125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/1997, Seite 42 ff.


KLIMATECHNIK


Warum CO2?

Martin Liddament*

Die Konzentration des vom menschlichen Stoffwechsel produzierten Kohlendioxids in einem Raum entwickelte sich zu einem häufig genutzten Indikator für die Qualität der Raumluft. Sie wird zunehmend bei der Regelung von Lüftungssystemen eingesetzt und auch als Vergleichseinheit bei diversen Vorschriften und Normen. Dennoch bestehen unterschwellig Bedenken, daß solche Messungen fehlerhafte Informationen liefern könnten, und daß die Bedeutung des stoffwechselbedingten Kohlendioxids generell falsch aufgefaßt werden könnte. Mit diesem Aufsatz faßt der Autor die neueren Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex und insbesondere die Ergebnisse der Seminare und Foren des ASHRAE ’96-meetings in Atlanta zusammen.

Andrew Persily vom US-amerikanischen Institute of Science and Testing (NIST) erläuterte die Gründe für das gestiegene Interesse an Kohlendioxid: Aufgrund der Tatsache, daß CO2 vom Stoffwechsel produziert werde, könne es in direktem Zusammenhang mit der Anwesenheit von Personen betrachtet werden. Außerdem sei es relativ leicht und mit wenig Aufwand meßbar, zudem recht beständig, da nicht besonders reaktionsfreudig, und werde auch von Oberflächen nicht absorbiert. Prinzipiell könne CO2 zur Beurteilung der Lüftungsrate sowie zur Bestimmung des Außenluftanteils, der mit der rezirkulierten Luft gemischt werde, eingesetzt werden und auch als Indikator für die empfundene Raumluftqualität fungieren.

Kohlendioxid und Toxizität

Dr. Michael Hodgson vom Health Sciences Center der Universität Connecticut vermittelte einen Überblick über die gesundheitlichen Auswirkungen des Kohlendioxids sowie über dessen Toxizität. Seine Forschungen gäben Grund zu der Annahme, daß CO2 - im Gegensatz zu weitgehend unbelegten Berichten, die das Gegenteil behaupten - bei Konzentrationen unter etwa 8500 ppm keinerlei Einfluß auf den menschlichen Stoffwechsel habe. Zwischen 8500 und 10000 ppm erhöhe sich der Umsatz in der Lunge, und bei Werten über 34000 ppm beschleunige sich das Atmungssystem. Bei 40 bis 45.000 ppm sei Schwitzen zu beobachten, und bei Werten über 50.000 ppm träten Angstzustände auf. Des weiteren berichtete er, daß Kohlendioxid im 19. Jahrhundert bei Operationen als Narkosemittel verwendet worden sei und dies in Konzentrationen von nahezu 500.000 ppm (50%). Wenn also nicht gerade eine extreme Überbelegung eines Raumes vorherrsche, bestehe aus gesundheitlicher Sicht keine Notwendigkeit zur CO2-Abfuhr aus diesem Raum.

Tabelle1: Energieproduktionsniveaus und CO2-Emissionsraten bei verschieden hoher Stoffwechselaktivität (Grundlage: BS5925, 1990).

Actvity

Metabolic Rate (W)

CO2 Produktion Rate (Vs)

Sedentary Work

100

.004

Light Work

100 - 300

.006 - .012

Moderate Work

300 - 500

.012 - .020

Heavy Work

500 - 650

.020 - .032

Very Heavy Work

650 - 800

.026 - .032

CO2-Produktion durch den Stoffwechsel

Der menschliche Stoffwechsel produziert Kohlendioxid. Die Produktionsrate ist recht genau definiert und hängt vom Grad der Stoffwechselaktivität ab. Beispiele sind in Tabelle 1 dargestellt (BS5925, 1990). Zu diesem Thema merkte Michael Hodgson an, daß die Produktionsrate bei jeder Art von Tätigkeit mit zunehmendem Körpergewicht ansteige, was den höheren Grad an notwendiger körperlicher Anstrengung reflektiere. Zudem könnten körperlich fitte Leute pro Einheit an produziertem CO2 mehr Arbeit leisten.

CO2-Konzentration in der Umgebung

Kohlendioxid ist ein Bestandteil der Außenluft, und die Tatsachen sprechen dafür, daß die Konzentration beständig ansteigt. Der tatsächliche Anteil in der Außenluft hängt von der Umgebung ab und variiert zwischen ungefähr 350 ppm in freier Natur und etwa 400 ppm in städtischem Umfeld.

CO2-Konzentration in der Raumluft

Die CO2-Konzentration in der Raumluft hängt von der Außenluftkonzentration und von der CO2-Produktionsrate im Raum ab. Im Falle von Büroräumen ist dieser zusätzliche CO2-Anteil vorwiegend auf den menschlichen Stoffwechsel zurückzuführen, während im Wohnbereich ein hoher Prozentsatz von Gaskochstellen herrühren dürfte. Um herauszufinden, welcher Anteil an CO2 in einem Raum produziert wird, muß also die Differenz zwischen der Innenraumkonzentration und der Konzentration der Umgebung gemessen werden. Werden keine exakten Werte gebraucht, geht man gewöhnlich von Außenwerten zwischen 350 bis 400 ppm aus. Wichtig zu wissen ist jedoch, daß bei Präzisionsanalysen einige Autoren automatisch die Außenluftkonzentration abziehen, d.h. den Differenzwert angeben, wenn sie sich auf die Konzentration in der Raumluft beziehen. Andererseits werden bei den meisten Normen bezüglich akzeptabler CO2-Raumluftkonzentration die absolute oder die Gesamtraumluftkonzentration angegeben.

Bild 1: Vom Stoffwechsel produziertes Kohlendioxid.

Konzentration im Beharrungszustand

Vom Stoffwechsel produziertes Kohlendioxid verhält sich wie jeder andere Schadstoff insofern, als seine Konzentration bei gegebener Raumbelegung und Lüftungsrate asymptotisch bis zu einem stabilen Wert (Beharrungszustand) ansteigt. In diesem Zustand hängt die Konzentration sowohl vom Außenluftvolumenstrom als auch von der CO2-Produktionsrate ab, während die Zeit, die zum Erreichen des Beharrungszustandes benötigt wird, allein von der Luftwechselrate abhängt. Das ungefähre Verhältnis zwischen der stabilen Konzentration (absolut) und der Lüftungsrate ist aus Bild 1 zu ersehen. Ist die stabile Konzentration erreicht und der Aktivitätsgrad zu diesem Zeitpunkt bekannt, so läßt sich über die gemessene CO2-Konzentration der ungefähre Anteil an frischer Außenluft pro anwesender Person ablesen - vorausgesetzt, daß keine weitere CO2-Quelle existiert.

Vorübergehende/momentane Konzentration

Eine stabile Konzentration kommt eher selten zustande. Entweder ist das Volumen des eingeschlossenen Raumes so groß, daß es mehrere Stunden dauern würde, bis der stabile Zustand erreicht ist, oder aber die Raumbelegung ist ständigen Schwankungen unterworfen. Unter solchen Umständen ist eine Punktmessung (momentane Messung) des CO2-Gehalts eigentlich sinnlos. Dennoch wurden verschiedene Techniken entwickelt, mit denen sich die Lüftungsrate aus der vorübergehenden CO2-Konzentration bestimmen läßt. Persily (1996, 1994) ging dabei ins Detail und bietet mehrere Lösungen an. Auch auf seiten der US Environmental Protection Agency (EPA) wurde dieser Aspekt untersucht, da dort befürchtet wurde, daß man sich gemeinhin zu sehr auf diese Messungen des momentanen Zustands verläßt. So beschrieb John Girman vom Raumluft-Department des EPA, wie er die mit Punktmessungen verknüpften Fehler untersucht und Methoden abgeleitet hatte, anhand derer sich die auf CO2-Messungen basierende Lüftungsregelung verbessern läßt. Die meisten Fehler seien auf die Zeitspanne bis zum Erreichen des Beharrungszustands zurückzuführen sowie auf die Reflexionen zur CO2-Produktionsrate und die Verflüchtigung bei der Außenluftkonzentration. Bei einer Luftwechselrate von ca. 3h-1 dauert es ungefähr drei Stunden, bis der Beharrungszustand erreicht ist.

Aus Mudarris (noch nicht abgeschlossener) Arbeit (1996) läßt sich jedoch bereits erkennen, welche Zugeständnisse hinsichtlich des Nicht-Erreichens des Beharrungszustandes gemacht werden können. Diese basieren auf der Dauer und der Dichte der Raumbelegung. Exaktere Ergebnisse setzen ein tiefergreifendes Wissen über die metabolische Produktionsrate voraus. Die Produktionsrate liegt bei Männern verglichen mit der von Frauen bei 1 : 0,76. Mudarri verarbeitete solche Zugeständnisse in einen 10-Stufen-Plan zur Bestimmung der Luftwechselrate anhand relativ klarer Parameter.

Bild 2: Stoffwechselbedingtes Kohlendioxid als Indikator für die akzeptable Raumluftqualität.

Raumkonzentration und "empfundene" Raumluftqualität

Andrew Persily gab einen Überblick darüber, wie CO2 überhaupt ins Zentrum des Interesses geraten war, u.a. in Zusammenhang mit dem menschlichen Empfinden der Raumluftqualität, speziell mit dem Geruchsempfinden. Er zitierte einige Beispiele, aus denen der Zusammenhang zwischen CO2-Konzentration und Körpergeruch hervorgeht. Viel Zahlenmaterial basiert auf der Verknüpfung zwischen der CO2-Konzentration mit dem Prozentsatz der Besucher eines Raumes, die den dort herrschenden Geruch (in ppd) als störend empfanden. Diese Verknüpfung ist eher mit der tatsächlich gemessenen CO2-Konzentration assoziiert als mit der Konzentration im Beharrungszustand. Eine 20prozentige Geruchsbelästigung korrespondiert mit einer CO2-Konzentration von 650 ppm über der in der Außenluft herrschenden Konzentration, d.h. mit einer tatsächlichen CO2-Konzentration von etwa 1000 ppm (Bild 2).

CO2-Messungen

Kohlendioxid kann über mehrere Techniken ermittelt/gemessen werden, einige davon wurden von Richard Stoner von Solonat Neotronics erläutert. Weiterreichende Informationen hierzu können dem Kapitel 11 des "Guide to Ventilation" (Liddament, 1996) entnommen werden. Die Techniken variieren von der Präzisionsmassenspektrometrie zu billigen Detektionsröhren, die sich bei Vorhandensein von CO2 farblich verändern. Die wohl häufigste Methode bei bedarfsgeregelten Systemen ist die nicht-streuende Infrarot-Detektion, die sich die Eigenschaft eines Gases, aus einer Infrarot-Lichtquelle Energie zu absorbieren, zunutze macht. Der daraus resultierende Wärmegewinn wird als volumetrischer Wechsel ermittelt. Diese absorbierende Eigenschaft findet auch bei der photoakustischen Detektion Anwendung. Hier wird die Absorption aus einer gepulsten Infrarot-Quelle, die entsprechend der spezifischen Eigenschaften von CO2 eingestellt ist, in eine Schallwelle übersetzt. Die Schallintensität entspricht der jeweiligen Gaskonzentration. Beide Systeme weisen eine Auflösung von meist +/- 50 ppm auf und unterliegen gewissen Abweichungen, die auf den Staubbefall der optischen Geräte und eine graduelle/schrittweise Verschlechterung der Lampenleistung zurückzuführen sind.

Andere Methoden sind zum Beispiel die potentio-/ elektrometrische, bei der Kohlendioxid in ein Elektrolyt diffundiert wird, was eine Veränderung der herrschenden Stromstärke bewirkt sowie die amperiometrische Methode, bei der Kohlendioxid elektrochemisch über eine Membran in ein Elektrolyt diffundiert wird. Auch hier liegt die Empfindlichkeit normalerweise im Bereich von +/- 50 ppm, und es können bedeutsame Abweichungen auftreten. Außerdem ist die Lebensdauer der Sensoren nicht uneingeschränkt.

Die Probleme und Erfahrungen, die bei der Messung von stoffwechselbedingtem CO2 auftreten können, waren auch Thema eines unformellen Forums, auf dem die Rolle der CO2-Messungen als Mittel zur Bestimmung des Außenluftanteils im Lüftungsvolumenstrom diskutiert wurde. Die Erfahrungen belegten deutliche, instrumentell bedingte Abweichungen. So konnte mit einer überwachten Studie belegt werden, daß ein System, das auf 1000 ppm eingestellt war, ein paar Monate später erst bei einer tatsächlichen Konzentration von 1800 ppm reagierte. Mehrere Referenten betonten die Notwendigkeit einer regelmäßigen Kalibrierung (der eingesetzten Geräte). Die Schlußfolgerung muß demnach lauten, daß jeder bedarfsgesteuerte Sensor mit einer einfachen, möglichst automatischen Kalibriervorrichtung ausgestattet sein muß. Ein nicht gewartetes System führt zwangsläufig, manchmal binnen weniger Monate, zu falschen Ergebnissen.

Bedarfsgesteuerte Lüftung

Ungeachtet der Probleme, die bei der Überwachung des stoffwechselbedingten Kohlendioxids auftreten können, hat sich diese Methode zu einer weitverbreiteten Komponente von bedarfsgesteuerten Lüftungssystemen entwickelt. Als solche repräsentierte sie einen wichtigen Bestandteil des Forschungsauftrags (Annex 18) der Internationalen Energie-Agentur im Rahmen des Programms "Energieeinsparung in Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen" (Mansson 1990).

Schlußfolgerung

Kohlendioxid ist als weitgehend ungiftig einzustufen, da bei Konzentrationen bis 10000 ppm (oder auch mehr) keine schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen nachweisbar sind.

Bei normaler Raumbelegung sind gemessene CO2-Werte von deutlich über 1000 ppm ein Hinweis auf unzureichende Belüftung, d.h. die Lüftungsrate reicht nicht aus, um andere, gefährlichere Schadstoffe, die eventuell auftreten, angemessen zu verdünnen. In dieser Hinsicht kann die Überwachung der CO2-Konzentration einen wertvollen Beitrag zur Bestimmung der Raumluftqualität leisten. Ergibt eine Konzentrationsmessung (vor allem eine Punktmessung) 1000 oder weniger ppm, kann diese Tatsache jedoch nicht automatisch als zuverlässiger Indikator für eine angemessene Lüftung fungieren, da auch noch andere Schadstoffe auftreten können oder die Zeit zu knapp bemessen war, so daß zum Zeitpunkt der Messung kein stabiler Zustand geherrscht hatte, oder aber die übliche Raumbelegungsdichte nicht erreicht war.

Durch eine fortlaufende Überwachung der CO2-Konzentration kann festgestellt werden, ob die Luftwechselrate ausreicht. Die Schwankungen in der Konzentration als Folge variierender Belegungsdichte müssen natürlich berücksichtigt werden.


*) Martin Liddament, Direktor des AIVC, erörtert die Anwendung der stoffwechselbedingten CO2-Produktion bei der Beurteilung und Regelung der Raumluftqualität. Der Originalartikel ist in der Air Infiltration Review Vol. 18, Nr. 1 vom Dezember 1996 erschienen.


L i t e r a t u r

[1] Liddament, M. W.: A Guide to Energy Efficient Ventilation, AIVC 1996.

[2] Mansson, L.-G.: Demand Controlled Ventilating System: State of the Art Review. Swedish Council for Building Research 1990.

[3] Mudarri, D.: Interpretation of CO2 Measurements in Buildings. US EPA, draft report, April 16, 1996.

[4] Persily, A. K.: A Study of Ventilation and Carbon Dioxide in an Office Building. ASHRAE Trans-actions, Vol. 100, Pt 2, 1994.


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