125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1997, Seite 68 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Die Kundenorientierung
erfolgreich praktizieren

Hindernisse in den Köpfen und im "System" beseitigen

Dipl.-Kfm. Manfred R.A. Rüdenauer* Teil 1

In den ersten beiden Teilen dieser Beitragsserie** zur Kundenorientierung ging es um grundsätzliche Fragen des Verhältnisses zum Kunden und im weiteren Verlauf um das kundenorientierte Verkaufsgespräch. In diesem und dem folgenden Beitrag werden die vier Kardinalsünden in der Einstellung zum Kunden und ihre negativen Folgen für die Praxis im Mittelpunkt stehen. Zuerst wird die Situation dargestellt, wie sie in vielen Betrieben anzutreffen ist. Dann erfahren Sie, wie Sie kundenfreundlich(er)e und kundendienlich(er)e Einstellungen in Ihrem Betrieb entwickeln können und erhalten "Werkzeuge", mit deren Hilfe Sie Ihre und Ihrer Mitarbeiter Einstellung zum Kunden verändern und verbessern können.

1. Kunden sind unsere natürlichen Partner

Die Einsicht, daß allein die Kunden die wirtschaftliche Existenz eines Unternehmens und damit auch die Arbeitsplätze sichern, kommt dabei leicht zu kurz und wird meistens erst wieder geweckt, wenn sich nicht mehr genug Kunden zu bloßen Mitteln degradieren lassen und die Erlöse auf Talfahrt gehen. Dann erst dämmert es, daß Kunden auch Ziele haben, Interessen vertreten, Ansprüche stellen und Nutzen von einer Geschäftsbeziehung erwarten.

"Kunde droht mit Auftrag". In dieser humorvoll-spöttischen Bemerkung kommt eine leider ziemlich weit verbreitete Einstellung gegenüber Kunden zum Ausdruck: Kunden sind unbequem, verursachen Arbeit und Probleme, stören die Ruhe. Hinter dieser Einstellung steckt bei Mitarbeitern häufig ein wirtschaftsfernes Bewußtsein, in dem die Frage wie Löhne, Gehälter, Sozialleistungen, Steuern und Abgaben erwirtschaftet werden, keine Rolle spielt. Genauso oft ist es aber einfach unangemessene Selbstbezogenheit, überzogene Fixierung auf die eigenen Ziele, Interessen und Probleme, die Führungskräfte und Mitarbeiter dazu bringt, ihre Kunden in erster Linie als Mittel zur Erfüllung ihrer eigenen Zwecke zu sehen.

Damit Kunden bereit sind, unsere Produkte zu kaufen und unsere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, müssen wir ihnen nützlich sein, müssen wir ihnen das geben, was sie brauchen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ihre Probleme zu lösen und schließlich ihre eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern. Unsere Kunden sind deshalb unsere natürlichen Partner; sie nützen uns mit ihren Aufträgen, solange wir ihnen mit unseren Produkten und Dienstleistungen nützen.

Leider müssen wir aber allzu häufig erfahren, daß diese banale Erkenntnis noch längst nicht Allgemeingut geworden ist. Dabei würden letztlich alle profitieren, wenn Kunden so ernst und wichtig genommen würden, wie es ihnen aufgrund ihrer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Lieferanten zukommt. Denn Kunde ist doch schließlich jeder beinah täglich irgendwo.

In Wirklichkeit fühlen sich Kunden häufig nicht als willkommene Partner, sondern als abzuarbeitendes Pensum, als mehr oder weniger gut gelittene Störenfriede, als notwendiges Übel oder gar als lästige Widersacher und Beuteobjekte. Klar, daß Kunde sein unter der Gewalt solcher Eindrücke keinen Spaß macht und so gut es geht vermieden wird. Schließlich gibt es schönere Dinge im Leben als sich auf eigene Kosten zu einer unbedeutenden Nummer, zum Bittsteller oder zum lästigen Hanswurst machen zu lassen, der nur geduldet wird, um ihm die Taschen zu leeren.

Lieferanten und Dienstleister, die ihren Kunden so negative Gefühle vermitteln, schaden sich nur selbst. Die gestörten Kundenbeziehungen beeinträchtigen ihr Geschäft und gefährden in Zeiten zunehmenden Wettbewerbs ihren Zukunftserfolg. Wer dagegen seine Kunden so behandelt, wie sie es als Garanten für den Unternehmenserfolg verdienen, sichert sich damit Arbeitsplatz und Einkommen.

Ein wichtiger mentaler Schritt auf dem Wege zu einer besseren Kundenorientierung bzw. zu einem besseren Qualitätsmanagement der Kundenbeziehungen ist deshalb eine veränderte Einstellung auf seiten der Anbieter. Sie müssen sich eine neue Brille aufsetzen, eine Brille, durch die sie ihre Kunden als Partner sehen, mit denen es gegenseitig nützliche Beziehungen aufzubauen und zu erhalten gilt. Die partnerschaftliche Einstellung gegenüber den Kunden und ihren berechtigten Wünschen sollen den Humus bilden, auf dem schließlich kundendienlich(er)e und damit auch dem Betrieb selbst und seinen Mitarbeitern nutzbringende Entscheidungen und Verhaltensweisen gedeihen.

Die Einstellung zum Kunden ist das Wesentliche. Nicht rhetorische Bekenntnisse zur Kundenorientierung oder auf Hochglanzpapier gedruckte Absichtserklärungen, die Kundenbedürfnisse künftig wichtiger nehmen zu wollen, schaffen das geistige und emotionale Klima, in dem der Nutzen und das Wohlbefinden der Kunden wie selbstverständlich im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns steht, sondern allein die von allen Mitarbeitern - gleich in welcher Position und mit welcher Aufgabe betraut - tief verinnerlichte Überzeugung, für den Dienst am Kunden dazusein. Diese Einstellung wird kaum jemandem in die Wiege gelegt, sie muß erst gewonnen werden. Sie im Betrieb unter den Mitarbeitern zu verbreiten, ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben.

Vor allem vier Kardinalsünden sind es, die eine beiderseits nützliche Partnerschaft mit dem Kunden verhindern:

Dünkel (Wer sind Sie denn?)

Es gibt immer noch mehr als genug Anbieter, die auf einem schwindelerregend hohen Roß sitzen und - obwohl sie den Wettbewerb durchaus spüren - immer noch glauben, die Geschäfte allein nach ihren Bedingungen abwickeln zu können.

Mehr und mehr Kunden merken aber immer deutlicher, daß ihren Interessen damit nicht so gedient ist, wie sie es erwarten können. Denken wir z.B. an starre Leistungsangebote (friß Vogel oder stirb!), unflexible, für den Kunden unbequeme Geschäftszeiten, das Wartenlassen von Kunden oder auch Unzuverlässigkeit bei Terminabsprachen. Die selbstbewußteren Kunden von heute sehen immer weniger ein, daß sie sich Bedingungen der Anbieter fügen sollen, wenn diese für sie ungünstig oder lästig sind.

Natürlich müssen Leistungsanbieter ihren Personaleinsatz auch unter wirtschaftlichen Gründen planen. Die Entscheidungen darüber dürfen aber nicht allein aus der verengten Perspektive des Kostendenkens getroffen werden, sondern müssen auch die Ertragsseite mit einbeziehen. Und da steht als dicker Haben-Posten die - beträchtliche Akquisitionskosten sparende - Treue der Kunden, die sich als Geschäftspartner ernst und wichtig genommen fühlen und das sichere Gefühl haben, ehrlich, zuverlässig und fachlich einwandfrei betreut und bedient zu werden. Solche Kunden werden ihre Lieferanten und Dienstleister auch gerne weiterempfehlen, was die Akquisition erleichtert und nochmals Kosten sparen hilft. Etwas weiterdenken ist also angesagt.

Wer dagegen seinen Kunden das Gefühl vermittelt, nur geduldet zu sein und nach besten Kräften abkassiert zu werden, liefert ihnen das beste Verkaufsargument für die Konkurrenz. Kunden, die mangels ausreichender Personalausstattung unzureichend oder gar nicht betreut oder beraten werden, orientieren sich bei ihren Entscheidungen auch verstärkt ausschließlich am "nackten" Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung. Diese Verengung der Nutzenwahrnehmung der Kunden verschärft die Wettbewerbssituation für die Anbieter erheblich und erschwert die Akquisition. Hinzu kommt, daß unpersönliche Geschäftsbeziehungen auch keine Kundenbindung entstehen lassen, so daß einmal - mühsam und teuer - gewonnene Kunden auch schnell wieder zu Wettbewerbern abwandern.

Anbieter, die ihre Kunden nicht individuell betreuen, werden für den Kunden genauso austauschbar, wie der es in seinen Augen für den Anbieter ist. Anonymisierung zerstört jede persönliche Bindung.

Teleshopping wird in dieser Hinsicht in den kommenden Jahren die Wettbewerbslandschaft für Einzelhändler noch stärker verändern als es die Selbstbedienung in den vergangenen Jahren getan hat. Ersatz für die fehlende persönliche Bindung muß dann die "Marke" schaffen, mit der die Werbestrategen eine irrationale Bindung des Kunden an ein x-beliebiges, den Anbieter und/oder seine Produkte bzw. Dienstleistungen repräsentierendes Symbol anstreben. Eine Marke zu etablieren, ist aber nicht einfach und schon gar nicht billig. Die allermeisten Versuche enden als Flops. Einfacher und für viel weniger Geld läßt sich die unverwechselbare "Marke" eines kundenorientierten Betriebes schaffen. Dafür erhalten Sie in dieser Beitragsfolge Anregungen und praktische Hilfen.

Hoheitliche Arroganz (Warten Sie, bis Sie dran sind!)

In einer gewissen Verbindung mit dem vorgenannten Dünkel steht die Gleichgültigkeit gegenüber dem Kunden und seinen Belangen. Die Grundeinstellung scheint zu sein: Der Kunde will etwas von uns, also soll er zufrieden sein, wenn wir ihm zur Verfügung stehen. Allerdings erwarten wir, daß er uns die Arbeit so einfach wie möglich macht und akzeptiert, daß es für uns angenehmeres gibt, als auf seine Sonderwünsche einzugehen. Diese Einstellung manifestiert sich z.B. in Kaufhäusern in gelangweiltem herumstehen und in die Gegend träumen, in geschäftigem Waren ein-, um- und aussortieren als sei der Betrieb wegen Inventur geschlossen, oder in angeregtem Plausch unter Kollegen bzw. Kolleginnen - stets unter geflissentlicher Nichtbeachtung in der Nähe befindlicher Kunden. Kunden, die in solchen Situationen in die Offensive gehen und das Personal ansprechen, erleben oft, daß sie gerade den falschen "erwischt" haben. Der Kollege wäre es gewesen, der zuständig, aber leider gerade nicht da sei. Und um die Hilfsbereitschaft zu vervollkommnen, erhalten die Kunden dann noch den Ratschlag, den einzig zuständigen Kollegen da oder dort zu suchen oder zu warten bis der - anscheinend als einziger - gerade so beschäftigte Kollege käme.

Deutlicher kann man einem Kunden gar nicht sagen, daß man ihn für unwichtig hält und Wichtigeres zu tun hat, als ihn zu bedienen. Kunden mit "dickem Fell" fühlen sich vielleicht nur unwillkommen. Empfindsamere Naturen fühlen sich durch solches Verhalten wahrscheinlich herabgesetzt und fragen sich, ob es richtig sei, diesen Mitarbeitern und diesem Betrieb die Lösung ihrer Probleme anzuvertrauen.

Es mag ja durchaus sein, daß die Rahmenbedingungen in manchen Betrieben der Motivation ihrer Mitarbeiter nicht gerade förderlich sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß Mitarbeiter stets für die Kunden ihres Betriebes dazusein haben und nicht umgekehrt.

Der Kunde allein ist es, der mit seinen Aufträgen die Existenz des Betriebes und die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter sichert. Das sollte sich herumsprechen, bevor die Umsätze zurückgehen, und daraus sollten die gebotenen Konsequenzen gezogen werden, bevor der Umsatzrückgang existenzgefährdende Ausmaße erreicht. Leidensdruck ist zwar der beste Katalysator für Lernprozesse und Veränderungen. Seine Ursachen haben die Substanz aber oft schon so sehr aufgezehrt, daß sämtliche Bemühungen um Wandel zu spät kommen.

Kurzsichtige Prioritäten (Da könnte ja jeder kommen!)

Auch - und gerade - in Zeiten großen wirtschaftlichen Erfolges besteht die Gefahr, die gebotene Kundenorientierung zu vernachlässigen: Wir haben soviel zu tun, daß wir unsere Kunden rationell bedienen müssen, Extrawürste können wir nicht braten. Die Methode der Wahl scheint in solchen Fällen die Abfertigung des Kunden nach Schema F zu sein, mit den vorher schon dargestellten Folgen der Erosion der Kundenbindung.

Keine Zeit für seine Kunden zu haben, ist so ungefähr das Schlimmste, was einem Betrieb passieren - oder besser gesagt - was sich ein Betrieb erlauben kann. Denn es ist die Folge falsch gesetzter Prioritäten. Der Kunde und seine Wünsche müssen immer an erster Stelle stehen. Wie wichtig das ist, zeigt sich leider erst, wenn die Kunden ausbleiben. Aber dann ist es für eine erfolgreiche Umorientierung meistens schon zu spät.

Verstärkter Wettbewerb verlangt, daß sich das Unternehmen mehr Zeit für seine Kunden nimmt, weil es sich nur so als nützlichen und hilfreichen Geschäftspartner präsentieren kann. Vor allem bei technisch ähnlichen und preislich vergleichbaren Produkten können sich Anbieter nur noch durch ihre (individuellen) Zusatzleistungen voneinander unterscheiden. Das erfordert i.d.R. mehr statt weniger Zeit für den Kunden aufzuwenden.

Daß in der Individualisierung der Leistung für den Kunden riesige Marktchancen liegen, wird immer noch weitgehend übersehen. Kunden sind durchaus bereit, für Zusatznutzen auch extra zu bezahlen. Nur muß er für sie auch erlebbar und wesentlich sein und darf nicht nur in der Phantasie des Anbieters existieren. Entscheidend für die Frage, ob ein Zusatznutzen entsteht, ist deshalb, einzig und allein, was der Kunde möchte, was er braucht und was er wertschätzt, und nicht, was der Anbieter für gut und richtig hält. Die Prioritäten der Arbeit müssen deshalb an den Wünschen des Kunden orientiert werden.

Bequemlichkeit (Wieso? Es läuft doch!)

Sportler wissen, wenn man mit dem Training nachläßt, sinkt die Leistungsfähigkeit. Wer sich nicht bewegt, dem verkümmern die Muskeln. Wenn jahrelang alles gut läuft und ein Betrieb ohne besondere Anstrengungen seiner Führungskräfte und Mitarbeiter blüht, wächst und gedeiht, dann verkümmert meistens der unternehmerische Geist, versiegen Kreativität und Leistungsantrieb. Verschlechtern sich dann die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, z.B. infolge gesättigter Märkte und einer Verschärfung des Wettbewerbs, geht es mit dem Betrieb sehr schnell bergab.

Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Jahren, könnte man frei nach Goethe sagen. Auch die Kundenbeziehungen leiden unter der Erschlaffung infolge nicht endenden Wohlbefindens. Sie werden so genommen wie sie sind, und ohne viel nachzudenken, wird vorausgesetzt, daß alles so bleiben wird, wie es ist. Kaum jemandem kommt in den Sinn, daß sich im Verlaufe der Menschheitsgeschichte einzig und allein der Wandel als beständig erwiesen hat.

Genießt zum Beispiel ein Betrieb längere Zeit eine günstige Marktstellung, besteht die Gefahr, daß er sich wenig um die Verbesserung seiner Leistungen bemüht und der Kunde dies wohl oder übel hinnimmt. Auf die Idee, den Kunden schon in einer solch günstigen Phase der Zusammenarbeit als Partner zu sehen und durch gezielte Leistungsverbesserungen an sich zu binden, kommen erfahrungsgemäß nur wenige.

Wendet sich eines Tages der Wind des Marktes und ist schließlich der Kunde König, ist es schwer, den Betrieb und die Gewohnheiten seiner Mitarbeiter auf die neue Situation umzustellen. Obwohl dann gar nichts anderes als eine strikte Kundenorientierung übrig bleibt, läßt sich diese Erkenntnis wegen der in den vergangenen "guten Zeiten" verhafteten Einstellungen der Führungskräfte und Mitarbeiter nur sehr schwer in die Praxis umsetzen.

2. Kundenorientierung ist eine strategische Aufgabe

Die Betrachtung der vier Kardinalsünden in der Einstellung zum Kunden und ihrer Folgen legt nahe, Kundenorientierung als strategische Aufgabe zu begreifen. Die Zukunft eines Unternehmens hängt von der Fähigkeit seiner Führungskräfte und Mitarbeiter ab, partnerschaftliche, d.h. wechselseitig nützliche, Beziehungen zu möglichst vielen Kunden aufzubauen und langfristig zu erhalten. Welche Voraussetzungen dazu erforderlich sind und welche Möglichkeiten dazu bestehen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

(Fortsetzung folgt)


* Der Autor, Dipl.-Kfm. Manfred R.A. Rüdenauer, ist seit 24 Jahren Berater, Trainer und Coach auf den Gebieten Kommunikation, Führung, Verkauf und Personalentwicklung.

** Die Kundenorientierung verbessern (Teil 1) ist erschienen in der IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/97 - Teil 2: IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/97


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