125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/1997, Seite 54 ff.


ENERGIEWIRTSCHAFT


Erdgas legt zu

Jahrespressekonferenz der Ruhrgas AG, Essen, am 2. Juni 1997

Für die deutsche Gaswirtschaft verlief die energiewirtschaftliche Entwicklung 1996 zufriedenstellend.

Der Primärenergieverbrauch in Deutschland stieg aufgrund der niedrigen Durchschnittstemperaturen um 3% auf 350 Mio. t Öleinheiten. Der Erdgasverbrauch erhöhte sich um 12% auf 75 Mio. t Öleinheiten. Erdgas deckt damit knapp 22% des Primärenergieverbrauchs.

Für den Anstieg des Erdgasverbrauchs war neben Witterungseinflüssen auch die positive Anschlußentwicklung im Haushalts- und Gewerbesektor entscheidend. Für rund 72% aller Neubauwohnungen wurde 1996 eine Erdgasheizung geplant, in Ostdeutschland für 75%.

In 1997 geht die Ruhrgas AG, so der Vorsitzende des Vorstandes Friedrich Späth, aufgrund der höheren Temperaturen in den ersten Monaten von einem leichten Rückgang sowohl des Primärenergie- als auch des Erdgasverbrauchs aus.

Das energiewirtschaftliche Umfeld wurde 1996 weiterhin durch einen intensiven Wettbewerb sowohl zwischen den Energieträgern als auch den Gas-zu-Gas-Wettbewerb bestimmt. Der Veränderungsdruck auf den bestehenden ordnungspolitischen Rahmen nahm zu.

Friedrich Späth
Geboren am 9. Februar 1936 in Gilsbach/Siegerland
1965 Eintritt in die Ruhrgas AG
1974 stellvertretendes Vorstandsmitglied
1976 ordentliches Vorstandsmitglied
13. Juni 1996 Vorsitzender des Vorstands

 

Ruhrgas-Absatz erreicht Höchstwert

Der Gasabsatz der Ruhrgas AG erreichte 1996 mit einem Anstieg um 9,9% die neue Höchstmarke von 638 Mrd. Kilowattstunden.

Rund 65% des Erdgasabsatzes gingen 1996 an Ferngasgesellschaften, rund 25% an Ortsgasgesellschaften und rund 10% an Industriebetriebe.

Der Jahresabschluß 1996 ist gekennzeichnet durch den sehr kalten Winter. Der Umsatz der Ruhrgas AG stieg um rund 14% auf 13,1 Mrd. DM. Der Konzernumsatz erhöhte sich um rund 11% auf 15,2 Mrd. DM.

Der Jahresüberschuß der Ruhrgas AG nach Steuern (ohne Schütt-aus-Hol-zurück) lag bei 612 Mio. DM. Im Konzern betrug das entsprechende Ergebnis nach Steuern 698 Mio. DM.

Zum Jahresende 1996 beschäftigte der Ruhrgas-Konzern 10 274 Mitarbeiter. Der Rückgang um rund 680 Mitarbeiter ist Folge von Umstrukturierungs- und Kapazitätsanpassungsmaßnahmen der Beteiligungsunternehmen der RGI-Gruppe und der Ruhrgas AG. Im Ausland waren 31% der Mitarbeiter beschäftigt.

"Erdgas plus"

Die Ruhrgas AG, so Späth anläßlich der Jahrespressekonferenz, habe ein breites Spektrum von Beratungs- und Serviceleistungen für ihre Kunden aufgebaut, das an Bedeutung zunimmt. "Diese Leistungen nennen wir ,Erdgas plus’. Unsere Kunden möchten nicht nur bedarfsgerecht mit Erdgas beliefert werden, sondern sie erwarten Hilfestellung bei vielfältigen Themen, angefangen von der Energieeinsparung über alle Formen der Erdgasanwendung bis hin zum Umweltschutz."

Bei der Gasbeschaffung habe die Ruhrgas AG daher die Diversifizierung der Bezugsquellen weiter ausgebaut:

Im Jahre 1996 stammte das Erdgasaufkommen der Ruhrgas AG in Höhe von 631 Mrd. Kilowattstunden zu 17% aus inländischer Produktion, 28% aus den Niederlanden, 21% aus Norwegen, 1% aus Dänemark und 33% aus Rußland.

Auf mittlere Sicht werden sich diese Anteile verändern. Norwegen wird dann zum größten Lieferanten für Ruhrgas.

Die Ruhrgas hat damit ihren voraussichtlichen Bedarf bis zum Jahr 2010 weitgehend gedeckt.

Das Leitungsnetz der Ruhrgas AG einschließlich Gemeinschaftsleitungen und Leitungen von Projektgesellschaften erreichte 1996 eine Länge von 10 251 km, also rund 180 km mehr als 1995.

Internationale Kooperation

Durch die politischen Entwicklungen in Zentral- und Osteuropa ergeben sich Chancen für die Gaswirtschaft.

Kooperationen der Ruhrgas bestehen inzwischen mit den Gaswirtschaften in Estland, Lettland, Ungarn, Polen, Rußland, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik, der Ukraine und Weißrußland, die zum Teil durch Beteiligungen an in den Ländern tätigen Gasgesellschaften verstärkt worden sind.

Mit diesen langfristig angelegten Engagements verfolgen wir, so der Vorstandsvorsitzende Späth, auch das Ziel, die Gasgesellschaften dieser Länder auf dem Weg in die Marktwirtschaft zu unterstützen.

Ende vergangenen und Anfang diesen Jahres hat die Ruhrgas AG ihre Beteiligungen zusammen mit der VEW Energie AG in Ungarn aufgestockt. Die gemeinsame Beteiligung an den Budapester Gaswerken (FÖGÁZ) beträgt jetzt 47%, die gemeinsame Beteiligung an der DDGÁZ mit Sitz in Pécs 91,6%.

Kooperation in der Telekommunikation

"Erwähnen möchte ich noch die im vergangenen Jahr zusammen mit anderen Gasgesellschaften gegründete GasLINE Telekommunikationsnetzgesellschaft deutscher Gasversorgungsunternehmen mbH & Co. KG. Zweck der Gesellschaft ist es, die Gasleitungstrassen für die Verlegung von Glasfaserkabeln zur Datenübertragung zu nutzen. An der Gesellschaft sind weitere 14 große deutsche Gasversorgungsunternehmen beteiligt," so Späth.

Ein erster Nutzungsvertrag ist mit der Vebacom GmbH abgeschlossen, der auf die gemeinsame Telekom-Tochter von Veba und RWE übertragen wird. Die Ruhrgas AG ist mit 25% an der GasLINE beteiligt.

Die Bedeutung des Erdgases für die Beheizung von Wohnungen in Deutschland wird weiter wachsen. Werden heute rund 39 Prozent der Wohnungen mit Erdgas beheizt, erwarten Experten für das Jahr 2010 einen Anteil von etwa 50 Prozent. Diese Entwicklung wird sich insbesondere im Wettbewerb zum Heizöl vollziehen.

Erfolgreich im Wettbewerb

"Wettbewerb ist keine neue Erfindung. Ruhrgas steht national und international in diesem Wettbewerb, dem sie ihre Position verdankt. Unser Leitungssystem wurde durch unternehmerische Initiative auf rein privatwirtschaftlicher Basis aufgebaut", betonte der Vorsitzende Späth.

"Wir haben in Deutschland mit 19 Ferngasgesellschaften rund 700 Verteilerunternehmen eine wettbewerbsorientierte Gaswirtschaft, mit freiem Import und Export, freiem Leitungsbau, freier Preisbildung und freiem Marktzugang. Wir bejahen den auf eigenen Investitionen und Leistungen beruhenden Gas-zu-Gas-Wettbewerb."

Wettbewerb ohne staatliche Regulierung

Wogegen sich die Ruhrgas in der politischen Diskussion in Übereinstimmung mit der deutschen Gaswirtschaft wehrt, sind staatliche Eingriffe, die zu dem Dauerübel staatlicher Regulierung führen.

Die unter dem Deckmantel Liberalisierung angestrebten Reformen werden zu mehr Bürokratie und neuen Behörden führen. Sie werden höhere Kosten verursachen und sich negativ auf die Versorgungssicherheit auswirken.

In Brüssel stehen die Einführung von Zwangsdurchleitung und eine künstliche Trennung der Rechnungslegung für geschäftliche Teilbereiche der Unternehmen auf der Tagesordnung.

Zwangsdurchleitung oder staatlich regulierte Durchleitung können es schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich machen, langfristige Bezugsverträge mit Take-or-pay-Verpflichtungen aufrechtzuerhalten und neue abzuschließen. Diese bilden jedoch die Grundlage für unsere heutige Versorgungssicherheit und für wettbewerbsfähige Erdgaspreise.

Langfristige Bezugsverträge sind erforderlich, um die hohen Investitionen und die damit verbundenen Risiken zur Erschließung neuer Erdgasvorkommen abzusichern.In Deutschland können nur 20% des Erdgasverbrauchs durch Eigenproduktion gedeckt werden, 80% müssen importiert werden, längerfristig sogar 90%.

Hinzu komme, so Späth, daß die Ruhrgas AG bei einer Zwangsdurchleitung die deutschen Interessen gegenüber ausländischen Produzenten nicht mehr in der bisherigen Weise vertreten können. Starken Anbietern ständen schwächere Nachfrager gegenüber. Das Marktergebnis hätte auch negative Auswirkungen für den Verbraucher; dauerhaft niedrigere Preise wären sicherlich nicht die Folge. Das Recht auf freien Leitungsbau und frei vereinbarte Durchleitung sind deshalb eindeutig die bessere Alternative zur Zwangsdurchleitung, resümierte Späth.

Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr

Für 1997 rechnet die Ruhrgas AG bei normalem Temperaturverlauf in den restlichen Monaten des Jahres wegen der höheren Temperaturen im bisherigen Jahresverlauf mit einer leicht abgeschwächten Mengenentwicklung. "Wir hoffen, auch im Geschäftsjahr 1997 ein zufriedenstellendes Ergebnis erwirtschaften zu können", schloß Späth die Bilanzpressekonferenz.


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