IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1997, Seite 62ff.


SANITÄRTECHNIK


Regenwassernutzung in der Zukunft

Ökologische Konzepte durch Kombination von Nutzung mit Versickerung, Verdunstung und verzögerter Ableitung

Dipl.-Ing. Klaus W. König* Teil 3

Die Vorteile von Einzelmaßnahmen wie Regenwassernutzung, -versickerung und verzögerte Ableitung (Retention) können sich addieren, wenn sie - gut aufeinander abgestimmt - kombiniert werden.

Als Ergänzung oder Alternative zur Versickerung bieten sich verschiedene Retentionsmaßnahmen an:

- offene Verdunstungsflächen und Sedimentationsbecken,

- Gründächer,

- Rückhaltespeicher wie Rigolen oder Zisternen.

Bild 24: Ökohaus Frankfurt: Eingangsfassade Kasseler Straße mit Gründach.

Richtungsweisende Beispiele der 90er Jahre

Ökokultureller Gewerbehof, Frankfurt/Main

Zwischen 1990 und 1992 entstand am Frankfurter Westbahnhof ein Gebäude mit mehr als 7000 m² Nutzfläche, das "Ökohaus Arche", wie es von der Kühl KG (Verlag mit Druckerei, Eigentümerin des Gebäudes) getauft wurde. Ein Großteil des Hauses ist vermietet, u.a. an eine Arztpraxis, an ein Frauenzentrum, an den Ökotest-Verlag und an die Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung. Dem Kerngebäude, einem sechsgeschossigen Langhaus, ist südwestlich eine große Glashalle mit Haupteingang und Erschließungstreppen auf vier Stockwerken vorgelagert. Nach Nordosten hin stellt ein kleineres Glashaus Zugang und Verbindung zum zweigeschossigen Nebengebäude her. In diesem befinden sich Teile der Verwaltung, die Geschäftsstelle des Wohnbundes und eine Kindertagesstätte.

Bild 25: Ökohaus Frankfurt: Eingangsbrücke über Regenwasserteich. Rechts im Bild: Reinigungsbeet für den Regenwasserzulauf von den Dächern. Oben im Bild: Gründach.

Die Glashäuser dienen der Gebäudeerschließung und haben günstige Auswirkungen auf die Klimatisierung der Arbeitsbereiche. Den Glashallen vorgelagerte Teiche, eine dichte Begrünung zur Verschattung, Wasserkaskaden und eine intensive Bepflanzung in den Glashäusern erhöhen die Luftfeuchtigkeit und tragen zur Dämpfung der Temperaturspitzen in den Arbeitsräumen bei.

Durch die Gründächer und Teiche wird Regenwasser zurückgehalten. Etwa 50% der Dach- und Terrassenflächen sind dicht mit Gräsern, Büschen und Bäumen bepflanzt. Das von den Grün-, Glas- und Blechdächern abfließende Wasser wird entlang des Gebäudes über Kiesrinnen geleitet und fließt an den Teichrändern in Wassertröge und Gabbionen-Körbe, in denen Schilf und Binsen zur ständigen Wasserreinigung beitragen (Bild 24 - 26).

Der Nordteich und die Zisterne sind als kommunizierende Gefäße miteinander verbunden, der Überlauf des Südteiches mündet in die Zisterne. Aus ihr wird Wasser für die Toilettenspülung im gesamten Gebäude genommen. Etwa ein Fünftel des Toilettenspülwassers - immerhin knapp 2000 m³ pro Jahr - stammt aus Niederschlägen. Regenwasser aus der Zisterne dient auch zur gelegentlichen Bewässerung der Gründächer. Der restliche Wasserbedarf wird konventionell aus dem städtischen Trinkwassernetz gedeckt.

Bild 26: Ökohaus Frankfurt: Regenwasserteich mit Pflanzen-Klärbeet. Rechts im Bild: Fallrohrende und Beschickung des Teiches über Kiesfilter-Rinne entlang der Fassade.

Im nördlichen Glashaus wird zur Luftbefeuchtung Wasser aus der Zisterne über Kaskadenbecken geleitet, die an einer sogenannten "Wasserwand" hängen (Bild 27). Hier besteht der Fußboden aus Holzrosten über Hohlräumen, die mit Wasser gefüllt sind. Ein solches "Unterflurbecken" mit Pumpensumpf und Umwälzpumpe versorgt die Wandkaskaden. Bei Bedarf infolge Verdunstung wird automatisch Wasser aus der zentralen Zisterne nachgespeist.

Auf dem angrenzenden Flachdach durchläuft das Wasser des Nordteiches in ständiger Umwälzung drei Pflanzenklärbecken und fließt gereinigt wieder zurück. Dadurch ist das Wasser so sauber, daß die Kinder aus der Tagesstätte im Teich spielen und baden können. Durch das südliche Glashaus, der Eingangspassage, wird ein Bach mit eigener Umwälzanlage geführt. Wasser, Luftzirkulation und Bepflanzung bilden zusammen die "Naturklimaanlage". Durch die Führung des Baches über Schwellen und Stufen kann das Wasser nicht nur optisch, sondern auch akustisch erlebt werden.

Bild 27: Ökohaus Frankfurt: Regenwassernutzung im Glashaus "Nord" - Wasserwand mit Kaskadenbecken zur Luftbefeuchtung.

Neben dem Schutz der Umwelt und Ressourcen wird hier auch Wert auf einen sinnlichen Umgang mit Wasser gelegt: Wasserspiele und Wassergärten, Teiche und Gründächer korrespondieren mit dem wechselnden Tageslicht. Lichtlenksysteme bieten Sonnenschutz und Tiefenausleuchtung zugleich.

Architekten: J. Eble und B. M. Sambeth, Tübingen

Projektleitung: K. Sonnenmoser, Tübingen

Verwaltungsgebäude in Nürnberg

Wasser im Außenbereich als Medium der Baukunst und Haustechnik: Eine große Portion Zukunftsvision steckt in dem Architekturentwurf, der 1993 beim Wettbewerb einer Versicherungsgesellschaft den 1. Preis erhielt. Ihm wurde vom Preisgericht "hoher poetischer Wert" bescheinigt. Geplant ist in Nürnberg die Blockbebauung eines Karrees zwischen vier rechtwinklig aufeinandertreffenden Straßenzügen (Bild 28). Die Nürnberger Beteiligungs AG möchte an diesem Ort ca. 4500 Mitarbeiter in einem neuen Büro- und Verwaltungszentrum unterbringen. Innovative energetische Konzepte und eine besondere Freiraumgestaltung standen auf der Wunschliste der Bauherrschaft.

Bild 28: Modell für den Neubau eines Büro- und Verwaltungszentrums in Nürnberg, Innenhof als Wasserfläche.
Foto: Atelier W. Lutz

Das prämierte Entwurfskonzept sieht vor, den Innenhof auf dem ca. 32000 m² umfassenden Grundstück großzügig als 1,5 m tiefe Wasserfläche auszubilden. Das Regenwasser von den Gebäudedachflächen wird hier eingeleitet, die Wasserbilanz aus Verdunstung und Zulauf dürfte annähernd ausgeglichen sein, wie rechnerisch ermittelt wurde. Überschüssige Regenerträge werden gespeichert, so daß nur bei sehr großer Trockenheit Trinkwasser nachgespeist werden muß.

Neben der ästhetischen Wirkung hat das Wasser auch klimatischen und technischen Nutzen: Es wirkt als Reflektor und bringt so direktes Sonnenlicht mit weichen Schattengrenzen in die umgehenden Büroräume. Zusätzlich dient der Teich als Vorratsbecken für die Sprinkleranlage. Das Wasser im Innenhof kann auch energetische Synergieeffekte bringen; so ist geplant, im Sommer die teilweise mit Solarzellen ausgestattete, geneigte Süd/Ost-Gebäudeaußenfläche durch Wasserberieselung zu kühlen, um durch niedrigere Betriebstemperaturen den Wirkungsgrad der Photovoltaikanlage zu verbessern. Der Pumpenstrom für die Umwälzung des Wassers wird ebenfalls durch Photovoltaik erzeugt. Weiterhin dient die aufgrund des Wasservolumens im unbesonnten Innenhof kühlere Luft als Zuluft für das nach Südost orientierte Gewächshaus.

Bild 29: Definitionen. Quelle: [2]

Brauchwasser

Alternativbezeichnung für Betriebswasser, außerdem traditioneller Begriff für Warmwasser aus Trinkwasser aus den Gebäuden.

Dachablaufwasser

Niederschlagswasser, wie es von Dachflächen abfließt, einschließt, einschließlich der dort aufgenommenen Verunreinigungen.

Regenwasser

Übliche Form des natürlichen Niederschlags neben Schnee, Hagel, Graupel, Reif, Tau, Nebel; außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeter Begriff für Betriebswasser aus Niederschlägen von Dächern und anderen Oberflächen.

Grauwasser

Schwach verschmutztes Wasser, z.B. im Haushalt aus Waschmaschine, Waschbecken, Badewanne und Dusche, das unter bestimmten Umständen wiederverwendet werden kann als Betriebswasser.

Schutzwasser

Verunreinigtes Wasser, das reinigungsbedürftig ist, z.B. Trink- und Betriebswasser nach der WC-Spülung; auch Niederschlagswasser, das von befestigten Flächen abfließt, auf denen eine Verunreinigung mit wassergefährdenden Stoffen möglich ist.

Fremdwasser

Nicht verschmutztes Wasser aus Drainagen, Brunnen, Quellen etc., das unerwünscht in die Kanalisation gelangt (und der Kläranlage zum Teil erhebliche Mehrkosten verursacht).

Nicht verschmutztes Wasser aus Drainagen, Brunnen, Quellen etc., das unerwünscht in die Kanalisation gelangt (und der Kläranlage zum Teil erhebliche Mehrkosten verursacht).Regenwasser, auf diese Art künstlerisch-architektonisch eingesetzt, kann neben dem energetischen Nutzen (Kühlung durch Verdunstung, Einsparung von Beleuchtungsenergie durch Tageslichtspiegelung, Temperaturausgleich durch Wärmespeicherung) auch ein bescheidener Ausgleich sein für die ursprüngliche Natur, die dem Stadtbewohner durch die Bebauung an diesem Ort verlorenging.

Architekten: Dürschinger und Biefang, Ammerndorf/Fürth mit Adler und Olesch, Nürnberg

Koblenz, Siedlung Asterstein

Das wasserwirtschaftliche Rahmenkonzept für 35 Wohneinheiten sieht vor, Regenwasser in einzelnen Zisternen zu sammeln, deren Überlauf bei Starkregen in einer Wiesenmulde gesammelt und der vorhandenen Topographie folgend offen zu einem zentralen Regenrückhalte- und Versickerungsbecken (RHVB) mit einem Volumen von 100 m³ geleitet wird. Die begrünten Dächer werden einen Teil des Regenwassers zurückhalten, obendrein wird durch das großzügig bemessene Zisternenvolumen bei Starkregen eine verzögerte Ableitung gewährleistet sein.

Die Wohnstraße und die Parkplätze an der Erschließungsstraße sollen mit Rasenfugenpflaster versehen werden, die Versickerungsrinne entlang der Parkplätze wird ebenfalls in das RHVB münden.

Da die Häuser mit Komposttoiletten ausgestattet werden sollen, wird nur Grauwasser (Bild 29) anfallen, gereinigt in einer Pflanzenkläranlage mit rund 200 m² Fläche. Das bedingt, daß in den Haushalten nur biologisch abbaubare Reinigungsmittel eingesetzt werden. Der Überlauf aus RHVB und Pflanzenkläranlage wird über ein kleines Pumpwerk zum öffentlichen Kanalanschlußschacht in der Erschließungsstraße befördert.

Wasserkonzept: Dipl.-Ing. C. v. Kaphengst, ECON, Mainz

Wettbewerb Wohnsiedlung Bübingen bei Saarbrücken

Anfang 1995 wurde durch die Landesentwicklungsgesellschaft Saarland ein Realisierungswettbewerb ausgelobt mit dem Ziel, am Ortsrand von Bübingen einen ehemaligen Industriestandort in einen Solar-Wohnpark zu verwandeln. Auf der 5,5 ha großen Fläche erstellt nun die LEG Saar unter Beteiligung der Saar Stahl AG Völklingen als Eigentümer und der Stadtwerke Saarbrücken als örtlicher Versorgungsträger Wohngebäude für Familien mit mittlerem bis gehobenem Einkommen. Das Konzept sieht Niedrigenergiehäuser vor, die zentral über ein solares Nahwärmenetz beheizt werden.

Bild 30: Wettbewerb Saarbrücken-Bübingen. Insellösung für einzelne Wohnhausgruppen.

Die Kollektoren auf den einzelnen Häusern liefern ihre Wärme über ein Verbundleitungssystem in einen zentralen Langzeitspeicher, der mit Wasser gefüllt ist. Dieses Speicherbauwerk mit Heizzentrale wird oberirdisch aufgestellt und so in das Baugebiet integriert, daß die eingesetzte Technologie sichtbar ist. Die Orientierung der Wohngebäude soll durch eine bestmögliche Sonnenenergienutzung bestimmt werden. Die Beachtung stadtökologischer Belange, wie z.B. Minimierung der Flächenversiegelung, Begrünungsmaßnahmen sowie Fassung und Nutzung bzw. Versickerung von Niederschlagswasser ist zusätzlich gefordert.

In dem hier vorgestellten Wettbewerbsbeitrag ist die Nutzung von Regenwasser kombiniert mit der Versickerung und Verdunstung der Zisternenüberläufe in einem Biotop am Rande der Siedlung. Analog zum Nahwärmekonzept sind kurze Leitungen, Ring-Systeme und klare Versorgungsstrukturen vorgesehen.

Für jeden der beiden Wohnhöfe mit sechs Doppelhäusern (24 WE) ist zur Sammlung und Verteilung des Regenwassers eine Ringleitung mit unterirdisch installierter Großzisterne, integrierten Unterwassermotorpumpen und vorgeschaltetem Filterschacht geplant (Bild 30+32). Zisternenbauteile in dieser Dimension sind mittlerweile als verschraubbare Fertigteile erhältlich und damit preiswert zu installieren. Die Druckleitung soll in gemeinsamer Trasse mit den Sammelrohren verlegt werden. Das Prinzip der Ringleitung beim Verteilsystem erlaubt die Versorgung eines jeden Gebäudes von zwei Seiten, so daß bei Leitungsdefekt der Zulauf auch aus der Gegenrichtung stattfinden kann.

Bild 31: Wettbewerb Saarbrücken-Bübingen, Zisternenanlage für jeweils eine Doppelhausgruppe aus Beton-Fertigteilen.

Die wenigen Einzelhäuser sollen diesem Entwurf zufolge nicht an den Langzeitspeicher angeschlossen werden, sondern eigene kleine Zisternen erhalten. Dagegen ist vorgesehen, die Reihenhausgruppen ebenso wie die Doppelhaus-Wohnhöfe jeweils aus einer Großzisterne zu speisen. Sämtliche Überläufe sollen in ein Biotop fließen. Als Option kann das Überlauf-Wasser der Reihenhaus-Zisternen zur Fahrzeugwäsche genutzt werden, wenn dafür ein zusätzlicher Speicherbehälter installiert und ein zentraler Platz mit Benzin-/Ölabscheidern im Bodenablauf eingerichtet wird.

Der erreichbare Deckungsgrad der Betriebswassernutzung beträgt gemäß dieser Studie 78% des maximal möglichen Substitutions-Potentiales. Der Restbedarf muß durch Trinkwasser-Nachspeisung gedeckt werden. Wird der Überlauf aus den Zisternen der Reihenhausgruppe in einem zusätzlichen Behälter zur Fahrzeugwäsche zwischengespeichert, so kann bei optimaler Ausnutzung der Deckungsgrad um weitere 4% auf 82% erhöht werden. Die Fahrzeugwäsche in dieser Siedlung ist nur möglich, wenn der Zusatzspeicher gefüllt ist, diesen "Luxus" kann sich der Siedlungsbewohner also nur leisten, wenn sich überschüssiges Wasser aus den Überläufen der Reihenhaus-Zisternen angesammelt hat.

Bild 32: Wettbewerb Saarbrücken-Bübingen, Zisternenanlage im Schnitt. Werkzeichnung: Mallbeton

Damit auch bei der Autowäsche sparsam mit Wasser umgegangen wird, sollte die Entnahme mit Münzeinwurf und Zeitschaltuhr begrenzt werden (Bild 33). Der Betrieb einer solchen Waschanlage mit Wartung der Abscheideanlagen etc. kann auf diese Weise kostendeckend erfolgen, vgl. [1], Abschnitt 14.7.

Die 8% nicht nutzbares, überlaufendes Regenwasser werden in einen Retentionsteich am Rand der Siedlung geleitet. Bei entsprechender Auslegung des Teiches kann die überschüssige Wassermenge von 225 m³/a über dessen Oberfläche weitgehend verdunsten. Zur Sicherheit bei extremen Wetterlagen, d.h. bei kurzzeitigen starken Zuflüssen in den Teich, sollen weitere Retentionsflächen oder Versickerungseinrichtungen nachgeschaltet werden. Ein Anschluß an den Vorfluter, die nahegelegene Saar, ist nicht geplant, um die Hochwassergefahr und daraus entstehende Schäden nicht weiterhin dem Flußsystem Saar-Mosel-Rhein zu übertragen.

Gesamtentwurf: U8 Architekten, Tübingen

Regenwasserkonzept: K.W. König, Überlingen

Drei Kombinationen

1. Die Kombination Gründach und Regenwassernutzung im Wohnhaus ist mit Einschränkung empfehlenswert. Die Retention auf dem Dach kann die mögliche Ertragsmenge mehr als halbieren. Bei intensiver Begrünung muß außerdem mit dem Eintrag von Humin- und Nährstoffen gerechnet werden, was die Qualität des Wassers nachteilig verändern kann. Sind Gründachsubstrat und Verwendungszweck jedoch so aufeinander abgestimmt, daß der verminderte Ertrag ausreicht und die Filterfunktion vor dem Regenspeicher durch ein geeignetes mineralisches Gründach-Substrat übernommen wird, das keine Stoffe abgibt, sondern statt dessen Regeninhaltsstoffe aufnehmen kann, so entsteht für die Nutzung des Wassers eine wartungsarme Vorfiltereinrichtung ohne Zusatzkosten. Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim experimentiert mit entsprechenden Begrünungsvarianten.

2. Kombinierte Maßnahmen von Gründach und Versickerung sollten zum Ziel haben, den Kanalanschluß für Regenentwässerung einzusparen. Ob dies gelingt, hängt in erster Linie von Art und Größe der Versickerung ab. Bei Kombination mit Gründach muß die Versickerung u.U. weniger als 50% der sonst üblichen Leistungsfähigkeit haben. Je niedriger die Abflußbeiwerte der Begrünung, desto besser der hydraulische Entlastungseffekt für die Sickereinrichtung. Bei guter Filterfähigkeit kann das Gründach die filteraktive obere Bodenzone als "Bremse" für Schwermetalle etc. ersetzen; für die Kombination mit Sickerschächten besonders interessant.

3.Regenwassernutzung mit Versickerung stellt eine weitere Kombinationsvariante dar. Sie wird dort bevorzugt eingesetzt, wo die Trinkwassereinsparung Priorität hat und gleichzeitig eine zentrale Regenentwässerung der Speicherüberläufe vermieden werden soll. Wie zuvor das Gründach, übernimmt hier die vorgeschaltete mechanische Filterung und die Sedimentation im Speicherbehälter eine Vorreinigung, um problematische Schwebstoffe vor dem Versickern aus dem Niederschlagswasser zu entfernen. Dazu Zitate aus der Untersuchung von Rott/Schlichtig an der Universität Stuttgart [8], durchgeführt 1993:

"... Zusammengefaßt bleibt jedoch zu bemerken, daß die Untersuchungsergebnisse einen besseren Qualitätszustand der gespeicherten Dachablaufwässer erbrachten, als zu Beginn der Untersuchungen angenommen wurde. Die Ergebnisse bestätigen damit die bereits erwähnten Untersuchungen der Hamburger Umweltbehörde ....

... Als mögliche Erklärung dieser niedrigen Befunde kommt die partikuläre Anlagerung von gelösten und ungelösten Verbindungen an Staubteilchen in Betracht. Durch eine anschließende Sedimentation dieser Teilchen im Speicherbehälter könnten damit Verunreinigungen aus dem Überstandswasser entnommen und in den Bodensatz verfrachtet werden. ....

... Dies wäre vor allem im Hinblick auf eine Versickerung von Speicherwasser interessant. Durch eine Versickerung von, durch Sedimentation, gereinigtem Dachablaufwasser, könnte zusätzlich zur Rückhaltung der Niederschläge in den Speicheranlagen eine weitere Entlastung der Kanalsysteme und damit auch der Vorfluter erfolgen. Anstelle der Ableitung der Überläufe von Regenwassernutzungsanlagen in die Kanalisation könnten die gereinigten Überstände über dezentrale Sickerschächte oder oberirdische Versickerungsmulden auf direktem Weg dem Wasserkreislauf wieder zugeführt werden. Darüber hinaus könnte durch die Entnahme von Schadstoffen in die Speichersedimente die Klärschlammbelastung der Klärwerke verringert werden. ..."

Bild 33: Steuergerät (umfunktionierte Parkuhr) für die öffentliche Waschanlage.

Bild 34 verdeutlicht diesen Aspekt. In der ersten Spalte wird der Gehalt von Inhaltsstoffen verglichen bei frei aufgefangenem Niederschlag und gleichzeitig bei Dachflächenabfluß. Die Differenz der beiden oberen Zahlen zeigt den Eintrag von der Dachoberfläche, die 3. Zeile die Inhaltsstoffe im nutzbaren Speicherwasser bzw. im Überlauf zur Versickerung, hier als "Überstandswasser" bezeichnet. Die Kombination Speicher/Versickerung hält demnach 58 von 60 Anteilen im Vorfilter und Speichersediment zurück!

Bild 34: Belastungen des Niederschlags sowie verschiedener Niederschlagsabflüsse. Erklärung für die niedrigen Werte in Zeile 3: In den Zisternen findet eine "Aufreinigung" des Niederschlagswassers statt.
Quelle: Vortragsmanuskript von Birgit Schlichtig, Sindelfingen, 17. November 1995, FH Biberach.

Vom Modellvorhaben zur flächendeckenden Anwendung

Dezentrale Maßnahmen helfen, naturnah und verursachergerecht mit Niederschlagswasser umzugehen. Bei Kombination mit Regenwassernutzung kann dazu Trinkwasser eingespart werden. Regenspeicher sorgen wie Gründächer für eine beachtliche Aufreinigung des zu versickernden Niederschlages. Wo nicht versickert werden kann, sollten künftig Speicher mit separatem Rückhaltevolumen und verzögerter Ableitung eingesetzt werden. Doch erst bei flächendeckender Verbreitung wird es möglich, den wasserwirtschaftlichen Nutzen auch rechnerisch zur Reduzierung der Kanalnetzquerschnitte in Ansatz zu bringen.

Neubaugebiete

Die bisher geübte Praxis, mit Förderprogrammen zum Zisternenbau zu motivieren, bringt eine nicht vorausberechenbare Entlastung nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Für jeden verbindlich wird es erst, wenn eine Gemeinde sich in den Besitz aller Grundstücke eines Baugebietes bringt und die einzelnen Parzellen dann mit der Auflage zur Regenwassernutzung an die Interessenten verkauft; dies wurde so praktiziert in Murg (Landkreis Waldshut-Tiengen).

Einfacher ist es, wenn in Bebauungsplänen Festsetzungen zur Regenwassernutzung gemacht werden. In Baden-Württemberg und Hessen haben die Landesregierungen durch Novellierung der jeweiligen Landesbauordnung ihre Städte und Gemeinden ermächtigt, solche örtlichen Vorschriften mit der Verpflichtung zum privaten Speicherbau per Satzung zu erlassen. In anderen Bundesländern können Kommunen sich u.U. auf die Paragraphen des Bau-Gesetzbuches beziehen, hier speziell auf § 9 Absatz 1. In diesem Sinne hat die Stadt Beckum in Nordrhein-Westfalen für zwei Baugebiete bereits 1992 verfügt: "Das gesamte auf den befestigten Flächen der Baugrundstücke anfallende Niederschlagswasser ist aufzufangen. Das Niederschlagswasser von den Dachflächen ist als Brauchwasser zu verwenden."

In Baden-Württemberg war Remshalden die erste Gemeinde, die Anfang 1993 die Bauwilligen zur Regenwassernutzung verpflichtet hat und damit der Ermächtigung durch die novellierte Landesbauordnung bereits zuvor kam!

Bestandsgebiete

Eine für das Gemeinwesen kostenneutrale Lösung, die auch in bestehenden Siedlungsgebieten große Wirkung zeigt, ist die Aufteilung des Abwassertarifes in eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagsgebühr. Die ökologisch wirksamen Retentionsmaßnahmen werden ggf. mit einem Bonus bei der Niederschlagsgebühr belohnt. Der Aufwand für die Neuveranlagung der Gebühren und für die Satzungsänderung ist ungleich geringer als eine möglicherweise bevorstehende Kläranlagenvergrößerung. Erfahrungen dazu liegen u.a. in folgenden Städten vor: Sonthofen, Hückelhoven, Freiburg i.Br., Iffezheim, Münster, Mannheim, München. [1]

Finanzierung und Zuständigkeit

Die zu erwartenden öffentlichen Einsparungen durch Verlagerung der erforderlichen Rückhalteeinrichtungen auf privates Gelände, finanziert durch private Investition, könnten durch Umlage als Zuschuß an die privaten Investoren ausbezahlt werden.

Ein Zuschußprogramm hat ökologisch gesehen vor allem dann Sinn, wenn ein "Ganzjahres-Effekt" eintritt, also die Regenwassernutzung nicht nur durch Gartenbewässerung in der Vegetationsperiode erfolgt, sondern gleichmäßig über das ganze Jahr hinweg und so Regenrückhaltung, Trinkwassereinsparung und Abwasserreduzierung stetig wirken. Gemeinden, die durch den Verfasser beraten werden, verankern daher in ihren Förderrichtlinien die Verpflichtung zum Anschluß von mindestens Toilettenspülung kombiniert mit einem anderen Verbrauchszweck.

Kritiker dezentraler Systeme fürchten einen Verlust öffentlicher Sicherheit, wenn Ver- und Entsorgungsanlagen in private Zuständigkeit übergehen. Muß die Herstellung, der Betrieb und die Instandhaltung im öffentlichen Interesse geregelt und überwacht werden? Bei der Regenwassernutzung geht es in erster Linie um die Absicherung des öffentlichen Trinkwassernetzes, wenn bei leerem Speicher nachgespeist wird; bei der Versickerung um den Erhalt der Funktionstüchtigkeit durch regelmäßige Pflege. Hat der Betreiber die Befähigung, dies in seine Verantwortung zu nehmen? Akzeptiert er auf Dauer den "Verlust" des Komforts, für Herkunft und Verbleib "seines" Wassers bisher nicht zuständig gewesen zu sein?

Die Kommunalverwaltungen wehren sich mit Recht dagegen, in solchen Bereichen für die Zuverlässigkeit privater Anlagen sorgen zu müssen.

Lösungsmöglichkeit: Dezentrale Wasserver- und -entsorgungsanlagen werden durch unabhängige, privatwirtschaftlich tätige Fachleute im regelmäßigen Turnus geprüft, so wie Schornsteinfeger seit langem schon Feuerungsstätten prüfen und der Technische Überwachungs-Verein u.a. unsere Autos inspiziert. Die Kosten werden durch Gebühren gedeckt, die der Betreiber zahlt.

Wie werden solche Ideen Realität? Am 17. November 1995 wurde die bundesweit zuständige Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr) mit Sitz in Frankfurt/Main gegründet. Ihr können Kommunen, Hochschulen, Wasserversorgungsunternehmen, Ingenieurbüros sowie Hersteller- und Handelsbetriebe angehören. Zu den ersten Mitgliedern zählen bereits Gemeinden wie Pleidelsheim und Buggingen (Bad.-Württ.) oder Illertissen und Holzheim (Bayern).

Die künftigen Aktivitäten der Vereinigung: Ausarbeitung von Informationen zu technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen, Fortschreibung von technischen Richtlinien und Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen, Verbänden und deren Organisationen. Möglicherweise gehört eines Tages auch die Ausbildung von o.g. Sachverständigen dazu!


*Dipl.-Ing. Klaus W. König, selbständiger Architekt in Überlingen am Bodensee, Studium in Detmold, Vorstandsmitglied der bundesweit tätigen Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr) - Frankfurt/Main, Berater für Regenwassernutzung in vielen Kommunen und Unternehmen.


F o t o s   u n d   Z e i c h n u n g e n ,  wenn nicht angegeben : Dipl.-Ing. Klaus W. König


L i t e r a t u r :

[1] König, Dipl.-Ing. Klaus W.: Regenwassernutzung von A - Z, DS-Pfohren, Mallbeton-Verlag, 1996.

[2] König, Dipl.-Ing. Klaus W.: Regenwasser in der Architektur, Ökologische Konzepte, Ökobuch-Verlag, Staufen, 1996.

[3] König, Dipl.-Ing. Klaus W.: Wirtschaftliche Nutzung von Regenwasser: Herausforderung an Technik und Betrieb, Artikel in Band I, Schriftenreihe der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), mit Sitz in Frankfurt am Main, Kasseler Str. 1a, anläßlich einer Fachtagung im Juni 1996.

[4] Kolb, Dr. Walter: Kostbares Naß, Artikel in "Landwirtschaftliches Wochenblatt", München, 2. April 1994.

[5] Sämann, Gutachtliche Betreuung von neun Pilotanlagen zur Regenwassernutzung mit doppelten Wasserversorgungsnetzen in Hannover. Gutachten im Auftrag der Stadt Hannover, 1994.

[6] Consulaqua, Beratungsges. mbH: Regenwassernutzung in Hamburg. Eine Untersuchung der Regenwasserqualität und der mit Regenwasser gewaschenen Wäsche in 40 Regenwassernutzungsanlagen, im Auftrag der Umweltbehörde Hamburg, Energieabteilung 1995 (bisher unveröffentlicht).

[7] Holländer, R. u.a.: Mikrobiologisch-hygienische Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser für Toilettenspülung, Gartenbewässerung und Wäschewaschen. Gesundheitswesen 58, Heft 5/96, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1996.

[8] Rott, U. und Schlichtig, B.: Regenwassernutzung - Ein Beitrag zum Gewässerschutz oder eine Gefährdung für die Sicherheit unserer Wasserversorgung? Artikel in Wasser & Boden 11/94, Paul Parey Zeitschriftenverlag Hamburg, 1994.


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