IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/1998, Seite 32 ff.
KLIMATECHNIK
Einfluß falscher Luftfeuchtigkeit
Während die absolute Feuchtigkeit x (g/kg) der Luft die entscheidende Rolle für die Berechnung der Be- und Entfeuchtungseinrichtungen spielt, wird die relative Feuchtigkeit j mit zur Kennzeichnung des Raumluftzustandes herangezogen.
Letztere stellt eine Behaglichkeitskomponente dar und dient als Meß- und Regelgröße und somit zur Beurteilung, ob der Raum be- oder entfeuchtet werden muß.
1. Folgen von zu hoher Luftfeuchtigkeit
Die möglichen Auswirkungen bei zu hoher Luftfeuchtigkeit kann man im wesentlichen auf folgende drei Bereiche beziehen:
1.1 Einfluß hoher Luftfeuchtigkeit auf die Behaglichkeit
Hierbei muß zwischen Winter- und Sommermonaten unterschieden werden. Aufgrund der geringen absoluten Feuchtigkeit im Winter ist die relative Luftfeuchtigkeit in Wohn- und Arbeitsräumen nur in den seltensten Fällen zu hoch. Sehr unbehaglich wirkt sich dagegen die hohe Luftfeuchtigkeit im Sommer aus, da hier nicht nur die absolute Außenluftfeuchte sehr hoch ist, sondern auch die Wasserdampfabgabe der Menschen fast doppelt so hoch ist wie im Winter (bei 20°C nur 35 g/h · Person, bei 26°C jedoch 65 g/h Person), was vor allem in Versammlungsräumen schnell zu einem lästigen Schwülegefühl führt.
- Ob eine hohe relative Feuchte eine schwüle Luft verursacht, kann man erst im Zusammenhang mit der Lufttemperatur erkennen (Bild 1). Außerdem spielen auch die Luftbewegung, der Aktivitätsgrad, die Kleidung u.a. eine gewisse Rolle.
- Wenn Menschen durch zu hohe Luftfeuchte schwitzen, machen sich nicht selten Geruchsstoffe bemerkbar (hygienische Nachteile), in Arbeitsräumen entstehen erhöhte Ausfallzeiten durch mangelnde Konzentration, vermehrte Körperpflege und Unwohlsein; außerdem werden die Arbeitsfreude und das Betriebsklima beeinträchtigt.
- Da der Behaglichkeitsbereich hinsichtlich der relativen Feuchte j, von (35) 40 bis 50(60)% sehr groß ist, wird man j, im Winter oft etwas geringer wählen, da bei der trockenen Luft jede zusätzliche Befeuchtung auch zusätzliche Energiekosten (latente Wärme) verursacht. Im Sommer wird man jede unnötige Reduzierung der relativen Feuchte vermeiden, da bei der feuchten Luft jede unnötige Entfeuchtung latente Kühlerleistung und somit teure Kälteenergie verursacht.
Mancher Leser wird dem jedoch widersprechen, denn andererseits soll im Sommer (insbesondere bei Raumtemperaturen > 26°C) die Raumfeuchte geringer gewählt werden, damit die erhöhte Wasserdampfabgabe der Menschen besser abgeführt werden kann. Somit sind beide Überlegungen zu beachten.
Bild 1: Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und relativer Feuchte. |
1.2 Einfluß hoher Luftfeuchtigkeit auf Baukörper und Einrichtungen
Eine mögliche Oberflächenkondensation kann verschiedene Ursachen haben, wie z.B. Außenflächen mit sehr geringer Wärmedämmung, Kältebrücken am Gebäude, hoher Wasserdampfanfall im Innern; so kann im Winter eine aus dem Raum strömende warme Luft mit richtiger Temperatur und Feuchte "gefährlich" werden, wenn diese in einen kalten Nebenraum einströmt. Ebenso kann durch Diffusion auch eine Kondensation im Innern des Baukörpers entstehen.
1.3 Einfluß hoher Luftfeuchtigkeit auf Produktionsverfahren
Viele Produkte können qualitativ und wirtschaftlich nur hergestellt werden, wenn die Raumluft eine entsprechende Temperatur und vor allem Luftfeuchtigkeit besitzt. Diese Aufgabe wird nicht nur durch eine Industrie-Klimaanlage erfüllt, sondern wird bei kleineren Einzelräumen auch durch Be- und Entfeuchtungsgeräte erreicht. In den meisten Fällen ist die relative Feuchte eher zu gering, d.h., es ist eine Befeuchtung erforderlich.
- In beiden Fällen kann hier eine zu hohe Luftfeuchtigkeit sehr unangenehme Auswirkungen haben, wie z.B. Gebäudeschäden, Schimmelbildung und die damit verbundenen gesundheitlichen und hygienischen Nachteile, Frostschäden, korrodierende Metalle, höhere Wärmeverluste, Wasserschäden, Fäulnisse, Geruchsbelästigungen, Verfärbungen, beschlagene Glasflächen, Zerstörungen an Möbeleinrichtungen, Lederwaren, Stoffen usw.
- Zusammenfassend kann man sagen, daß Schwitzwassererscheinungen im wesentlichen abhängig sind vom Außenluftstrom (Lüftungsintensität), vom Außenluft- und Raumluftzustand, vom Raumvolumen und von der Raumgeometrie, von der Luftführung, von der Oberflächenbeschaffenheit, von den verwendeten Baumaterialien, von der Art und Anbringung der Wärmedämmung, von der Fensterbeschaffenheit, von den Feuchtequellen im Raum und nicht zuletzt von der Raum- und Oberflächentemperatur.
Räume, in denen eine zu hohe Luftfeuchte unerwünscht oder schädlich ist, sind z.B. Zuckerlager (j 35%), Vulkanisation (j 25 bis 30%), Bonbonherstellung (j30 bis 40%), z.T. in der Pharmaindustrie (j 30 bis 35%), Linoleumindustrie (j z.T. 25 bis 30%).
2. Folgen von zu geringer Luftfeuchtigkeit
Die negativen Auswirkungen von zu trockener Luft sind vor allem in den Wintermonaten sehr lästig, schädlich und aus wirtschaftlichen Gründen teilweise existenzbedrohend. Die Luftbefeuchtung ist daher in zahlreichen Arbeits- und Produktionsstätten die wichtigste Aufgabe der Luftbehandlung.
- Insofern ist der Ausdruck "Erkältung" irreführend, da man sich sehr oft den Schnupfen und die Grippe nicht draußen in der kalten Luft, sondern im trockenwarmen Raum holt. In überheizten und stärker gelüfteten Räumen ist die Luft besonders trocken, und die herumschwirrenden Viren finden in den trockenen Schleimhäuten den besten Nährboden. Nachteilig ist trockene Luft besonders für Bronchitis- und Asthmakranke. Durch Einhaltung von 50% r.F. soll die Bakterienübertragung um ca. 30% reduziert werden können.
- Die Empfindung eines "kratzenden Halses" ist nicht immer nur auf die Trockenheit zurückzuführen, sondern beruht oft auf einer stärkeren Staubumwälzung. Besonders der verschwelte Staub ist schwebend leicht und kann durch Luftbefeuchtung etwas "zusammenklumpen", dadurch sich besser absetzen und somit entfernt werden. Die Luftbewegung darf allerdings nicht zu hoch sein.
- Unbehaglich oder lästig sind auch elektrostatische Aufladungen durch zu trockene Luft, insbesondere bei manchen Kunststoffmaterialien. In der Regel verschwindet diese Eigenschaft, wenn die relative Feuchte auf 50 bis 55% erhöht wird, da dadurch die elektrische Leitfähigkeit der Umgebung wieder zunimmt. Auch das Haften von Staub und Schmutz auf Teppichen, Vorhängen usw. wird drastisch verringert. Außerdem hat man festgestellt, daß bei sehr trockener Luft die Geruchsempfindung bei manchen Stoffen wesentlich stärker ist als bei befeuchteter Luft (z.B. bei Tabakrauch).
- Sehr trockene Luft fordert eine höhere Lufttemperatur bis über 1K, die wiederum die relative Feuchte senkt. 1K höher heizen bedeutet zwar 5 bis 6% höhere Heizkosten, doch muß man dabei beachten, daß jeder Liter Wasser zum Verdunsten oder Verdampfen etwa 700 Wh Energie benötigt.
- Geht man von einem behaglich gewünschten Raumluftzustand von 20°C und 50% r.F. aus und nimmt man eine normale Witterung im Frühjahr und Herbst mit 15°C und 60% r.F. oder ein feuchtes regnerisches Wetter mit + 5°C und 80% r.F. oder ein frostiges Wetter mit - 5°C und 80% im Winter an, so wird deutlich, daß fast das ganze Jahr hindurch die Raumluft befeuchtet werden müßte. Legt man z.B. einen Jahresmittelwert von x = 8 g/kg zugrunde, so sind es etwa 75 bis 80% der Jahreszeit; allerdings bei der Annahme, daß keine Feuchtequellen im Raum entstehen.
Bild 2: Folgen von zu trockener Luft. |
2.1 Zu geringe Luftfeuchtigkeit beeinträchtigt die Behaglichkeit und die Gesundheit
Bei einer relativen Feuchte von weniger als etwa 30%, exakte untere Grenzwerte gibt es nicht, empfindet der Mensch die Luft als zu trocken. Dies ist nicht nur lästig, sondern bedroht auch die Gesundheit durch Verminderung der Abwehrkräfte. Häufigeres Auftreten von Erkältungskrankheiten, Schädigung des Flimmerepithels, Austrocknen des Nasen-Rachen-Raumes, Reizhusten durch Beeinträchtigung der oberen Atemwege sind mögliche Folgen.
2.2 Zu geringe Luftfeuchtigkeit zerstört Einrichtungen und Sachwerte
Jedermann kennt das Schrumpfen oder Verziehen oder sogar die Rißbildungen durch Materialschwund bei Möbelstücken, Gemälden, Lederwaren, Lacken usw. Musikinstrumente, wie z.B. Konzertflügel, verlieren ihre Toncharakteristik. Gegenstände aus organischen Stoffen werden spröde und brüchig, Pflanzen verkümmern. Wertvolle Kunstgegenstände in Museen sind ohne Befeuchtungseinrichtungen gefährdet; umgekehrt kann jedoch bei extremen Besucherzahlen durch die hohe Wasserdampfabgabe der Menschen die Luftfeuchte so gefährlich ansteigen, daß eine Entfeuchtung erforderlich wird.
- Wo und weshalb die trockene Luft so schädlich ist, hängt von jeweiligen Arbeitsbereichen innerhalb der Betriebe ab. So haben z.B. in der Textilindustrie die Baumwollgarne ihre größte Festigkeit und Elastizität bei etwa 70% r.F. Geringe Luftfeuchte verursacht schlechten Materialdurchlauf, Fadenbrüche, elektrostatische Aufladung des Materials, ungleiche Banddichten und unterschiedliche Farbpässe. In der Tabakindustrie wird eine hohe Luftfeuchte verlangt, damit eine volle Qualitätsausnutzung bezüglich Aroma, Geschmack und Brennbarkeit ermöglicht wird. Auch in der Lebensmittelindustrie werden z.T. sehr hohe Werte verlangt, wie z.B. bei Schokolade ca. 60%, Gärraum für die Brotherstellung ca. 70%, Pilzplantage ca. 80%, Hefe ca. 70%. In der Elektroindustrie, wie z.B. bei der Fabrikation von elektrischen Isolierungen 65 bis 70%, in Brauereien (Gärraum) 60 bis 70%, in Druckereien (wo vor allem durch Befeuchtung elektrostatische Aufladungen vermieden werden sollen) 50 bis 60%, in der Lederindustrie werden bei der Vorbereitung und Gerberei bis zu 70% verlangt, um das Leder geschmeidig zu halten; in Kühlhäusern und in Lagerräumen sollen Materialverluste durch Wasserdampfabgabe verhindert werden; trockene Luft ist außerdem schädlich in Gärtnereien, in der Mikrobiologie u.a.
- Hygroskopische Stoffe nehmen entweder Wasserdampf aus der Umgebungsluft auf (Adsorption) oder geben ihn ab (Desorption). Wenn der Wasserdampfpartialdruck der Umgebung gleich dem des Materials ist, erhält man den Gleichgewichtszustand, der durch sog. Sorptionsisothermen gekennzeichnet wird. Aus ihnen kann man ablesen, bei welcher relativen Feuchte der Raumluft ein Stoff im Feuchtegleichgewicht ist.
- Wenn man die geschichtliche Entwicklung der Luftbehandlung verfolgt, so waren gerade die Anforderungen an die Luftbefeuchtung maßgeblich bei der Entwicklung der Klimabranche beteiligt.
- Wenn aus produktionstechnischen Gründen eine hohe Luftfeuchtigkeit verlangt wird, müssen erstens bauseits die entsprechenden Voraussetzungen getroffen werden (gute Wärmedämmung, Isolierverglasung) und zweitens die anlagentechnischen Einrichtungen richtig bemessen und betrieben werden.
Bild 3: Maßnahmen zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit.
Erhöhung der Luftfeuchtigkeit | Verringerung der Luftfeuchtigkeit | ||
absolute Feuchte | 1. wenn man Wasser im Luftstrom verdunstet | absolute Feuchte | 1. durch Kondensation an kalten Flächen (Kühler) |
2. bei Wasserzerstäubung (anschließende Verdunstung) | 2. durch Trocknung mittels Absorptionsstoffen (z.B. SiO2) | ||
3. durch Einblasen von Dampf in den Luftstrom | 3. durch Zumischen von noch trockener Luft | ||
[4. wenn Wasser von Luft durchströmt wird] | |||
5. durch Zumischen von noch feuchterer Luft | |||
relative Feuchte | 6. durch Senkung der Temperatur (Luftkühlung) | relative Feuchte | 4. durch Lufterwärmung |
Grundsätzlich auch: durch Feuchtequellen im Raum | ... durch hygroskopische Stoffe im Raum |
2.3 Einfluß geringer Luftfeuchtigkeit auf Produktionsverfahren
Wie schon beim "Einfluß von zu hoher Feuchte" erwähnt, verlangen zahlreiche Verarbeitungsprozesse neue technologische Verfahren (Mikroelektronik, Halbleiterfertigung, Oberflächenbehandlung u.a.), empfindliche Meß- und Prüfmethoden, eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit. So wird z.B. in der Textilindustrie eine relative Feuchte von 80% verlangt (z.T. bis 90%), in der Süßwarenindustrie bis über 60%, in der Tabakindustrie (Vorbereitung) bis 85%, in der Lebensmittelindustrie bis 70%, in der fotografischen Industrie bis 60%. Die Folgen von zu trockener Luft wären hier sehr hohe qualitative und quantitative Einbußen und somit völlig unwirtschaftliche Produktionsergebnisse, oft sogar überhaupt nicht mehr durchführbare Verfahren. Auch die Leistungsfähigkeit des Menschen läßt bei trockener Luft erheblich nach.
3. Maßnahmen zur Änderung der Luftfeuchtigkeit
Abschließend sollen anhand der Übersicht nach Bild 3 nochmals zusammenfassend die Möglichkeiten aufgezeigt werden, mit denen man die absolute und relative Luftfeuchtigkeit erhöhen oder verringern kann. Die Notwendigkeit einer Erhöhung der Raumluftfeuchte, die in der Regel mit einer aktiven Befeuchtung durchgeführt wird, ergibt sich - wie bereits erwähnt - vorwiegend an kalten Wintertagen, während eine starke Entfeuchtung an schwülen Sommertagen und stärkerer Raumbelegung erforderlich wird.
L i t e r a t u r :
[1] Claus Ihle; Klimatechnik mit Kältetechnik; 3. neubearbeitete und erweiterte Auflage, 1996
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