125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/1997, Seite 3


EDITORIAL


Hoffnung allein nützt nichts

Detlev Knecht
IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur
 

Mehrmals im Monat bekommen wir die neuesten Arbeitslosenzahlen direkt auf den Frühstückstisch. Und jedesmal lautet der Tenor: Keine Trendwende am Arbeitsmarkt in Sicht. Waren 1996 im Jahresmittel rund 4 Mio. Menschen ohne Arbeit (im Verlauf des vergangenen Jahres haben etwa 350000 Personen ihren Arbeitsplatz verloren), rechnet man für 1997 mit einer weiteren Zunahme von 300000 auf dann 4,3 Mio. Ein trauriger Nachkriegsrekord.

Fest steht, daß die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland kein ausschließlich konjunkturelles Problem ist oder eines, das nur eine Ursache kennt. Es gibt statt dessen eine Vielzahl von Gründen: das zu hohe Lohnniveau und die zu hohen Lohnnebenkosten, die unzureichende Lohndifferenzierung, Steuern und sonstige Abgaben, die bürokratische Regelungsdichte, aber auch die mangelnde Anpassungsflexibilität der Unternehmen an veränderte Marktbedingungen. Daß die Inlandskonjunktur nicht in Fahrt kommt, hat ebenfalls mehrere Ursachen. Mit die wichtigste ist die verhaltene Gesamtnachfrage aller Deutschen. Sie wird mit dem zu niedrigen Anstieg des verfügbaren Einkommens begründet (1996: +1,7%), was ausschließlich der ständig steigenden Abgabenlast zuzuschreiben ist. Aber selbst, wenn die Nachfrage weiter steigt, bleibt offen, ob damit Erweiterungsinvestitionen in den Unternehmen finanziert werden. Denn Rationalisierungen, besonders in der Industrie, lassen mit immer weniger Arbeitskräften gleiche und sogar höhere Produktivität erzielen. Hinzu kommen die noch nicht ausgeschöpften Kapazitätsreserven.

Vorschläge zur Bewältigung der Misere auf dem Arbeitsmarkt gibt es viele. Oft wird behauptet, im Dienstleistungssektor sei genügend Spielraum, um Arbeitsplätze zu schaffen. Grundsätzlich ist gegen diese Aussage nichts einzuwenden. Neue Stellen werden jedoch erst geschaffen, wenn die Nachfrage, sprich Konsumkraft, vorhanden ist. Aber, wie erwähnt, stagniert das verfügbare Einkommen der Bundesbürger mit der unausweichlichen Folge, daß - in Geld gemessen - nicht mehr Güter und eben auch nicht mehr Dienstleistungen nachgefragt werden.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer aller Wirtschaftsbereiche arbeiten seit vielen Monaten an einer Plattform für den langersehnten Aufschwung. Dabei bilden moderate Lohnabschlüsse und Flexibilisierung der Arbeitszeit die Basis. Die zur Zeit niedrigen Zinsen, die sich auf historischem Tiefstand befinden, in Verbindung mit stabilen Preisen schaffen zudem günstige Rahmenbedingungen für die Genesung der Wirtschaft.

Damit ist es leider noch lange nicht getan. Genauso wichtig sind politische Entscheidungen in Bonn. Zwei Meilensteine sind zu erreichen: die Durchsetzung einer wirkungsvollen Steuerreform und die Senkung der Staatsquote. Uneinigkeit bei den Politikern aller Parteien und das Gestrüpp aus Einzelinteressen verhindern ein zügiges Vorankommen bei der Überarbeitung des Steuerrechts.

Die Staatsquote zu senken, bedarf einer besonderen Anstrengung. Der im vergangenen Jahr verfolgte Sparkurs dürfte in diesem Jahr noch weiter verschärft werden: Man rechnet mit einem Rückgang der Ausgaben um etwa 2,5%, nicht zuletzt deshalb, um die Konvergenzkriterien des Maastrichtvertrages zu erfüllen. Die Staatsquote von knapp 51% des Bruttoinlandproduktes ist definitiv zu hoch. Erst wenn sie deutlich gesenkt wird, gemeint sind mindestens 5%, wird der deutschen Wirtschaft Spielraum für neue Aktivitäten eingeräumt. Auch wenn die wichtigsten der geplanten Veränderungen in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, bedarf es einer gewissen Zeit, bis sich deren Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Möglicherweise reichen sie nicht einmal aus. Hoffen auf bessere Zeiten mit der scheinbar nicht enden wollenden Bekanntgabeflut immer neuer Lösungsansätze aus Politikerreihen nützt da gar nichts. Handlungen sind gefordert. Und bis dahin gehört das Heer der Erwerbslosen zu unserer Gesellschaft.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]