IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1998, Seite 35 ff.


SANITÄRTECHNIK


Speicherüberlauf und Kanalrückstau

Vernachlässigtes Problem in der Regenwassernutzung

Dipl.-Ing. Oliver Ringelstein*

In den letzten Jahren hat sich die Nutzung von Regenwasser sprunghaft entwickelt und ist inzwischen fester Bestandteil der professionellen Haustechnik geworden. Viele auf dem Markt angebotenen Lösungen hinken jedoch den technischen Anforderungen vor Ort hinterher. Ausgereifte Lösungen, die den allgemeinen DIN-Normen entsprechen, sind gerade für den professionellen Architekten, Haustechnikplaner und Installateur entscheidend.

Bei der Installation von Anlagen zur Regenwassernutzung kommen beim Speicherüberlauf und bei der Verbindung zum Hausinstallationsraum in der Praxis Fehler vor. Im folgenden Beitrag soll daher insbesondere auf die Höhenproblematik und die damit verbundenen Gefahren bei der Installation von Pumpen, Speichern, Nachspeisesteuerungen und Komplettmodulen eingegangen und verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgestellt werden.

Die Ausgangslage

Prinzipiell ist eine Regenwasseranlage in zwei Segmente aufzuteilen:

a) von der Zisterne zur Entwässerungseinrichtung,

b) von der Zisterne in das zu versorgende Hausinnere.

Im Idealfall liegt die Rückstauebene unterhalb des Speicherüberlaufs. Für den Installationsbereich von der Zisterne zur Entwässerungseinrichtung gilt dann, daß der Überlauf problemlos an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen werden kann. Ohne Probleme läßt sich in diesem Fall die Trinkwassernachspeisung über einen freien Zulauf mit ausreichendem Gefälle zur Zisterne verlegen.

Dieser Idealfall ist jedoch in der Praxis recht selten anzutreffen, denn wenn von der örtlichen Behörde die Rückstauebene nicht gesondert festgelegt wurde, gilt als Rückstauebene die Höhe der Straßenoberkante [DIN 1986 Teil 1,7.1].

Liegt der Überlauf des Speichers unterhalb der Rückstauebene, hat das zur Folge, daß

a) der Überlauf nicht mehr ohne gesonderte Sicherungsmaßnahmen an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen werden kann und

b) daß der Trinkwassernachspeisung ebenfalls besonderes Augenmerk geschenkt werden muß.

Bild 1: RW Speicher mit Überlauf oberhalb der RS-Ebene.

Von der Zisterne zur Entwässerungseinrichtung

Als Lösungsmöglichkeiten bleiben nur das Ausnutzen unterschiedlicher Geländehöhen, um den Überlauf des Speichers evtl. hochzusetzen, der Einsatz einer Hebeanlage oder eines Rückstauverschlusses.

Ausnutzen unterschiedlicher Geländehöhen

Das Ausnutzen unterschiedlicher Geländehöhen ist natürlich nicht möglich, wenn das Gelände eben ist.

Hebeanlage

Das Regenwasser muß von der Hebeanlage in einer Rückstauschleife über die Rückstauebene gehoben werden [DIN 1986 Teil 1, 7.2.1]. Die Rückstauschleife kann in den Garten gelegt werden, muß aber frostfrei installiert sein. Ebenfalls möglich ist der platzsparende Einbau der Rückstauschleife im Hausinneren.

Die Hebeanlage muß für Spitzenlasten ausgelegt sein. Die Auslegung erfolgt nach DIN 1986.

Je nach Tankform wird bei Einbau einer Hebeanlage der sedimentierte Schlamm abgesaugt. Allerdings wird die auf der Wasseroberfläche entstehende Schwimmdecke aus fetthaltigem und leichtem/aufgetriebenem Schmutz nicht abgeführt. Eine zeitweise Überlastung oder die Tatsache, daß die Hebeanlage wochenlang außer Betrieb ist, können ein Versagen der Hebeanlage hervorrufen (z.B. Stromausfall). Für diesen Fall ist zu gewährleisten, daß kein Wasser ins Hausinnere gelangt. Dies ist problematisch bei Innentanks mit Überlauf in einen im Inneren des Hauses liegenden Pumpensumpf mit Tauchpumpe (im Sumpf). Allgemein liegt bei Ausfall der Pumpe die gleiche Situation vor wie bei einem System mit geschlossener Rückstauklappe und nachlaufendem Regenwasser. Zu beachten ist auch der zusätzliche Stromverbrauch.

Bild 2: RW Speicher mit Nachspeisung über freien Zulauf.

Rückstauverschluß

Problematisch werden Rückstauverschlüsse, wenn bei geschlossenem Zustand Regenwasser nachläuft. In solchen Fällen ist sicherzustellen, daß kein Wasser ins Hausinnere dringen kann. Dazu ist die absolute Dichtigkeit aller Leitungen zum Haus erforderlich und der freie Zulauf der Trinkwassernachspeisung muß oberhalb der Rückstauebene liegen. Das nachlaufende Regenwasser staut sich bis zur niedrigsten Undichtigkeit. Aus diesem Grund ist sicherzustellen, daß eine Notüberlauföffnung oberhalb der Rückstauebene im Freien liegt, z.B. Oberkante Tankdomschacht (ebenerdig). Das Wasser kann hier "ausnahmsweise" ins Erdreich sickern (ohne Berücksichtigung von ATV Arbeitsblatt 138).

Es ist kein gesonderter Notüberlauf vom Tank zur öffentlichen Kanalisation erforderlich, da die Kanalisation das nachfließende Regenwasser nicht aufnehmen könnte und hier das Wasser ebenfalls an der Oberfläche versickern muß. Die Versickerung des Überlaufwassers am Tankdomschacht in unmittelbarer Hausnähe ist (für den Ausnahmefall Rückstau) zulässig.

Aus den bisherigen Ausführungen zum Nachlauf von Regenwasser ergibt sich schon, daß Rückstauverschlüsse nicht bzw. schlecht für Innentanks geeignet sind. Ist als Notüberlauf der Filtersammler vorgesehen, so muß der freie Zulauf der Trinkwassernachspeisung oberhalb des Filtersammlers liegen. Auch dies kann problematisch sein.

Weiterhin muß nach DIN 1986 Teil 3, 3.2 die Zugänglichkeit der Rückstauklappe gewährleistet sein. Nach DIN 1986 Teil 3, 3.6 sind Rückstauverschlüsse in betriebsfähigem Zustand zu halten. Sie sind mindestens zweimal im Jahr, einmal möglichst im Frühjahr, vor Eintreten der großen Regenfälle, auf ihre Gangbarkeit zu untersuchen.

Bild 3: RW Speicher mit Nachspeisung über hochgesetzten Einspeisebehälter.

Handhabungen in der Praxis

In der Praxis ist festzustellen, daß häufig aufgrund von teilweise erheblichen Zusatzkosten auf die korrekte Installation einer Hebeanlage oder eines Rückstauverschlusses verzichtet wird. Auch bei unklarer Rückstauebene wird der Tanküberlauf möglichst hoch gesetzt, um ein sicheres Gefühl zu bekommen.

In der Tat sind Rückstauereignisse relativ selten festzustellen, treten jedoch immer häufiger auf. Dies ist auch nicht verwunderlich, da zum Teil erhebliche Starkregenereignisse bei fortschreitender Versiegelung der Oberflächen unweigerlich zu einer Überlastung der Entwässerungseinrichtungen führen. Abhilfe schaffen hier nur eine entsprechende Versickerung des Niederschlagswassers und eine Rückhaltung, z.B. eben in Regenwasserzisternen.

Besonders gefährlich wird diese Installationsweise, wenn der zurückstauende Kanal Mischwasser führt und Fäkalverunreinigungen in die Zisterne und schlimmer noch in das Brauchwassersystem gelangen können. Ist eine Verschmutzung der Zisterne gegebenenfalls noch hinnehmbar, da sie anschließend gereinigt werden könnte, so ist das Eindringen des verunreinigten Wassers in das Leitungssystem oder über einen Überlauf sogar in das Haus absolut inakzeptabel.

Von der Zisterne in das zu versorgende Hausinnere

Der freie Zulauf

Bei einer Nachspeisung über einen freien Zulauf in die Zisterne ist, wie bereits beschrieben, der freie Zulauf mindestens oberhalb der Rückstauebene anzubringen. Da der freie Zulauf über das Prinzip der kommunizierenden Röhren mit dem Außenspeicher in direkter Verbindung steht, muß der freie Zulauf auch zumindest höher als der Notüberlauf des Speichers sein. Diese Höhen können unterschiedlich sein.

Schon die Montage des freien Zulaufs oberhalb der Rückstauebene ist in der Praxis oft nicht durchführbar. Trotz der Erhöhung durch den Treppeneinstieg in das Haus bleibt nach Abzug des Bodenaufbaus und der Kellerdecke häufig nicht mehr ausreichend Platz zur Installation des freien Zulaufs. Wenn überhaupt, so wird dieser direkt unterhalb der Kellerdecke installiert. Daher ist es auch sehr wichtig, diese Baugruppe äußerst platzsparend zu konstruieren. Dies ist ein Argument für vormontierte Nachspeiseeinheiten.

Reicht die Höhe unterhalb der Kellerdecke nicht mehr aus, so muß der freie Zulauf sogar im Erdgeschoß installiert werden. Möglich ist dies bei Häusern ohne Keller mit Installationsraum oder unterhalb der Spüle, wenn diese auf der gleichen Hausseite wie die Zisterne liegt. Vielfach läßt sich der freie Zulauf jedoch nicht ohne besonderen baulichen Zusatzaufwand realisieren.

Bild 4: RW Speicher mit Nachspeisung über hochgesetzten Einspeisebehälter mit zusätzlicher 3-Wege-Umschaltung.

Die Nachspeisung im Haus über hochgesetzten Einspeisebehälter

Bei dieser Variante befindet sich ein zusätzlicher Behälter oberhalb der Pumpe, der mit Trinkwasser versorgt wird und über ein Zulaufventil den notwendigen Abstand zur Einhaltung der DIN 1988 einhält. Wenn das Ventil, welches sich unterhalb dieses Behälters befindet, geöffnet wird, entnimmt die Pumpe aus diesem Behälter Trinkwasser, solange der Wasserspiegel in diesem Behälter höher ist als der Wasserspiegel in der Zisterne. Bei der normalen Funktion der Trinkwassernachspeisung ist dies auch gegeben, da der Tank dann in der Regel leer ist.

Gefährlich wird dieser Aufbau, wenn das Zisternenwasser aus der Entwässerungseinrichtung verschmutzt wird. Einige Systeme verfügen daher über einen sogenannten Rückstauwächter, welcher registriert, wenn Wasser aus der falschen Richtung, also aus dem Kanal zufließt. Der Nachteil ist, daß dann die komplette Anlage abgeschaltet werden muß, so daß kein Betrieb der Regenwasseranlage mehr möglich ist.

Würde die Anlage auf Trinkwassereinspeisung umgeschaltet, so besteht die Gefahr, daß die Pumpe aus dem Einspeisebehälter und aus dem Regenwasserspeicher gleichzeitig einen Volumenstrom entnimmt und somit verschmutztes Wasser in das Brauchwassersystem gelangen kann. Wird eine solche Anlage zu tief aufgehangen, so besteht sogar die Gefahr, daß das Zisternenwasser in den Einspeisebehälter gedrückt werden kann, wenn dieser nicht zusätzlich mit einem Rückschlagventil versehen ist.

Um einen unter allen Umständen sicheren Betrieb solcher Anlagen zu gewähren, sind diese oberhalb der Rückstauebene zu montieren!

Die Nachspeisung im Haus über hochgesetzten Einspeisebehälter mit zusätzlicher 3-Wege-Umschaltung

Bei dieser Variante wird das Trinkwasser ebenfalls einem hochgesetzten Einspeisebehälter entnommen. Ein sicher schließendes motorgesteuertes 3-Wege-Ventil schaltet jedoch den Regenwasserspeicher vom Einspeisebehälter komplett ab. Stellt ein Rückstausensor fest, daß Wasser aus der Entwässerungseinrichtung in den Speicher fließt, so wird die Anlage automatisch vom Regenwasserspeicher abgekoppelt und kann über den Einspeisebehälter sicher weiter betrieben werden. Dies erlaubt sogar den Aufbau der Anlage unterhalb des Tankwasserstandes und läßt dem Installationsbetrieb somit viel Montagefreiheit.

Zusammenfassung

Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, daß bei zahlreichen Regenwasseranlagen die Höhenverhältnisse, insbesondere bezogen auf die Rückstauebene, nicht richtig beachtet werden. Dies liegt zumeist daran, daß Schadensfälle noch selten auftreten und entsprechende Vorkehrungen, wie die Installation von Rückstauklappen, Hebeanlagen und Nachspeisevorrichtungen bislang aufwendig waren.

Da ein Schaden in diesem Bereich z.B. durch Verschmutzung des Regenwassernetzes mit Fäkalien jedoch gleich enorme Konsequenzen für den Betreiber der Regenwasseranlage und damit auch für den Installationsbetrieb hat, sind hier auf jeden Fall die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Insbesondere die Installation der Nachspeisung und Nachspeisemodule oberhalb der Rückstauebene bzw. des Notüberlaufes gehören hierzu. Einzig eine Im-Haus-Nachspeisung mit zusätzlichem 3-Wege-Umschaltventil bietet dem Installateur eine ausreichende Sicherheit in allen Installationsfällen.


* Dipl.-Ing. Oliver Ringelstein, Jahrgang 1967, Studium an der RWTH Aachen, Fachrichtung Grundlagen des Maschinenwesens. Mitbegründer eines Ingenieurbüros für ökologische Haustechnik. Seit 1994 Geschäftsführer der Intewa GmbH, Aachen, Regenwassernutzungssysteme.


B i l d e r : INTEWA GmbH, Aachen


L i t e r a t u r :

[1] Technische Unterlagen zur Regenwassernutzung + Versickerung, INTEWA GmbH, Aachen

[2] Lehr- und Handbuch der Abwassertechnik, Band II: Entwurf und Bau von Kanalisationen und Abwasserpumpwerken; ATV (1982)

[3] ATV Regelwerk Abwasser Abfall, Arbeitsblatt A 116, September 1992, Besondere Entwässerungsverfahren Unterdruckentwässerung - Druckentwässerung

[4] ATV Regelwerk Abwasser Abfall, Arbeitsblatt A 138, Januar 1990, Bau und Bemessung von Anlagen zur dezentralen Versickerung von nicht schädlich verunreinigtem Niederschlagswasser

[5] Merkblatt Regenwassernutzungsanlagen - Planung, Bau, Betrieb und Wartung; ZVSHK (März 1993)

[6] ATV-Seminar für die Abwasserpraxis: Grundstücksentwässerung (Juni 1989)

- Rechtliche Grundlagen der Grundstücksentwässerung
- Technische Grundlagen der Grundstücksentwässerung
- Betrieb und Wartung von Grundstücksentwässerungsanlagen
- Rückstausicherung und Hebeanlagen
- Regenwasserversickerung auf Grundstücken

[7] DIN 1986 Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke
Teil 2: (z.Z. noch rechtsgültige Fassung): Bestimmungen für die Ermittlung der lichten Weiten und Nennweiten für Rohrleitungen, September 1978
Entwurf: Ermittlung der Nennweiten von Abwasser- und Lüftungsleitungen (als Ersatz für Ausgabe 09.78), September 1992, (voraussichtliches Inkrafttreten Anfang 1995)
Teil 3: Regeln für Betrieb und Wartung, Juli 1982
Teil 4: Verwendungsbereiche von Abwasserrohren und Formstücken verschiedener Werkstoffe, (z.Z. noch rechtsgültige Fassung: Mai 1984, Entwurf vom September 1992)
Teil 30: Instandhaltung, (z.Z. noch rechtsgültige Fassung: Juni 1987, Entwurf vom Oktober 1992)
Teil 31: Abwasserhebeanlagen, Inbetriebnahme, Inspektion und Wartung (Juni 1986)
Teil 32: Rückstauverschlüsse für fäkalienfreies Abwasser, Inspektion und Wartung (Juni 1986)

[8] DIN 1997 Rückstauverschlüsse für fäkalienfreies Abwasser
Teil 1: Anforderungen Baugrundsätze, Werkstoffe (Mai 1984)


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