IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1997, Seite 58 f.


INTERVIEW


Fachverband Bremen schlägt Alarm

SHK-Handwerker und die Stadtwerke Bremen AG auf Kollisionskurs

Seit Mitte des Jahres 1996 ist bekannt, daß die Stadtwerke Bremen AG in Kooperation mit dem niederländischen Energieversorger Edon eine Service-Gesellschaft gründen wollen, mit dem Ziel Gas-Heizgeräte zu verkaufen und zu warten. Landesinnungsmeister Karl Schlüter stand dem IKZ-HAUSTECHNIK Redakteur Volkmar Runte im Gewerbehaus der Hansestadt Bremen Rede und Antwort.

In der norddeutschen Metropole wird auf kleiner Flamme eine parteipolitische Suppe gekocht, die den bremischen SHK-Handwerksbetrieben nicht schmecken wird. Die Koalitionspartner CDU und SPD verfolgen eine kontroverse Politik zur Gründung neuer Haustechnik-Gesellschaften durch die Stadtwerke AG. Deutet sich ein ähnliches Fiasko an wie bei der Bremer Vulkan-Werft?!

Dies wird sich voraussichtlich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Neue Diskussionsgrundlagen wurden geschaffen und man hofft von seiten des SHK-Handwerks, daß die Politik die Dimension dieser Entscheidung erkennt und nicht ein monopolistisch agierendes städtisches Unternehmen zu Lasten gesunder Handwerksunternehmen fördert. (Siehe auch IKZ-HAUSTECHNIK 5/97, EDITORIAL, Verbände Aktuell) Hintergründe und Fakten zu dieser bremischen Aktivität im nachfolgenden Interview.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Schlüter, Sie als Landesinnungsmeister müssen doch schon recht früh von dieser Servicegesellschaft gewußt haben, gab es keine Vorgespräche mit den Stadtwerken?

LIM Schlüter: Wir wurden Mitte letzten Jahres von den Stadtwerken zu einem Gespräch eingeladen. In dieser Runde wurde uns mitgeteilt, daß die in Bremen ansässige Firma Edon gemeinsam mit den Stadtwerken eine Heizungs-Servicegesellschaft gründen wolle. Ein ähnliches Unternehmen bestehe bereits seit einigen Jahren in den Niederlanden in Verbindung mit dem dortigen Sanitär- und Heizungshandwerk. Es bestand die Absicht auch in Bremen eine Kooperation mit dem Handwerk einzugehen. Aber bereits damals wurde uns klar gesagt, daß diese Gesellschaft auch dann gegründet werde, wenn das Handwerk nicht mitziehe. Das war für uns schon ein erheblicher Druck, wir waren aber der Meinung, daß man trotz dieser "Androhung" miteinander reden müsse, denn es gab ansonsten keinen Grund die bisherige Zusammenarbeit zu gefährden.

"Man muß miteinander reden."

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie sollte denn diese Beteiligung des Handwerks aussehen?

LIM Schlüter: Die Gesellschaft sollte mit einer Gesamteinlage von 1 Mio. DM gegründet werden und das Handwerk eine Beteiligung von 500000,- DM beisteuern. Wenn man 100 Betriebe zugrunde legt wären das 5000,- DM oder ein Anteil von 0,5%. Die Stadtwerke wollten 26% Einlage leisten und die Edon 24%.

IKZ-HAUSTECHNIK: Für das Handwerk wäre dies doch eine durchaus akzeptable Beteiligung mit zusammen 50%!

LIM Schlüter: Diese Einschätzung hatten wir zu Beginn auch, bis wir die Vertragsmodalitäten im Dezember 1996 auf den Tisch bekamen. Dort sind Inhalte eingefügt worden, die nicht Gegenstand unserer Gespräche waren. In dem Kooperationsvertrag wurden Kapitalanteile zugunsten einer mehrprozentigen Beteiligung der Energiewacht, eine Kooperation der Edon mit holl. Handwerkern, verschoben. Außerdem sollten wir in der unternehmerischen Führung der Gesellschaft nur zu einem Drittel beteiligt sein. Für uns eine nicht hinzunehmende Vertragsklausel, denn das hätte bedeutet: kein Mitspracherecht bei der Kalkulation und dem Einkauf. Wir wußten, daß die Gesellschaft durch Reimporte den Gerätebedarf abdecken wollte und dies wiederum würde den Sicherheitsstandard gefährden und zudem den Vertriebspartner Großhandel ausschalten. Das Vertrauen in die Gesellschaft war nicht mehr gegeben!

"Vertrauen in die Partner war nicht mehr gegeben".

IKZ-HAUSTECHNIK: Also wurde die Gesellschaft ohne die Handwerksseite gegründet und damit war der Einfluß gleich null?!

LIM Schlüter: Ganz so einfach sind die Verhältnisse in Bremen nicht.

Anfang Januar fand aufgrund des Entscheidungsdrucks dann eine außerordentliche Innungsversammlung statt, auf der sich 107 Mitglieder gegen eine Beteiligung unter den derzeitigen Vertragsbedingungen aussprach, nur eine Stimme war dafür. Dies bedeutete nun eine neue Beschlußlage, denn die Politik war von einer Handwerksbeteiligung ausgegangen, als der Aufsichtsrat im September 1996 die Gründung der Gesellschaft für Versorgungsdienstleistungen mbH (GfV) beschloß.

Nach diesem deutlichen Innungsvotum hat der Fachverband auf der politischen Schiene Druck gemacht, denn die Stadtwerke können sich nicht in anderen Unternehmen engagieren, wenn eine Beteiligung von mehr als 25% überschritten wird.

Jetzt, ohne Beteiligung des Handwerks, muß der Aufsichtsrat seine Zustimmung überprüfen, da nach Artikel 40 der Landesverfassung Klein- und Mittelbetriebe zu schützen und zu fördern sind und die Stadtwerke in direkte Konkurrenz zum SHK-Handwerk treten!

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie stellt sich die Marktsituation in Bremen zur Zeit dar, wieviele SHK-Unternehmen gibt es und welche Beschäftigtenzahl wird erreicht?

LIM Schlüter: Es wird im Land Bremen durch 311 SHK-Betriebe, davon 240 in der Innung organisiert, ein Umsatz von 600 Mio. DM erzielt. Die Beschäftigtenzahl liegt bei ungefähr 4000. In dieser Zahl sind aber nicht die Betriebe aus dem direkten Umland enthalten, die in Bremen immerhin etwa 30% ihres Umsatzanteils erzielen und das wiederum bedeutet, daß über 5000 Personen von dieser Entscheidung betroffen sind. Besonders zu erwähnen ist die Lehrlingszahl mit 422 Auszubildenden. Von diesem nicht unerheblichen Ausbildungsengagement der SHK-Betriebe sind zumindest 100 Ausbildungsplätze gefährdet.

"Von dieser Entscheidung sind 5000 Handwerker betroffen."

IKZ-HAUSTECHNIK: Wenn es noch zu einer Einigung kommen sollte, welche Funktion hätte das Handwerk in diesem Verbund?

LIM Schlüter: Ein "Fünfer Paket" setzt die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der Gesellschaft.

- Lieferung der Heizgeräte,

- Montage zu Festpreisen,

- Finanzierung, Leasing,

- regelmäßige Wartung,

- 24-Stunden-Service.

In dieser Auflistung wird der Handwerksbetrieb nur in die Montage zu Festpreisen eingebunden. Der Monteur holt sich das (Reimport)-Gerät bei "ThermoKomfort", installiert es und die Firma kassiert den Montagefestpreis.

Auf diese Weise verliert das Handwerk die Gewinn-Marge am Gerät, muß möglicherweise für minderwertige Qualität haften und verliert den Kunden für Wartung und Notdienst an die Heizgeräte-Service-Gesellschaft. Aber wir gehen davon aus, daß die Aktivitäten sich nicht nur auf den Heizungsbereich erstrecken werden, sondern daß die Stadtwerke mittelfristig die gesamte Haustechnik abdecken.

IKZ-HAUSTECHNIK: Arbeitspolitisch sicher eine gefährliche Entwicklung, aber wie groß ist eigentlich der Kunden-Kuchen der aufgeteilt werden soll, gibt es dazu Erhebungen?

LIM Schlüter bei der Aktenstudie: Vertragsentwurf enthielt neue Varianten.

LIM Schlüter: Die Stadtwerke Bremen haben im Vorfeld der Planungen entsprechende Zahlen ausgewertet. Stammdaten, die das Handwerk über die Antragsformulare G1 und G3 liefern mußte. Hier ist sicherlich auch datenschutzrechtlich ein Problem entstanden.

In dieser Bestandserfassung sind zur Zeit 153000 Geräte registriert und nach der Kalkulation bis zum Jahr 2011 sollen davon 40000 Altgeräte gewechselt werden. Man rechnet mit weiteren 7000 Neuanlagen und hofft 7000 von 21000 Anlagen von Öl auf Gas umstellen zu können.

IKZ-HAUSTECHNIK: Im Extremfall würden danach etwa ein Drittel, 54000 Geräte, des Liefer- und Wartungsvolumens durch die "ThermoKomfort" übernommen.

LIM Schlüter: In der Vorplanung wurde dieser theoretische Wert nochmals für realistische Kalkulationen um die Hälfte heruntergerechnet, so daß jährlich etwa 1800 Geräte über die Service-Gesellschaft abgewickelt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wird sich das Handwerk in Zukunft verhalten?

LIM Schlüter: Die Beantwortung dieser Frage ist nicht ganz einfach, zum einen müssen wir erst einmal die Entscheidungen des Aufsichtsrates und des Senats abwarten und zum anderen habe ich als Landesinnungsmeister lediglich Gespräche geführt, da die Verträge letztendlich die einzelnen Unternehmen abschließen müssen. Ein wichtiger Entscheidungstermin ist der 24. Februar. An diesem Tag soll der Aufsichtsrat der Stadtwerke nochmals über die neue Beschlußlage abstimmen.

Selbstverständlich werden wir Sie auch über diese Entscheidung (mit Signalfunktion für die gesamte Branche) in der nächsten Ausgabe der IKZ-HAUSTECHNIK informieren.


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