IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/1996, Seite 66 f.


RECHT-ECK


Risikoabsicherung

"Möglichkeiten und Grenzen der vertraglichen Absicherung des Auftraggebers beim Bauvertrag"

RA F.-W. Stohlmann

Während der Auftragnehmer gegenüber seinem Vertragspartner vor Beginn und bei Ausführung der Bauleistungen neben besonders vereinbarten Sicherungen, wie etwa einer Vertragserfüllungsbürgschaft, vor allem gesetzliche Sicherungsrechte (Bauhandwerkersicherungsgesetz, -sicherungshypothek) geltend machen kann, liegt der Schwerpunkt der Sicherungsrechte des Auftraggebers bei den vertraglich vereinbarten Sicherheiten. Da der Auftraggeber regelmäßig besonders an der Sicherung seiner Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche interessiert ist, befaßt sich dieser Beitrag mit Inhalt und Umfang der vertraglich zu vereinbarenden Sicherungsmittel.

1. Die verschiedenen Sicherungsmittel

Der üblichen Praxis entspricht die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung. Die Art der Sicherheitsleistung bestimmt sich beim BGB-Bauvertag allein nach ß 232 BGB, falls der Vertrag keine näheren Angaben zur vereinbarten Sicherheit enthält. ß 232 Abs. 1 BGB sieht dann die Hinterlegung von Geld und Wertpapieren, die Verpfändung von Forderungen/von beweglichen Sachen sowie die Bestellung von Hypotheken vor. Nur wenn eine solche Sicherheit nicht erbracht werden kann, kommt eine Bürgschaft nach Abs. 2 der genannten Vorschrift in Frage. Enthält ein VOB-Bauvertrag ausdrücklich die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer, ohne auf deren Art näher einzugehen, hat der Auftragnehmer die Wahl zwischen den in ß 17 Nrn. 2 u. 3 VOB/B genannten Möglichkeiten: Sicherheitsleistung durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft. Darüber hinaus trägt ß 17 Nr. 2 VOB/B dem Gedanken der Vertragsfreiheit insofern Rechnung, als die Bauvertragsparteien auch eine (ganz) andere Art der Sicherheitsleistung vereinbaren können. Häufig soll etwa die Sicherheitsleistung ausschließlich in Form einer Bankbürgschaft, insbesondere einer solchen auf erstes Anfordern, erbracht werden. Zu beachten bleibt aber, daß die von ß 17 VOB/B erfaßte Sicherheitsleistung des Auftragnehmers noch nicht damit ausbedungen ist, daß die Vertragspartner (nur) die Allgemeinen Vertragsbedingungen der VOB vereinbaren. Diese Regelung kommt erst dann zum Tragen, wenn durch gesonderte vertragliche Absprache, z.B. in besonderen oder zusätzlichen Vertragsbedingungen, eine Verpflichtung des Auftragnehmers zur Sicherheitsleistung vereinbart worden ist. Fehlt eine solche ausdrückliche Vereinbarung, ist ß 17 VOB/B genauso gegenstandslos, wie die allgemeineren Regelungen des BGB zur Sicherheitsleistung, wenn der BGB-Vertrag eine Sicherungsabrede nicht enthält.

2. Die Vereinbarung einer Sicherheit

Zwar sieht Teil A der VOB in ß 14 Nr. 1 vor, daß die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung die Ausnahme bleiben sollte, eine solche Vereinbarung ist jedoch in der Vertragspraxis schon seit langem die Regel. Dabei ist allerdings die vertragliche Vereinbarung der Sicherheit im Einzelfall bestimmten Beschränkungen unterworfen.

a) Sicherheitsleistung

Zu Gunsten des Auftraggebers können die Vertragsparteien eine Sicherheitsleistung durch Individualabrede, mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder per Formularvertrag vereinbaren. Schwierigkeiten treten regelmäßig dann auf, wenn die Abrede nicht hinreichend klar genug formuliert ist und bei einer Auslegung Meinungsverschiedenheiten auftreten oder wenn die Wirksamkeit der Vereinbarung wegen deren Höhe bezweifelt wird. Damit die mittels AGB oder formularmäßig getroffene Sicherungsabrede im Regelfall der sog. Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz standhält, sollten sich die Partner eines Bauvertrages an den Vorgaben des ß 14 VOB/A orientieren. Danach sollte die Sicherheit "nicht höher bemessen und ihre Rückgabe nicht für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen werden, als nötig ist, um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren. Die Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag soll 5 v.H. der Auftragssumme nicht übersteigen. Die Sicherheit für die Gewährleistung soll 3 v.H. der Abrechnungssumme nicht überschreiten."

Da diese Grundsätze auf Erfahrungssätzen beruhen, können sie nicht nur bei öffentlichen Aufträgen, sondern auch bei der privaten Bauvergabe - sowohl beim BGB - als auch beim VOB-Vertrag - als Maßstab herangezogen werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Frage beschäftigen müssen, ob und in welchem Umfang die Vereinbarung eines Sicherheitseinbehalts durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nach Maßgabe des AGB-Gesetzes wirksam ist. Die folgenden Entscheidungen zeigen, daß die Gerichte dabei keine ganz einheitliche Linie verfolgen.

Diese OLG-Rechtsprechung betrifft ausschließlich die Frage der Wirksamkeit von formularmäßig bzw. AGB-mäßig vereinbarten Klauseln. Eine Entscheidung des BGH, ob solche Klauseln gegen das AGB-Gesetz verstoßen, liegt bisher, soweit erkennbar, nicht vor, so daß in diesem Bereich bis auf weiteres von einer ganz klaren Rechtslage nicht die Rede sein kann und je nach Lage des Einzelfalls neu entschieden wird.

Instanzgerichtliche Entscheidungen halten des weiteren solche AGB-Klauseln für unwirksam, die das in ß 17 Nr. 2, 3 VOB/B geregelte Wahl-/Ersetzungsrecht des Auftragnehmers hinsichtlich der drei Sicherungsmittel (Sicherheitseinbehalt, Hinterlegung von Geld und Bankbürgschaft) einschränken.

Beispiele für unwirksame Bauvertragsklauseln:

- 5% der Rechnungssumme werden erst 60 Monate nach Fertigstellung aller Leistungen - incl. evtl. Gewährleistungsansprüche - fällig.

- AGB-Klausel, die zur Sicherung etwaiger Gewährleistungs- und Schadensersatzsansprüche aus mangelhafter Vertragserfüllung zu Gunsten des Auftraggebers eine von der Schlußzahlung zinslos einzubehaltene Barsicherheit i.H.v. 5% des Wertes aller ausgeführten Leistungen/Lieferungen vorsieht.

- Einbehalt einer Sicherheitsleistung in Form einer Gewährleistungsbürgschaft von 10% der Bruttoauftragssumme für eine Gewährleistungszeit von fünf Jahren und einem Monat.

Beispiele für Wirksamkeit:

- Der Auftraggeber darf als Sicherheit für die Gewährleistung 5 % der Nottoabrechnungssumme zinslos einbehalten und der Auftragnehmer kann diese Sicherheit durch Gewährleistungsbürgschaft ablösen.

- Der Auftraggeber darf 10 % des Rechnungsbetrages für die Dauer der Gewährleistungsfrist sicherheitshalber einbehalten.

b) Bankbürgschaft

Wenn beim VOB-Bauvertrag eine Sicherheitsleistung i.S.v. ß 17 Nr. 1 VOB/B individualvertraglich oder AGB-mäßig wirksam vereinbart wurde, hat der Auftragnehmer gem. ß 17 Nr. 3 VOB/B ein Wahlrecht, in welcher Form er die Sicherheitsleistung erbringen will, vgl. ß 17 Nr. 2 VOB/B. Falls der Vertrag selbst keine anderweitige Regelung trifft, kann der Auftragnehmer z.B. eine "Bürgschaft eines in den Europäischen Gemeinschaften zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers" stellen. Eine solche Bankbürgschaft muß nicht besonders verabredet werden, weil dem Auftragnehmer das Recht, die Sicherheit durch Bankbürgschaft zu gewähren, bei jedem VOB-Vertrag schon dann zusteht, wenn im Bauvertrag eine Sicherheitsleistung nach Maßgabe des ß 17 Nr. 1 VOB/B ausdrücklich vereinbart worden ist.

Davon abgesehen kann statt einer Sicherheitsleistung eine Bankbürgschaft zur Sicherstellung der Ansprüche des Auftraggebers aus dem Bauvertrag auch isoliert vereinbart werden. Häufig wird in der Bürgschaftsurkunde wegen der zu sichernden Hauptforderung nur auf den Bauvertrag Bezug genommen, der wiederum selbst oft keine oder nur sehr unzureichende Angaben darüber enthält, welche möglichen Ansprüche des Auftraggebers im einzelnen durch die zu erbringende Sicherheitsleistung eigentlich gesichert werden sollen. Soweit es um den Umfang der vom Auftragnehmer übernommenen Gewähr geht, sollte aber schon in der bauvertraglichen Abrede ausreichend klargestellt werden, auf welche Ansprüche des Auftraggebers sich die Bankbürgschaft überhaupt erstrecken soll. Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Bürgschaftsformen gibt, die verschiedenste Ansprüche des Auftraggebers sichern, sollten die Vertragsparteien von vornherein eindeutig festlegen, ob etwa nur eine Vertragserfüllungsbürgschaft gemeint ist, die sich auf sämtliche Ansprüche des Auftraggebers erstreckt (auch solche aus Vertragsstrafe), oder ob (auch) eine Gewährleistungsbürgschaft gewollt ist, um spätere Auslegungsschwierigkeiten auszuschließen.

Die mittlerweile weit verbreitete (aber "gefährliche") sog. Bürgschaft auf erstes Anfordern gilt etwa nicht schon dann (automatisch) als vereinbart, wenn eine Sicherheitsleistung i.S.v. ß 17 Nr. 1 VOB/B vereinbart wurde; denn v.a. ß 17 VOB/B sieht eine solche Form der Bürgschaft nicht vor. Daher ist insbesondere mit der Gewährleistungsbürgschaft nur dann eine Bürgschaftsverpflichtung "auf erstes Anfordern" verbunden, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde.

Es ist umstritten, ob eine Bürgschaft auf erstes Anfordern formularmäßig oder per AGB wirksam vereinbart werden kann. Während die formularmäßige Klausel, als Sicherheit würden "5% für die Dauer der Gewährleistungsfrist einbehalten, ablösbar gegen unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische und auf erstes Anfordern auszuzahlende Bankbürgschaft, wobei die Bank nicht berechtigt sein darf, sich durch Hinterlegung zu befreien", für unwirksam gehalten wird. Andere Gerichte meinen, die formularmäßige Vereinbarung einer Sicherheitsleistung für etwaige Überzahlungen durch Bürgschaft auf erstes Anfordern verstoße nicht gegen das AGB-Gesetz und sei die formularvertragliche Abrede einer Sicherheitsleistung für die Gewährleistung durch Bürgschaft auf erstes Anfordern, jedenfalls im Verkehr zwischen Vollkaufleuten im Baugewerbe, grundsätzlich wirksam.

Mit Blick auf die Praxis und Rücksicht darauf, daß der BGH diese Form der Bürgschaft schon seit langem anerkennt, wird von der generellen Wirksamkeit der Vereinbarung dieses Sicherungsmittels in AGB oder Formularverträgen auszugehen sein, jedenfalls soweit zu Gunsten des Auftraggebers die Bürgschaft auf erstes Anfordern mit einem Auftragnehmer verabredet wird, der ständig am Geschäftsverkehr teilnimmt (das dürfte bei gewerbsmäßig Tätigen der Regelfall sein).


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