125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1997, Seite 94 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Krisen kündigen sich an
Liquiditätsprobleme rechtzeitig erkennen
Unternehmenskrisen entstehen nicht über Nacht. Wie eine Liquiditätskrise entsteht und wie sie rechtzeitig erkannt werden kann, das beschreibt Jörg Reifenauer, betriebswirtschaftlicher Referent der ZVSHK-Geschäftsstelle Potsdam, in diesem Beitrag. Eingegangen wird auch auf die Position der Banken und auf mögliche Hilfestellungen von Seiten des Verbandes.
Eine Liquiditätskrise ist dadurch gekennzeichnet, daß fällige Zahlungen wie Lieferantenverbindlichkeiten, Löhne und Gehälter oder Darlehensschulden etwa, aber auch Beiträge zur Sozialversicherung und Umsatzsteuer, nur noch verspätet oder gar nicht mehr geleistet werden können. Ursache dieser Krisensituation ist in der Regel, wenn - meist mehrere - betriebliche Probleme unbemerkt bleiben oder gar ignoriert werden. Üblicherweise liegt die Mehrzahl der Schwierigkeiten im Verantwortungsbereich der Unternehmensführung.
So wird beispielsweise die Angebotserstellung nicht auf aktuelle Kalkulationsdaten gestützt. Auch die Nachkalkulation ist häufig ein betrieblicher Schwachpunkt. Damit wird die Chance zur Überprüfung der eigenen Arbeit oder der Mitarbeiter nicht genutzt.
Untrügliche Warnsignale
Oft führen die genannten Fehler zur Annahme von Aufträgen, die die Kosten des Betriebes nicht decken oder zur Überschreitung der Kalkulationszahlen durch mangelhafte Arbeitsorganisation.
Empfehlung: Regelmäßige Besprechungen mit der Hausbank über die betriebliche Lage dienen dem Existenzerhalt bei Unternehmenskrisen.
Die Situation wird noch verschärft, wenn die Kosten des Betriebes über dem Durchschnitt liegen, und wenn die Auftragssituation sich verschlechtert. Aus Unkenntnis über die Kostenstruktur des eigenen Betriebes wird die Reduzierung der Kosten nicht angepackt. Bei nachlassender Auftragslage wird oft lange nicht bemerkt, wie die Monteure die vorhandene Arbeit auf den Tag bzw. die Woche "verteilen". Die daraus resultierende mangelhafte Produktivität ist leicht vorstellbar! Umsatz und Ertrag sinken, Lieferantendarlehen sowie die Kreditlinie der Bank werden ausgeschöpft.
Die dargestellte betriebliche Entwicklung führt um so schneller in eine Unternehmenskrise, je weniger diesen Problemen aus mangelnder Kenntnis entgegengesteuert wird und um so geringer die Finanzreserven sind. Maßnahmen, die nicht auf einer umfassenden Betriebsanalyse fundieren, sondern lediglich "aus dem Bauch" entschieden werden, können die betriebliche Notlage sogar noch schneller herbeiführen.
Wenn die Kasse leer ist
Muß ein Betrieb, bei ausgeschöpftem Lieferanten- und Kontokorrentkredit, in der oben geschilderten Lage einen Forderungsausfall verkraften, oder will er einen größeren Auftrag vorfinanzieren, benötigt er Barmittel. Häufig werden auch zum Ausgleich der laufenden Kosten oder für fällig werdende Wechsel Darlehen angestrebt. In jedem Fall ist dafür die Unterstützung der Hausbank erforderlich.
Das Engagement der Kreditinstitute hängt zum einen von der Kontaktpflege des Unternehmens zur Bank ab; zum anderen wird jedoch ohne die Beurteilung der betrieblichen Zahlen - also dem Jahresabschluß und den Monatsauswertungen - kein Kredit gewährt. Durch die Berechnung von Kennzahlen und deren Vergleich mit Branchendurchschnittswerten, die die Banken regelmäßig selbst erstellen, wird dem Kreditinstitut schnell die Problemsituation des Betriebes deutlich: Der Umsatz ist beispielsweise zu niedrig, oder die Kostenstruktur weicht zu stark von den Vergleichszahlen ab.
Empfehlung:
- Erstellen Sie Ihren Jahresabschluß möglichst im I. Quartal des neuen Geschäftsjahres
- Berechnen Sie aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die nachfolgenden Kennzahlen
- Vergleichen Sie die ermittelten Werte mit Branchendaten und beachten Sie die Entwicklung der Zahlen im Zeitverlauf
- Eigenkapitalanteil
- Vermögensentwicklung
- Liquidität
- Umsatzrentabilität
- Cash-flow
- Lagerdauer
- Forderungsdauer
- Verbindlichkeitsdauer
Als Folge werden die benötigten Kredite nicht gewährt, weil die Leistungsfähigkeit des Betriebes zu gering eingeschätzt wird, um die Zins- und Tilgungszahlungen aufzubringen. Können der Bank andere Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden, wird die Krisensituation lediglich für eine kurze Zeit behoben und in die Zukunft verlagert, da die grundsätzlichen betrieblichen Schwierigkeiten nicht bekannt sind und somit auch nicht behoben werden können. Die Unternehmenskrise gefährdet nach kurzer Zeit den Betrieb erneut und zudem besteht die Gefahr des Verlustes der aus dem persönlichen Bereich eingebrachten Wertgegenstände zur Besicherung der Kredite. Banken sind demnach für einen Betrieb in der Krise keine Unterstützung. Allein durch rechtzeitige Erkennung von betrieblichen Problemen kann die dargestellte Situation vermieden werden.
Zahlen sprechen Bände
Der Steuerberater erstellt üblicherweise für ein Unternehmen einen Jahresabschluß sowie monatliche Auswertungen. Der Jahresabschluß besteht aus der Bilanz, in der das Vermögen des Betriebes den Verbindlichkeiten gegenübergestellt wird, sowie der Gewinn & Verlustrechnung. Die Hauptaufgabe der auch kurz als G & V bezeichneten Darstellung des betrieblichen Aufwands und Ertrages ist der Ausweis des Gewinns oder Verlustes des Unternehmens.
Der Jahresabschluß wird für das abgelaufene Geschäftsjahr erstellt. Er dient zum einen dem Finanzamt zur Berechnung der Höhe der verschiedenen Steuerarten. Zum anderen können aus der Bilanz und der G & V wertvolle Erkenntnisse über den Betrieb gewonnen werden.
Empfehlung:
Gestalten Sie Ihre Betriebswirtschaftliche Auswertung aussagekräftig!
- Grenzen Sie Ihre Kosten und Leistungen monatlich ab!
- Verbuchen Sie Ihre Abschreibungen anteilig jeden Monat!
- Reduzieren Sie Ihr vorläufiges Ergebnis um die kalkulatorischen Kosten!
So zeigen beispielsweise Höhe und Veränderung des Eigenkapitals die Entwicklung des Unternehmens an. Hilfreich ist auch eine Überprüfung des Warenbestandes sowie die Beantwortung der Frage, ob die Forderungen und Verbindlichkeiten der Betriebsgröße entsprechen. Die Zahlungsmoral des Betriebes und der Kunden bzw. das Mahnwesen des Unternehmens kann beurteilt werden. Viele weitere wichtige Erkenntnisse lassen sich aus einer Analyse des Jahresabschlusses ableiten.
Keine Zeit verlieren
Die Problemerkennung mit Hilfe der Bilanz und der G & V ist um so wertvoller, je früher der Jahresabschluß im neuen Geschäftsjahr zur Verfügung steht. Kennzahlen, die ein halbes Jahr nach dem Bilanzstichtag oder sogar noch später errechnet werden, bringen kaum mehr verwertbare Erkenntnisse. Die Erstellung des Jahresabschlusses und die Berechnung der Kennzahlen ist also im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres anzustreben, um aktuelle und aufschlußreiche Informationen zu erhalten, die nützlich sind, um einer Krisenentwicklung erfolgreich entgegenzuwirken.
Üblicherweise erstellt der Steuerberater monatlich die sogenannte "Betriebswirtschaftliche Auswertung" (BWA). Die Qualität des Zahlenmaterials ist zum einen abhängig von der Aktualität der Ausgangsdaten, - eine BWA, die zwei oder drei Monate rückwirkend informiert, ist nahezu wertlos - zum anderen ist die Aussagekraft der BWA davon abhängig, ob angefangene Leistungen, die noch nicht in Rechnung gestellt wurden, erfaßt und verbucht werden. Da viele Betriebe diesen Punkt nicht erfüllen, schwanken Umsatz und Betriebsergebnis der einzelnen Monate sehr stark. In einem extremen Beispiel könnte es vorkommen, daß ein Betrieb im Monat Januar nur neue Aufträge beginnt, jedoch keinen abrechenbaren Baufortschritt erreicht. Der Umsatz der BWA würde mit Null ausgewiesen werden. Da jedoch Löhne und Gehälter sowie sonstige Kosten wie Miete, Kfz- oder Telefonkosten bezahlt werden, wird ein negatives Betriebsergebnis ausgewiesen. Das Ergebnis stimmt demnach mit dem betrieblichen Geschehen nicht überein.
Die Aussagekraft der BWA wird außerdem durch die Veränderungen des Lagerbestandes eingeschränkt. Problematisch wirkt sich auch aus, wenn die Abschreibungen in der BWA nicht monatlich, sondern nur einmalig zum Jahresende verbucht werden. Um ein "echtes" Betriebsergebnis zu erhalten, sollten Einzelunternehmen und Personengesellschaften auch den kalkulatorischen Unternehmerlohn in der monatlichen BWA mit ausweisen.
Frühwarnsystem Jahresabschluß und BWA
Die Unterlagen des Steuerberaters sind demnach nur eingeschränkt geeignet, Unternehmenskrisen rechtzeitig anzuzeigen. Bilanz und G & V können betriebliche Probleme aufzeigen, wenn der Jahresabschluß frühzeitig erstellt und eine Jahresabschlußanalyse durchgeführt wird. Dazu gehört immer auch das Heranziehen von Branchenvergleichsdaten. Eingeschränkt wird die Aussagekraft des Jahresabschlusses immer dadurch, daß das Zahlenmaterial lediglich den Betrieb zu einem bestimmten Tag - dem Bilanzstichtag - darstellt. Es handelt sich um eine sogenannte statische Betrachtung des Unternehmens.
Die "Betriebswirtschaftliche Auswertung" kann als Instrument der Steuerung dienen, sofern die monatlichen Bestandsveränderungen berücksichtigt werden und die oben genannten Punkte in die Buchhaltung einfließen. Leider sind die Voraussetzungen bei vielen Betrieben nicht erfüllt, um die BWA als Instrument zur rechtzeitigen Problemerkennung einzusetzen.
Betriebliche Probleme erkennen
Die Überprüfung der betrieblichen Kostenstruktur und die Berechnung der Anzahl der an Kunden verkauften Stunden - also der produktiven Stunden in einem Geschäftsjahr - bildet die Grundlage, um betriebliche Schwierigkeiten zu erkennen. Dazu sollte ein möglichst einfaches, auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnittenes, Rechenschema angewandt werden. Für die SHK-Branche wurde hierfür vom Zentralverband Sanitär - Heizung - Klima ein entsprechendes System entwickelt, das bereits vielfach in der Praxis eingesetzt wird.
Empfehlung:
Sichern Sie die Existenz Ihres Betriebes durch rechtzeitige Problemerkennung mit Hilfe eines speziellen, von der Verbandsorganisation empfohlenen, einfachen Rechenschemas. Überprüfen Sie damit die Kostenstruktur und die Produktivität Ihres Unternehmens mit dem Ziel der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit.
Zur zeitgemäßen Handhabung steht das Rechenschema auch als EDV-Programm mit dem Namen "Deckungsbeitragsrechnung" zur Verfügung. Die Kontrolle des Stundenverrechnungssatzes und die Ermittlung der betriebsindividuellen Deckungsbeiträge wird damit in kürzester Zeit möglich. Zudem besteht die Möglichkeit, die eigenen Zahlen den Durchschnittswerten der Branche gegenüberzustellen. Betriebliche Probleme in den Bereichen Personalkosten, Materialeinsatz, sonstige Gemeinkosten und Produktivität können auf diesem Wege erkannt werden. Außerdem stehen nun aktuelle Kalkulationsdaten zur Verfügung. Ebenso wird die Angebotsbeurteilung mit Hilfe von Deckungsbeiträgen sowie die Nachkalkulation auf verläßlicher Zahlenbasis möglich.
Seminare für Unternehmer
Die Anwendung der empfohlenen Berechnung der Verbandsorganisation zur "Ermittlung der Kalkulationsdaten" und des "SHK-Betriebsvergleichs" - beide betriebswirtschaftlichen Instrumente sind übereinstimmend aufgebaut - ist mit wenig Zeitaufwand selbst erlernbar. Wer sich jedoch abseits der Betriebshektik dem wichtigen Thema nähern möchte, dem bietet sein zuständiger SHK-Landesverband regelmäßig Seminare mit dem Titel "Stundenverrechnungssatz/Deckungsbeitragsrechnung" an, in denen die Existenzsicherung durch rechtzeitige Problemerkennung im Vordergrund steht.
Betriebsanalyse vom Fachmann
Für die Erstellung einer umfassenden individuellen Betriebsanalyse, in der aktuelle Kalkulationsdaten errechnet werden, sowie deren Anwendung verdeutlicht wird, ist häufig externe Hilfe erforderlich. Auch der "Betriebsblindheit" kann so begegnet werden. Die Analyse der eigenen Stärken und Schwächen auf der Grundlage des "ZVSHK-Rechenschemas", einschließlich entsprechendem Maßnahmenkatalog vom Spezialisten, dürfte die beste Möglichkeit sein, um Liquiditätskrisen zu vermeiden und die Existenz des Unternehmens durch rechtzeitige Erkennung der Probleme zu sichern. Weitere Informationen erhalten Sie direkt vom Zentralverband SHK - Potsdam, Tel. 0331/ 972107, Ansprechpartner: Jörg Reifenauer und Thomas Wienforth.
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