125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1997, Seite 54 ff.
HEIZUNGSTECHNIK
Fußboden-Heizungssystem sorgt für Mikroklima
in der Kathedrale in Brünn
St. Peter und Paul Kathedrale in Brno (Brünn). |
Dipl.-Ing. Dagmar Wicherkova, Dr. Ing. Günter Gebauer*
Die St. Peter und Paul Kathedrale gehört zu den wichtigsten Kulturdenkmälern der Stadt Brünn. Zusammen mit der Burg Spilberk ist sie eine charakteristische und unübersehbare Dominante der Südmähren-Metropole. Die historische sowie architektonische Bedeutung der Kirche wurde im Jahre 1989 durch die Erklärung des gesamten Petrov-Geländes zu einem Nationalkulturdenkmal bestätigt.
Charakteristik und Entwicklung der Kirche
Ein Bauwerk wurde auf diesem Gelände zum erstenmal im 11. Jahrhundert erwähnt. Der ursprünglich römische Bau wurde im 13. Jahrhundert im frühgotischen Stil umgebaut. Die Kirche wurde erweitert und von der Originaldisposition wurden die römischen Türme und das Presbyterium gelassen. Das Ergebnis war eine Kirche mit drei Schiffen. Ende des 16. Jahrhunderts konnte die Kirche als ein bedeutendes Bauwerk im spätgotischen Stil bezeichnet werden. Während des 30jährigen Krieges brannte die Kirche nieder. In der Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Kirche mit großem Einsatz gerettet. In den nächsten 100 Jahren wurde die Kirche repariert. Die Außenmauern und Ecken der Schiffe wurden verstärkt, die dreischiffige Struktur wurde aufgehoben und der neu entstandene ellipsenförmige Raum wurde mit einem Kappengewölbe überbrückt und später überdacht. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kathedrale pseudogotisiert. Die heutige äußere Form der Kirche mit subtilen 81 m hohen Türmen stammt aus den Jahren 1904 bis 1908. Nach einer hunderte von Jahren dauernden Entwicklung ist eine 64 m lange und 17 m breite Kathedrale entstanden. Das barocke Schiff ist bis zu 27 m hoch und die Höhe des gotischen Presbyteriums erreicht 24 m.
Endgültige Lösung der Form und Größe der Heizflächen sowie die Lage der Verteiler und Heizraum. |
Aus der obigen historischen Entwicklung ergibt sich, daß das Bauwerk eine ganze Reihe von Bauveränderungen erlebte und daß die dabei verwendeten Baumaterialien eines wesentlich unterschiedlichen Ursprungs sind. Was die wärmetechnischen Eigenschaften betrifft, zeichnet sich die Kathedrale durch massive Mischmauern mit Fenstern aus einfachem Glas mit Mosaik aus. Aufgrund des technischen Zustandes des gesamten Objektes wurde 1990 entschieden, daß eine Generalreparatur der Kirche inklusive eines Beheizungsprojektes notwendig ist.
Grundaspekte bei der Herstellung des internen Mikroklimas in der Kathedrale
Für Kirchen sind eine massive Konstruktion mit hoher Wärmeakkumulation, ein großer, architektonisch reich gegliederter Raum und die eigentlichen religiösen Funktionen charakteristisch. Die physikalischen Grundvorgänge, die mit der Herstellung des internen Mikroklimas zusammenhängen, haben den Charakter eines Wärmeaustausches. Aus dieser Tatsache ergibt sich, daß die einzelnen Komponenten, vor allem derer aktueller Wärmezustände, umgebungsformend sind. Es handelt sich um folgende Komponenten:
- die Baukonstruktion,
- das Heizsystem,
- Betrieb des Objektes,
- die äußeren und internen Randbedingungen,
- Wirtschaftlichkeit.
In den folgenden Diagrammen sind die Meßwerte des Mikroklimas in der Kathedrale aufgezeichnet ...
Diese Komponenten und die zusammenhängenden Wärmeprozesse sind ein Signal dafür, wie kompliziert die Herstellung des Klimas in der Kathedrale ist sowie für den möglichen differenzierten Ansatz zur Auswahl der technischen Mittel zur Sicherstellung dieses Mikroklimas. Die Grundkriterien und Faktoren zur Wahl des Systems zur Herstellung des Mikroklimas in der Petrov-Kathedrale wurden durch folgende Aspekte beeinflußt:
- die Architektur des Baus und seinen historischen Wert,
- die Gliederung des Raumes und die Höhe des Gebäudes,
- die dominante Funktion der Kirche und die Spezifität des Innenraumes, die erfordern, daß nur das notwendigste Minimum der technischen Anlage sichtbar ist,
- der Zustand und die Qualität des Innenraumes, vor allem die Temperatur, die Feuchtigkeit und die Strömung der Luft im Aufenthaltsbereich der Personen,
- die Sicherstellung eines stabilen Klimas, das für die einzigartigen Exponate notwendig ist, weil Extremzustände beim Betrieb der Kirchen meist eine negative Auswirkung auf diese haben,
- Investitionen und Betriebskosten im Zusammenhang mit den technischen Anlagen zur Herstellung des Mikroklimas.
Diese Kriterien und Faktoren deuten die Problematik der Wahl der technischen Mittel zur Herstellung des internen Mikroklimas in der Kathedrale an. Aus den theoretischen und experimentellen Erkenntnissen, die diese Problematik betreffen, hat sich ergeben, daß die Anforderungen durch Strahlheizungs- oder Warmluftheizsysteme erfüllt werden. Ein konkretes System wird mit Hinblick auf visuelle Anforderungen auf den Innenraum bei gleichzeitiger Erreichung einer optimalen Qualität des Mikroklimas gewählt. Aus diesem Aspekt ist es klar, daß die Fußboden-Warmwasserheizung den strengsten Kriterien zur Erhaltung des bestehenden Innenraumes der Petrov-Kathedrale entspricht und zwar was die Lage der Wärmeerzeugerelemente, die Art und Weise der Wärmeabgabe sowie den Preis der primären Energie betrifft. Ein Nachteil dieses Systems ist die Wärmeträgheit und die sich daraus ergebende problematische Regelung der Wärmeleistung. Die Begründung der Wahl des Systems, seiner Konstruktion und seines Betriebes wird durch die durchgeführte experimentelle Auswertung der erreichten primären Größen des Zustandes und der Qualität des internen Mikroklimas im Aufenthaltsbereich der Menschen kontrolliert.
Projekt Fußbodenheizung
Eine der Anforderungen des Auftraggebers im Rahmen der Sanierung der Kathedrale war auch die Heizung und der Entwurf einer optimalen Beheizungsvariante. Vor dem Projekt der Beheizung der St. Peter und Paul Kathedrale wurden die Bedingungen für den eigentlichen Verlauf der Projektarbeiten sowie für die eigentliche Durchführung spezifiziert. Während der effektiven Unterstützung seitens der Mitarbeiter des deutschen Unternehmens Pedotherm wurden folgende Grundanforderungen formuliert:
- für die Wärmebilanz des Objektes wird die beschränkte Übertragungskapazität des Gasanschlusses mit dem oberen Grenzwert von 120 kW verbindlich, die innere Auslegungstemperatur wird von diesem Wert abgeleitet,
- der Entwurf der einzelnen Dilatationseinheiten der Beheizungsflächen wird den Anforderungen der Mitarbeiter des staatlichen Denkmalschutzes an die Erhaltung der ursprünglichen Form, der Abmessungen und der Pflasterung untergeordnet,
- als Wärmequelle wird vorübergehend ein Niedertemperatur-Gasheizkessel dienen,
- durchlaufende Konsultationen der Projektanten und Fachhandwerker mit den Mitarbeitern, die sich an den archäologischen Untersuchungen beteiligten, und mit der Leitung des Bischofsamtes.
Die Umsetzung des endgültigen Plans der Beheizung des Gotteshauses kann als gleichzeitig verlaufende Projektarbeiten und archäologische Untersuchungen charakterisiert werden. Die Eröffnungsphase zu den Projekt- und Bauarbeiten war eine Bauuntersuchung. Nach der Beendigung der Bauuntersuchung wurden die einzelnen wärmeabgebenden Fußbodenschichten festgelegt. Der übliche Aufbau, charakteristisch für das Pedotherm System, wurde der neuen Fußbodenkonstruktion angepaßt.
Die Ausgangsangabe für die Projektarbeiten war die Berechnung der Wärmeverluste, geregelt durch die Norm CSN 06 0210 (gültig im Jahr 1991) bei Beachtung der Artikel 50, 51 und 57. Die Größe der Heizflächen war durch einige Faktoren beschränkt. Vor allem war es die Auslegung der Fläche der einzelnen Heizfelder, wobei die maximale Länge des Heizkreises 150 m betrug und die Form des Feldes mußte der geplanten diagonalen Verlegung des Marmorpflasters angepaßt werden. Dies resultierte aus der Berechnung des Abstandes der verlegten Rohre bei einer Heizwassertemperatur von 46/36°C.
Die Verteiler wurden so angebracht, daß eine optimale Länge der Anschlüsse zu einzelnen Heizflächen erreicht wurde und die Schränke im Inneren der Kathedrale unauffällig plaziert werden konnten.
Die Anforderungen auf die Regelung der inneren Lufttemperatur ergaben sich aus der Natur des Objektes mit massiven Konstruktionen und aus dem Betrieb der Kathedrale. Hinsichtlich der wärmetechnischen Eigenschaften der Umfassungskonstruktionen, vor allem derer Akkumulation, hat man die Regelung der Heizwassertemperatur abhängig von der inneren Lufttemperatur mit der Möglichkeit eines Betriebes mit Temperaturabsenkung gewählt.
Heizungsprojekt
Das Unternehmen Pedotherm, das bereits über Erfahrung mit dem Betrieb und mit der Errichtung ähnlicher Systeme in Deutschland verfügte, hat die Installation der Fußbodenheizung mit Handwerksunternehmen aus der Tschechischen Republik durchgeführt. Die Realisierung war durch die Notwendigkeit einer Koordination der archäologischen Untersuchungen mit den Installationsarbeiten gekennzeichnet. Die Forscher aus dem archäologischen Institut haben mit den Arbeiten gleich nach der Entfernung des Steinpflasters begonnen. Sie hatten fast nach einem Jahrhundert die Möglichkeit, einen Blick unter den Fußboden der Kirche zu werfen. Schon die ersten einzigartigen Funde aus dem Mittelalter reichten aus, um sich über die Notwendigkeit, den Forschungen Aufmerksamkeit zu widmen, zu überzeugen, weil die Grundlage durch die Installation einer Fußbodenheizung aus Kunststoffrohren mit langer Nutzungsdauer für die nächste Generation konserviert wird. Für die Handwerksunternehmen, die sich an der Errichtung des Heizsystems beteiligten, stellte diese Forschungsaktivität eine Bedrohung der Einhaltung des Endtermins dar. Die archäologischen Untersuchungen wurden daher in zwei Teile aufgeteilt. Der abgedeckte Boden vor dem Altar wurde separat untersucht und die Fußbodenheizung wurde nur in dem Raum des barocken Schiffes verlegt.
Experimentalbewertung des Mikroklimas in der Kathedrale
Die Bewertung des Klimas in der Kathedrale stellte sich zum Ziel, mit objektiven Mitteln das Niveau des Mikroklimas nach der ersten Etappe der Installation der Fußbodenheizung zu diagnostizieren und auszuwerten. Die Basis dafür ist eine experimentelle Messung der aktuellen Lage des Mikroklimas, wobei die zusammenhängenden Elementargrößen während des Betriebes des neu installierten Heizsystems im Rahmen eines durchlaufenden Intervalls von 10 Tagen überwacht werden.
Die wesentlichen Tatsachen, die den Verlauf der Überwachung des Mikroklimas in der Kathedrale charakterisierten, können durch zwei Fakten zum Ausdruck gebracht werden. Einerseits waren es die sehr limitierten Konditionen bei der eigentlichen Messung, weil es notwendig war, den Betrieb und den Zeitablauf der Gottesdienste durch technische Mittel nicht zu beschränken. Andererseits war es der aktuelle Stand der Rekonstruktion des Objektes und des eigentlichen Heizsystems.
Charakteristik des Zustandes der Kathedrale während der Langzeitüberwachung:
- die gesamten Bauarbeiten am Objekt entsprechen den verlaufenden archäologischen Untersuchungen in der Kathedrale,
- Teil der Fußbodenheizung vor dem Altar ist nicht fertiggestellt,
- eine erhöhte Luftströmung in der Kathedrale entlang des Fußbodens infolge der nicht abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Wartung der Fenster und den finanziellen Möglichkeiten des Eigentümers.
Das konkrete Ziel der Messung war die Bewertung der Wärmezustände während der Beheizung und zwar durch die Kontrolle der ausgewählten charakteristischen Temperaturen, die mit dem Betrieb der Heizung im Zusammenhang stehen. Das Endergebnis sind keine absoluten Werte, sondern Werte im Zeitverlauf und mit Schwankungen. Die Ergebnisse sollten eine Elementarbewertung des internen Mikroklimas und des Verhaltens der Zentralheizung und ihrer Funktionseinheiten im normalen Betriebszustand ermöglichen.
Die wichtigsten Größen zur Bewertung des Mikroklimas sind:
- ausgewählte charakteristische Temperaturen und deren Vertikalverlauf,
- Luftströmungsgeschwindigkeit im Aufenthaltsbereich der Personen.
Wegen der Objektivität der Ergebnisse der Bewertung des Mikroklimas in der Kathedrale war es notwendig, die Wärmeprozesse in einem realen Zeitintervall durch ein System zu überwachen, das die kontrollierten Größen messen, aufzeichnen und bearbeiten kann.
Die technische Grundausstattung zur Messung:
- ein automatisiertes System mit Aufzeichnung der Meßwerte mit einer Therm-Meßzentrale mit Sensoren aus Thermoelementen,
- ein Analysator des internen Mikroklimas mit fünf Sensoren zur Messung der Mikroklimagrößen (Lufttemperatur, Strahlungstemperatur, Luftströmungsgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit),
- eine Software zur Übertragung und Bearbeitung von Daten mit graphischen Outputs.
Charakteristische Daten der Messung:
- Meßschritte bis 15 Minuten,
- Meßdauer 7 Tage,
- Wahl des Ortes mit Hinsicht auf die Notwendigkeit, die negativen Einflüsse auf den Betrieb, das heißt die Gottesdienste und Besichtigungen der Kathedrale, möglichst gering zu halten.
Meßergebnisse, Analyse der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Überwachung haben den Charakter großer Dateien, die wegen einer übersichtlichen Präsentation durch Programme in graphische Form umgewandelt worden sind. Die Meßverläufe sind in den Diagrammen dargestellt.
Die dargestellten Meßwerte:
twp, twz = die Temperatur des Heizwassers im Vor- und Rücklauf,
t6 bis t13 = die Lufttemperatur im Aufenthaltsbereich,
t15 = die Lufttemperatur im Aufenthaltsbereich,
tg = die Ergebnistemperatur, kontrolliert durch Kugelthermometer,
tp = die Oberflächentemperatur des beheizten Fußbodens,
tpn = die Oberflächentemperatur des ungeheizten Fußbodens,
te = die Außenlufttemperatur.
Folgende Fakten können aus den Diagrammen entnommen werden:
- Schwankungen der Außentemperatur mit einem fast harmonischem Verlauf, der den langzeitigen Durchschnittswerten der Außentemperatur in diesem Gebiet entspricht,
- Einfluß der Baukonstruktion und die Luftströmung, hervorgerufen durch undichte Stellen in den Fenstern und Türenfugen, die durch einen ungewöhnlichen Verlauf der Temperaturdifferenz zwischen Vorlauf und Rücklauf, zur Erscheinung kommen,
- die Abweichungen zwischen den Temperaturverläufen, vor allem dem Verlauf des Vorlaufheizwassers und dem Verlauf der Ergebnistemperatur tg, offensichtlich hervorgerufen durch eine nicht eingestellte automatische Heizungsregelung,
- zwischen 13 und 18,5°C stark schwankende Innenlufttemperatur im Aufenthaltsbereich, deren Verlauf durch die Bewegung der Personen und durch die Strömung der Luft in dem großen Innenraum der Kathedrale geformt wurde,
- der gleichmäßige vertikale Verlauf der Innenlufttemperatur, bestätigt durch die Meßwerte der Fühler 8 bis 13, die in einem Intervall von 1 bis 6 m oberhalb des Fußbodens plaziert worden sind,
- günstige Innenlufttemperaturwerte im Bereich der Bänke in der Höhe von 0,15 m oberhalb des Fußbodens.
Fazit
Die Messung der Parameter des internen Mikroklimas in der St. Peter und Paul Kathedrale zeigte, daß die installierte Pedotherm Fußbodenheizung die Wärmezustände auch in den Räumen, die aus der Bausicht noch nicht beendet worden sind, stark positiv beeinflußt hat. Die Reparatur der beschädigten Fenster sowie die Abdichtung des Eingangs in die Kathedrale im Rahmen der geplanten Bauveränderungen wird zu einer schwächeren Luftströmung in den Räumen der Kirche führen. Man kann deshalb erwarten, daß sich die Temperaturverhältnisse bei einem effizienten Betrieb des Heizsystems noch mehr verbessern werden.
* Dipl.-Ing. Dagmar Wicherkova; Dr. Ing. Günter Gebauer. Vysoke uceni technicke Brno Baufakultät - Institut für technische Gebäudeausstattung Tschechische Republik.
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