IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/1998, Seite 46 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Zweistufige Gaskessel mit atmosphärischem Brenner

Aufbau, Funktionsweise, Einsparpotentiale

Dipl.-Ing. Frank Hehl

In den vergangenen Monaten sorgten einige Fachveröffentlichungen zum Thema "Ein- oder Zweistufigkeit bei atmosphärischen Gaskesseln" zu Verunsicherungen beim verarbeitenden Handwerk. Es stellt sich nun die Frage, ob die Zweistufigkeit in der Praxis wirklich diese Vorteile aufweist, die die Wissenschaft vermeintlich belegt und auf die der Gesetzgeber bereits reagiert hat.

1. Normnutzungsgrad

1.1 Definition

Der Normnutzungsgrad nach DIN 4702 Teil 8 stellt die Kenngröße dar, die die Energieausnutzung von Wärmeerzeugern über den Jahresverlauf bewertet. Im Gegensatz zu den Angaben der statischen Größe Wirkungsgrad, die bei einem ganz genau definierten Lastfall bestimmt wird, wird mit dem Jahresnutzungsgrad das dynamische und somit praxisnahe Verhalten des Kessels über den Jahresverlauf wiedergegeben. Dazu wird bei fünf genau definierten Kesselbelastungen der Teillastnutzungsgrad bestimmt und mit einem Summenverfahren der Normnutzungsgrad ermittelt.

Bild 1: Brennerleistung bei ein- und zweistufiger Betriebsweise.

 

1.2 Schaltabläufe bei ein- bzw. zweistufigem Betrieb

Zum besseren Verständnis sei an dieser Stelle der typische Verlauf der Brennerleistung bei einem einstufigen und zweistufigen Kessel abhängig von der Belastung dargestellt (Bild 1).
a) Bei einer Brennerauslastung von 100% arbeiten beide Kessel einstufig in Vollast.
b) Bei einer Belastung von z.B. 80% ist die Vollaststufe des Brenners zu hoch. Aus diesem Grunde beginnt der einstufige Kessel mit dem Takten. Der zweistufige Kessel hingegen beginnt mit der Teillast. Nach einer sehr kurzen Zeit schaltet die Regelung in Vollast, da die Teillast den Wärmebedarf nicht decken kann, und nach einer gewissen Zeitdauer wieder in Teillast, da die Vollastleistung zu groß ist. Der Kessel hat aber seinen Betrieb zu keinem Zeitpunkt unnötig unterbrochen.
c) Bei einer Belastung von ca. 60% taktet der einstufige Kessel wiederum. Die Brennerlaufzeiten verringern sich und die Phasen des Brennerstillstandes werden größer. Der zweistufige Gaskessel beginnt auch hier noch nicht mit dem Takten, da seine Teillastleistung völlig ausreichend ist. Erst bei einer Belastung von unter 60% beginnt auch der zweistufige Kessel mit Ein- und Ausschaltvorgängen. Jedoch sind die Brennerlaufzeiten auch hier wieder deutlich länger.

Etwa 85% des Wärmebedarfs werden mit Kesselleistungen von ca. 60% und weniger (was der Teillastleistung entspricht) realisiert; oder, anders ausgedrückt, nur an 15% der Heiztage ist eine Kesselleistung von mehr als 60% erforderlich. Dies sind bei ca. 266 Heiztagen im Jahr nur ca. 40 Tage. Nur an weniger als 10 Tagen im Jahr wird die volle Kesselleistung benötigt - ein eindeutiges Argument für die Zweistufigkeit.

Bild 2: Vergleich der Teillastnutzungsgrade eines einstufigen (blau) und zweistufigen (grün) Gaskessels.

1.3 Energieeinsparungspotential

Von entscheidender Bedeutung für die Praxis ist aber, ob der zweistufige Kessel auch zu Energieeinsparungen im Vergleich zum einstufigen Kessel führt. Das Kriterium hierfür ist der Nutzungsgrad. In Bild 2 ist der Verlauf der Teillastnutzungsgrade eines einstufigen (blau) und eines zweistufigen (grün) Gaskessels dargestellt. Deutlich wird, daß der Teillastnutzungsgrad des zweistufigen Gaskessels größer ist als der des einstufigen. Kriterien für einen sinnvollen Vergleich sind, daß beide Kesseltypen:
• über eine identische Wärmedämmung verfügen und
• ein gleiches Wasservolumen besitzen.

Man kann davon ausgehen, daß moderne zweistufige Kessel geringe Wasserinhalte aufweisen. Dies wirkt sich immer dann vorteilhaft aus, wenn der Kessel in Betriebsbereitschaft gehalten wird (Betriebsunterbrechung während des Taktvorganges). In diesem Zeitraum kühlt das Kesselwasser aus (Betriebsbereitschaftsverlust) und gibt die Wärme an den Aufstellungsraum oder über den Schornstein ab. Im Bereich von ca. 10 bis 100% Auslastung resultiert der höhere Wirkungsgrad des zweistufigen Kessels hauptsächlich aus drei Faktoren:
• geringere Abgastemperatur und somit ein geringerer Abgasverlust,
• geringerer Bereitschaftsverlust durch kürzere Stillstandszeiten,
• keine Zirkulation von Luft durch den Kessel wegen der nahezu dichtschließenden Abgasklappe.

Im Bereich einer Kesselbelastung von kleiner als 10% ist ein starkes Abfallen der Nutzungsgradkurven zu beobachten. Dies ergibt sich in der Hauptsache daraus, daß der Anteil der Verluste (in der Hauptsache Betriebsbereitschaftsverluste) an der zugeführten Energie (Brenngasvolumen) überproportional ansteigt. Auch in diesem Bereich ist der Nutzungsgrad des zweistufigen Kessels größer als bei einstufiger Betriebsweise.

2. Brennerkonstruktion, motorisch gesteuerte Abgasklappe

Um geringste Stillstandsverluste zu garantieren, muß in Zeiten des Brennerstillstandes das Zirkulieren von kalter Luft durch den Kessel vermieden werden. Moderne zweistufige atmosphärische Gaskessel (Bild 3) arbeiten heute mit vollvormischenden Brennern, die mit einem sehr geringen Anteil an Sekundärluft (weniger als 5%) arbeiten. Der Brennraum wird aus diesem Grund abgedichtet und mit genau definierten Lufteintrittsöffnungen versehen. Somit wird durch die Injektorwirkung der Gasdüse das entsprechende Volumen an Primärluft angesaugt. Dies ist relativ einfach durch eine Messung des Restsauerstoffgehaltes oder der CO2-Konzentration im Abgas nachzuweisen. Es ergeben sich bei vollvormischenden Brennern CO2-Werte von
• Vollast 7,1 Vol-%
• Teillast 5,2 Vol-%

Bild 3: Zweistufig atmosphärischer Gaskessel mit nebenstehendem Speicher.

Dies entspricht Luftüberschußzahlen von l = 1,6 bzw. l = 2,15. Um ein Zirkulieren von Sekundärluft (Anteil unter 5%) bei Brennerstillstand durch den Kessel über den Schornstein nahezu vollständig zu vermeiden, kommt eine motorisch gesteuerte Abgasklappe vor der Strömungssicherung zum Einsatz (Bild 4). Diese ist bei Brennerstillstand vollständig geschlossen. So sind die inneren Verluste eines Kessels mit dichtschließender Abgasklappe gegenüber einem Kessel ohne Abgasklappe um nahezu 100% zu reduzieren. Die Amortisationszeit liegt hier bei weniger als 4 Jahren.

Bild 4: Motorisch gesteuerte Abgasklappe.

Ist die Abgasklappe nicht dichtschließend, sondern weist die Kesselkonstruktion noch Spalten zwischen Abgasklappe und Kesselkörper auf, so lassen sich die Bereitschaftsverluste dennoch um ca. 2/3 senken [1]. In der Regel ergeben sich so Amortisationszeiten von weniger als 5 Jahren [1].

In der Vollaststellung ist die Klappe völlig geöffnet, so daß die Abgase ungehindert den Kessel über das Abgassystem verlassen können. In Teillast ist die Klappe in einem bestimmten Winkel geöffnet und verengt somit den Abgasweg. Die Abgase werden etwas gestaut. Der Grund hierfür ist, daß bei vollvormischenden Brennern, im Gegensatz zu den herkömmlichen atmosphärischen Brennern, eine Besonderheit auftritt: Während bei herkömmlichen Brennerrohren die Flamme bei verringertem Gasdruck in Richtung Brenneroberfläche wandert, neigt die Flamme bei vollvormischenden Brennern zum Abheben. Um dies zu verhindern, wird über die nur halb geöffnete Abgasklappe die Flamme geringfügig nach unten gedrückt. Es entsteht die bekannte, in 1 bis 3 mm über dem Brenner schwebende "Schmetterlingsflamme" (Bild 5).

Bild 5: Schmetterlingsflamme eines vollmormischenden Brenners.

3. Brennerlaufzeiten, Schalthäufigkeit, Emissionen

Bei einem zweistufigen Brenner kommt es im Bereich von 100 bis 60% Belastung zu keinerlei relevanten Schaltimpulsen (Bild 1). Das Umschalten von Teil- auf Vollast und umgekehrt bei Belastungen zwischen 60 und 100% kann nicht als Schaltvorgang gewertet werden, da durch die bereits ausgebildete Flammenfront kaum relevante Emissionssteigerungen im Vergleich zum stationären Betrieb nachgewiesen werden können. Bild 6 zeigt einen typischen Emissionsverlauf eines atmosphärischen Gaskessels. Deutlich ist zu erkennen, daß während des Einschaltvorganges charakteristische Emissionsspitzen auftreten. Grund hierfür ist die in der Zündphase nicht gleichmäßige Gemischbildung, so daß unverbrannte Kohlenwasserstoffe (CxHy) und Kohlenmonoxid (CO) entstehen. Diese Emissionsspitzen sind auch beim Ausschalten des Brenners, wenn auch in einem geringeren Ausmaß, zu verzeichnen. Dies wird in der Hauptsache durch das nachträgliche Austreten von unverbrannten Resten des vorgemischten Brenngases aus den Brennerrohren hervorgerufen. Je öfter ein Kessel somit schaltet, desto größer ist der gesamte Schadstoffausstoß über die Laufzeit. Durch die zweistufige Betriebsweise kann die Laufzeit des Brenners deutlich vergrößert und somit die Taktrate erheblich verringert werden.

Bild 6: Emissionsverlauf eines atmosphärischen Gaskessels.

4. Gradientenregelung, Behaglichkeit

Bei einem zweistufigen Kessel ohne Gradientenregelung werden die Stufen ausschließlich bei bestimmten Abweichungen von der Solltemperatur geschaltet. Die Solltemperatur wird durch die witterungsgeführte Regelung in Abhängigkeit von der Außentemperatur berechnet. Zur weiteren Verminderung der Schaltimpulse und zur Optimierung der Behaglichkeit (nur geringste Veränderungen der Temperatur im Wohnraum, kleiner als 0,2 K) ist es sinnvoll, auch den Temperaturgradienten in die Regelkette mit einzubeziehen. Unter Temperaturgradient versteht man die Anstiegsgeschwindigkeit der Temperatur. Ein großer Temperaturgradient bedeutet, daß die Temperatur sehr schnell ansteigt oder sehr schnell fällt. Bei einem kleinen Temperaturgradienten verändert sich die Temperatur nur sehr langsam.

Angenommen, der Kessel heizt mit maximaler Leistung. Die Wärmeabnahme ist kleiner als die maximale und größer als die minimale Kesselleistung (siehe Bild 1, 80% Leistungsanforderung). Die Kesseltemperatur nähert sich nun sehr schnell dem Punkt, an der ein einstufiger Kessel abschalten würde. Um beim zweistufigen Kessel nun ein komplettes Abschalten zu vermeiden, schaltet der Kessel rechtzeitig in die Teillaststufe, so daß es nicht zu einem Überschwingen der Regeltoleranz kommt. Die Laufzeit des Kessels wird somit verlängert, es kommt zu keiner fühlbaren Temperaturerhöhung im Raum.

Auch ein zu geringes Ansteigen der Kesseltemperatur bei Wärmeanforderung kann durch die Gradientenregelung ausgeschlossen werden. Reicht die Teillaststufe nicht aus, um das Gebäude mit der nötigen Wärme zu versorgen, wird nicht gewartet, bis der Zuschaltpunkt für die Vollaststufe erreicht wird, sondern sie wird bereits früher dazugeschaltet (Schnellaufheizung). Somit kann auch garantiert werden, daß bei sich schnell ändernden Witterungsverhältnissen oder bei Nutzereingriff (z.B. durch Öffnen eines Thermostatventils in einem unbeheizten Raum) die Raumtemperatur durch die verringerte Trägheit des Wärmeerzeugers kaum schwankt. Der Nutzer bemerkt keinen Verlust an thermischer Behaglichkeit.

5. Betriebssicherheit

Voraussetzung für den Einsatz eines zweistufigen Kessels sind neben dem Umweltaspekt und der Energieeinsparung auch die hohe Betriebssicherheit und damit geringe Servicekosten. Aus diesem Grunde wird in modernen zweistufigen atmosphärischen Heizkesseln ein emissionsarmer vollvormischender Brenner eingesetzt, der speziell für den zweistufigen Betrieb entwickelt wurde. Somit kommt es zu keinerlei Einbußen in der Betriebssicherheit des Kessels und zu keinen servicebedingten Mehrkosten.

6. Fazit

Die Anzahl der Brennerstarts in einer Heizperiode läßt sich mit moderner zweistufiger Verbrennungstechnik deutlich minimieren. Zum Vergleich dienen die Zahlen aus typischen Praxisanlagen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Brennerstarts verschiedener Hersteller

Heizkessel einstufig, Schaltdifferenz 4 K

ca. 34.600 Brennerstarts

Heizkessel zweistufig, ohne Temperaturgradientenregelung

ca. 14.400 Brennerstarts

Heizkessel, zweistufig, mit Temperaturgradientenregelung

ca. 9140 Brennerstarts

Es erfolgt somit eine Reduzierung der Schaltimpulse um nahezu 75% von 34.600 auf 9140 pro Heizperiode.

Abschließend kann zusammengefaßt werden, daß moderne zweistufige Heizkessel mit atmosphärisch vollvormischenden Brennern mit Luftzahlanpassung und Gradientenregelung zu deutlichen Energieeinsparungen gegenüber vergleichbaren einstufigen Kesseln führen. Somit wird auch deutlich zu einer Verminderung des Ausstoßes an CO2 beigetragen. Die höheren Aufwendungen für die mehrstufige Abgasklappe und die Steuerung amortisieren sich bereits nach kurzer Zeit. Durch die geringere Schalthäufigkeit werden die instationären Emissionen durch Start und Stop deutlich gesenkt, was zu Umweltentlastungen führt. Deswegen schreibt der Gesetzgeber in der Heizungsanlagenverordnung von 1994 vor, daß bei Kesselleistungen über 70 kW keine einstufigen Brenner mehr zum Einsatz kommen dürfen.


[1] Prof. Dr.-Ing. Rudolf Rawe: Gasinstallation in Wohngebäuden. IKZ-HAUSTECHNIK, 14/93


Bilder: Oertli Rohleder Wärmetechnik, Möglingen


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