IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/1996, Seite 122 ff.
EDV
Neue Wege - IAI findet regen Zuspruch
Freigabe auf der diesjährigen ACS in Frankfurt
Wolfgang Kratz
Die Industrie Allianz für Interoperabilität e.V. (IAI) wurde im Oktober '95 für den gesamten deutschsprachigen Raum gegründet und auf der letzten ACS als Konzept vorgestellt. Anfangs standen zehn Unternehmen auf der Gründerliste, die dem Initiator Autodesk folgten und heute sind es bereits 25 Mitglieder, die sich an dem Projekt beteiligen. Die bisher in der Bauindustrie praktizierte Form des Datenaustausches erlaubt in der Regel keine gemeinsame Nutzung von branchenspezifischen Informationen, wodurch ein effizientes Arbeiten behindert wird. Verschieden gelagerte Interessen, Ziele und die mangelnde Kommunikation zwischen den Akteuren der Bauindustrie erschweren zusätzlich die gemeinsame Datennutzung. Die Industrie Allianz für Interoperabilität will diese Probleme lösen und für die Bauindustrie ein Basismodell (Industrie Foundation Classes = IFC) zur gemeinsamen Datennutzung erarbeiten.
Steigender Wettbewerbs- und Kostendruck erfordern mehr Kooperation zwischen allen an der Planung, der Errichtung und der Bewirtschaftung von Bauwerken beteiligten Interessengruppen. Ziel der IAI ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, um, mit interoperabler Software, eine vollkommen durchgängige Basis für alle Phasen eines Bauwerkes herzustellen. Ergebnis dieser neuen Softwaregeneration werden Synergieeffekte, Kostenreduzierung und Transparenz für das gesamte Baugewerbe und die Bauherren sein. Das Rationalisierungspotential ist im Gegensatz z.B. zur Automobilindustrie noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft. Was liegt also näher, als Vorgehensweisen, Informationsstrukturen und einzelne Elemente zu standardisieren. Das Ergebnis wird, basierend auf IFC, ein einheitlicher Softwarestandard sein, damit in jeder Bauphase die in den vorangegangenen Phasen gesammelten Daten mit einbezogen werden können. Neben der höheren Effizienz und der Qualitätsverbesserung wird mit IFC (IFC entspricht übrigens dem STEP-Standard) der Einsatz bisher nicht ausführbarer Anwendungen ermöglicht wie zum Beispiel: Automatisierte technische Analysen und Simulationen, modellbezogene Kostenkalkulation und Zeitplanung und komplexe Visualisierungen. An der Realisierung sind bereits einige der größten deutschen Softwareentwickler der Bauindustrie beteiligt.
Was bedeutet Interoperabilität?
Interoperabilität bedeutet, daß alle am Projekt Beteiligten mit dem selben Projektmodell arbeiten. Es werden keine isolierten "Informationsinseln" geschaffen, die nur im entfernten Bezug zueinander stehen. In einem gemeinsamen Projektmodell werden vielmehr alle Informationen der Teammitglieder integriert und in Beziehung zueinander gesetzt. Das Ergebnis ist, daß ein Informationspool entsteht, der mit der Zeit immer umfangreicher wird.
Bild 1: Informationsablauf |
Die Effizienz besteht darin, daß der Zugriff, auf bautechnische, in anderen Anwendungen bereits definierte Daten, die manuelle Dateneingabe erspart. Dies gilt z.B. für Bauingenieure beim Importieren von bestehenden Modellen für Elementanalysen sowie für die Gebäudeverwaltung beim Importieren von Plänen zur Raumnutzung und -ausstattung, die von Architekten und Ingenieuren übernommen werden.
Sprechen wir von dem Vorteil der größeren Genauigkeit: Bei der herkömmlichen Datenübersetzung werden zwischen Programmen nach dem Prinzip des "kleinsten gemeinsamen Nenners" Daten ausgetauscht. Die Anwendung interpretiert diese Information dann mit einer Vielzahl von Übersetzungstools, oder sie müssen vom Benutzer manuell bearbeitet werden. Bei einer solchen Übersetzung entstehen oft Fehler, was häufig zu erheblichen Informationsverlusten führt. Ein gemeinsames Projektmodell hingegen bietet einheitlich strukturierte Projektinformationen und schließt die durch Übersetzung und Interpretation verursachte Fehler aus.
Effizienzverlust durch fehlenden Informationsaustausch
Im Laufe der vergangenen 25 Jahre konnte die Bauindustrie erheblich von der Computertechnologie profitieren. So wurden z.B. für Architekten Programme mit computerunterstütztem Design (CAD) entwickelt, für Ingenieure besteht mittlerweile eine große Auswahl an Tools zur technischen Analyse, während Bauherren Software für Zeitplanung, Kalkulation und Auftragskostenverwaltung zur Verfügung steht. Komplexe Programme auf der Basis von Datenbanken erleichtern die Gebäudeverwaltung.
Solche Programme wurden jeweils unabhängig voneinander entwickelt und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Benutzergruppen zugeschnitten. Jedes Softwarepaket zur Beschreibung von Gebäuden und ihren Elementen verwendet unterschiedliche Verfahren, was zwangsläufig zu einer Inkompatibilität der Softwarepakete führte.
Heute existieren bereits Möglichkeiten, geometrische Basisdaten und zugeordnete Attribute zwischen CAD-Programmen zu übersetzen. Mit IGES, DXF und einer Reihe anderer Protokolle können CAD-Daten ausgetauscht werden. Diese geometrischen Informationen sind jedoch keine intelligenten Daten; sie stellen vielmehr eine Ansammlung von Formen und Linien dar, die zu den repräsentierten Gebäudeelementen in keiner Beziehung stehen.
So entstehen für die Verantwortlichen gewaltige Probleme, da jeder Anwender die Zusammenhänge zwischen der Darstellung in einem CAD-Modell und den verschiedenen Gebäudeobjekten, die analysiert oder modifiziert werden sollen, neu definieren muß. Schätzungen ergaben, daß mit dem Informationsverlust durch nicht gemeinsam verwendete Daten über 20% der Kosten eines Bauprojektes auf Grund ineffizienter Arbeitsweisen verschwendet werden. Des weiteren werden möglicherweise hilfreiche Analysen nicht durchgeführt, da die Kosten für die Erstellung neuer Daten zu hoch sind.
Was ist Industry Foundation Classes?
Die Industry Foundation Classes bilden für die Bauindustrie die Ausgangsbasis zur gemeinsamen Nutzung von Informationen. Mit IFC wird bei der Definition eines Bauprojektes eine gemeinsame Sprache gesprochen. In Verbindung mit Objekt- und komponentenorientierter Softwaretechnologie bietet IFC individualisierbare, branchendefinierte Objekte, die Informationen über Gebäudeelemente wie auch über Entwurf, Bau und Verwaltung enthalten. Ein wichtiger Unterschied zwischen IFC und den bestehenden Datenaustauschsystemen ist, daß IFC eine logische Verbindung zwischen den einzelnen Bauelementen herstellen kann. So können sich IFC-Objekte intelligent verhalten; der gestalterische Gedanke kann während jeder Entstehungsphase direkter umgesetzt werden.
Neue objektorientierte Softwaretechnologien
Neue objektorientierte Softwaretechnologien sowie internationale Initiativen ermöglichen die gemeinsame Datennutzung. In den letzten Jahren konnte der A/E/C-Marktbereich (A/E/C : Architektur/Ingenieurwesen/Bau) durch verschiedene Entwicklungen dem Ziel, Baudaten unter verschiedenen Softwareanwendungen auszutauschen, bereits einen Schritt näher gebracht werden. Neue, objektorientierte Softwaretechnologien vereinfachen die Integration von bautechnischen Daten in gemeinsam nutzbaren Objekten. Die Industry Foundation Classes bauen auf diesen Entwicklungen auf und bieten der Bauindustrie intelligente Objekte, die in allen Phasen der Erstellung und Nutzung eines Gebäudes die Interoperabilität drastisch verstärken werden. Mit IFC entsteht eine neue Generation kompatibler Anwendungen, die der Bauindustrie ganz neue Dimensionen eröffnen. Sie ermöglicht den routinemäßigen Gebrauch von komplexen Simulationen und technischen Analysen, die bisher nur für Großprojekte angemessen erschienen. Eine solche Kompatibilität bedeutet während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes eine enorme Qualitätsverbesserung.
Bild 2: Die Bauindustrie ist eine Branche, die sich in viele technische Spezialbereiche und Produktionsabläufe aufsplittet. Dies bedeutet eine um so größere Herausforderung, gemeinsam nutzbare Lösungen zu finden. |
Eine Herausforderung für die Bauindustrie
Die Bauindustrie ist eine Branche, die sich in viele technische Spezialbereiche und Produktionsabläufe aufsplittet. Dies bedeutet eine um so größere Herausforderung für die Betroffenen, gemeinsam nutzbare Lösungen zu finden. Individuelle Lösungen von Einzelanbietern sind kaum realisierbar, da an einem Bauprojekt Dutzende von Unternehmen beteiligt sind. Erfahrungsgemäß verwendet jede dieser Firmen zur Planung, Analyse oder Verwaltung ihres Verantwortungsbereiches besondere, spezialisierte Programme von verschiedenen Anbietern. Damit eine gemeinsam nutzbare Softwarelösung funktionieren kann, muß sie grundsätzlich überall erhältlich sein und darf nicht nur auf einen Spezialbereich der Bauindustrie zugeschnitten sein.
Kostengünstig und problemlos
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Einzigartigkeit eines Gebäudes: An jedes Projekt sind neue Anforderungen, Entwürfe, Materialien und Mitarbeiter gekoppelt. Ist die Planungsphase abgeschlossen, wird das Gebäude errichtet; das Team geht auseinander. Schon beim nächsten Projekt hat man mit ganz anderen Gestaltungselementen, Montageverfahren und Unternehmen zu tun. Da ein Projekt immer nur in einer Version realisiert wird, sind für den Entwurf, Bau, die Gebäudeverwaltung sowie die Leistungssimulation einzelner Bauelemente große Investitionen oft schwer zu rechtfertigen. Dadurch ergibt sich eine weitere Anforderung an standardisierte Lösungen: Sie müssen kostengünstig sein und sich problemlos in bestehende Systeme integrieren lassen.
Und wie soll das aussehen?
Zur Zeit arbeiten insgesamt 17 maßgebliche Softwareentwickler aus dem Baubereich an der Gestaltung der zukünftigen Systemergonomie der Bausoftware. Stellt sich der eine die Planung der Zukunft unter einem integrierten 3D-Gebäudemodell vor, das alle Informationen für die Planung, Ausführung und Verwaltung umfaßt, auf das alle beteiligten Unternehmen, von jedem Punkt der Welt, zugreifen können, so definiert ein anderer seine Beteiligung an dem Projekt zur Hinführung der Bauausführung zu erheblichen Zeit- und Qualitätsgewinnen oder um dem Anwender optimale Werkzeuge zur Konstruktion und Modellierung der haustechnischen Anlagen zur Verfügung zu stellen.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß Verbesserungen in bezug auf Rationalisierung, Produktivität und Qualität für die Bauindustrie nur dann möglich sind, wenn der Datenaustausch zwischen den einzelnen Firmen funktioniert und Automationstools besser aufeinander abgestimmt sind. Lösungen zur gemeinsamen Datennutzung müssen jedoch die spezifischen Anforderungen der Bauindustrie erfüllen. Sie müssen mit allen Softwarepaketen der führenden Hersteller erhältlich sein, dürfen für ein Projekt keine hohen Investitionen erfordern und bestehende Abläufe nur minimal modifizieren.
"Unser Unternehmen beschäftigt sich mit der Planung von großen Bauprojekten, häufig in der Stellung des Generalplaners. Wir sind auf einen reibungslosen Austausch der Planungsdaten zwischen allen Planungspartnern angewiesen. Es ist deshalb in unserem eigenen Interesse, daß wir uns an der Arbeit des Vereins Industrie Allianz für Interoperabilität aktiv beteiligen."
Dr. Rudolf Juli, Abteilungsleiter EDV der OBERMEYER Planen+Beraten
"Wenn wir künftig mehr als nur Zeichnungen, das heißt Gebäudemodelldaten, tauschen wollen, brauchen wir einen lückenlosen Informationsfluß und eine einheitliche Sprache. Nur so können Fachleute auf direktem Wege Informationen über Konstruktionszusammenhänge sowie Planungs- und Fertigungsprozesse teilen und darauf aufbauen. Eine AEC Applikation muß diese Sprache sprechen und verstehen: Interoperabilität ist der Zugang zu dieser Sprache."
acadGraph
"Der Lehrstuhl für Informatik im Bauingenieurwesen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar befaßt sich in Forschung und Lehre mit der Integration der Prozeßabläufe im Bauwesen. Diese Aufgabenstellung ist hochaktuell und für die wirtschaftliche Zukunft des Bauwesens von großer Wichtigkeit. Die methodische, wissenschaftliche Absicherung der gewählten Verfahren und technologischen Ansätze wollen wir überprüfen und verifizieren. In diesem Zusammenhang messen wir dem IFC potentiell eine große Bedeutung bei."
Prof. Dr.-Ing. Karl Beucke,
Hochschule Weimar
"In allen Geschäftsbereichen des Baukonzerns ergeben sich vielfache Notwendigkeiten von Datenaustausch. Dieser kann sowohl firmenintern als auch mit Geschäftspartnern erforderlich sein. Dafür ist eine Integration der Datenmodelle aller an der Planung und Ausführung Beteiligter unerläßlich," findet
Dr. Ing. Rohland Dietrich, CAD-Verantwortlicher der Philipp Holzmann AG und begründet so das Mitwirken im IAI.
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