IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/1996, Seite 77 ff.
LÜFTUNGSTECHNIK
Sanierung von Raumlufttechnischen Anlagen in Verwaltungsgebäuden
Dr. Ing. Franc Sodec
Teil 1
Die in den 70er Jahren mit Raumlufttechnischen Anlagen ausgerüsteten Verwaltungsgebäude genügen heute oft nicht mehr den Anforderungen an thermischen Komfort und Energieverbrauch. Diese zweiteilige Serie zeigt auf, wie solche Anlagen saniert werden können und worauf im Auftragsfall besondes zu achten ist. Der erste Teil beschreibt ausführlich die damals ausgeführten Hochdruck- und Zweikanalanlagen.
1. Problemstellung
In den 70er Jahren sind in der Bundesrepublik Deutschland viele Verwaltungsgebäude gebaut worden: mehrgeschossig und mit für damalige Zeiten modernen Raumlufttechnischen Anlagen (kurz RLT-Anlagen). Überwiegend wurden Hochdruck-Anlagen (HD-Anlagen) mit Induktionsgeräten und Zweikanalanlagen eingesetzt. Später kamen Variable Volumenstromsysteme (VVS-Anlagen) hinzu. Teilweise wurden die Gebäude vor der ersten Energiekrise im Jahre 1973 gebaut oder kurz danach. Die Energiepreise waren deutlich niedriger als heute. So betrug der Strompreis 0,11 DM/kWh [1], heute etwa das Doppelte. Viele Anlagen wurden noch ohne Wärmerückgewinnung gebaut. Im Hinblick auf die thermische Behaglichkeit waren die Anforderungen deutlich niedriger als heute. Man begann erst damit, Raumluftgeschwindigkeiten meßtechnisch richtig erfassen und auswerten zu können [2]. Die DIN 1946 Blatt 2 ist im September 1972 als Entwurf erschienen und ließ z.B. bei einer Raumtemperatur von 24°C mittlere Raumluftgeschwindigkeiten von 0,28 m/s zu. Die heute gültige Ausgabe vom Januar 1994 schreibt bei 24°C Raumlufttemperatur Raumluftgeschwindigkeiten von 0,16 bis 0,22 m/s vor, abhängig vom Turbulenzgrad.
Auch vom Platzbedarf her hat man vor 20 Jahren großzügiger gebaut. HD-Geräte belegen einen nicht unerheblichen Anteil der Fensterbrüstung. Bei der Zweikanalanlage benötigt man hohe Zwischendeckenräume für die Kanäle und Mischgeräte. Die Regelung war viel einfacher. Es gab keine DDC-Regelung oder Gebäudeleittechnik.
Aus der heutigen Sicht
- der hohen Energiepreise,
- der höheren Anforderung nach thermischem Komfort,
- der wachsenden hygienischen Anforderungen (Sick Building Syndrome),
- der besseren Nutzung der Brutto-Bürofläche
wächst das Bedürfnis und die Erwartung nach der Sanierung bzw. Verbesserung der damalig erstellten Raumlufttechnischen Anlagen. Hierbei wirkt unterstützend, daß es heute im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) eine Vielzahl von modernen, wirtschaftlichen und komfortablen Systemen gibt, die sowohl vom Anlagenaufbau als auch von der Regelungstechnik gute Sanierungskonzepte bieten.
2. Anlagensysteme der 70er Jahre
Es werden hier vor allem die HD-Anlagen und Zweikanalanlagen beschrieben, da diese überwiegend gebaut wurden und sanierungsbedürftig sind. VVS-Anlagen wurden Ende der 70er Jahre ebenfalls gebaut, werden aber in diesem Kapitel nicht ausführlich beschrieben, da sie noch heute in prinzipiell ähnlicher Form erstellt werden. Im Kapitel "Sanierungskonzepte" wird auf diese Anlagen noch eingegangen.
2.1 Hochdruck-Induktionsanlagen
HD-Induktionsanlagen gehören zu den Wasser-Luft-Systemen. Die Zuluft dient hauptsächlich der Zufuhr der minimalen Außenluftrate, während die Kühl- und Heizleistung durch Wasser erbracht wird. Das wesentliche Element ist das Induktionsgerät, das in der Regel vor der Fensterbrüstung aufgestellt wird. Es gibt auch Deckeninduktionsgeräte, die in der Zwischendecke eingebaut werden.
Bild 1: Anlagenschema einer Hochdruck-Induktionsanlage.
Das Induktionsgerät besteht im wesentlichen aus Luft/Wasser-Wärmeaustauschern und einem Primärluftanschluß. Es gibt zwei prinzipielle Gerätesysteme [3, 4]:
- das Zwei-Leiter-System,
- das Vier-Leiter-System,
wobei überwiegend das Vier-Leiter-System angewandt wird.
Wie dem Bild 1 zu entnehmen ist, hat das Induktionsgerät beim Zwei-Leiter-System einen Wärmeaustauscher, und der Sekundär-Wasserkreislauf wird entweder vom Warmwasser oder vom Kaltwasser durchströmt. Die Umschaltung geschieht zentral oder zonenweise. Dadurch reagiert das System träge auf schnelle Änderungen der Wärmelast.
Beim Vier-Leiter-System sind im Induktionsgerät zwei Wärmeaustauscher eingebaut. Der obere, größere, ist der Luftkühler, der untere, kleinere, der Lufterwärmer. Es gibt kein zentrales Umschalten der Wasserströme mehr. Der obere Wärmeaustauscher wird vom Kaltwasser, der untere vom Warmwasser durchströmt. Jedes Induktionsgerät hat nicht mehr zwei, sondern vier Wasseranschlüsse: zwei Vorlauf- und zwei Rücklaufanschlüsse.
Bild 2:
Die Vorlauftemperatur des Kaltwasserstromes beträgt 13 bis 16°C, die des Warmwasserstromes 50 bis 55°C. Die Temperaturspreizung liegt beim Kaltwasser bei 2 bis 3 K, beim Warmwasser bei ca. 10 K.
Die Primärluftleitungen enden in einem Verteilrohr mit eingebauten Ausblasdüsen. Aus den Düsen wird die Zuluft mit hoher Austrittsgeschwindigkeit (ca. 20 m/s) ausgeblasen. Der hohe Austrittsimpuls bewirkt eine starke Induktionswirkung der Raumluft, die angesaugt und durch den entsprechenden Wärmeaustauscher geführt wird.
Die gesamte Zuluft (Primär- und Sekundärluft) tritt durch ein Ausblasgitter senkrecht entlang der Fensterscheibe nach oben und dann unter der Decke ins Rauminnere (Bild 2). Das Induktionsgerät übernimmt die Funktion der Raumkühlung, Heizung und Frischluftzufuhr.
2.2 Zweikanalanlagen
Zweikanalanlagen gehören zu der Gruppe der Nur-Luft-Systeme. Die Zuluft übernimmt die Funktion der Frischluftzufuhr, der Raumkühlung und eventuell der Raumheizung. Hinsichtlich der Raumheizung gilt allerdings das gleiche wie für Deckeninduktionsgeräte: Es ist dafür zu sorgen, daß im Winter Kaltluftabfall an der Fensterfassade vermindert wird.
Der prinzipielle Aufbau der Zweikanalanlage ist in Bild 3 dargestellt. Nach der Luftaufbereitung im Zentralgerät teilt sich die Zuluft in zwei Kanäle: in den Kaltluftkanal mit eingebautem Kühler und in den Warmluftkanal mit eingebautem Lufterwärmer. Der Kaltluftkanal wird auf den maximalen Gesamtluftvolumenstrom dimensioniert, der für die Abfuhr der Raumkühllast nötig ist. Der Warmluftkanal wird in der Regel auf ca. 70% des Gesamtluftvolumenstromes ausgelegt. Für jede Regelzone werden runde Leitungen vom Warm- und Kaltluftkanal zu einem Mischgerät abgezweigt. Im Mischgerät (Bild 4) wird entsprechend der momentanen Raumkühllast der benötigte Anteil an Kalt- und Warmluftstrom entnommen, vermischt und zu den Luftdurchlässen geführt.
Bild 3: Anlagenschema einer Zweikanalanlage. |
Zweikanalanlagen werden meistens mit einem konstanten Volumenstrom gefahren, d.h. der Volumenstromregler sorgt dafür, daß der Gesamtvolumenstrom konstant bleibt. Die Zulufttemperatur wird entsprechend der Raumkühllast verändert. Nach dem Ausgangssignal des Raumthermostaten verstellen die Stellmotoren der Drosselklappen das Verhältnis des Warm- und Kaltluftvolumenstromes, bis die erforderliche Zulufttemperatur erreicht wird.
Die Lufttemperatur im Kaltluftkanal wird meistens auf ca. 14 bis 16°C eingestellt, im Warmluftkanal auf etwa 30 bis 35°C. Sinnvollerweise werden diese Grenzwerte wetterabhängig verändert (im Winter anders als im Sommer).
Zweikanalanlagen werden in der Regel in Verbindung mit Deckenluftdurchlässen verwendet. Das bedeutet, daß die Mischgeräte und die Luftkanäle in der Zwischendecke sitzen. Das Anlagensystem kann aber auch mit Bodendurchlässen kombiniert werden, was jedoch selten der Fall ist. Dann sind die Mischgeräte und die Luftkanäle im Doppelboden verlegt.
Die Abluft wird stets im Deckenbereich abgesaugt. Pro Regelzone wird die Abluft über ein Entspannungsgerät oder sehr oft auch ohne Entspannungsgerät abgeführt. Das Entspannungsgerät hat einen ähnlichen Aufbau wie das Mischgerät, nur mit dem Unterschied, daß es statt zwei Anschlüsse nur einen Anschluß gibt und daß die Mischkammer entfällt.
Charakteristisch für Zweikanalanlagen ist,
- daß die Luftkanäle für ca. 170% des Luftvolumenstromes dimensioniert werden müssen (Kaltluftkanal 100%, Warmluftkanal ca. 70 %),
- daß stets kalte und warme Luft vor den Regelzonen zur Verfügung stehen,
- daß im Zuluftsystem Mischgeräte, im Abluftsystem eventuell Entspannungsgeräte benötigt werden.
3. Thermischer Komfort
Mit der RLT-Anlage werden die Raumlufttemperatur, die Luftfeuchte und die Raumluftgeschwindigkeiten beeinflußt. Die Wärmestrahlung der umgebenden Flächen wird von RLT-Anlagen nicht beeinflußt. Ausnahme sind Abluftfenster, Fensterblasanlagen und Kühldecken. Hier wird durch die Anlage die Temperatur der inneren Fensterfläche bzw. der Raumdecke beeinflußt.
Bild 4: Mischgerät |
Die Grenzwerte der thermischen Behaglichkeit sind in DIN 1946 Blatt 2 beschrieben. In den letzten 20 Jahren gab es drei Ausgaben der DIN 1946 Blatt 2, wobei die erste nur in Entwurfform vorgelegen hat. Die Anforderungen an die Zugfreiheit haben sich stets verschärft. Am höchsten sind die Anforderungen an Zugfreiheit in der neuesten Ausgabe der DIN 1946 Teil 2 vom Januar 1994. Hier wird erstmals nach dem Turbulenzgrad unterschieden. Es wird die mittlere Raumluftgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Raumlufttemperatur und des Turbulenzgrades vorgegeben. Je höher die Turbulenz der Raumluftströmung, desto niedriger darf die mittlere Raumluftgeschwindigkeit sein. Bei einer turbulenten Mischlüftung (HD-Anlagen, Deckenluftdurchlässe, Bodendrallauslässe) ist von einem Turbulenzgrad von mindestens 40% auszugehen. Bei der Quellüftung liegt der Turbulenzgrad bei ca. 20%. Demnach ist für eine turbulente Mischlüftung die zulässige mittlere Raumluftgeschwindigkeit bei 24°C Raumlufttemperatur maximal 0,16 m/s, bei 26°C Raumlufttemperatur maximal 0,20 m/s. Für die Quellüftung ergeben sich analog Grenzwerte von 0,22 bzw. 0,26 m/s. Zulässige Überschreitungen dieser Grenzwerte werden nicht mehr erwähnt.
Können die Anlagensysteme der 70er Jahre diese erhöhten Anforderungen hinsichtlich der thermischen Behaglichkeit erfüllen? Betrachten wir zunächst die HD-Anlagen. Hier wird nach Bild 5 eine typische Raumluftwalze erzeugt, mit Eindringtiefen bis max. 5 m. In dem abfallenden Luftstrom und bei der Rückströmung über dem Boden treten erhöhte Raumluftgeschwindigkeiten auf, die nicht selten über 0,30 m/s liegen.
Bild 5: Eindringtiefe der Luftstrahlen.
Unter folgenden Bedingungen läßt sich mit dem HD-Anlagensystem eine zugfreie Raumluftströmung erzielen:
- Die Raumtiefe soll nicht größer als die Strahleindringtiefe sein (d.h. 5 bis 5,5 m).
- Die maximale spezifische Kühlleistung, die zugfrei abzuführen ist, beträgt pro Gerät 400 W.
- Die Schreibtische sind im Mindestabstand von der Fensterbrüstung von 1,2 m aufzustellen. Bei kleineren Entfernungen sind die Luftgeschwindigkeiten der induzierten Raumluft störend und führen zu Zugerscheinungen.
Bei Induktionsgeräten treten häufig noch folgende Probleme auf:
- Die Ausblasgitter werden oft mit Akten zugedeckt. Dies reduziert die Kühl- bzw. Heizleistung und erhöht die Raumluftgeschwindigkeiten in anderen Bereichen.
- Die Ausblasdüsen sitzen nach einigen Jahren nicht mehr dicht im Verteilrohr, und es treten unangenehme, hochfrequente Geräusche auf.
- Die Wärmeaustauscher verschmutzen bei mangelhafter Wartung, was zu Minderleistungen führt.
Wie sieht es bei den Zweikanalanlagen aus? Der erreichbare thermische Komfort hängt vom angeschlossenen Luftführungssystem, der Raumhöhe und der spezifischen Raumkühllast ab. Die Grenzwerte der maximal abführbaren spezifischen Raumkühllast sind in Bild 6 angegeben [5]. Sind z.B. hochwertige Deckendrallauslässe oder schräg ausblasende Induktivauslässe eingesetzt worden und ist z.B. bei 2,8 m Höhe die spezifische Raumkühllast nicht höher als 105 W/m2 bzw. der Luftvolumenstrom nicht höher als 32 m3/(m2 · h), so ist, wenn die maximale Raumkühllast bei 26°C Raumlufttemperatur auftritt, eine zugfreie Raumluftströmung zu erreichen. Sind Luftdurchlässe eingesetzt worden, die zum tangentialen Luftführungssystem gehören und Raumluftwalzen erzeugen, so ist unter gleichen Bedingungen die Zugfreiheit nur bis zu einer spezifischen Raumkühllast von 50 W/m2 bzw. einem spezifischen Luftvolumenstrom von 19 m3/(m2 · h) erzielbar.
Bild 6: Maximal abführbare spezifische Kühllast unter Einhaltung der thermischen Behaglichkeit. |
Bei Zweikanalanlagen kommt es oft wegen der Gehäuseabstrahlung der Misch- und Entspannungsgeräte zur Beeinträchtigung des thermischen Komforts. Je höher der Vordruck vor dem Misch- oder Entspannungsgerät ist, desto höher ist die Gehäuseabstrahlung. Oft sind die Geräte in der Zwischendecke des Büroraumes installiert, und die Schalldämmung der Zwischendecke ist geringer als angenommen, was dazu führt, daß die Gehäuseabstrahlung als störend empfunden wird.
Hinzu kommt, daß die ca. 20 Jahre alten Volumenstromregler ihre Regeltoleranz verschlechtert haben, was zu unkontrollierter Erhöhung oder Reduzierung des Luftvolumenstromes führt.
(Fortsetzung folgt)
Literatur:
[1] Hönmann, W.: Büroraumklimatisierung mit Wasser-Luft-Systemen unter besonderer Berücksichtigung des Energieverbrauches und der Wirtschaftlichkeit. HLH, 8/1979.
[2] Finkelstein, W.; Fitzner, K. und Moog, W.: Messungen von Raumluftgeschwindigkeiten in der Klimatechnik. HLH, 2/1973.
[3] Hönmann, W.: Wirtschaftliche Klimatisierung mit Induktionsgeräten. LTG - Technische Information, Nr. 38, 1977.
[4] Daniels, K.: Die Hochdruckklimaanlagen. VDI-Verlag, Düsseldorf, 1967.
[5] Sodec, F.: Luftführung. Vortrag auf dem SBS-Symposium in München, Februar 1994.
B i l d e r : KRANTZ-TKT, Aachen
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