125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1997, Seite 72 ff.


REPORT


boco

Neue Produkte und mehr Service

Die boco-Gruppe mußte sich 1996 in einem ausgesprochen schwierigen wirtschaftlichen Umfeld behaupten. Insbesondere die Firmenzusammenbrüche und der Stellenabbau im Handwerk, der wichtigsten Kundengruppe von boco, stellte den deutschen Marktführer für Berufskleidung im Mietservice vor neue Herausforderungen.

Um den langjährigen Wachstumskurs und die führende Stellung im Markt abzusichern, hat boco 1996 eine breit angelegte Innovations- und Service-Offensive gestartet. "Wir halten konsequent an unserer Strategie fest, unsere Produkte und Dienstleistungen so weiterzuentwickeln, daß sie unseren Kunden einen echten Nutzen bieten," betonte Dr. Jürgen Daum, Sprecher der Geschäftsleitung, bei der Erläuterung der Unternehmensdaten während der Jahres-Pressekonferenz im Juni dieses Jahres in Hamburg.

Dr. Daum: "boco konnte in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld seine Stellung im Berufskleidungsmarkt halten."
(Bild: IKZ-HAUSTECHNIK)

Zufrieden äußerte sich Daum über die Entwicklung im Bauhauptgewerbe. Trotz oder gerade aufgrund der Krise am Bau sei die Nachfrage nach funktioneller Fachkleidung gestiegen. Hier wirke sich aber auch der Zusatzeffekt des von boco integrierten präventiven Gesundheitsschutzes positiv auf die Nachfrage aus. Diese Fachkleidung kann spürbar zur Senkung der Krankenstände beitragen und damit die Kosten in den Betrieben senken. Aber auch Betriebe, die bei ihrem Auftritt gegenüber dem Kunden auf ein eigenständiges Corporate Design Wert legen, entscheiden sich zunehmend für die Berufskleidung von boco, da hier ein einheitliches Erscheinungsbild garantiert wird. Ausgeprägt sei dies besonders in den Gewerken Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik, dem Bauhauptgewerbe sowie dem Elektro- und Malerhandwerk - bei den größten Kundengruppen von boco, so Daum.

Forschung und Entwicklung

Auch 1996 hat boco wieder verschiedene Forschungs- und Entwicklungsprojekte eingeleitet, die speziell zu Lösungen von Problemen im Handwerk beitragen. "In diesem Part arbeiten wir sehr eng mit den Verbänden des Handwerks zusammen", so Daum. Wesentliche Ansätze dieser Arbeit sind das Vermeiden typischer gesundheitsschädigender Einflüsse am Arbeitsplatz. Dazu zählen vor allem Nässe, Kälte, Zugluft und Fehlbelastungen. Weitere Untersuchungskriterien betreffen den Tragekomfort der Berufskleidung: Material, funktionelle Details und optimale Schnitte erhöhen das Wohlbefinden der Träger und damit die Akzeptanz der Berufskleidung so Daum.

Die neue SHK-Imagekleidung.
(Bild: boco GmbH & Co., Hamburg)

Das sich die boco Berufskleidung positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt, zeigt auch eine Studie des "Institut für Angewandte Ergonomie" in München. Dabei kommt es besonders auf die Gestaltung einzelner Details an, die von boco ganz individuell für unterschiedliche Branchen bzw. für unterschiedliche Tätigkeiten entwickelt werden. Ein aktuelles Beispiel für ein in allen Aspekten durchdachtes Berufskleidungskonzept sei, so Daum, z.B. die neue Fachkleidung für das SHK-Handwerk. Für diese älteste Zielgruppe von boco und zugleich eine der wichtigsten - das Unternehmen versorgt ca. 30% aller SHK-Betriebe - habe man eine weitere Optimierung des Tragekomforts mit funktionellen Detaillösungen erzielt, wie flexiblen Kniepolstern oder - auf Wunsch - der Zusatztasche für das Handy. Das Rückenteil der Kundendienstjacke und Weste sei besonders verstärkt und verlängert worden.

Marketing im Handwerk

Das immer mehr Handwerksbetriebe auch die Themen Marketing, Kundenservice und Image entgegen der öffentlichen Meinung sehr ernst nehmen, mache die ausgezeichnete Resonanz auf das bundesweit veranstaltete boco Handwerks-Symposium deutlich, erläuterte Daum. boco habe dieses Symposium gestartet, um dem Handwerk gezielt "Hilfe zur Selbsthilfe" anzubieten. Das hier vermittelte Know-how rund um Marketing, Kundengewinnung und verkaufsaktive Serviceleistungen sei in jedem Betrieb auch praktisch umzusetzen, was zahlreiche Teilnehmer mit Erfolgsmeldungen bestätigen würden, fügte Daum hinzu.


INTERVIEW

Zielgruppenspezifische Berufskleidung

Bei boco hat die Forschung und die Entwicklung im Bereich der Berufskleidung Priorität. Seit Jahren arbeitet das Unternehmen mit Verbänden und Innungen zusammen um für die unterschiedlichen Branchen bzw. für unterschiedliche Tätigkeiten eine Kleidung zu entwickeln, bei der die Aspekte Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Tragekomfort im Vordergrund stehen. IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Helmut Gülde-Hötte sprach während der boco-Pressekonferenz mit Volker Kamm, Geschäftsführer Markt und Produkte, über die Entwicklung und insbesondere über neue Produkte für das SHK-Handwerk.

Volker Kamm, Geschäftsführer Markt und Produkte.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Kamm, ein aktuelles Beispiel für ein in allen Aspekten durchdachtes Berufskleidungs-Konzept ist die heute vorgestellte neue Fachkleidung für das SHK-Handwerk. Welche Kriterien wurden bei der Entwicklung in Richtung Materialauswahl und Trageeigenschaften besonders beachtet?

Kamm: Bei jeder Neuentwicklung schauen wir uns genau das Berufsbild und die Tätigkeiten der zukünftigen Träger an. Dies ist auch im Falle des SHK-Handwerks passiert. Wir wissen, daß sich das Berufsbild des SHK-Fachmannes z.Zt. einer starken Wandlung unterzieht. Das Berufsbild wird breiter von der reinen Installation hin zu betreuenden und wartungstechnischen Tätigkeiten. Dies in einer neuen Kollektion abzudecken, war nicht ganz einfach. Dennoch ist uns das gelungen, mit entsprechenden neuen Stoffen, die u.a. die noch stets vorhandene Schweißtätigkeit auffangen sowie Elementen, die die knieenden und bückenden Tätigkeiten unterstützen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Woher bekommen Sie die Informationen?

Kamm: Wir betreiben eine sehr tiefgehende Marktforschung. Wir schauen uns über lange Wochen die Tätigkeiten der Träger an, nehmen diese z.T. mit wissenschaftlichen Methoden auf. Dann sprechen wir natürlich mit den Verbänden, wie sich die Berufsbilder evtl. in den nächsten Jahren verändern können. Zudem haben wir Erfahrungen aus der Vielzahl unserer bestehenden Kunden. Diese Informationen werden systematisch ausgewertet und in Anforderungskataloge umgesetzt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Arbeiten im Sanitär-, Heizungs- und Klimabereich weichen oft stark voneinander ab, d.h., die Beanspruchung der Kleidung ist sehr unterschiedlich - Öle, Fette, Löt- und Schweißarbeiten beanspruchen das Material in verschiedenster Weise. Wie kompensieren Sie das in der Kleidung?

Kamm: Wesentliche Grundvoraussetzungen für das Funktionieren von Berufskleidung ist die richtige Stoffwahl. Wir verwenden ein speziell entwickeltes Gewebe, das u.a. die Entfernung von Ölen, Fetten und sonstigen Stoffen erleichtert. Wir haben uns sehr genau die Löt- und Schweißarbeiten und deren Umfang angesehen und eine Stoffart mit einem Satinfinish gewählt, die das Abperlen von Schweiß- und Lötspritzern erleichtert. Dies ist von den Praktikern sehr positiv aufgenommen worden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es eine Testserie, bevor die Kleidung endgültig in den Umlauf kommt? Wenn nein, wie erfahren Sie von möglichen Problemen bezüglich der Trageeigenschaften, die vielleicht erst später auftauchen?

Kamm: Ja. Wir führen sehr umfangreiche Testserien durch, bevor wir in die Serienproduktion gehen. Wir unterscheiden hier einen reinen Akzeptanztest, wo es um Schnitte, Formen, Funktionen geht sowie einen intensiven Einsatztest, wo dann die Zufriedenheit der Testträger mit der Kleidung geprüft wird. Der Zeitraum liegt dafür bei etwa 10 Monaten. Im Falle SHK haben wir über 100 Testträger mit verschiedenen Prototypen der neuen Kollektion ausgerüstet und somit im Vorwege mögliche Reklamationen eliminiert. Sicherlich gibt es immer wieder, wie bei jeder Neueinführung, anschließend noch Detailverbesserungen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Immer mehr spielt auch das "Design" bei der Entwicklung der Kleidung für das SHK-Handwerk eine Rolle - sicherlich ein Vorteil für das Image. Wie vermitteln Sie dem Handwerk diese Linie?

Kamm: Wie Sie wissen, arbeiten wir seit vielen Jahren intensiv mit den Verbänden zusammen. Dabei versuchen wir verbandstypische Elemente in unsere Kleidung zu integrieren. Dies ist auch im Falle dieser neuen Kollektion passiert. Wir haben ausführlich mit den entsprechenden Gremien des Bundes- und der Landesverbände gesprochen. Dies ist das eine. Träger, bzw. die Entscheider in den Betrieben, haben natürlich auch entsprechende Geschmacksvorstellungen. Wir gehen daher mit verschiedenen Designentwürfen in andere Gremien wie z.B. Meisterschulen, Öffentlichkeitsausschüsse usw. und stellen dort unsere Kleidung vor, in Workshops wird dann darüber diskutiert. Im vorliegenden Fall hatten wir sehr progressive Linien, die aber von der überwiegenden Mehrheit nicht akzeptiert wurden. Wir haben uns daher auf eine etwas zeitlose, jedoch moderne Linie verständigt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Bedeutung hat das Thema Umwelt in Ihrem Unternehmen? Ich denke an die Waschvorgänge, bei denen oft stark verschmutzte Kleidungsstücke von bestimmten anhaftenden Stoffen gereinigt werden müssen.

Kamm: Das Thema Umwelt gewinnt auch in unserem Unternehmen wie in anderen Bereichen eine zunehmende Bedeutung. boco hat sich bereits Mitte der 80er Jahre von der chemischen Reinigung getrennt, weil diese in Großanlagen nicht mehr beherrschbar waren. Seitdem optimieren wir laufend unsere Pflege- und Waschvorgänge in Hinsicht auf Umweltverträglichkeit. Im letzten Jahr haben wir eine umfangreiche Umweltstudie durch das Fraunhofer Institut in Hinsicht auf Umweltverträglichkeit industrieller Waschvorgänge im Vergleich zu Haushaltswaschmaschinen durchführen lassen. Dabei haben sich eindeutige, positive Ergebnisse für unsere optimierten Waschverfahren gezeigt. Wir verwenden u.a. deutlich weniger Energie, Wasser und Waschmittel als vergleichbare Wäschen im Haushalt und betreiben eine intensive Forschung und Anwendung der Senkung des Abwassers. Hinzu kommt, daß wir Verpackung und Logistik auch in Hinsicht auf Umweltverträglichkeit regelmäßig überprüfen und verbessern. Der Höhepunkt war im letzten Jahr ein Öko-Audit für unseren Betrieb in Brehna. Dazu zählen wir zu den Spitzenreitern unserer Branche in Europa.

IKZ-HAUSTECHNIK: Für die, die noch nicht Kunde bei boco sind, ist es sicherlich interessant, etwas über den boco-Service im Kleiderbring- und -abholsystem zu erfahren.

Kamm: Unsere Dienstleistung besteht "nur" zu 25% aus Hardware, sprich Kleidung und zu 75% aus echter Dienstleistung. Durch ein ausgeklügeltes Logistiksystem liefern und holen wir die Kleidung unserer Kunden. Mit den neuen Kunden wird ein fester Tag vereinbart, an dem die frischgewaschene Kleidung gebracht und die getragene geholt wird. Dies wird in einem leistungsfähigen EDV-System abgelegt und unterliegt so einer sehr stabilen Prozeßsicherheit. Über die Zahl und Art der Kleidungsstücke, die Zahl der Träger, sonstiger Vertragsbedingungen sind wir im Online-Dialog mit dem EDV-System laufend über den Zustand des Kunden informiert. Für unsere 46000 Kunden haben wir eine Servicemannschaft mit Telefon- und Vorortbetreuung sowie Logistik mit mehr als 300 Mitarbeitern eingesetzt. Jeder dieser Mitarbeiter betreut einen festen Kundenstamm, so daß hier eine intensive Beziehung zwischen dem Leistenden und dem Kunden entsteht. Veränderungen im Vertragsbestand wie Mitarbeitererhöhung oder -reduzierung, Anpassung der Kleidung an Größen oder sonstige Veränderungen können innerhalb eines Lieferzyklus, d.h. in der Regel einer Woche, realisiert werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kommen wir zum Punkt Innovation. Was steht weiter an Neuem an?

Kamm: Zum einen erweitern wir laufend unsere Kollektionen in Hinsicht auf neue Anwendungen und Berufsbilder. Beispiele sind die im letzten Jahr eingeführten Kollektionen für Fliesenleger, Parkett- und Fußbodentechniker sowie im Dienstleistungsbereich. Zum anderen haben wir natürlich auch, wie in jeder Modepolitik, Kollektionen, die schon älter sind und einer dringenden Anpassung bedürfen - wobei die veränderten Tätigkeiten und die Wünsche unserer Kunden berücksichtigt werden müssen. Aus wettbewerbstechnischen Gründen, möchten wir hier noch keine Details benennen. Eins ist aber sicher: Wir werden zu Beginn des nächsten Jahres mit einer erweiterten Gore-Tex Kollektion für den Warnbereich auf den Markt kommen. Dies ist ein sehr interessantes Marktsegment.

IKZ-HAUSTECHNIK: Darf ich abschließend formulieren, daß die Aspekte Funktion und präventiver Gesundheitsschutz in Ihrem Hause für Neu- und Weiterentwicklungen Vorrang hat?

Kamm: Seit Ende der 80er Jahre haben wir einen starken Trend eingeleitet, der weg vom einfachen Blaumann hin zu einer funktionellen, bedarfsgerechten Berufskleidung führt. Die gesamte Berufskleidungsbranche war über viele Jahre hier sehr passiv. Die steigenden Anforderungen in Hinsicht auf eine Gesundheitsfürsorge hat uns schon vor Jahren dazu gebracht, intensiv über Gesundheitselemente in der Berufskleidung nachzudenken. Zum einen steht hier der Schutz vor Witterungseinflüssen im Vordergrund. Dies ist verwirklicht in vielen Modellen für Tätigkeiten im Außenbereich. Ein Höhepunkt ist unsere Gore Wetterschutzkleidung. Zum anderen können auch die orthopädischen Einflüsse bei Tätigkeiten berücksichtigt werden. Hierbei konzentrieren wir uns auf die knieenden und Über-Kopf-Tätigkeiten, die zu einer intensiven Belastung des Bewegungsapparates führen. Durch Optimierungen in der Kleidung versuchen wir, präventive Gesundheitselemente einzubringen. Ein Beispiel ist der Schnitt unserer neuen Weste, die die Über-Kopf-Tätigkeit optimal unterstützt. Im Gegensatz zu anderen Branchen, wie z.B. der Bürositzmöbelindustrie, hat die Berufskleidung noch einen erheblichen Nachholbedarf. Wir sind aber stolz, hier absoluter Vorreiter zu sein.

Herr Kamm, ich danke Ihnen für das Gespräch.


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