IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1996, Seite 3
EDITORIAL
Solche Lehrlinge hätte auch das Handwerk gernDipl.-Volksw. Hugo Schütt |
Großes Geschrei von bestimmter Politikseite und natürlich der Gewerkschaften - mit der Industriegewerkschaft Metall an der Spitze - über eine unzureichende Ausbildungsbereitschaft der Unternehmer ist Tag für Tag zu vernehmen. Daß der Rückgang der Ausbildung bei der Öffentlichen Hand am stärksten ist und die Gewerkschaften kaum einen Ausbildungsplatz schaffen in ihren zahlreichen Verwaltungsstellen, wird geflissentlich verschwiegen.
Ständige Berichte über einen weiteren Rückgang gemeldeter Ausbildungsplätze einerseits und einen zweistelligen Anstieg nachgefragter Lehrstellen andererseits bei den Arbeitsämtern sollen auf eine "Lehrstellenkatastrophe" hinweisen.
Während der Verfasser dieses Artikels über mögliche Gründe dieser Entwicklung - bei in Schleswig-Holstein lt. Schulstatistik etwa zweiprozentiger Erhöhung der Zahl der Schulabgänger einerseits und einer deutlich zweistelligen Zunahme der Lehrstellenbewerber lt. Arbeitsamtstatistik andererseits - nachdachte, stieß er auf eine höchst interessante Stellenanzeige in einer Tageszeitung. Dort stand doch tatsächlich zu lesen, daß das Arbeitsamt Elmshorn, bei dem bekanntlich die Nachfrager nach betrieblichen Ausbildungsplätzen im Einzugsbereich dieses Amtes nahezu vollständig erfaßt werden, für die Ausbildung im eigenen Amt Auszubildende mit Realschul- oder gutem Hauptschulabschluß per 1. Sept.1996 sucht!
Wie ist es möglich, fragt sich der Leser, daß diese Behörde, die eigentlich hinsichtlich Lehrstellen "aus dem Vollen schöpfen" können müßte, diesen Weg geht?
Ganz offensichtlich ist unter den zahlreichen noch unversorgten Jugendlichen wenig "Brauchbares" zu finden! Würde man sonst über eine Zeitungsanzeige für sich Lehrlinge suchen?
Jugendliche mit Realschul- oder gutem Hauptschulabschluß sucht auch das Handwerk. Es würde mit ihnen landesweit in größerer Zahl sofort Ausbildungsverträge abschließen!
Das Handwerk sieht sich einer permanent wachsenden Zahl - nicht selten dem Jugendalter bereits deutlich entwachsener! - Lehrstellenbewerber mit zudem meist gravierenden schulischen Defiziten im Rechnen, Lesen und Schreiben gegenüber.
Das Handwerk hat sich stets auch dieses Personenkreises angenommen - und zwar weit überdurchschnittlich! Es sieht sich dazu aber immer weniger in der Lage.
Kritisiert wird vom Handwerk in diesem Zusammenhang, daß undifferenziert für alle Berufe vermehrter Berufsschulunterricht eingeführt wird bei gleichzeitig reduzierter wöchentlicher Gesamtausbildungszeit. Damit wird die verbleibende betriebliche Ausbildungszeit immer geringer und es gelingt - speziell für o.g. Personenkreis - immer weniger, wenigstens in der Fachpraxis das Ausbildungsziel zu erreichen und diesen vielfach schulmüden jungen Menschen zumindest eine gewisse berufliche Perspektive zu geben.
Das Handwerk weist mit Blick auf Pläne zur Einführung einer Ausbildungsumlage, die von der Regierungskoalition in Schleswig-Holstein vorgesehen ist, darauf hin, daß es nicht "Reparaturwerkstatt" für Versäumnissse und Fehlentwicklungen im allgemeinbildenden Schulwesen und in der Gesellschaft sein kann.
Die Behebung bzw. Minderung dieser Defizite und Fehlentwicklungen durch eine Ausbildungsumlage von der Wirtschaft finanzieren zu lassen, lehnt das Handwerk ab. Diese Kosten sind von Staat und Gesellschaft zu verantworten und deshalb auch über Steuermittel aufzubringen.
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