IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/1998, Seite 54 ff.


INTERVIEW


Keine Chance für die Umwelt

Energie-Poker im Heizungskeller

Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu vermindern. Eine bessere Wärmedämmung der Gebäude und sparsame Heizungsanlagen sollen dieses Ziel ermöglichen. IKZ-HAUSTECHNIK-Korrespondent Stefan Rath sprach darüber mit Joachim Weinhold, Geschäftsführer Technik beim ZVSHK.

IKZ-HAUSTECHNIK: Seit dem 1. Januar gilt die Verschärfung der 1996 novellierten Bundesimmissionsschutzverordnung für neue Heizungsanlagen in Wohngebäuden. Ist das der Durchbruch zu einer nachhaltigen Verminderung der CO2-Emissionen?

Weinhold: Zunächst einmal gibt es nicht nur die genannte 1. BImSchV '96, sondern auch noch die Heizungsanlagenverordnung '94 und die Wärmeschutzverordnung '95. Alle diese Verordnungen beinhalten Maßnahmen zur Verringerung des Heizwärmebedarfs, Stichwort zur Wärmeschutzverordnung: Niedrigenergiehaus und zur 1. BImSchV: Verminderung der Abgasverlustgrenzwerte. Neu ist, daß nun auch alte Heizungsanlagen nach der Einstufungsmessung durch den Schornsteinfeger in bestimmten Übergangsfristen an die strengeren Werte angepaßt werden müssen. Diese Übergangsfristen laufen bis zum Jahr 2004.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie ist in diesem Zusammenhang die geplante Energiesparverordnung 2000, die ja noch weitere Verschärfungen enthalten soll, einzuordnen?

Weinhold: Die Gesetz- und Verordnungsgeber haben erkannt, daß die bisherigen Vorschriften bei weitem nicht ausreichen, das hochgesteckte Ziel zu erreichen. Deshalb wird nun, salopp gesagt, noch "einmal aufgesattelt", mit der Begründung: Wir wissen, daß wir nochmals Einsparungspotential mobilisieren müssen. Die ganze Geschichte krankt aber daran, daß der Vollzug der bisher beschlossenen Maßnahmen fehlt. Es macht doch keinen Sinn, schon wieder eine neue Verordnung in Angriff zu nehmen, ohne die Auswirkungen der bisherigen Maßnahmen bewerten zu können. Deshalb ist auch ein Hauptpunkt unserer Kritik: Jeder Hausbesitzer, der heute an eine Modernisierung seiner Heizung denkt, und das wäre der erste Schritt zur gewünschten CO2-Minderung, wird abwarten, was die zukünftige Energiesparverordnung an Vorgaben enthält. Die Folge ist ein enormer Modernisierungsstau, der unweigerlich zu Lasten der Umwelt geht. Es steht fest, daß der überwiegende Teil der vermeidbaren Emissionen aus dem Gebäudebestand und nicht aus den Neubauten kommt. Hier wäre folglich auch der erste Schritt zu tun.

Joachim Weinhold: Mit hektischem Aktivismus und immer schneller aufeinander folgenden Verordnungen und Vorschriften, ...

IKZ-HAUSTECHNIK: In welche Richtung zielt denn die zukünftige Energiesparverordnung 2000?

Weinhold: Auf einen Nenner gebracht: Alle Energiearten und damit auch die Heizungstechnik werden mit gebäudebezogenen Verlusteckwerten belegt. Gegen das Prinzip, alle im Gebäude entstehenden oder unvermeidbaren Verluste zu vergleichen, ist nichts einzuwenden. Nicht akzeptabel ist allerdings, daß man dabei nur das Gebäude selbst betrachtet und bei bestimmten Heizungsarten wesentliche Verluste, die ebenfalls die Umwelt belasten, außen vorläßt.

Tatsache ist, daß eine moderne Pumpenwarmwasserheizung einen Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent erreicht. Bei in konventionellen Großkraftwerken erzeugtem Strom liegt der Wirkungsgrad, einschließlich der Erzeugungs- und Übertragungsverluste im Mix dagegen gerade einmal bei 38 Prozent. In dem vorliegenden Manuskript der Norm DIN 4701-10 wird deutlich, daß hier die gesamten Verluste im Kraftwerk und beim Stromtransport unterschlagen werden, weil als Berechnungsgrundlage nicht der Ort der Primärenergieumwandlung dient. Die vom Kraftwerk selbst und die beim Strom- oder Wärmetransport verbrauchte oder verlorengehende Energie bleibt außen vor. Der ZVSHK ist daher, um einen fairen Vergleich zu ermöglichen, für den Vergleich ab dem Ort der Verbrennung der Primärenergie.

... bei denen das angebliche Ziel der Energieeinsparung und des Umweltschutzes oft anderen Prioritäten weichen muß, ...

IKZ-HAUSTECHNIK: Nun befassen sich gleich drei Ministerien, das Umwelt-, das Bau- und das Wirtschaftsministerium unabhängig voneinander mit eigenen Programmen zur Energieeinsparung und zur Verminderung der CO2-Emissionen. Wie wirkt sich das in der Praxis aus?

Weinhold: Das Ergebnis ist ein geradezu hektischer Aktionismus. Schaut man hinter die Kulissen, dann stellt man fest, daß jedes Ministerium ein eigenes Ziel verfolgt: Favorit des Bauministeriums ist das Niedrigenergiehaus mit maximaler Wärmedämmung und minimalem Heizenergieverbrauch. Das Wirtschaftsministerium strebt ebenfalls eine Verminderung des Energieverbrauchs an, wobei Strom als optimale Lösung zur Deckung des Wärmebedarfs begünstigt wird. Im Ministerium für Umwelt zielen alle Bemühungen auf die generelle Verminderung der CO2- und anderer Emissionen, ebenfalls durch die Verringerung des Einsatzes von Primärenergie. Oberflächlich gesehen sind das keine Widersprüche. Nur: Keiner weiß, was er nun genau tun soll. Soll er sein Haus mit optimaler Wärmedämmung bauen oder nachrüsten, soll er seine Heizung modernisieren oder Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energie installieren? Alles das kostet Geld. Und weil der Hausbesitzer natürlich jede Mark nur einmal ausgeben kann, wartet er ab, was ihm durch die bestehenden Übergangsfristen auch möglich ist. Dies ist der Grund für den bereits erwähnten Investitionsstau.

"Für die Verlusteckwerte muß der Ort der Verbrennung der Primärenergie herangezogen werden."

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist da die Energiesparverordnung 2000 nicht das fehlende Bindeglied?

Weinhold: Mit Sicherheit nicht in der Form, wie sie heute abzusehen ist. Aus Kosten- und Effizienzgründen garantiert die moderne Individualheizung, entweder gas- oder ölbefeuert, die schnellste und wirtschaftlich günstigste Einsparung von Primärenergie mit entsprechender Entlastung der Umwelt von CO2- und anderen Emissionen. Nach eigenen Angaben des Bauministeriums sind Millionen alter Heizungsanlagen dringend modernisierungsbedürftig. Hier sehen wir die vordringlichste Aufgabe, um eine sofortige Entlastung der Umwelt zu erreichen.

Die zukünftige Energiesparverordnung 2000 müßte also den Aspekt, daß die größten Umweltbelastungen aus dem Bestand kommen, besonders berücksichtigen. Außerdem sind wir der Meinung, daß die eingesetzte Primärenergie, entsprechend den erzeugten Emissionen, auch mit einer Umweltkennzahl zu bewerten ist, die die unterschiedlichen zulässigen Emissionen der TA-Luft im Vergleich zur 1. BImSchV berücksichtigt. Die Berechnung des Primärenergieeinsatzes für den jährlichen Verbrauch einer Heizungsanlage ist nach der prEN 832 zu ermitteln, das heißt: am Verbrennungsort. Das muß auch für die elektrische Direktheizung gelten, deren Energie durch Verbrennung von Kohle, Gas oder Öl im Kraftwerk, oder aber auch durch die Nutzung von Wasserkraft und Wind erzeugt wird. Gleiches gilt aber auch für andere Wärmequellen wie Fernwärme, BHKWs oder Nahwärme. Nicht vergessen darf man dabei auch Müllverbrennungsanlagen beispielsweise, die ja heute ebenfalls als Wettbewerber auf dem Energiemarkt auftreten. Hier ist eine Einbeziehung aller für die Strom- und Wärmeerzeugung relevanten Umwelteinflüsse unumgänglich. Benötigte Hilfsenergien sind den gleichen Bewertungen zu unterziehen. Nur so ist ein fairer Wettbewerb auf dem Wärmemarkt möglich.

... findet ein fairer Wettbewerb auf dem Wärmemarkt mit schneller und nachhaltiger Verminderung der CO2-Emissionen sicherlich nicht statt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Könnten Sie Ihre Aussage an einer Gegenüberstellung erläutern?

Weinhold: Nehmen wir als Beispiel die Energieversorgung eines Einfamilien-Niedrigenergiehauses mit klassischer Heizungsanlage. Für die Erzeugung von Warmwasser werden 18 Kilowatt (kW) benötigt, für die Heizung 5 kW, 10 kW für Licht und sonstige elektrische Geräte sowie 0,5 kW für die Lüftung, wobei sich diese Werte auf die installierte Leistung beziehen. Der Gleichzeitigkeitsfaktor bleibt bei diesem Beispiel unberücksichtigt, um die Differenz deutlich herauszustellen. Das sind somit unter dem Strich etwa 34 Kilowatt. Werden nun auch die 23 kW für Heizung und Warmwassererzeugung in Form von elektrischem Strom benötigt, und legt man dabei einen Kraftwerkswirkungsgrad von rund 38 Prozent zugrunde, so müßte rechnerisch die Kraftwerksleistung, ohne Verluste, bei fast 89 kW liegen, gegenüber 52 kW, die das Niedrigenergiehaus insgesamt an Leistung benötigt. Ich will hier nicht alle Details ausführen, aber unter dem Strich kommt bei der Elektroheizung eine Differenz in der Größenordnung von etwa 37 Kilowatt, rund 70%, heraus und das bedeutet einen Umweltnachteil.

"Der Trick: Direktheizung gilt ab Steckdose."

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wird, bei dieser Bilanz, das System Elektroheizung überhaupt gerechtfertigt?

Weinhold: Grundsätzlich bietet auch elektrische Energie die Möglichkeit, Heizwärme und Warmwasser zu erzeugen. Dies sollte jedoch im fairen Wettbewerb, das heißt unter gleichen Ausgangsbedingungen geschehen. Nur die Eckwertverluste innerhalb eines Gebäudes zu betrachten, schafft diese gleichen Ausgangsbedingungen natürlich nicht.

CO2-Emissionen

Braunkohle

0,40 kg CO2/kWh

Steinkohle

0,33 kg CO2/kWh

Holz

0,36 kg CO2/kWh

Heizöl

0,29 kg CO2/kWh

Erdgas

0,19 kg CO2/kWh

Fernwärme

0,24 kg CO2/kWh

Strom Mixwert (alte Bundesländer)

0,56 kg CO2/kWh

Strom Mixwert (neue Bundesländer)

1,10 kg CO2/kWh

In der zur Unterstützung der zukünftigen Energiesparverordnung 2000 geplanten Norm sind die Eckwertverluste wie folgt angegeben: Für Strom steht im derzeitigen Entwurf ein Wert von 0,2 kWh/(m3 · a), für die Pumpenwarmwasserheizung dagegen ein Wertebereich von 4,0 bis 11,9 kWh/(m3 · a). Dadurch erscheint die Elektroheizung wie durch Zauberhand als besonders umweltfreundlich, die wesentlich sparsamere und emissionsärmere moderne Individualheizung dagegen als Abgasschleuder. Der Trick dabei ist, daß bei der elektrischen Direktheizung "ab Steckdose" gerechnet wird.

Dazu kommt außerdem noch, daß für Kraftwerke die TA-Luft gilt, die diesen wesentlich höhere Emissionsgrenzwerte zugesteht, als sie die 1. BImSchV Kleinfeuerungsanlagen erlaubt. Nur ein Beispiel: Ein Kraftwerk darf bei der Verbrennung von Öl 250 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilowattstunde in die Luft blasen, eine Kleinfeuerungsanlage aber nur 120 Milligramm. Natürlich gibt es Gründe dafür: So sind die Länder und die Kommunen als Mehrheitsaktionäre der großen Energieversorgungsunternehmen selbstverständlich an deren wirtschaftlichem Erfolg interessiert. Entsprechende Unterstützung erfahren auch die von den Kommunen betriebenen Müllverbrennungsanlagen und Blockheizkraftwerke, die sich zunehmend als Anbieter von Strom, Fern- und Nahwärme betätigen. Mit echtem Wettbewerb oder gar mit Umweltschutz hat das nichts zu tun.


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