125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 12/1997, Seite 70 ff.
UNTERNEHMENSFÜHRUNG
Insolvenzverfahren
Die Durchsetzung von SHK-Unternehmeransprüchen in der Insolvenz der GmbH und GmbH & Co. KG
Teil 1
Dr. Norbert Vogelsang
Gegen Ende des Jahres 1996 erklärte die Dresdner Bank AG in einer Kurzmitteilung, daß ein Ende der Insolvenzwelle mit den 26000 für das Jahr 1996 zu erwartenden Fällen noch nicht in Sicht sei. Die mit den Insolvenzen zusammenhängenden Schäden, Forderungsverluste, Konkursausfallgeld sowie Pensionssicherungs-Zahlungen, sollen einen Betrag in Höhe von 70 Mrd. DM erreichen. Vorrangig betroffen sind Gesellschaften in Form der GmbH & Co. KG.
Vielfach werden die SHK-Unternehmer als Gläubiger in das Insolvenzverfahren ihrer Vertragspartner verstrickt, so daß auch ihnen ein Forderungsausfall droht. Die Gläubiger einer insolventen GmbH bzw. GmbH & Co. KG müssen die für sie zunächst bittere Erfahrung machen, daß in ca. 70% aller Fälle die Eröffnung des Verfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen wird.
Anders ausgedrückt: Nur etwa ein Drittel der beantragten GmbH-Insolvenzverfahren werden eröffnet, mit dem Erfolg, daß die Deckungsquote der Gläubiger bescheidene 5% erreicht. Da 95% der zur Konkurstabelle angemeldeten Forderungen nicht mehr befriedigt werden und insofern wertberichtigt werden müssen, liegt es nahe, nach weiteren Befriedigungsmöglichkeiten für den betroffenen Gläubiger zu suchen.
Da der Bundesgerichtshof (BGH) in den vergangenen Jahren die Anforderungen an das Verhalten des Geschäftsführers in der wirtschaftlichen Krise einer GmbH bzw. GmbH & Co. KG drastisch erhöht hat, bestehen durchaus gute Aussichten, über eine Schadensersatzforderung den Forderungsausfall zu begrenzen. Der SHK-Unternehmer sollte daher in jedem Insolvenzfall prüfen, ob er einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer geltend machen kann. In den Mittelpunkt der Überlegungen rückt dabei die Haftung des Geschäftsführers wegen nicht rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags (= Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsantrag).
Der nachfolgende Beitrag soll daher die Haftung des Geschäftsführers in Form eines Grundrisses darstellen. Der Unternehmer kann sich auf diesem Wege einen Überblick über die Schadensersatzmöglichkeiten verschaffen und sich gezielt auf das Beratungsgespräch mit seinem Rechtsanwalt vorbereiten.
Ansprüche der Gläubiger gegen den Geschäftsführer einer GmbH bzw. GmbH & Co. KG unter dem Gesichtspunkt der Konkursverschleppung
Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bzw. § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB (für die GmbH & Co. KG) hat der Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der vorgenannten Insolvenzgründe, die Eröffnung des Konkurs- (Gesamtvollstreckungs-) verfahrens oder die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen.
Diese Antragsverpflichtung soll verhindern, daß Dritte in der wirtschaftlich prekären Situation noch Geschäfte mit der Gesellschaft abschließen und so Schaden erleiden. Unterläßt der Geschäftsführer den geforderten Antrag oder kommt er seiner Antragsverpflichtung nicht rechtzeitig nach, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Obwohl dem Grunde nach die Schadensersatzverpflichtung bejaht wird, werden nach der Rechtsprechung des BGH nicht alle Gläubiger gleich behandelt: Es wird vielmehr danach unterschieden, wann der Gläubiger seine Forderung gegen die Gesellschaft erworben hat.
Danach kann der SHK-Unternehmer zu dem Kreis der sog. Altgläubiger gehören. Altgläubiger sind solche Gläubiger, die ihre Forderungen bereits vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen (z.B. Abnahme des Gewerks durch den Schuldner und Rechnungserstellung vor dem Eintritt der wirtschaftlichen Krise). Diese Gläubigergruppe soll durch die Insolvenzantragspflicht davor geschützt werden, daß die zu ihrer Befriedigung noch vorhandene Masse weiter geschmälert wird. Gegenüber den Altgläubigern haftet der Geschäftsführer für den Fall der Konkursverschleppung auf den Ersatz des sog. Quotenschadens. Bei dem Quotenschaden handelt es sich um den Schaden, den der Gläubiger erlitten hat, weil sich die zu seiner Befriedigung dienende Konkursmasse in dem Zeitraum zwischen ordnungsgemäßer und tatsächlicher Antragstellung verringert hat.
Obwohl dieser Anspruch jedem Gläubiger (geschädigten SHK-Unternehmer) persönlich zusteht, hat der Geschäftsführer den auf diese Weise errechneten Gesamtgläubigerschaden zu ersetzen und zwar, wenn ein Konkursverfahren stattfindet, durch Zahlung in die Konkursmasse. Der Konkursverwalter ist zur Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs aus § 64 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB berechtigt. Sollte ein Verfahren nicht eröffnet oder eingestellt werden, kann der SHK-Unternehmer diesen Anspruch auch persönlich geltend machen.
Gleichwohl darf diese Sanktionsmöglichkeit nicht überbewertet werden. Da die Berechnung jenes Quotenschadens enorme Schwierigkeiten der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) bereitet und der damit zusammenhängende Aufwand ganz erheblich ist, wird er in der Praxis als nicht lohnend angesehen. Welcher Gläubiger ist schon bereit, um Bruchteile der ursprünglichen Forderung zu kämpfen, ohne die Erfolgsaussichten einer Klage abschätzen zu können. Nach Ansicht des BGH hat denn auch die Begrenzung der Haftung auf den Quotenschaden die Konkursantragsvorschriften als Haftungsnormen weitgehend außer Kraft gesetzt; danach ist, soweit ersichtlich, kein Prozeß bekannt geworden, in dem von vornherein ein auf den Ersatz des Quotenschadens begrenzter Anspruch jemals ernstlich verfolgt worden ist.
Gehört der SHK-Unternehmer jedoch zu den sog. Neugläubigern, stellt sich die haftungsrechtliche Situation für ihn weitaus günstiger dar. Während man diesen Gläubigern, die ihre Forderungen gegen die GmbH nach dem Zeitpunkt, zu dem der Konkursantrag von dem Geschäftsführer der Gesellschaft hätte gestellt werden müssen und vor der verspäteten Eröffnung des Verfahrens erworben haben, zunächst gleichfalls lediglich den Quotenschaden zubilligte, hat sich die Rechtslage nach der Entscheidung des BGH vom 6. 6. 1994 (Az.: II ZR 292/91, Neue Juristische Wochenschrift 1994, S. 2220 ff.) grundlegend geändert.
Der SHK-Unternehmer kann nunmehr gegen den insoweit schuldhaft pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer einen Anspruch auf Ausgleich des vollen Schadens geltend machen, der ihm dadurch entstanden ist, daß er in Rechtsbeziehungen zu einer insolventen Gesellschaft getreten ist. Bei der Höhe des Schadensersatzes ist jedoch eine auf den Gläubiger entfallende Quote zu berücksichtigen. Diese geänderte Rechtsprechung und die damit verbundene weite Auslegung des § 64 Abs. 1 GmbHG begründet für den Geschäftsführer ein (vielfach) existenzbedrohendes Haftungsrisiko.
Dies soll in einem kleinen Beispiel (vgl. BGH, Neue Juristische Wochenschrift 1995, S. 398) dargestellt werden:
Gegen die spätere Gemeinschuldnerin (GmbH) war bereits in der Vergangenheit die Einzelzwangsvollstreckung eines Gläubigers (Forderungshöhe mehr als 278000,- DM) fruchtlos verlaufen. Obwohl die GmbH bereits im Mai zahlungsunfähig und überschuldet war, sah der beklagte Geschäftsführer keinen Grund, einen Insolvenzantrag zu stellen. Er bestellte vielmehr im Oktober bei dem Lieferanten K Weihnachtsbäume und Tannengrün zu einem Preis von ca. 710000,- DM. Die GmbH zahlte hierauf bis November lediglich einen Betrag von ca. 218000,-DM, ein ausgestellter Scheck über 106776,50 DM wurde nicht eingelöst. Erst sechs Monate nach dem Vertragsschluß und zwischenzeitlicher Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für die GmbH stellte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag, der jedoch mangels Masse von dem Amtsgericht zurückgewiesen wurde. Da K in der Folgezeit selbst in Konkurs gefallen war, machte dessen Insolvenzverwalter einen Schadensersatz wegen eines Teilbetrages in Höhe von 100000,- DM gegen den Geschäftsführer geltend.
Der BGH konnte in der Sache zwar nicht abschließend entscheiden, stellte aber unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 6. 6. 1994 fest, daß bei schuldhafter Verletzung der Konkursantragspflicht der Beklagte zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet sei. Der Neugläubiger K konnte daher verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er nie mit der GmbH kontrahiert. Da dieser Anspruch in die Konkursmasse des K fiel, war sein Insolvenzverwalter berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen.
Der BGH hält diese Haftung auf den ganzen Gläubigerschaden mit der Haftungsbeschränkung bei der GmbH (§ 13 Abs. 2 GmbHG) für vereinbar, da diese ihre Legitimation verloren habe, wenn das Vermögen der Gesellschaft vollständig verwirtschaftet sei. Die Aufgabe des sog. Quotenschadens bezieht sich nicht nur auf den Bereich der GmbH. Sie gilt auch für die Insolvenzantragspflicht bei anderen Gesellschaftsformen mit beschränktem Haftungsfond, so z.B. die GmbH & Co. KG (vgl. § 130a HGB).
Nach Ansicht des BGH bedeutet die verschärfte Haftung für den Geschäftsführer darüber hinaus auch keine unzumutbare Belastung. Zwar setzt die Haftung ein Verschulden voraus, wobei ein zumindest fahrlässiges Handeln genügt. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, daß der Geschäftsführer die Entscheidung darüber, ob er die Konkurseröffnung beantragen muß, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu treffen hat (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG). Als solcher hat er die Pflicht, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch die Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand der Gesellschaft zu verschaffen.
Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, muß er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt. D.h., er hat ein Sanierungskonzept zu erarbeiten und dieses den Gesellschaftern vorzulegen. Denn die Entscheidung, die Gesellschaft zu liquidieren oder mit den Folgen der §§ 32a,b GmbHG (Problematik der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen) fortzuführen, liegt in der eigenen Verantwortung der Gesellschafter und muß im Vorfeld der Insolvenz getroffen werden. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 49 Abs. 3 GmbHG die Pflicht des Geschäftsführers normiert, unverzüglich die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Zwischenbilanz ergibt, daß das Stammkapital nur noch zur Hälfte gedeckt ist.
Diese Vorschrift ist dabei nicht so zu verstehen, daß die vorerwähnte Verpflichtung des Geschäftsführers erst einsetzt, wenn eine entsprechende Bilanz vorliegt. Die Prüfung der Sanierungsfähigkeit anhand eines Sanierungskonzepts hat der Geschäftsführer schließlich auch in seinem eigenen Interesse vorzunehmen, um rechtzeitig seiner Konkursantragspflicht nach § 64 GmbHG entsprechen zu können. Von daher hat es der Geschäftsführer selbst in der Hand, sich dem erhöhten Risiko auszusetzen oder nicht. Sollten begründete und nachvollziehbare Anhaltspunkte vorliegen, die eine günstige Fortführungsprognose rechtfertigen, so kann er das Unternehmen fortführen.
(Fortsetzung folgt)
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