125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1997, Seite 78 ff.
REPORT
Initiative Vitales Bad
Kooperationskreis zur Gestaltung barrierefreier Bäder
Zu einem Initiativkreis "Vitales Bad" haben sich vier führende Sanitärhersteller - Hansa, Hewi, Keramag, Mepa - und der protempi-Systemverbund, der aus den Firmen Trust Systemkeramik, PCI, Stadur, Dallmer und Berleburger Schaumstoffwerk besteht, zusammengeschlossen. Auf einer Pressekonferenz am 10. Juli 1997 in Ratingen präsentierte die Kooperation ihr Konzept für Bäder, die jeder Lebensphase der Nutzer gerecht werden sollen.
Vor dem Hintergrund der künftigen demographischen Veränderungen und der Tatsache, daß die meisten Bäder nicht auf die unterschiedlichen Lebensphasen und Gewohnheiten ihrer Nutzer abgestimmt sind, haben sich die genannten Hersteller zu dieser bisher einmaligen Kooperation zusammengeschlossen.
Die Vertreter der im Initiativkreis Vitales Bad zusammengeschlossenen Industriepartner von rechts nach links: Markus Hütt (Marktmanager Barrierefreies Wohnen HEWI Heinrich Wilke GmbH, Bad Arolsen), Richard Dietz (Produktmanager Hansa Metallwerke AG, Stuttgart), Rainer Pauli (Geschäftsführer Mepa Pauli + Menden GmbH, Rheinbreitbach), Jochen Hüsken (Leiter Produktmarketing Professional Keramag AG, Ratingen), Thomas Pfalzgraf (Sprecher Marketing protempi-Systemverbund, Mogendorf). Es referierten Prof. Dr. Gerhard Loeschcke (Mitte rechts) und Prof. Dr. Richard Pieper (links daneben). Vorgestellt wurde die Kooperation von der den Initiativkreis betreuenden Marketing-Agentur Thielenhaus & Partner, vertreten durch Dietrich W. Thielenhaus (ganz links).
Ziele und Hintergründe
Ziel des Initiativkreises sei es, durch die Förderung der barrierefreien Badgestaltung mehr Lebensqualität für alle Generationen zu erreichen. Darüber hinaus soll der Erfahrungsaustausch mit Architekten, Planern, Handwerkern und Investoren intensiviert, die Nutzer sollen besser informiert und die Beratungsqualität im Fachhandel soll verbessert werden.
Dietrich W. Thielenhaus, Geschäftsführer des Initiativkreises, stellte vor der Presse die demographischen Entwicklungen heraus, die letztlich für die Gründung der Kooperation ausschlaggebend gewesen seien: Absehbar seien drastische Veränderungen der Altersstruktur. Der Anteil der über 65jährigen an der Gesamtbevölkerung werde sich nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes von jetzt 15 Prozent bis zum Jahr 2040 auf 30 Prozent verdoppeln. Die Zahl der Privathaushalte werde von 36,69 Millionen in 1994 auf 38,22 Millionen im Jahr 2000 steigen.
"Alte Menschen sind keine homogene Gruppe," dies müsse bei der Entwicklung entsprechender Konzepte berücksichtigt werden, sagte Prof. Dr. Richard Pieper, Uni Bamberg. |
Bei den deutschen Versorgungsämtern seien 6,5 Millionen Personen als Schwerbehinderte registriert. Über die Hälfte davon seien älter als 65 Jahre und weitere 25 Prozent zwischen 55 und 65 Jahre alt. Ein hoher Prozentsatz der älteren Menschen müßte mit Einschränkungen wie dem Nachlassen des Sehvermögens, mit Hörproblemen, Muskelschwund und der Reduzierung der Beweglichkeit leben.
Referenten
Auch Prof. Dr. Richard Pieper, Lehrstuhlinhaber für Urbanistik und Sozialplanung an der Universität Bamberg und Gründungsmitglied des Bundesverbandes der Wohnraumanpassungsstellen, der das soziale Umfeld barrierefreien Wohnens beleuchtete, macht anhand von Beispielen deutlich, daß die Unterstützungs- und Pflegebedürftigkeit mit dem Alter steige. Da gleichzeitig die Anforderungen an Komfort, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit von Wohnung, Gütern und Diensten im täglichen Leben wachsen würden, setze Selbständigkeit im Alter neue Versorgungs- und Unterstützungssysteme voraus. Daher müsse ein Mix gefunden werden zwischen unterstützenden sozialen Beziehungen jenseits der Familie, neuen privaten und öffentlichen Dienstleistungen jenseits vom Versorgungsstaat, neuen Formen des betreuten Wohnens jenseits des Altenheims und baulichen sowie technischen Innovationen für eine barrierefreie und altersfreundliche Umwelt. Die Schaffung einer solchen "Kultur des Alters und des Alterns" erfordere auch die Entwicklung und Gestaltung neuer Produkte sowie deren Markterschließung.
Ein (Traum)Bad für alle Lebensphasen? Hier gilt es allerdings den Bezug zur Realität nicht zu verlieren, denn 81 Prozent der Pflegebedürftigen über 65 Jahre leben in Altbauwohnungen und dort sind "6-m2-Bäder" üblich. Das Beispielbad sollte daher diesen Basisdaten folgend, nach barrierefreien und funktionsgerechten Kriterien, konzipiert werden.
Vital Bad: Die Trennwand ermöglicht eine räumliche Abgrenzung der bodenbegehbaren Dusche vom übrigen Bereich und dient gleichzeitig zur Aufnahme der Armaturen- und Verrohrungstechnik. An der Vorwandinstallation sind ergonomisch gestaltete Keramikelemente sowie Stütz- und Haltevorrichtungen montiert und zusätzlich bietet sie sichere Ablageflächen. Armaturentechnik griffsympathisch und funktionsorientiert an Dusche, Wanne, WC und Waschtisch.
Prof. Dr. Gerhard Loeschcke, freischaffender Architekt und Lehrstuhlinhaber für Entwerfen und Gebäudetechnik sowie für Bauen für alte und behinderte Menschen an der Fachhochschule Karlsruhe, unterstrich, daß es im Interesse der Architekten, Planer, Handwerker und nicht zuletzt der Betroffenen liege, wenn die Hersteller in diesem Bereich bei Innovationen, Produktentwicklung und Information kooperierten. Er sehe hier vor allem die Chance, Bäder mit mehr Wohn-, Lebens- und Architekturqualität innerhalb der Normen DIN 18024/18025 zu schaffen. Loeschcke demonstrierte anhand von Beispielen Formen der Badgestaltung, die eine hohe individuelle Wohnqualität trotz Beachtung der Standards zuließen. Seiner Ansicht nach müsse die Planung über das "Schema F" hinausgehen und sich auch für unterschiedliche individuelle und kulturelle Gewohnheiten öffnen. Die Maxime müsse heute sein, ein Bad zu bauen, das unterschiedliche Wohnvorstellungen und damit auch alten- und behindertengerechte Ausstattungen zulasse.
Beirat
Zur wissenschaftlichen Begleitung der Kooperation wurde ein Fachbeirat berufen, dem folgende Mitglieder angehören: Prof. Gerhard Loeschcke, FH Karlsruhe und freier Architekt, Ministerialrat Hans Jörg Nußberger, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern und Obmann des DIN-Arbeitsausschusses 18024/18025 Barrierefreies Bauen, Prof. Dr. Richard Pieper, Universität Bamberg und Gründungsmitglied des Bundesverbandes der Wohnraumanpassungsstellen, Dipl.-Vw. Carl Steckweh, Bundesgeschäftsführer Bund Deutscher Architekten (BDA) und Prof. Dr. Sabine Theis-Krömer, RWTH Aachen und Mitglied der Sachverständigenkommission 2. Altenbericht der Bundesregierung "Wohnen im Alter".
Verbreiterung der Basis
Wie Thielenhaus ausführte, will der Initiativkreis eine Vorreiterrolle bei Innovation, Funktion, Hygiene, Komfort und Design übernehmen und für eine forcierte Entwicklung neuer Produkte und Systeme unter Nutzung des konzentrierten Hersteller-Know-hows sorgen. Ein weiteres wichtiges Ziel sei der Aufbau eines bundesweiten Netzwerks von Sanitär- und Fliesenleger-Fachhandwerksbetrieben. Durch Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen solle das verarbeitende Fachhandwerk für den Bereich des barrierefreien Wohnens qualifiziert und mit Informationen und Unterlagen bei der lokalen Marktbearbeitung unterstützt werden.
Interessierte Handwerksbetriebe die zur aktiven Mitarbeit bereit sind, können durch die Zahlung einer Schutzgebühr in Höhe von 200 DM dem Initiativkreis beitreten. Das Leistungspaket für die Mitgliedsbetriebe umfasse die Betreuung durch die Geschäftsstelle, die Profilierung über ein Gütesiegel, den Bezug eines Spezial-Informations-Dienstes, Kostenvergünstigungen für die Teilnahme an Veranstaltungen und Kongressen, die Marketing- und Vertriebsunterstützung in Hinblick auf Vermarktung, Kundenansprache und Beratung sowie die Qualifizierung durch Schulung und Weiterbildung. Ziel des Initiativkreises sei es in den nächsten zwei Jahren bis zu 1000 Mitglieder zu gewinnen und den mitwirkenden Fachhandwerksbetrieben ein wirtschaftlich interessantes Tätigkeitsfeld mit hohen Zuwachsraten zu erschließen.
Zur bundesweiten Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit gehöre unter anderem auch die Beteiligung an der im September beginnenden ständigen etwa 1000 m2 großen Ausstellung "Forum Gerontotechnik" (GGT) in Iserlohn. Ferner wolle sich die Kooperation gemeinsam auf Fachmessen wie "Interhospital", "Älter werden", "REHA" und "Senior aktiv" präsentieren und bei Wohnraumanpassungsprojekten mitwirken.
Überblick
Anschließend gab der Marketing-Berater Wolfgang D. Riedel einen Überblick über die grundlegenden Anforderungen an barrierefreie Bäder und stellte die sich einander ergänzenden Produkte der Kooperationspartner vor. Er wies dabei auf die erforderlichen Bewegungsflächen und Sitzhöhen hin und erklärte die Notwendigkeit von Halte- und Stützgriffen, ergonomisch geformten Waschtischen und Armaturen, rutschfesten Böden und schwellenfreien Duschen.
Daß die Planung und Umsetzung barrierefreier Bäder eine der Bauaufgaben der Zukunft ist, der sich Wissenschaft, Architektur, Industrie und Handwerk stärker widmen müssen, machte der Marketing-Berater unter Hinweis auf die demographische Entwicklung deutlich. Bereits heute liege das Durchschnittsalter der Bundesbürger bei 46 Jahren. 1995 seien 31 Millionen älter als 45 Jahre gewesen. Für das Jahr 2015 prognostizierte das Statistische Bundesamt, daß die Zahl der unter 45jährigen auf 42 Millionen ansteigen werde.
Die neue Informationsbroschüre, der Planungsordner und Informationen über die Mitgliedschaft für Fachhandwerksbetriebe sind erhältlich bei:
Geschäftsstelle Initiativkreis Vitales Bad
c/o Thielenhaus & Partner GmbH
Postfach 100449
42004 Wuppertal
Tel.: 0202/97010-0
Fax: 0202/97010-50.
B i l d e r u n d G r a f i k : Techno Press, Wuppertal
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