IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1998, Seite 3


EDITORIAL


Standort Deutschland

Er ist in die Kritik geraten - und wird dabei von vielen Fronten gleichzeitig ins Kreuzfeuer genommen: der Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu hohe Steuern, zu hohe Lohnnebenkosten, zu wenig flexible Regelungen. Und doch: Die Situation ist bei weitem nicht so schlecht, wie manche Pessimisten lautstark klagen.

Ein Blick auf unsere eigenen Zahlen beweist: Die sechs produktivsten Standorte von Illbruck liegen im deutschsprachigen Raum. Einer der Gründe dafür ist zugleich das stärkste Argument pro Deutschland: die hervorragende Ausbildung. Das Bildungsniveau ragt im internationalen Vergleich deutlich hervor. Es beginnt bereits mit der ersten Schulklasse, geht über Berufsschule und Lehrsystem hinaus bis hin zum akademischen Hochschulabschluß. In keinem anderen Land werden so viel Zeit, Kosten und Engagement in die Ausbildung investiert.

Zugegeben: Das deutsche Bildungssystem hat auch seine Schwachstelle. Es eröffnet bisher nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, einen Blick über die eigenen Landesgrenzen zu werfen. Zu wenig Austauschprogramme werden angeboten, zu wenig Unterstützung offeriert bei einem Auslandsaufenthalt. Dabei wird in Zeiten globaler Märkte immer mehr Internationalität verlangt. Diesem Anspruch wird die Ausbildung hierzulande (noch) nicht gerecht.

Das zweite Argument pro Deutschland heißt Disziplin. Sie ist die Voraussetzung für die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen - Verantwortung für die Arbeit, die man macht, für die Position, die man bekleidet, und für das Unternehmen, für das man tätig ist.

Medien wie auch Politiker neigen in der letzten Zeit dazu, die Verantwortung für wirtschaftliche Schwäche einfach auf die Unternehmer abzuwälzen. Das ist falsch und ungerecht, denn als Unternehmer sind wir in erster Linie für den wirtschaftlichen Erfolg unserer eigenen Unternehmen zuständig. Für die wirtschaftliche Lage der gesamten Nation zeichnen immer noch die Politiker verantwortlich. Doch statt konstruktiv an ihre Aufgabe heranzugehen, belasten sie unsere Arbeit zunehmend mit hohen Abgaben. Die Unternehmensbesteuerung stellt zunehmend alle positiven Argumente für den Standort Deutschland in den Schatten.

Bisher können wir aber die hohen Lohnkosten samt der hohen Lohnnebenkosten noch in Kauf nehmen. Denn wir wissen: Qualität hat ihren Preis. Die Mitarbeiter unserer deutschen Niederlassungen sind es uns wert, weil die Erfahrung zeigt: Wenn wir neueste Technologien einführen möchten, dann klappt das in Deutschland immer reibungslos. Hier haben die Menschen gelernt, schnell zu handeln und Innovationen gegenüber offen zu sein. Was nützen uns preisgünstige Arbeitskräfte in anderen Ländern, wenn die Produktivität vor der eigenen Haustür so viel höher ist?

Deshalb hat Illbruch noch keinen Arbeitsplatz ins Ausland verlagert. Sicher, wir haben ins Ausland expandiert und fertigen dort vor Ort, wo auch unsere Kunden produzieren. Ein solides Auslandsgeschäft bietet aber zugleich die wirtschaftliche Absicherung deutscher Betriebe. Deutschland darf auch in Zukunft nicht als reiner Forschungsstandort mißbraucht und ausgebeutet werden. Hier konzentriert sich zwar ein hohes Maß an Entwicklung, das schließt die Produktion jedoch nicht aus. Im Gegenteil: Wir müssen hier sogar produzieren, denn unsere Entwicklung lebt von der Nähe zur Produktion.

Michael Illbruck 


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