125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/1997, Seite 25 ff.
VERBÄNDE AKTUELL |
Schleswig-Holstein
Ostseemesse in Kiel
Handwerk präsentierte sich eindrucksvoll
Im Rahmen der Ostseemesse vom 2. bis 5. Oktober 1997 in Kiel präsentierten sich über 40 Handwerksberufe in einem großen Ausstellungszelt auf dem Nordmarksportfeld unter Federführung des Wirtschaftsverbandes Handwerk Schleswig-Holstein e.V., der Vereinigung der Fachverbände und aller Kreishandwerkerschaften im nördlichsten Bundesland.
Die unter dem Motto "Handwerk ist Zukunft" stehende Image- und Nachwuchsaktion des gesamten Handwerks war die Attraktion der Ostseemesse. Mehr als 2000 Jugendliche und weit über 14.000 Erwachsene interessierten sich insbesondere für das "Handwerkerzelt", in dem u.a. der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Schleswig-Holstein seine Handwerksberufe eindrucksvoll darzustellen vermochte.
ZDH-Präsident Dieter Philipp (2. v.l.) bei seinem Rundgang durch das "Handwerkerzelt" im Gespräch mit HGF Hugo Schütt (1. v.l.). |
Auf großes Interesse bei den Jugendlichen, aber auch bei den übrigen Messebesuchern stießen die Vorführungen des Lehrwerkmeisters der Berufsbildungsstätte für Heizungs- und Klimatechnik in Garding. Aus Kupferrohr fertigte er vor den Augen interessierter Zuschauer Spazierstöcke, die an den Enden mit Kupferkappen verlötet wurden. Einige "mutige" Jugendliche bogen sich ihren Spazierstock unter Anleitung des Meisters selbst und nahmen diesen voller Stolz mit nach Hause. Reges Interesse lösten auch die Vorführungen von Preßverbindungen aus, die Ausbilder Drefs an Kupfer- und Edelstahlfittingen demonstrierte. Ein Modell zur Brennersteuerung, ein Solaranlagenmodell, ein Kachelofen und verschiedene Exponate zur Demonstration der Heizungstechnik sowie für die Vorwandinstallation vermittelten dem Messebesucher einen Einblick in das breite Aufgabengebiet des SHK-Handwerks.
Lehrwerkmeister A. Drefs (1. v.l.) leitet einen Jugendlichen bei der Herstellung eines Spazierstocks aus Kupferrohr an. Das Publikum war fasziniert von dieser Vorführung. |
Mit dieser Handwerksmesse in Kiel für über 20.000 Handwerksbetriebe im Lande mit mehr als 180.000 in ihnen Beschäftigten - davon gut 20.000 Lehrlinge - wurde jedoch nicht zuletzt auch folgende Zielsetzung verfolgt:
In Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsamt Nord und allen Arbeitsämtern in Schleswig-Holstein wurden die als Lehrstellen-Suchende registrierten Jugendlichen in Schleswig-Holstein zu einem kostenlosen Bustransfer und Messebesuch nach Kiel eingeladen. In einer sogenannten Ausbildungsplatzbörse bestand die Gelegenheit, diese Jugendlichen mit einem Ausbildungsbetrieb zusammenzubringen, der für dieses Jahr noch einen Lehrling sucht.
Meister Drefs bei der Demonstration der Preßtechnik. |
Natürlich waren auch die Schüler künftiger Abgangsjahrgänge herzlich willkommen. Sie machten vom Besuch des Handwerkerzeltes und Informationsgesprächen mit den Ausbildungsplatzvermittlern und Ausbildern auf den Ständen der Fachverbände auch reichlichen Gebrauch. Diese Bereitschaft war bei den noch unversorgten Jugendlichen offensichtlich nicht so ausgeprägt. Von den angebotenen 120 freien Ausbildungsstellen und den über 700 Praktikantenplätzen für dieses Jahr konnten nur 21 Ausbildungs- und 48 Praktikantenplätze bis zum Messeende vermittelt werden.
Bezeichnend und nicht ganz unerwartet war, daß von den rund 2500 bei den Arbeitsämtern als "lehrstellensuchend" registrierten Jugendlichen nur 258 auf die Einladung des Handwerks und der Arbeitsverwaltung reagierten. Als Busse an den Abfahrtstellen wie vereinbart bereitstanden, hatten sich allerdings nicht mehr als 100 dieser Jugendlichen, die fest zugesagt hatten, auch tatsächlich eingefunden!
Ausbilder A. Drefs erklärt den Besuchern die Preßtechnik. Für viele von ihnen eine vollkommen neue Technik. |
Die Aktionstage des Handwerks wurden am 2. Oktober 1997 mit einer Begrüßungsrede von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Peer Steinbrück eröffnet, der sich auf seinem anschließenden Rundgang durch das "Handwerkerzelt" sehr beeindruckt zeigte.
Zum Ausklang der Messe am Sonntag nachmittag sprachen nach der Begrüßung durch WVH-Präsident Peter Helmich, Ministerpräsidentin Heide Simonis, die auch die Schirmherrschaft dieser Handwerksmesse übernommen hatte und ZDH-Präsident Dieter Philipp. Beide hatten zuvor in einem etwa einstündigen Rundgang jeden einzelnen Stand im Handwerkerzelt besucht. Der ZDH-Präsident lobte diese Sonderaktion des Gesamthandwerks in Schleswig-Holstein. Er sprach sich nachdrücklich gegen eine Ausbildungsplatzabgabe aus, da sie nicht nur erheblichen bürokratischen Aufwand erzeuge, sondern auch zu "Fehllenkungen" führe und tendenziell einer Verschulung der Ausbildung Vorschub leiste. Die im Vergleich zu Deutschland hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Ländern mit einer verstaatlichten Berufsausbildung sollte Warnung genug sein.
Blick in die Runde zur Abschlußveranstaltung vor rund 700 Gästen. v.l.n.r.: HGF Hugo Schütt, ZDH-Präsident Dieter Philipp, LIM Albert Vogler, rechts im Vordergrund, Ministerpräsidentin Heide Simonis. |
Dennoch sei das duale System reformbedürftig. Die Anpassung der Berufsbilder an den technischen Fortschritt sowie die schnellere Umsetzung neuer Inhalte in den schulischen Rahmenlehrplänen sei dringend geboten.
Im Hinblick auf die immer weiter steigenden theoretischen Anforderungen bei der Gesellenprüfung sollte überlegt werden, ob nicht schulisch schwächeren, aber stärker praktisch begabten Jugendlichen, ein anderer Ausbildungsgang angeboten werden müsse. Dieser stärker praktisch orientierte Ausbildungsgang, bei dem ein Abschluß unterhalb des Gesellenbriefes erreicht werden kann, dürfe allerdings keine Einbahnstraße sein, d.h. ein späterer Aufstieg zum Gesellen und Meister müsse auch diesen Jugendlichen offenbleiben.
Mit Nachdruck sprach sich Philipp für eine Absenkung der Lohnzusatzkosten aus und beklagte das Scheitern der Steuerreform. Die Wirtschaft und somit auch das Handwerk brauche verläßliche Rahmenbedingungen, um wieder mit mehr Optimismus in die Zukunft investieren zu können.
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