IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1998, Seite 30 ff.
SANITÄRTECHNIK
Gebäude- und Grundstücksentwässerung
Dichtheitsprüfungen von Grundleitungen nach DIN EN 1610
Franz-Josef Heinrichs* Teil 2
Nachdem der erste Teil des Fachartikels über gesetzliche Anforderungen und die Dichtheitsprüfung mit Wasser nach DIN EN 1610 informierte, beschreibt der zweite Teil die Möglichkeit der Überprüfung von Grundleitungen mittels Luft und gibt ergänzende Hinweise zu Dichtheitsprüfungen von Altanlagen.
Durchführung der Luftdichtheitsprüfung
In einigen europäischen Mitgliedsländern der EWG stellte die Dichtheitsprüfung mit Luft ein gängiges Verfahren zur Kontrolle neuer Abwasserleitungen dar und wurde deshalb neben der Wasserdichtheitsprüfung in die DIN EN 1610 aufgenommen. Erste Erfahrungen in Deutschland wurden durch die Vorgaben des Merkblattes "Prüfung alter und neuer Abwasserkanäle" des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft (BLfW) aus dem Jahr 1992 gewonnen. Nach dem Entwicklungsvorhaben des BLfW-Schlußberichts von Dezember 1994 zur Dichtheitsprüfung von Abwasserkanälen mit Wasser und Luft kommt man nach Wertung der durchgeführten Dichtheitsprüfungen zu dem Ergebnis, daß eine gute Korrelation zwischen Wasser und Luftdichtheit eines Kanals besteht. Allerdings kommt man zu dem Ergebnis, daß die angestrebte Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Wasserdruckprüfung mit einem Luftprüfdruck von 200 mbar für alle Werkstoffe erreicht wird. In der DIN EN 1610 sind vier Prüfverfahren mit 10 mbar, 50 mbar, 100 mbar und 200 mbar vorgesehen, die gewählt werden können. Es zeichnet sich ab, daß in Deutschland die Luftprüfung "LC" mit 100 mbar für alle Werkstoffe in der Regel angewendet werden wird.
Folgender Prüfablauf ist vorgesehen:
- Prüfdruck empfohlen 100 mbar für Verfahren LC; Anfangsdruck 10% höher als Prüfdruck, 110 mbar erforderlich für Temperaturausgleich; dieser Anfangsdruck ist 5 min zu halten; danach Reduzierung des Anfangsdrucks auf Prüfdruck durch Ablassen des Druckes;
- Prüfzeit für DN 100 - 200 3 Minuten
- Prüfzeit für DN 250 - 300 4 Minuten
- Zulässiger Druckabfall während der Prüfzeit 15 mbar;
- Die zur Messung des Druckabfalls eingesetzten Geräte müssen die Messung mit einer Fehlergrenze von 10% Dp sicherstellen. Für die Messung der Prüfzeit beträgt die Fehlergrenze 5 s.
- Schächte und Inspektionsöffnungen sollten nicht mit in die Luftprüfung einbezogen werden und separat mit Wasser geprüft werden.
- Noch größere Sorgfalt ist bei der Sicherung der Endstopfen bzw. bei einer Vorprüfung im offenen Graben mit Lagesicherung der Bögen und Abzweige einzuhalten, da durch schlagartiges Entweichen der Luft Unfallgefahr besteht.
- Der Prüfdruck ist mit einem Kompressor, der ölfreie Druckluft liefert, aufzubringen.
- Als Luftdruckprüfgeräte sind solche mit Standrohr, wie von der Gasdichtheitsprüfung nach DVGW-TRGI bekannt, anwendbar. Die Steinzeugindustrie bietet U-Rohr Flexo-Set Luftdruckprüfgeräte an.
Als weitere Möglichkeit können Rohr-Dichtheitsprüfeinheiten mit Meßelektronik für Luft- und Wasserprüfungen eingesetzt werden.
Für die manuellen Prüfungen ist ein Dichtheitsprüfprotokoll in der ZVSHK-Betriebsanleitung für Entwässerungsanlagen enthalten.
Die Luftdruckprüfung nach DIN EN 1610 ist auf Grund der kürzeren Füll- und Prüfzeiten schneller und damit kostengünstiger durchzuführen als eine Wasserdruckprüfung.
Außerdem hat die Luftdruckprüfung weitere Vorteile gegenüber der Wasserdruckprüfung wie z.B.:
- Kein fehlendes Wasser auf der Baustelle;
- Keine Wassereinbrüche in den Gräben bei Undichtheiten oder Auseinandergleiten der Verbindungen;
- Keine Rohrentleerungen bei Ablassen des Wasserdruckes in den Gräben, so daß der Graben ausgepumpt werden muß;
- Gleicher Prüfdruck sowohl im Tief- als auch im Hochpunkt der Rohrleitung;
- Schneller Aufbau der Prüfeinrichtung und leichte Anwendung und Auswertung bzw. Ablesen der Prüfergebnisse.
Wenn eine Kombination von Vorprüfung und Abnahmeprüfung durchgeführt wird, kann es von Vorteil sein, die Vorprüfung mit Luft und die Abnahmeprüfung mit Wasser durchzuführen.
Werkbild Steinzeug, Flexo-Set - Luftdruckprüfgerät. |
Werkvertragliche Regelungen
Nach der VOB Teil C DIN 18 381 "Gas-, Wasser- und Abwasserinstallationsanlagen innerhalb von Gebäuden" sind die Dichtheitsprüfungen von Entwässerungsleitungen besondere Leistungen, d.h. die dazu erforderlichen Arbeiten sind in eigenständigen Abrechnungseinheiten des Leistungsverzeichnisses zu beschreiben. Aufgrund der neuen Anforderungen der DIN EN 1610 ist sowohl eine erforderliche Vorprüfung als auch eine Abnahmeprüfung in der Leistungsbeschreibung detailliert zu beschreiben und aufzunehmen.
Dichtheitsprüfung von Altanlagen
Mit der Neuausgabe der DIN 1986-30 "Instandhaltung" (1/95) ist erstmalig eine Zustandserfassung bestehender Grundleitungen durch optische Inspektion (Kanalfernsehanlage oder eine Prüfung auf Wasserdichtheit) vorgesehen. Durch diese Zustandserfassung an bestehenden Grundleitungen muß der Nachweis erbracht werden, daß diese unter Betriebsbedingungen dicht sind und es somit weder zu Exfiltrationen von Abwasser bzw. zu Infiltrationen von Grundwasser kommt. Eine weitere positive Erkenntnis der Untersuchung ist die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit der Leitungen. Die Zustandserfassung unterteilt in Regenwasser- und Schmutzwasserleitungen.
Tragbare Kanal-Dichtigkeits-Prüfeinheit.1 Tragbare Druckprüfeinheit mit Ansteuerung für Prüfgeräte/Prüfpacker2 Laptop oder Notebook für Druckprüfeinheit3 Drucker4 Prüfpacker für Muffen5 Rohrprüfgerät für Muffen oder gesamte Haltungen |
Regenwassergrundleitungen
Grundleitungen, die ausschließlich Niederschlagswasser mit Vorflut in ein Gewässer, einen Sickerschacht oder öffentlichen Regenwasserkanal ableiten, sind von der Pflicht für wiederkehrende Prüfungen ausgenommen. Das heißt jedoch nicht, daß sie keiner Wartung und Inspektion bedürfen; auch sie müssen dicht sein und dürfen zu keiner betrieblichen Gefahr (Straßeneinbruch oder Geländeüberflutung) werden. Die DIN 1986-1 unterscheidet im Abschnitt 6.1.13 für neu hergestellte Leitungen nicht nach diesen Kriterien; neue Regenwasserleitungen sollen also ebenso einer Wasserdichtheitsprüfung unterzogen werden, auch wenn hierfür kein Nachweis verlangt wird. Regenwasserleitungen, die unter Flächen liegen, auf denen wassergefährdende Stoffe erzeugt, gelagert oder umgeschlagen werden und Einwirkungen von außen durch Versickern von Flüssigkeiten auf die Leitung erfolgen können, sind mindestens wie Grundleitungen mit gewerblicher Abwasserableitung nach der Abwasserbehandlungsanlage zu prüfen. Gleiches gilt für mögliche Einwirkungen auf die Rohrleitung bei Betriebsstörungen o.ä. durch unbeabsichtigtes Einleiten von derartigen Stoffen über Hofabläufe in die Regenwasserleitung.
Schmutzwassergrundleitungen
Abwasserleitungen müssen wasserdicht sein. Der Dichtheitsnachweis wird jedoch mit dieser Norm nur für bestehende Grundleitungen unter Berücksichtigung der Betriebsbedingungen (häuslich/gewerblich) einschließlich der Prüfverfahren neu definiert. Damit wird für den Dichtheitsnachweis von Grundleitungen, die nur häusliches Abwasser außerhalb der Schutzzone II in Wassergewinnungsgebieten führen, die Schadenserfassung nur durch eine optische Inspektion (KA) mit einer Kanalfernsehanlage akzeptiert. Im Sinne der Norm gilt die vorhandene Leitung auch als dicht, wenn
- die Schadensbewertung mit einem als statisch (scherbenfrei, kein Rohrbruch, kein relevanter Muffenversatz)
- und hydraulisch (freier, nicht verformter Rohrleitungsquerschnitt, kein Wurzeleinwuchs) mängelfrei zu beurteilenden Rohrleitungszustand abschließt
- und keine Grundwasserinfiltration vorliegt.
Bei diesen Voraussetzungen wird unter Abwägung ökonomischer Gründe und der Belange des Boden- und Gewässerschutzes von keiner relevanten Besorgnis für den Boden- und Gewässerschutz ausgegangen. Im praktischen Anwendungsfall bleibt es dem Grundeigentümer/Nutzungsberechtigten unter Abwägung der Wirtschaftlichkeitsaspekte und unter Berücksichtigung der Besonderheiten seiner Anlage überlassen, ob er für Abwasserleitungen mit häuslichem Abwasser eine Dichtheitsprüfung oder eine optische Inspektion durchführen läßt. Für häusliches Abwasser bei Altanlagen wurde als unterste Grenze für die Wasserdichtheitsprüfung aus Praktikabilitätsgründen die Oberkante tiefster Entwässerungsgegenstand oder alternativ die Unterkante der Reinigungsöffnung in der Falleitung festgelegt. D.h. hier wurde bewußt nicht das Aufbringen eines Wasserdrucks bis zum Horizont der Rückstauebene verlangt, um die Leitung nicht durch unnötige Druckbeaufschlagung "undicht zu drücken". Liegt eine Grundleitung in einem häufig durch Rückstau aus der öffentlichen Kanalisation gefährdeten Gebiet, so ist als Prüfhorizont, auch bei häuslichem Abwasser, die tatsächliche Rückstauebene zu wählen. Allerdings kann eine Prüfung auf Wasserdichtheit nur mit einem positiven oder negativen Ergebnis enden. Die Schadensstelle kann mit dieser Methode nicht gefunden werden. Um eventuelle Schäden eingrenzen zu können, empfiehlt es sich abschnittsweise vorzugehen.
Zusammenfassung:
In der Zukunft wird die Erfassung und Beurteilung über den Zustand bzw. der Dichtheit der Abwasserleitungen nicht mehr bei der Abnahme der Grundleitungen im offenen Graben enden, sondern wird durch die Anforderungen der neuen DIN EN 1610 als Abnahmeprüfung bei verfüllten Rohrgräben nachgewiesen und nach der DIN 1986-30 mit wiederkehrenden Prüfungen in regelmäßigen, zeitlich vorgeschriebenen Abständen wiederholt nachgewiesen werden müssen.
* Referat Sanitärtechnik im ZVSHK, St. Augustin
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