IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/1998, Seite 68 f.


REPORT


Regenwassernutzung voll im Trend

Stuttgarter Symposium zur Regenwasserbewirtschaftung stieß auf großes Interesse

Was noch vor wenigen Jahren möglichst schnell in die Kanalisation abgeleitet wurde, wird nun als wertvoller Rohstoff wiederentdeckt. Auf einem internationalen Symposium in Stuttgart befaßten sich am 19. November 1997 rund 200 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, aus Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Japan mit der Zukunft der Regenwasserbewirtschaftung.

Vier Experten referierten auf dem Kongreß "Regenwasserbewirtschaftung" in Stuttgart im "Haus der Architekten". Erstmals in dieser Form fanden sich dabei Vertreter von Hochschulen, Träger öffentlicher Belange, Planer und Bauausführende zusammen, um sich über Chancen einer dezentralen Regenwasserspeicherung, -nutzung und -versickerung auszutauschen.

Der auf dem Gebiet der Siedlungswasserwirtschaft weltweit tätige Professor Wolfgang Geiger von der Universität-Gesamthochschule Essen, beleuchtete kritisch die Möglichkeiten der Regenwasserversickerung.

Während einer Diskussionsrunde, von links: Markus Böll, Fa. Mallbeton (Mitveranstalter) und die Referenten Dipl.-Ing. Klaus Werner König, Dr. Reinhard Holländer und Prof. Dr.-Ing. Wolfgang F. Geiger.

Mit den Worten "Wir müssen bei der oberflächigen Ableitung des Regenwassers in den Ballungsräumen die Natur imitieren", forderte er ein sinnvolles Verhältnis von Abfluß und Versickerung in Zusammenhang mit anderen Konzepten, direkt vor Ort. Dies beinhalte den gesamten Maßnahmenkatalog von Speichern, Nutzen, Verdunsten, Versickern und verzögertem Ableiten, betonte Geiger. Darüber hinaus ist seiner Meinung nach für unsere Lebensqualität das Sichtbarmachen von Regenwasser ebenso wesentlich wie der Schutz vor Überflutungen.

"Zisternenwasser ist weitgehend frei von Bakterien und Keimen und kann unbedenklich für WC-Spülung und Waschmaschine verwendet werden", räumte der Mikrobiologe Dr. Reinhard Holländer vom Landesuntersuchungsamt in Bremen ein und nannte es abwegig, wenn befürchtet wird, daß durch Regenwasserzisternen auch gefährliche Krankheitserreger die Nutzer bedrohen würden. Aus hygienischen Gesichtspunkten, so der Experte, stehe einer Nutzung von Regenwasser im Haus nichts im Wege. Neuesten Ergebnissen zufolge besitzt das stehende Wasser in den Regensammelbehältern sogar Selbstreinigungskräfte. Nach Experimenten, die Holländer durchgeführt hat, war mit verschiedensten Keimen und Bakterien infiziertes Zisternenwasser schon nach einer Woche wieder nahezu erregerfrei. Ursache für diesen Effekt sei die Nährstoffarmut des gesammelten Niederschlagswassers.

Ziel einer nutzbringenden Regenwasserbewirtschaftung sei es, das Regenwasser möglichst lange auf Grundstücken und Erschließungsflächen zurückzuhalten, es zu nutzen, zu versickern und nur stark verzögert abzuleiten, - so faßte der Darmstädter Ingenieur und Vorsitzende der Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung Martin Bullermann seinen Beitrag zusammen. Man spare nicht nur Kosten ein, sondern schone auch die Umwelt, wenn in Neubaugebieten die Regenwasserbewirtschaftung konsequent realisiert würde. Konkret bedeute dies eine Entlastung der Kanalisationssysteme, der Regenbehandlungs- und Abwasserreinigungs-Anlagen sowie die Reduzierung der Abflußspitzen und Stoffbelastungen in Gewässern.

Interessante Einblicke in die innovative Technik und in die Wirtschaftlichkeit dezentraler Regenwasser-Speicheranlagen gab der Überlinger Architekt Klaus Werner König. In der Speicher- und Pumpentechnik gehöre die Zukunft den kompakten, anschlußfertigen Modulen. Er sprach vom Widerwillen seines Berufsstandes gegenüber Anlagen, deren Komponenten aus einer Vielzahl von Produkten unterschiedlicher Hersteller zusammengesetzt werden müssen und kritisierte den für die Planer damit einhergehenden Aufwand an Arbeitszeit und Zuständigkeit.

Mit annähernd 200 Teilnehmern aus fünf Ländern fand das Symposium überaus großes Interesse.

Der Honoraranteil von ca. 10% der Anlagekosten bedeute aber für Architekten und Ingenieure, daß innerhalb von 8 - 10 Stunden alles abgewickelt werden müsse, vom Bauherrengespräch, über Zeichnung und Ausschreibung bis hin zu Bauüberwachung und Abrechnung. Wie dies gelingen kann, haben aktuelle Aufnahmen aus der Bauleitungspraxis gezeigt: Im Idealfall werden Behälter, deren Zulauf- und Entnahmeeinrichtung bereits integriert ist, vom Lieferfahrzeug aus direkt in die Baugrube abgesetzt. Speicher, Filter und Konus sind mörtelfrei verschraubbar. Steckbare Rohrverbindungen ermöglichen den dichten Anschluß von Leitungen in wenigen Minuten, wie bei Regenspeichern aus Kunststoff längst üblich.

Als künftige Version der Druckerhöhung favorisiert König die Unterwassermotorpumpe und hob deren Vorteile wie Schallschutz, hohen Wirkungsgrad und die geringe Rate von Betriebsstörungen hervor. Die Kombination aus schwimmender Entnahmeleitung und beruhigtem Speicherzulauf nannte er die entscheidenden Voraussetzungen für gute Wasserqualität. Filter müßten vor oder in der Zisterne sitzen, ca. 0,2 mm Filterfeinheit haben und so bemessen sein, daß die maximal zu erwartenden Regenmengen nach DIN 1986 rückstaufrei passieren können und ein halbjährlicher Wartungsintervall genüge.

Schließlich war auch die Rede von Maßnahmen zur Sicherheit des Trinkwassernetzes vor direkter Verbindung mit Regenwasser-Anlagen und zur Sicherheit vor Verwechslung der Systeme. König nannte in diesem Zusammenhang die Pflicht des Regenwasser-Nutzers zur Mitteilung gegenüber seinem Wasserversorgungsunternehmen, die vor der "Errichtung der Anlage" erfolgen muß, den freien Auslauf nach DIN 1988 für Trinkwassernachspeisung und die Pflicht zur Kennzeichnung von Leitungen und Entnahmestellen.

Seiner Meinung nach sind die Forderungen der TW-Verordnung, wie sie zur Kennzeichnung derzeit gelten, sogar zu dürftig. Er empfiehlt z.B. Gartenwasserventile für Schlauchanschluß mindestens 160 cm über Gelände zu montieren, doppelt zu beschildern, d.h. mit Symbol und Schriftzug "Kein Trinkwasser" und im öffentlichen Bereich abschließbare Ventiloberteile einzusetzen. Daß laut Trinkwasserverordnung TW- und Nicht-TW-Systeme lediglich farblich unterschiedlich sein müssen, hält er bei der Vielfalt der für beide Systeme in Frage kommenden Materialien für problematisch.

Sein Beispiel: Ist die Trinkwasser-Leitung aus Kupfer, die Regenwasser-Leitung aus grünem Polypropylen, so wäre die gesetzliche Vorgabe erfüllt und dennoch könnte beides, aus zeitlicher Entfernung betrachtet, für Trinkwasserinstallationen aus verschiedenen Bauphasen gelten. König will sich in diesem Sinne für bessere Sicherungsmaßnahmen im neu gegründeten DIN-Ausschuß "Regenwasseranlagen" einsetzen.

Für Kritiker und Befürworter der Regenwassernutzung im Haus gleichermaßen wichtig waren die Hinweise auf Neuentwicklungen der Steuerungs- und Pumpentechnik: Wer fehlerhafte Ausführungen beim freien Auslauf oder den komplexeren Anschluß fürchtet, der wird in Zukunft die kompakten Druckerhöhungsanlagen einsetzen mit automatischer Steuerung und integrierter Trinkwasser-Nachspeisung.

Dabei ist das "heikle Bauteil" des freien Auslaufs zusammen mit einem kleinen Vorlagebehälter und einer automatisch gesteuerten "Ventilweiche" unter der Gehäuse-Abdeckung verborgen, die das DVGW-Prüfzeichen trägt. Für detailliertere Informationen verwies König auf seine Bücher "Regenwasser in der Architektur" und "Regenwassernutzung von A-Z" sowie auf die zum Symposium erschienene Mitglieder-Zeitschrift "Wasserspiegel 3/97" der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung, Frankfurt/Main.

Zur Wirtschaftlichkeit der Regenwassernutzung unterschied König zwischen privaten und gewerblichen Anlagen. Seiner Erfahrung nach wird von der Einfamilienhaus-Bauherrschaft genauso wenig eine kurzfristige Amortisation der Zisternentechnik erwartet wie beim Pflanzen eines Apfelbaumes. Dagegen bestehen gute Chancen für gewerbliche Regenwasser-Nutzer, mit richtigem Marketing, den "ökologischen Bonus" werbewirksam einzusetzen und in klingende Münze umzuwandeln.

Beispiel: Eine Portalwaschanlage für Pkw in Überlingen, die laut Betreiber doppelt so viel Umsatz bringt als erwartet, seit mit der Verwendung von Regenwasser in der lokalen Presse geworben wird.

Ökologisch höchst wirkungsvoll und wirtschaftlich zugleich nannte der Referent die neue Generation von Außenspeichern mit Schwimmerdrossel. Ein Teil des Speicherinhaltes wird dabei zur Pufferung von Starkniederschlägen aufgenommen und automatisch langsam wieder abgegeben. Bei flächendeckendem Einsatz in Neubaugebieten könnte sogar der Kanal kleiner dimensioniert werden bzw. auf das teuere zentrale Regenrückhaltebauwerk verzichtet werden, wie Beispiele in Bayern und Rheinland-Pfalz zeigten.


B il d e r :   Mallbeton, Pfohren


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