IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/1998, Seite 128 f.
REPORT
Befindlichkeit in Bürogebäuden
Erste Zwischenergebnisse eines Forschungsprojektes liegen vor
Befindlichkeitsstörungen in Bürogebäuden sind nicht auf klimatisierte Gebäude beschränkt. Nach den jetzt vorliegenden Zwischenergebnissen eines interdisziplinären Forschungsprojektes an über 3000 Beschäftigten in Bürogebäuden treten die typischen Beschwerdemuster des Sick-Building-Syndroms (SBS) wie Kopfschmerz, Benommenheit, Reizung der Augen und Schleimhäute usw. sowohl in fensterbelüfteten als auch in klimatisierten Gebäuden auf. Dabei scheint jedes Gebäude ein spezifisches Profil an innenraumklimatischen Belastungen aufzuweisen, was sich in unterschiedlichen Symptommustern innerhalb des Sick-Building-Syndroms ausprägt. SBS-typische Klagen treten häufig bei Wartungsdefiziten von Klimaanlagen und starken Abweichungen vorgegebener Sollwerte, zum Beispiel zu geringe Luftfeuchtigkeit, auf. Umfassende Ergebnisse der Projektgruppe Klima und Arbeit (ProKlimA) sind Ende 1998 zu erwarten.
Erfurt, im Januar 1998. Die Ursachen des Sick-Building-Syndroms sind offenbar komplexer als vielfach angenommen. Nach Untersuchungen von bisher 3252 Beschäftigten in 10 von insgesamt 16 zu untersuchenden größeren klimatisierten und nichtklimatisierten Bürogebäuden gibt es für die Wissenschaftler des interdisziplinären Forschungsprojekts "Untersuchungen zu positiven und negativen Wirkungen raumlufttechnischer Anlagen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit" erste Hinweise auf Trends und Auffälligkeiten.
Das wohl überraschendste Ergebnis: Bei allen Gebäuden traten bei den Nutzern Befindlichkeitsstörungen und körperliche Beschwerden auf, unabhängig ob klimatisiert oder fensterbelüftet. So liegt der Prozentsatz befindensgestörter Personen pro Gebäude zwischen 22 und 55%. Dabei klagten jüngere und weniger gut ausgebildete Personen häufiger über Befindensstörungen. Auch die Arbeitsanforderungen sind von Bedeutung. Je persönlichkeitsförderlicher diese sind, desto geringer sind die geäußerten Beschwerden.
Viele im Fragebogen geäußerten Beschwerden der Beschäftigten standen im Zusammenhang mit der subjektiven Bewertung des Raumklimas und wurden durch die parallel durchgeführten medizinischen Tests und raumklimatologischen Messungen bestätigt.
Bei gut gewarteten Klimaanlagen gibt es weniger SBS-typische Beschwerden. Auffallend ist, daß auch in fensterbelüfteten Bürogebäuden SBS-Symptome auftreten können, so eines der Zwischenergebnisse des vierjährigen Forschungsprojektes "Untersuchungen zu positiven und negativen Wirkungen raumlufttechnischer Anlagen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit." (Bild: WS.-Archiv/Stulz) |
Beschäftigte an Bildschirmarbeitsplätzen (rund 65% der Befragten) äußerten sich auffällig häufiger über Beschwerden als andere. Bei der Untersuchung der Ergonomie von Computer-Arbeitsplätzen wiesen 20% deutliche Mängel bei der Hard- und Software auf. Immer wieder anzutreffen war eine ungünstige Plazierung der Bildschirme im Fensterbereich, die zu Reflexionen und Irritationen führte. An rund 50% aller untersuchten Arbeitsplätze wurden 500 Lux als Zielgröße für die Beleuchtungsstärke nicht erreicht. Meist fehlte es an einer ausreichend dimensionierten Bürobeleuchtung, aber selbst wenn diese vorhanden war, wurde sie nicht oder nicht in vollem Umfang eingesetzt.
Klagen über trockene Raumluft
Sowohl in fensterbelüfteten wie auch in klimatisierten Büros klagten die Beschäftigten insbesondere in den Wintermonaten über trockene Luft am Arbeitsplatz. Allgemein ergab die Messung der Luftfeuchte in klimatisierten und besonders auch in natürlich, über Fenster belüfteten Gebäuden eine eher trockene Raumluft. Auch die Raumluftqualität ließ zu wünschen übrig. Von den insgesamt 859 gemessenen Arbeitsplätzen lag bei 53 die CO2-Konzentration über der sogenannten Pettenkofer-Zahl von 1000 ppm; 51 dieser Arbeitsplätze waren natürlich belüftet.
Die Belastung der Raumluft mit Mikroorganismen war bei den untersuchten Gebäuden moderat. Allerdings scheinen sich Pilze und Bakterien in nichtklimatisierten Büros wohler zu fühlen als in klimatisierten. Als signifikant erwies sich die Abhängigkeit der Anzahl der Mikroorganismen von der Leistungsfähigkeit raumlufttechnischer Anlagen: Bei Luftwechselraten unter 1 pro Stunde war der mittlere Keimgehalt größer als bei einem höheren Luftaustausch.
Mangelhafte Wartung führt zu mehr Beschwerden
Anders als bisher angenommen wurde bis dato bei den ProKlimA-Untersuchungen kein direkter Zusammenhang zwischen dem Alter und der Bauart von Klimaanlagen und der Beschwerdehäufigkeit festgestellt. Tendenziell nimmt aber die Beschwerdehäufigkeit bei mangelhafter Wartung und fehlender Instandhaltung der raumlufttechnischen Anlagen zu. Die häufigsten Gründe für Beanstandungen an den durch Experten aus dem Projekt untersuchten Klimaanlagen waren falsch plazierte Außenluftansaugungen (50%) sowie unhygienische Zustände in sogenannten Umlaufsprühbefeuchtern. Zu Klagen seitens der Beschäftigten führten auch zu hohe oder zu tiefe Raumlufttemperaturen.
Am Verbundprojekt sind sieben Forschergruppen aus den Bereichen Technik, Bauphysik, Umweltmedizin, Allergologie, Mikrobiologie, Psychologie und Arbeitswissenschaft beteiligt. Die Federführung liegt bei der Arbeitsgruppe Raumklimatologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Erfurt. Der Forschungsetat beläuft sich auf rund 8,5 Mio. DM, wobei das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) das Projekt im Rahmen des Programmes "Arbeit und Technik" zu rund 80% mitfinanziert.
Eine Vorstellung dieser und weiterer Ergebnisse der SBS-Forschung ist im Rahmen eines Workshops am 26. und 27. November 1998 in Frankfurt am Main vorgesehen.
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