Behandlung durch die Vertriebspartner einfordert, darf unseres Erachtens nicht selbst undifferenziert urteilen. Eine Erkenntnis, die sich sicher auch bald bei den Verantwortlichen der Initiative durchsetzt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welches Konzept bzw. welche Konzepte verfolgt die Initiative konkret? Inwieweit sind die mehr oder minder offenen Hinweise auf die Nutzung alternativer Vertriebswege ernst gemeint? Wie stehen Großhandel und Industrie dazu?

ZUGZWANG

"Ihre Konzepte muß die Initiative wohl noch konkretisieren."

Dieter Kerth zur (noch) unklaren Kursbestimmung der neuen Handwerkergruppierung.

Meier: Erlauben Sie mir zunächst den Hinweis, daß es nur wenige Industrieunternehmen und Großhändler gab, die sich durch unser Auftreten despektierlich behandelt fühlten. So sehr scheint die Initiative also die Fronten nicht verhärtet zu haben. Weiter zu Ihrer Frage: SHK-Handwerksbetriebe mit eigener Ausstellung brauchen einen Vorsprung, der sich aus einer speziellen Preis-, Distributions-, Sortiments- und Kommunikationspolitik von Industrie und Großhandel hin zum Einzelhandel ergibt. Es geht keineswegs nur um das Thema Marge, sondern um ein Bündel von Strukturveränderungen.

Steht zur "Sanitärkoalition mit drei Parteien": IBE-Vorsitzender Dieter Kerth erläuterte die Industriepositionen.

Fakt ist, daß viele Handwerksunternehmer bereits mit Direktanbietern und ausländischen Lieferanten experimentieren oder arbeiten. Gelingt es uns aber, die notwendigen Strukturveränderungen auf den Weg zu bringen, wird die Attraktivität dieser Einkaufsquellen vermutlich in dem Maße abnehmen, wie die Attraktivität deutscher Anbieter sich erhöht. Die Gründung der Initiative wurde entsprechend von der Markenindustrie in Breite begrüßt.

ZEITDRUCK

"In dem ,Berliner Arbeitskreis' soll und muß kurzfristig eine Lösung gefunden werden."

Heinz Wippich zur Notwendigkeit, der besonderen Situation einzelhandelsaktiver Handwerksbetriebe Rechnung zu tragen.

Wippich: Über die Ziele der Initiative kann ich nichts sagen. Nur soviel: Werden alternative Vertriebsformen für eine Warenbeschaffung genutzt, ist dies ein schwerer Angriff auf den dreistufigen Vertriebsweg. Sowohl Hersteller als auch Großhandel müßten darauf antworten. Das vertriebspolitische Chaos wäre perfekt. Daran können verantwortungsvolle Marktbeteiligte, gleich welcher Vertriebsstufe, kein Interesse haben.

Kerth: Ihre Konzepte muß die Initiative wohl noch konkretisieren. Wir von der Industrie und sicher auch der Großhandel sind jedoch sehr stark daran interessiert, mit denjenigen Installateuren, die Ausstellungen haben und z.B. dieser Initiative angehören, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Entsprechende Konzepte werden derzeit - u. a. als Resultat des Berliner Treffens - ausgearbeitet.

Hält die Branchenprobleme nur im Konsens für lösungsfähig: Heinz Wippich vertrat als 2. DGH-Vorsitzender die Großhandelsseite.

Dringend warnen muß ich aber gerade an dieser Stelle vor Drohgebärden, die mit dem Ausweichen auf andere Vertriebskanäle operieren. Nicht umsonst haben die 17 IBE-Mitglieder im Frühjahr 1998 eine konzertierte Aktion ins Leben gerufen, die den dreistufigen Vertriebsweg stabilisieren soll. Hauptziel der Kampagne ist es, zum Direktbezug tendierenden Sanitärhandwerkern die Leistungsvielfalt der "linientreuen" Partner auf Hersteller- und Großhandels-Ebene zu vermitteln. Die im Rahmen der Verbandsinitiative erstellte separate Broschüre "Tagebuch" schließt mit dem Fazit: "Besser dreistufig als zweischneidig". Dem ist, wie ich meine, nichts hinzuzufügen. Im übrigen bestätigt die bisherige Resonanz, daß unser Vorstoß viel Aufmerksamkeit und auch weitgehende Zustimmung findet.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was hat die neue "Dachorganisation" bisher konkret getan, um ihre Dialogbereitschaft mit den übrigen Vertriebspartnern in die Praxis umzusetzen?

KLARSTELLUNG

"Der Vorwurf, wir hätten die Hände in den Schoß gelegt, ignoriert schlicht die Tatsachen."

Dieter Kerth zur Globalschelte, auch die Industrie habe verkaufsorientierte Installateure bisher nicht ausreichend unterstützt.

Meier: Wir haben in vielen Einzelgesprächen Einschätzungen, Ideen, Meinungen und Hoffnungen zusammengetragen, wie eine einzelhandelsorientierte Strukturreform aussehen könnte. Vom ZVSHK sind wir aufgefordert, vier Praktiker aus unseren Reihen in den großen Arbeitskreis zu entsenden, der in Berlin beschlossen wurde und mit je fünf Vertretern aus Industrie, Großhandel und Handwerk besetzt ist. Er soll kurzfristig ein realisierbares Reformpaket diskutieren und formulieren. Parallel werden wir weiter auf allen Vertriebsstufen aktiv sein, um dieser Reform den Weg zu bereiten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die besondere Situation und Kostenbelastung aktiv einzelhandelsbetreibender Installateure mit Ausstellung sind ebenso unbestritten wie seit langem bekannt. Industrie und Großhandel wird vorgeworfen, dieser Gruppe bisher faktisch keine wirklich leistungsorientierten Unterstützungskonzepte anzubieten. Wie sehen das die "Beschuldigten"? Ist durch die neue Initiative Bewegung in diesen Prozeß gekommen?

Wippich: Ich habe schon gesagt, daß alle Marktbeteiligten an einem Konzept arbeiten. Die ersten Gespräche liegen mittlerweile gut zwei Jahre zurück. Jetzt aber wird die Lösungssuche konkret. In dem "Berliner Arbeitskreis" soll und muß kurzfristig eine Lösung gefunden werden, denn Tatsache ist, daß der Einzelhandel betreibende Handwerksbetrieb höhere Kosten als ein normaler Handwerksbetrieb hat. Hierfür muß und wird es eine Branchenlösung geben.

ZUKUNFT

"Das Ende der Reservate steht bevor."

Franz-Josef Meier und seine Begründung für eine zeitgemäße Kundenorientierung der Sanitärbranche.

Es kann andererseits aber nicht sein, daß der Großhandel und auch die Hersteller mit umfangreichen Hilfsmitteln dazu beitragen, daß das Handwerk aktiv Einzelhandel betreibt und dann, wenn das Ziel erreicht ist, genau diese Betriebe alternative Bezugsquellen nutzen. Das muß auch die Initiative im Interesse ihrer eigenen Glaubwürdigkeit erkennen und deutlich machen.

Kerth: Durch die Initiative ist sicher Bewegung in die Überlegungen gekommen, Installateure mit Ausstellungen besserzustellen. Dies ist jedoch primär Sache des Großhandels und zunächst nicht Sache der Industrie. Grundsätzlich sollten zwischen denjenigen, die selbst Verkaufsleistungen erbringen und denjenigen, die dafür die Hilfe Dritter beanspruchen, konditionelle Unterschiede gemacht werden.

Aber noch einmal: Auch bei diesem Punkt lehne ich eine undifferenzierte Betrachtungsweise ab. Viele Markenproduzenten trugen und tragen - im Rahmen ihrer funktionsorientierten Möglichkeiten - schon bisher dazu bei, einzelhandelsaktive Installateure gezielt zu fördern und zu unterstützen. Es steht außer Frage, daß das innerhalb der jetzt angestrebten Branchenlösung noch effizienter gestaltet werden kann. Der Vorwurf jedoch, wir hätten in der Vergangenheit die Hände faktisch in den Schoß gelegt, ignoriert schlicht die Tatsachen.

PRIORITÄT

"Wir müssen es gemeinsam schaffen, den Stellenwert des Bades in breiten Bevölkerungsschichten zu erhöhen."

Dieter Kerth und seine Definition einer vordringlichen Branchenaufgabe.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie schätzen Sie - aus der Sicht Ihrer jeweiligen Vertriebsstufe - die kurz-, mittel- und langfristige Entwicklung des Sanitärmarktes im allgemeinen und des klassischen Vertriebsweges im besonderen ein?

Meier: Das Ende der Reservate steht bevor. Zwei Dinge sind sicher: Die Ware findet immer ihren Weg zum Kunden. Und: Wer den Kunden hat, hat den Markt. Also werden diejenigen, die professionell Facheinzelhandel, Selbstabholermarkt oder Shop-in-Shop von mir aus auch im Baumarkt machen, sich den Markt untereinander teilen. "Professionell" ist das eigentliche Schlüsselwort der Zukunft.

Die Kunden sind informiert, preisbewußt, aber auch servicebewußt und letztlich eines: Menschen, die in ihren Bedürfnissen erkannt und bedient werden wollen. Wer das schafft, wird gewinnen und darüber entscheiden, welche Lieferanten ihm dabei nützlich sein können. Wir von der Initiative hoffen, daß so viele deutsche Markenhersteller und Großhändler wie möglich in diesem Sinne gute Lieferanten für professionelle Badeinzelhändler sein können.

Qualifizierte Beratung überzeugt und bindet Kunden. In die Einzelhandels-Rechnung geht sie aber zunächst einmal als Aufwand ein.

Wippich: Wenn alle Marktbeteiligten auch weiterhin die richtige Einstellung zum dreistufigen Vertriebsweg haben, ist mir um die Zukunft unserer Branche nicht bange. Sollten aber im größeren Umfang alternative Vertriebswege an Bedeutung gewinnen (auch dadurch, daß z.B. Einzelhändler andere Bezugsquellen nutzen), sieht es nicht so rosig für den Sanitärmarkt und für die einzelnen Vertriebsstufen aus. Ich gehe jedoch davon aus, daß die Vernunft siegen wird und alle Beteiligten dafür kämpfen, daß der dreistufige Vertriebsweg, um den uns übrigens die anderen europäischen Länder sehr beneiden, beibehalten wird.

Es war, ist und bleibt richtig, nicht mit überhektischen Maßnahmen, die im puren Aktionismus enden, auf Marktveränderungen zu reagieren. Allerdings ist eine dosierte und wohlüberlegte Anpassung an veränderte Marktgegebenheiten gerade in einem dreistufigen Vertriebsweg stets erforderlich.

REAKTION

"Wird eine Preisuntergrenze unterschritten, kann ich als Badeinzelhändler auch gleich das Geld verbrennen."

Franz-Josef Meier zur strikten Ablehnung von Billigsortimenten.

Kerth: Wir schätzen die Entwicklung des Sanitärmarktes mit dem klassischen Vertriebsweg zumindest mittelfristig durchaus positiv ein und meinen, daß dieser bei vernünftiger "Pflege" eine gute Zukunft hat. Das jedoch nur dann, wenn wir es gemeinsam schaffen, den Stellenwert des Bades in den breiten Bevölkerungsschichten zu erhöhen. Das neue Bad, den Mehrwert von Markenprodukten sowie die Kompetenz der Fachschiene ins Blickfeld des Publikums zu rücken - das ist die entscheidende Herausforderung.

Dabei muß nach Meinung der IBE-Mitglieder u.a. das Instrument "Messen" viel stärker als in der Vergangenheit aktiv genutzt werden. Das von unserem Verband zur "SHK Essen" durchgeführte Pilotprojekt auf dem Feld der gezielten Pressearbeit zeigte, daß sich im Branchensinne eine Menge bewegen läßt. Auch die von uns stark geförderte Sanitär-Gemeinschaftswerbung ist in diesem Kontext zu nennen. Wenn die Kampagne mit dem Absender "Die Deutschen Badprofis" aber auf Dauer wirken und den erhofften Nachfrageschub auslösen soll, muß sie künftig in andere "Etatdimensionen" vorstoßen. Das liegt nicht zuletzt im Interesse einzelhandelsorientierter Handwerksbetriebe.

IKZ-HAUSTECHNIK: Öffentlich wird immer wieder bekundet, daß alle drei Vertriebsstufen kein Interesse an einer Forcierung der Billigsortimente haben. In der Praxis scheint jedoch genau das zu passieren. Wie stehen Sie dazu? Welche Rolle spielt in dem Zusammenhang die permanente Diskussion über Markenprodukte und Hausmarken?

TUCHFÜHLUNG

"Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die ein harmonisches Nebeneinander sinnvoll erscheinen lassen."

Heinz Wippich zum (oft gestörten) Verhältnis von Hersteller- und Handelsmarken.

Meier: Ich muß in meinem Geschäft ebenso eine Preisuntergrenze definieren wie jeder Großhändler und auch jedes Industrieunternehmen. Wird sie unterschritten, kann ich auch gleich Geld verbrennen, statt meine Zeit mit Beratung zu vergeuden.

Wenn ich einen Blick in die wichtigsten Großhandelspreislisten werfe, muß ich feststellen, daß die ausgewiesenen Preise für die Hausmarkenprodukte drastisch angehoben wurden und von billig daher keine Rede sein kann. Soweit die schlechte Nachricht für den Endverbraucher. Die gute für den Handwerker - darauf gibt’s vermutlich prima Rabatte, die man dann ja notfalls wieder an den Endkunden weitergeben kann. Das heißt, mit Hausmarken kann man genauso unprofessionell weitermachen wie bisher. Immer in der Hoffnung, daß nie ein Fall von Gewährleistung oder Nachkaufwünschen eintritt.

Macht sich für "1500 Unternehmer" stark: Franz-Josef Meier als Sprecher der "Initiative Einzelhandel Bad".

Warum ich und einige meiner Mitstreiter aus der Initiative nicht auf Hausmarken einschwenken würden? Weil das einen Schlag in das Gesicht der Markenhersteller bedeutet, die uns in den zurückliegenden Jahren ideell und oft genug auch finanziell bei den sogenannten "Einzellösungen" den Steigbügel hielten. Für mich ist es eine Frage der Moral, daß Leistungen, die ein Partner für mich erbringt, auch dann von mir honoriert werden, wenn woanders ein paar Punkte mehr winken. Die Markenhersteller haben durch ihre Investitionen in Produktentwicklung, Design und Werbung viel für die Entwicklung unseres Marktes getan. Deswegen verdienen sie jetzt eine echte Chance, über eine Strukturreform zu erstklassigen Partnern des Badeinzelhandels zu werden.

Wippich: Es ist unstrittig, daß das mittlere Preissegment im Bereich Sanitär vor der Wand an Bedeutung verliert. Tatsache ist, daß bei ausgeschriebenen Objekten durch den ungeheuren Preisdruck der Auftraggeber immer mehr die Artikel eingebaut werden, die gerade noch den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Insofern ist es auch eine Aufgabe für alle drei Vertriebsstufen, dafür zu sorgen, daß dieses Down-Trading gebremst wird. An Billigprodukten hat keiner im Vertriebsweg Freude. Letztendlich gilt das auch für denjenigen, der das Produkt hinterher im täglichen Gebrauch hat.

WARNUNG

"Ansonsten werden die Markenhersteller nicht mehr in der Lage sein, ihr bisheriges Investitionstempo beizubehalten."

Dieter Kerth zu den Folgen, wenn es nicht gelingt, den ungünstigen Produktmix-Trend zu stoppen.

Im zweiten Teil der Frage sprechen Sie über Markenprodukte und Hausmarken. Hier wird in der Tat in unserer Branche immer diskutiert: entweder - oder. Dabei sollte es aus meiner Sicht viel eher um ein angemessenes Verhältnis zwischen Herstellermarken und Handelsmarken gehen. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die ein harmonisches Nebeneinander sinnvoll erscheinen lassen. Natürlich muß für eine solche Politik als Grundvoraussetzung eine "Selbstbeschränkung" auf bestimmte Marktanteile bei den Handelsmarken gegeben sein. Dadurch ist gewährleistet, daß die Industrie bei ihren Aktivitäten für Innovationen und Marktpflege nicht in größerem Umfang gestört wird.

KONSENS

"Wenn es eine Chance auf eine Strukturreform im gegenseitigen Vertrauen gibt, dann jetzt."

Franz-Josef Meier über die Gunst der Vertriebsweg-Stunde.

Für Handelsmarken sprechen generell folgende Gründe:

Ein absolutes und garantiertes Einhalten des traditionellen Vertriebsweges. Das gibt dem Fachhandwerker die Sicherheit, nicht in Konkurrenz zu anderen Vertriebsformen zu kommen.

Auch Jubel, Trubel, Heiterkeit kosten Geld, Zeit und Nerven. Und jede Menge Know-how. So gesehen, ist Einzelhandel in der Tat eine dreistufige Teamarbeit.

Keine Einflußnahme Branchenfremder auf die Preisfindung des Handwerkers gegenüber dem Endverbraucher. Sogenannte "Lockvogelangebote" Branchenfremder können den Handwerker in seiner Preisdarstellung gegenüber dem Endverbraucher also nicht unglaubwürdig machen.

Ausweichmöglichkeiten im Sortiment bei möglichen Willkürmaßnahmen der Industrie gegenüber den Interessen des Handwerks und des Handels.

Handelsmarken fördern den Mittelstand. Durch die Produktion von Handelsmarken sind auch kleinere Hersteller in der Lage, ihre Kapazitäten auszuschöpfen oder neue Produktionsstätten einzurichten. Die Handelsmarke kann also von volkswirtschaftlichem Nutzen sein.

Kerth: Die klassischen drei Vertriebsstufen können sicher kein Interesse an einer Forcierung von Billigsortimenten haben. Andererseits müssen für den Verbraucher jedoch preisgünstige Qualitätslösungen auf der professionellen Absatzschiene verfügbar sein. Dessen ungeachtet bereitet speziell der Markenindustrie der seit einiger Zeit anhaltende ungünstige Produktmix-Trend erhebliche Sorgen. Der viel zitierte "Verlust der Mitte" ist dafür ein signifikantes Beispiel. Es gilt, die speziell unter Ertragsaspekten bedenkliche Verlagerung zu den unteren Sortimentsbereichen möglichst schnell zu stoppen.

Ansonsten werden die Markenhersteller auf Sicht nicht mehr in der Lage sein, ihr bisheriges Investitions- und Innovationstempo zum Nutzen der gesamten Sanitärbranche beizubehalten. Auch deshalb dürfte es die Leser der IKZ-HAUSTECHNIK nicht wundern, daß ich sowohl für unser Haus als auch in meiner Funktion als IBE-Vorsitzender ein klarer Verfechter der Markensortimente bin. Ihren umfangreichen Mehrwert haben wir nicht zuletzt innerhalb der bereits erwähnten Leistungsoffensive kontra Direktbezug abermals dokumentiert. Er steht aber gerade für einzelhandelsaktive Installateure nicht nur auf dem Papier, sondern schlägt sich in der täglichen Praxis konkret nieder.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche realistischen Chancen geben die drei Vertriebsstufen einem - scheinbar überfälligen - neuen "Bündnis für gegenseitiges Vertrauen"?

Nach dem Berliner Spitzentreffen sind auch die Chancen dafür gestiegen, daß das höherwertige Badgeschäft wieder auf Touren kommt.

Meier: Ich bin immer gut damit gefahren, absolut ehrlich auch wenig schmeichelhafte Dinge auszusprechen. Als ich zum ersten Mal mit den Damen und Herren, die außer mir zur Initiative gehören, zusammensaß, habe ich genau das gespürt, was Sie ein Bündnis für gegenseitiges Vertrauen nennen. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Die Gespräche, die wir bisher mit Großhändlern und Industrievertretern und auch mit Funktionsträgern des ZVSHK führten, waren von der gleichen Atmosphäre geprägt.

Wenn es eine Chance auf eine Strukturreform im gegenseitigen Vertrauen gibt, dann jetzt. Was auch immer die Zeit hat reifen lassen, die positiven Energien scheinen endlich die Oberhand zu gewinnen.

Wippich: Der Versuch aller drei Vertriebsstufen, die anstehenden Probleme im Konsens zu lösen, ist eine wichtige Voraussetzung für einen neuen, kraftvollen Dreierpakt und damit für eine gute Branchenzukunft. Selbstverständlich werden wir dabei die Interessenlagen der einzelnen Handelsstufen anders als in der Vergangenheit berücksichtigen müssen. Und dies geht eben nur, wenn man faire, konstruktive Gespräche führt. Hierzu ist der Großhandel mit allen daraus sich ergebenden Konsequenzen bereit.

Kerth: Ich denke, daß der wachsende Marktdruck die Einsicht auf allen Vertriebsstufen erhöht hat, daß nur gemeinsame Strategien von Erfolg gekrönt sind. Eine neue Erkenntnis ist das zweifellos nicht. Aber manchmal dauert es eben seine Zeit, Wissen in konkretes Handeln umzumünzen.

An der Industrie wird das von Ihnen geforderte neue "Vertrauensbündnis" jedenfalls nicht scheitern. Im Gegenteil. Wir setzen uns weiter aktiv für die "Sanitärkoalition" ein - und zu der gehören nun einmal drei Parteien.

Und das Fazit dieser einzelhandelsbezogenen Meinungs- und Statementsammlung? Die Akteure und ihre jeweiligen Fraktionen scheinen zu merken, was die Stunde geschlagen hat. Reformeifer breitet sich aus. Der freilich wird am Ende an zähl- und realisierbaren Ergebnissen gemessen. Initiativen und Arbeitskreise übrigens auch.


B i l d e r :   Meier, Gienger, IBE, Grohe, Duscholux


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