125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1997, Seite 28 ff.


SANITÄRTECHNIK


Die hohe Kunst der Sanitärfuge

Unansehnliche Wandanschlüsse in Verbindung mit Montagefehlern bei Sanitärobjekten sind bedauerlicherweise nicht die Ausnahme, sondern fast schon die Regel. Wobei die Ursachen weniger in Nachlässigkeiten begründet sind, sondern vielmehr in schlichter Unkenntnis bezüglich Materialeigenschaften und Ursachen.

Die Aufgabe eines fachgerechten Wandanschlusses ist es, eine möglichst dauerhafte und hygienisch einwandfreie, d.h. wasser- und schmutzdichte, Verbindung zwischen Porzellanobjekten und der Wand bzw. des Bodens herzustellen. Neben Verarbeitungsfehlern gibt es aber auch werkstoff- und arbeitstechnische Grenzen, die es zu berücksichtigen gilt und die dem Kunden aufgezeigt werden sollten. Anderenfalls werden möglicherweise falsche Erwartungshaltungen provoziert, die sogar im juristischen Vorwurf der arglistigen Täuschung enden können.

Vom Dauerangriff durch Mikroorganismen eindrucksvoll gekennzeichnete Silikonfuge an einer Duschwanne.

Bei der Montage von Wannen, Waschtischen, Toiletten usw. werden im Bereich der Wand- und Bodenanschlüsse leider nach wie vor Fehler gemacht. Die Behebung bringt nicht nur Ärger mit sich, sondern natürlich auch Kosten.

Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:

Im ersten Fall hatten "praxiserfahrene" Handwerker sämtliche Porzellanobjekte ohne Ausgleichshinterfüllung direkt auf den Fliesen- bzw. Keramikbelag montiert und anschließend elastisch verfugt. Aufgrund der angeblich eben bzw. plan hergestellten keramischen Wand- und Bodenbelagsflächen sah man keine Veranlassung für eine vorschriftsmäßige Hinterfütterung. Während der späteren Nutzung kam es insbesondere bei den wandhängenden WCs zu Rißbildungen aufgrund punktueller Überbeanspruchung.

Traditionelle Befestigungstechnik von sanitären Objekten mit Weißzement und fettbestrichenen Anschlagflächen zur problemlosen späteren Demontage.

Im zweiten Beispiel hatten die Monteure aus Bequemlichkeit die Rückwände bzw. Auflageflächen der Sanitärobjekte mit dauerelastischer Silikon-Dichtmasse beschichtet und diese danach befestigt. Die Folge: Bei einer späteren reparaturbedingten Objektdemontage traten wegen der sehr intensiven Silicon-Materialhaftung erhebliche Beschädigungen im Bereich der Fliesenglasuroberflächen auf. Daraufhin verlangte der Bauherr im Rahmen der Gewährleistung die kostenlose Sanierung der falsch angebrachten Sanitärobjekte.

Bei den geschilderten Fällen handelt es sich nicht etwa, wie man meinen könnte, um sogenannte "Installations-Exoten" - ganz im Gegenteil! Die Ursache solch fehlerhafter Ausführungen liegt häufig darin begründet, daß fachgerechte Wandanschlüsse einerseits zeit- und kostenaufwendig sind und andererseits erstaunlicherweise immer noch erhebliche Unsicherheit bezüglich der richtigen Montageausführung besteht.

Teilweise sind die Montageanleitungen der Hersteller allerdings auch reichlich nostalgisch, oder es werden sicherheitshalber gar keine Montageempfehlungen gegeben. Möglicherweise ist die Thematik für die Sanitärkeramik-Industrie auch zu simpel, und man sieht keinen Handlungsbedarf.

Reduzierung des Körperschallgeräusches von wandhängenden Klosettanlagen bei Montage des Schallschutz-Sets
(Bild: Schwab):
Spülvorgang um 9 dB (A)
Spureinlauf (Urinieren) um 14 dB (A)
Deckelschlag um 12 dB (A)

Andererseits beinhalten Installationsbroschüren folgende Montagehinweise: "Zum Ausgleich von Unebenheiten zwischen der Anschlagfläche und der Befestigungsfläche des Keramikgegenstandes wird letztere mit einer Schlämme aus Weißzement bestrichen. Damit der Sanitärgegenstand im Bedarfsfall leicht demontierbar bleibt, sind die Anschlagsflächen zusätzlich mit einer dünnen Fettschicht, z.B. Vaseline, zu versehen. Da außerdem keine Metallunterlegscheiben direkt auf der Keramikglasur aufliegen dürfen, sind entsprechende Kunststoffunterlegscheiben zu verwenden."

Bemerkenswert ist, daß o.g. Informationsbroschüre im gleichen Atemzug ihre Aussage mit folgendem Hinweis relativiert: "Die anwendungstechnische Beratung in unseren Drucksachen oder durch schriftliche Verarbeitungshinweise oder die mündliche Beratung seitens unserer Mitarbeiter begründen kein Rechtsverhältnis".

Dichtstoffeigenschaften

Nach dem IVD-Merkblatt Nr. 3, Ausgabe Juli 1996, herausgegeben vom Industrie-Verband Dichtstoffe e.V., Düsseldorf, sollen Dichtstoffe für Fugen im Naßbereich folgende Eigenschaften aufweisen:

- elastisch (siehe IVD-Merkblatt Nr. 2)

- fungizid ausgerüstet

- mechanisch beanspruchbar und abriebfest

- verträglich mit den Untergrundwerkstoffen

- alterungsbeständig

- temperaturbeständig (je nach Anforderung)

- gute Hafteigenschaften

- leicht verarbeitbar

- chemisch beständig gegen Reinigungsmittel, Körperpflegemittel, Chlorwasser, schwache Säuren und Laugen sowie Kalkwasser

Die geschilderte, seit Jahrzehnten praktizierte Befestigungstechnik nach altbewährter Handwerkersitte erscheint allerdings nach heutigen Kriterien, insbesondere unter aktuellen Schallschutzaspekten gemäß DIN 4109, nicht mehr zeitgemäß. Anstelle der Zementhinterfüllungen gibt es inzwischen alternative Problemlöser mit zusätzlich schalldämmenden Eigenschaften. So bringt beispielsweise das Geberit-Schallschutz-Set bei Wand WCs eine Schallreduktion bis zu 13 DB(A). Das aus einer selbstklebenden Schallschutzmatte und zwei Schallschutz-Befestigungshülsen bestehende Set ist zudem für Bidets geeignet. Auf ähnlichem Prinzip beruhen auch Waschtisch-Schallschutz-Sets anderer Firmen, z.B. Firma Schwab.

Die Montagehilfesysteme basieren in der Regel auf problemlos zu montierenden, flexibel formbaren Selbstklebeflächen bzw. -streifen. Die dauerhaft säure- und laugenbeständigen Materialeigenschaften gemäß DIN 16778, die geschlossene bakterienabweisende Oberfläche sowie die elastischen Eigenschaften machen sie zu einem perfekten Befestigungs- und Dichtungssystem. Nicht zu vergessen die optimale Schalldämmung.

Nährboden für Mikroorganismen

Zum Abschluß der Objektmontage folgt die Abdichtung der Fugen mit dauerelastischer Silikon-Dichtungsmasse. Diese Leistung hat der Installateur nicht, wie teilweise immer noch fälschlicherweise angenommen, kostenlos zu erbringen. Gemäß DIN 18381, VOB, Teil C, Ergänzungsband 1990 I, Punkt 4.2.15, handelt es sich zweifelsfrei um eine besondere Leistung, die extra zu vergüten ist, sofern nichts anderes vereinbart wurde.

Wer hat sich nicht schon über häßliche Verfärbungen von Abschlußfugen geärgert und daraus gefolgert, daß der Schimmelpilz aufgrund mangelhafter Qualität des Materials aus der Dichtungsmasse quasi "herauswächst"? In der Regel gibt es aber mehrere Ursachen.


Schallschutzset für Wand-WC und Bidet
(Bild: Geberit).
Schallreduktion in danebenliegenden und darüberliegenden Räumen:
Urinieren 13 dB (A)
Spülvorgang 8 dB (A)
Deckelschlag 11 dB (A)

Bei dauerelastischen Sanitärfugen handelt es sich grundsätzlich um Wartungsfugen, da sich Mikroorganismen auf Dauer sowohl auf als auch im elastischen Silicon-Fugen-Dichtstoff recht wohl fühlen. Konkret sind dies Haut- und Bodenpilze, Luftkeime und Bakterien, die sich wie Staubpartikel an allen möglichen Stellen niederlassen und ein Flecken- bzw. Verfärbungsspektrum von hellrosa über braun bis hin zu schwarz zeigen. Im feuchtwarmen Milieu wird ihr Lebensrhythmus reaktiviert und es entsteht ein Keim-Myzelius (Pilzgeflecht).

Die Dichtstoffindustrie versucht natürlich seit Jahren, die Problematik durch entsprechende Schutzmittelzugabe in den Griff zu bekommen. Nicht zuletzt, weil auch andere Gewerke, z.B. im Fassaden- und Fensterbereich, betroffen sind. Zugesetzt werden Chemikalien, die als Fugizide pilztötende und als Bakterizide bakterientötende Wirkung haben. Tatsache aber ist, daß nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ihre Dauerwirkung, oder besser Langzeitwirkung, umstritten bzw. nicht genau definierbar ist. Hieran wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern, da es einerseits sehr schwierig ist, sämtliche Mikroorganismen gleichzeitig abzutöten bzw. zu inaktivieren und es andererseits sehr problematisch ist, die Intensität des Bakterien- und Pilzkulturenbefalls im voraus zu bestimmen, da dieser im wesentlichen von den späteren Betriebsbedingungen abhängt.

Schallgeprüftes Wannenbefestigungsset
(Bild: Mepa)
oben: höhenverstellbares Fußgestell
unten: unterstützende Wannenrandanker

Erschwerend kommt hinzu, daß es immer wieder Mutationen von Keimgattungen gibt, die gegen die eingesetzten Pharmazide immun werden. Ein feuchtwarmes Milieu mit zusätzlichen starken Ablagerungen in Form von organischen Stoffen wie z.B. Waschmittel, Haare, Hautschuppen, Schmutz usw. bietet zweifelsfrei optimale Klimabedingungen mit einem idealen Nährboden für den "Dauerangriff" der Mikroorganismen.

Um den Pilzen und Bakterien weitgehend die Lebensgrundlage zu entziehen, sollten die Räumlichkeiten gründlich und konsequent belüftet werden. Außerdem ist es sinnvoll, die Siliconfugen nach dem Baden oder Duschen mit der Handbrause abzuspülen und mit einem Tuch trockenzureiben. Zudem sollte die Fuge wöchentlich mit einem Sanitärreiniger und monatlich mit einem chlorhaltigen Desinfektionsmittel gereinigt werden. Ist aber die Kontaminierung durch die Kleinstlebewesen und ihre Stoffwechselprodukte schon soweit fortgeschritten, daß sich die Kulturen im Dichtstoff befinden, hilft nur die Radikalsanierung mit einem Qualitäts-Dichtstoff. Von Billigprodukten muß dringend abgeraten werden!

Fachgerechte Ausführung: weniger ist mehr

Um dem Hauptproblem des Dauerangriffs von Pilzen und Bakterien wirksam entgegenzuwirken, ist die fachmännische Fugenabdichtung von größter Bedeutung (neben der angesprochenen Dauerpflege). Großvolumig-breitflächige Fugen sind nicht im Sinne einer fachgerechten Ausführung. Weniger ist also meist mehr.

Fachgerecht ausgeführte Fugenabdichtungen, die glatte und schräg wasserabweisende Oberfläche ist ein absolutes "Muß", verlangen Untergrundflächen, deren Flanken sorgfältig gesäubert und öl- bzw. fettfrei sein müssen. Nach der Säuberungsaktion folgt eine Grundierung der Flankenflächen mittels Primer als sogenannter Haftgrund bzw. Haftvermittler. Unmittelbar danach wird die der Fugenbreite angepaßte Verfüllung gemäß DIN 18540 mit bakterizid bzw. fungizid wirkendem Qualitäts-Silicon gemäß DIN 18545/ISO 846/1978 hergestellt. Hohlkehlen sind zu vermeiden.

Unrealistische Wannenrand-Unterstützungsdetails für Kunststoffwannen aus der Industrie.

Die eigentliche Kunst liegt in der Fugenausbildung und der bereits erwähnten fachgerechten Glättung, bevor die Hautbildung des Dichtstoffes einsetzt. Dies erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl, wobei es erfahrenen Fugenexperten gelingt, mit durch Seifenlösung benetzter Fingerkuppe eine ansatzlos glatte Siliconoberfläche mit optimaler Flankenhaftung herzustellen. Andere behelfen sich mit fugenabgrenzendem Selbstklebeband, Spachteln und Fugeisen. Auf jeden Fall kann der Kunde für eine Arbeit, die gemäß DIN als besondere Nebenleistung vergütungspflichtig ist, entsprechende Qualität verlangen.

In diesem Zusammenhang ein Hinweis zum Verfugen von Duschabtrennungen, da hier viel falsch gemacht wird. Aus hygienischen Gründen hat die Senkrechtverfugung zwischen Rahmen und Fliesen grundsätzlich von der Duschinnenseite her zu erfolgen und nicht aus optischen Gründen von außen. Der waagrechte Rahmenbereich wird dagegen von außen verfugt, damit das Duschwasser in die Wanne zurückfließen kann.

Fachgerechte Bade- und Duschwannen-Randmontage mit Körperschall entkoppeltem Wannenprofil
(Bild: Mepa).

Wie man die in Handwerkerkreisen liebevoll als "Pfuschhilfe" bezeichnete Silicon-Materie nicht nur als Dichtstoff fachgerecht verwendet, sondern gleichzeitig auch multifunktional als Feststoff vergewaltigt, demonstriert die kreative Sanitärindustrie sehr "plastisch". Sie kreiert nämlich bisweilen futuristische Design-Dusch-Abtrenngebilde die nicht mehr durch Verschrauben, sondern primär nur noch mit Fugenplaste schwerelos und stabil zugleich auf Porzellan, Kunststoff, Keramik o.ä. zu befestigen sind. So einen artistischen Spagat zwischen Theorie und Praxis kann nur einer nachvollziehen der selbst, verzweifelt mit Silicon-Spritze unterm Arm bewaffnet, den gnadenlosen Befestigungs-Kampf an der abenteuerlichen Dusch-Front erfolgreich überstanden hat. Und das dann auch noch nach den Montageanleitungen mit mm-genauer Fixierung bei den hinlänglich bekannten Bautoleranzen, Stichwort: "Schiefe Wände etc."

Kunststoff-Wannenrandanschlüsse im Wand-Fliesenbereich.

Dabei ist der Widerspruch in sich bereits vorprogrammiert. Denn der Handwerker hat einerseits die Gewährleistung über mehrere Jahre für sein "Kunstwerk" zu übernehmen und andererseits sind dauerplastische Fugen nach VOB zweifelsfrei Wartungsfugen. Das muß man erstmal einem gestreßten Kunden werbewirksam verkaufen, zumal die in der Regel Gutsituierten nicht durch Geld ausgeben reich geworden sind, sondern durch sparen. Bleibt nur zu hoffen, daß die stolzen Badbesitzer mit dem Warten nicht so lange warten.

Im Gegensatz zu Porzellan- und Metallwerkstoffen gibt es bei Fugenabdichtungen von Acryl-Wannen häufig noch erhebliche Probleme. Diese sind nicht nur auf die Summe der mechanischen und thermischen Beanspruchungen zurückzuführen, sondern auch auf werkstoffspezifisch bedingte ungünstige Randausbildungen im Zusammenwirken mit teilweise instabiler Gesamtkonstruktion. Erstaunlicherweise findet man diese "Flattermänner" nicht nur im Billigwarensegment, vielmehr sind diese "Härtefälle" auch im Exklusivbereich zu bewundern. Statt gewagte Wandanbindungen zu wählen, sollten Kunststoffwannen rundum eingemauert oder mit vollflächigen Randunterstützungen und Bodenbefestigungen betriebstauglich gemacht werden.

Fugenbreite zur Fugentiefe

Breite

Tiefe

bis 10 mm

wie Breite, jedoch mind. 6 mm

10 mm

8-10 mm

15 mm

8-12 mm

20 mm

10-14 mm

25 mm

12-18 mm

Neben den bewährten Hartschaum (EPS) Wannenträger gibt es verzinkte Metallgestelle speziell für Kunststoffwannen auch mit zusätzlicher Schalldämmung. Im Wandbereich ist eine 5 mm breite Dehnfuge zu berücksichtigen. Tiefe Fugen sind zur konvexen Begrenzung mit unverrottbarem und nicht wassersaugendem DIN-Polyband (geschlossenzellige Polyethylen-Rundschnur) vorzufüllen. Eine Anhaftung des Dichtstoffes am Boden des Fugenraumes (Dreiflankenhaftung) ist grundsätzlich zu vermeiden, da sich auftretende Bewegungen nur mit einer Zweiflankenhaftung in Verbindung mit dem genannten elastischen Hinterfüllmaterial schadlos aufnehmen lassen.

Bei der Bestimmung des Fugendichtstoffes und Primers sind aus Gewährleistungsgründen besonders in Verbindung mit Kunststoff, die Empfehlungen sowohl der Dichtstoff- als auch der Einrichtungshersteller genauestens zu beachten. Bei fehlenden Reinigungsmittelangaben empfehlen die Sanitär-Acryl-Hersteller, die Fugen mit Spiritus oder Reinigungsbenzin zu säubern.

Für die Bestimmung bzw. Empfehlung von Abdichtungsstoffen auf der Basis von essigsäurehärtenden Ein-Komponenten-Silicon-Kautschuk und der Herstellung der Fugenabdichtung selbst, sollte der Qualitätssicherungs-Leitsatz gelten: Billigprodukte bzw. -ausführungen sind häufig so günstig, daß sie nicht selten teuer zu stehen kommen!


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