IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1996, Seite 109 ff.
RECHT-ECK
Bauvertragsrecht
Die VOB/B und das AGB-Gesetz
RA F.-W. Stohlmann
1. Welche Bauvertragsunterlagen unterliegen dem AGB-Gesetz
1.1 Die üblichen Vertragsbestandteile
Das AGB-Gesetz (... Allgemeine Geschäftsbedingungen ...) gilt für eine Vielzahl von Anwendungsfällen vorformulierter Vertragsbedingungen.
Deshalb kommt es auf fast alle im Zusammenhang mit Bauverträgen vorkommenden Vertragsbestandteile zur Anwendung, insbesondere für:
Allgemeine Vertragsbedingungen,
Besondere Vertragsbedingungen,
Zusätzliche Vertragsbedingungen,
Zusätzliche technische Vorschriften,
und zwar unabhängig davon, ob private oder öffentliche Auftraggeber die Bedingungen verwenden.
1.2 Leistungsbeschreibungen
Auch Leistungsbeschreibungen können Vertragsbedingungen i.S. von ß 1 Abs. 1 AGB-Gesetz darstellen.
Sie unterliegen der Kontrolle des AGB-Gesetzes, wenn sie für eine Vielzahl von Anwendungsfällen vorformuliert worden sind.
Dies ist sehr häufig der Fall, da auch Leistungsbeschreibungen meist nicht für den jeweiligen Einzelfall immer neu formuliert werden, sondern auf sogenannte Standardleistungsbeschreibungen zurückgegriffen wird. Mit zunehmender Anwendung der EDV setzt sich dies in immer stärkerem Maße durch.
Eine Inhaltskontrolle im eigentlichen Sinn, nämlich die Überprüfung, ob der Inhalt einer Klausel die Interessenlage des Auftragnehmers auch in hinreichend ausgewogener Weise berücksichtigt, findet für reine Leistungsbeschreibungen dagegen nicht statt.
Wie sich aus ß 8 des AGB-Gesetzes ergibt, ist eine solche Inhaltskontrolle solchen Bestimmungen vorbehalten, die "von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen" treffen, was für reine Leistungsbeschreibungen nicht zutreffend ist.
Anders ist dies allerdings bei Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung. Diese enthalten häufig rechtsgeschäftliche Regelungen und nicht nur technische und tatsächliche Beschreibungen der auszuführenden Leistung. Sie unterliegen dann insoweit der Inhaltskontrolle gemäß ß 9 AGB-Gesetz (Generalklausel).
ß 9 AGB-Gesetz lautet: (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung: 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. |
1.3 Verhandlungsprotokolle
Obwohl der Auftragserteilung von Bauleistungen in der Regel eine Ausschreibung vorausgeht, wird bei privaten Aufträgen sehr häufig in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß ein sogenanntes Verhandlungsprotokoll ausgefertigt, das den ursprünglichen Ausschreibungstext ändernde oder ergänzende Regelungen enthält. Ob der Inhalt solcher Verhandlungsprotokolle tatsächlich eine individuelle Vereinbarung darstellt, bedarf sorgfältiger Überprüfung.
Auszugehen ist hierbei von den beträchtlichen Anforderungen, die die Rechtsprechung an den Begriff des Aushandelns von Individualklauseln stellt.
Verhandlungsprotokolle sind häufig dergestalt aufgebaut, daß vorformulierte Textteile durch hand- oder maschinenschriftliche Teile ergänzt werden.
Soweit der Text dieser Ergänzungen vom Auftraggeber gestellt und lediglich mit dem Auftragnehmer durchgesprochen wird, ohne daß dieser Text auf Vorschlag des Auftragnehmers abgeändert wird, bleiben auch diese Passagen trotz ihrer auf Individualvereinbarungen hinweisenden äußeren Form Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Auch die Tatsache, daß andere Auftragnehmer eine Abänderung bestimmter Textteile erreicht haben, ändert am AGB-Charakter nichts (so OLG Nürnberg, Urteil vom 24. 11. 82, AZ: 4 U 2180/82).
1.4 Die VOB/B und C
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Bauwirtschaft über ein Vertragsmuster, nämlich die VOB/B, verfügt, das die Interessen beider Vertragspartner in ausgewogener Weise berücksichtigt und für die Abwicklung von Bauverträgen praktikabel ist.
Trotzdem stellt die VOB/B nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG) eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Gleiches gilt für die in der VOB/C enthaltenen "Allgemeinen Vertragsbedingungen" (ATV).
2. Sonderstellung der VOB
2.1 Das Privileg der VOB "als Ganzes"
ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz enthält eine Sonderregelung für die VOB. Diese Sonderregelung ist darauf zurückzuführen, daß die Einführung des AGB-Gesetzes sonst zur Unwirksamkeit wichtiger VOB-Regelungen geführt hätte, der ausgewogene Charakter der VOB damit entscheidend beeinträchtigt worden wäre. In ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz wird deshalb festgestellt, daß die in der VOB geregelte Verkürzung gesetzlicher Gewährleistungsfristen und die Einschränkung sogenannter Fiktionen (wie die in ß12 Nr. 5 VOB/B geregelten Abnahmefiktionen) die nach dem AGB-Gesetz unwirksam wären, gültig sind, wenn die VOB im Ganzen vereinbart ist.
Hierbei ist zu beachten, daß diese Sonderregelung nur dann gilt, wenn es sich um Bauleistungen und nicht etwa um Planungsleistungen eines Architekten handelt.
Aus dem Wortlaut von ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz müßte man eigentlich schließen, daß alle anderen in der VOB getroffenen Regelungen - wie alle anderen Formularverträge auch - der vollen Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes unterliegen. Dies würde bedeuten, daß jede einzelne übrige Regelung der VOB auf ihre Vereinbarung mit dem AGB-Gesetz überprüft werden müßte.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) und nach ganz überwiegender Meinung der Literatur bezieht sich das in ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz geregelte Privileg der VOB nicht nur auf die beiden ausdrücklich genannten Regelungen zur Gewährleistungsfrist und zu Fiktionen, sondern wegen der Ausgewogenheit des "Gesamtwerks VOB" auf deren gesamten Inhalt. Dies bedeutet, daß die Anwendung des AGB-Gesetzes insgesamt ausscheidet, sofern die "Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/B) Vertragsgrundlage ist".
Gerade in diesem Punkt zeigt sich jedoch eine entscheidende Schwierigkeit:
Zwar gibt es kaum einen Bauvertrag, bei dem nicht auch die VOB an irgendeiner Rangstelle gilt - es gibt andererseits wenige Verträge, denen die VOB in unveränderter Form zugrundegelegt ist.
Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob das obengenannte Privileg der VOB auch dann gilt, wenn nur Teile der VOB, nicht jedoch die unveränderte VOB vereinbart worden ist.
2.2 Wann ist die VOB nicht mehr Vertragsgrundlage i. S. von ß 23 II Nr. 5 AGB-Gesetz!
Das Privileg, das die VOB gemäß ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz genießt, gilt nur dann, wenn die VOB nicht nur auszugsweise, sondern "als Ganzes" vereinbart worden ist. Nur dann ist sie Vertragsgrundlage mit der Folge, daß alle VOB-Regelungen dem AGB-Gesetz standhalten und damit rechtswirksam sind.
Begründet wird dies damit, daß nur die VOB "als Ganzes" eine einigermaßen ausgewogene Regelung darstelle, weshalb die Privilegierung einzelner isolierter VOB-Klauseln sachlich nicht gerechtfertigt und damit auch nicht vom Wortlaut des ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGB-Gesetz gedeckt ist.
Nicht beeinträchtigt wird die VOB in ihrem Kernbereich zum einen dann, wenn sie lediglich in Bereichen ergänzt wird, in denen sie dies ausdrücklich zuläßt, beispielsweise: bei Vereinbarung einer abweichenden Abrechnungsmethode gemäß ß 2 Nr. 2 VOB/B, bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe in angemessener Höhe gem. ß 11 VOB/B, bei Vereinbarung einer Sicherheitsleistung gem. ß 17 VOB/B. Die VOB ist in ihrem Kern auch dann nicht beeinträchtigt, wo sie durch entsprechende Formulierung zu erkennen gibt, daß abweichende Regelungen möglich sind, wie beispielsweise in ß 4 Nr. 4 VOB/B darauf hingewiesen wird ("wenn nichts anderes vereinbart ist..."), daß bezüglich der vom Auftraggeber unentgeltlich zur Verfügung zu stellenden Gegenstände abweichende Regelungen in Frage kommen können. |
Dies bedeutet jedoch nicht, daß die VOB ohne jede Einschränkung zur Anwendung kommen muß, sondern nur, daß sie in ihrem "Kern" erhalten geblieben sein muß.
Dies gilt zumindest insoweit, als diese abweichenden Regelungen nicht ein Vertragswerk schaffen, das in maßgeblichen Punkten nur eine Seite bevorzugt und damit den von der VOB gewollten Interessenausgleich zunichte macht.
Soweit die VOB dergestalt abgeändert wird, daß Regelungen durch die gesetzlichen Bestimmungen ersetzt werden, kann dies ebenfalls die VOB im Kernbereich beeinträchtigen. Ersetzt ein Auftraggeber beispielsweise die Abnahmeregelungen gem. ß 12 VOB/B durch die gesetzliche Regelung, so greift er hiermit in gravierender Weise in die Ausgewogenheit der VOB ein. Nach VOB kann nämlich, im Gegensatz zum BGB, schon dann die Abnahme verlangt werden, wenn die Leistung im wesentlichen fertiggestellt ist und keine wesentlichen Mängel aufweist.
Greift der Auftraggeber auf die BGB-Regelung zurück, so verändert er hierdurch den ausgewogenen Charakter der VOB so nachhaltig, daß sie nicht mehr "als Ganzes" erhalten ist.
Veränderungen des VOB-Textes auch außerhalb jener Bereiche, in denen die VOB eine abweichende Regelung ausdrücklich zuläßt, müssen die VOB "als Ganzes" nicht in jedem Fall beeinträchtigen.
Solche Abänderungen müssen vielmehr im Einzelfall dahingehend überprüft werden, ob der Eingriff den Gerechtigkeitsgehalt der VOB verändert oder nur eine reine Zweckmäßigkeitsbestimmung darstellt. So hat beispielsweise der Bundesgerichtshof entschieden, daß zwar der völlige Ausschluß des ß12 VOB/B, nicht jedoch eine Änderung der Regelung der fiktiven Abnahme des ß 12 Nr. 5 VOB/B deren Kernbereich beeinträchtige.
Liegt also ein Eingriff in den Gerechtigkeitsgehalt der VOB/B vor, so verlieren damit alle VOB-Bestimmungen das Privileg, von vornherein ohne Ausnahme dem AGB-Gesetz zu entsprechen und "quasi" automatisch als wirksam angesehen zu werden.
Es sind dann alle Regelungen eines solchen Vertragswerkes - einschließlich der unverändert übernommenen VOB-Klauseln - auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz zu überprüfen. Das ist von großer Bedeutung!
Hier zeigt sich, daß einige VOB-Regelungen ohne den Schutz der VOB durch ß 23 II Nr. 5 AGB-Gesetz rechtsunwirksam sind (vgl. unten).
Bei diesen Beispielen wird eingangs der "Normalfall" unterstellt, daß nämlich der Auftraggeber Verwender der Vertragsbedingungen ist. Geschützt ist dann nur der Vertragspartner des Verwenders, also der Auftragnehmer und nicht etwa der Auftraggeber als Verwender selbst, so daß nur VOB-Regelungen unwirksam werden können, die den Auftragnehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung benachteiligen.
Soweit ausnahmsweise der Auftragnehmer, beispielsweise bei kleineren Aufträgen für Privatkunden, als Verwender die VOB vereinbart (siehe unter 5.5), sind umgekehrt nur diejenigen VOB-Regelungen unwirksam, die den Auftraggeber einseitig benachteiligen.
2.3 Einzelbeispiele von Eingriffen in die VOB "als Ganzes", wenn der Auftraggeber Verwender ist
Anhand der nachfolgend aufgeführten Einzelbeispiele, die sich um eine Vielzahl ergänzen ließe, wird erkennbar, daß schon relativ geringe Eingriffe in die VOB dazu führen, deren Kernbereich, also deren ausgewogenen Gesamtcharakter zu beeinträchtigen.
2.3.1 Abänderungen von ß 2 Nr. 3 VOB/B
Wird in einem Vertrag, dem ansonsten die VOB/B in unveränderter Form zugrunde liegt, ß 2 Nr. 3 VOB/B eingeschränkt oder ausgeschlossen, beispielsweise durch die Klausel,
"Mengenänderungen berechtigen nicht zu einer Preisänderung",
so stellt dies eine einseitige Abweichung von der VOB/B dar. Dies hat zur Folge, daß dem Vertrag nicht mehr die VOB "als Ganzes" zugrunde liegt. Gerade beim Einheitspreisvertrag, bei dem die Planung und Mengenschätzung vom Auftraggeber erbracht wird, ist der Auftragnehmer in hohem Maße davon abhängig, daß der Vertrag Regelungen enthält, die ihn vor Nachteilen aus einem gravierenden Auseinanderfallen der für die Kalkulation vorgegebenen Planung mit den tatsächlich bei der Ausführung anfallenden Mengen schützt. Die in ß 2 Nr. 3 VOB/B enthaltene diesbezügliche Regelung stellt deshalb eine Kernaussage der VOB dar, ohne deren Geltung diese nicht mehr als Vertragsgrundlage i.S. von ß 23 II Nr. 5 AGB-Gesetz zu betrachten ist.
Hierbei spielt es keine Rolle, ob die oben genannte Mengenänderungsklausel wegen Verstoßes gegen ß 9 AGBG selbst unwirksam ist oder nicht. Ob eine Klausel gegen ß 9 AGB-Gesetz verstößt oder nicht, spielt nämlich bei der Frage, ob sie einen Eingriff in den Kernbereich der VOB/B enthält, keine Rolle. Trotzdem ist die VOB "als Ganzes" nicht mehr gegeben. Selbst wenn die Abänderung von ß 2 Nr. 3 VOB/B enger gefaßt ist, beispielsweise:
"ß 2 Nr. 3 VOB/B wird für Nachtragsangebote des AN ausgeschlossen,"
stellt dies bereits einen "schädlichen" Eingriff in den Kernbereich der VOB/B dar, da ß 2 Nr. 3 VOB/B an sich schon eine relativ weitgehende Verlagerung des Kalkulationsrisikos auf den Auftragnehmer enthält.
2.3.2 Das Abändern von ß 2 Nr. 5 VOB/B
Gemäß ß 2 Nr. 5 VOB/B kann der Auftraggeber Änderungen der bisherigen Planung oder Ausführung verbindlich für den Auftragnehmer anordnen. Die Vertragspartner sollen dann vor der Ausführung einen neuen Preis unter Berücksichtigung der durch die Änderung eingetretenen Mehr- oder Minderkosten vereinbaren. Wird eine solche Vereinbarung entgegen der Empfehlung der VOB nicht vor der Ausführung der geänderten Leistung getroffen - sondern fordert sie der Auftragnehmer erst später - so ist der Anspruch auf Mehrvergütung nicht etwa untergegangen.
Ändert der Auftraggeber diese Regelung nun dahingehend ab, daß bei kostenerhöhenden Anordnungen nur dann ein Mehrvergütungsanspruch besteht, wenn die diesbezügliche Vereinbarung vor der Ausführung getroffen wird, so stellt dies einen Eingriff in den Kernbereich der VOB/B dar.
2.3.3 Abändern von ß 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B
Auch bei Pauschalpreisvereinbarungen regelt die VOB/B in ß 2 Nr. 7 Abs. 1 keinen absoluten Festpreis. Sowohl bei erheblichen Mengenüberschreitungen, erst recht bei vom Auftraggeber angeordneten Änderungen oder Erweiterungen der vereinbarten Leistung ist eine Preisanpassung vorgesehen. Regelt der Auftraggeber abweichend hiervon einen absoluten Festpreis unter Ausschluß der genannten Rechte auf Preisanpassung, greift er in den ausgewogenen Charakter der VOB/B in "schädlicher" Weise ein. (Urteil des OLG Frankfurt vom 17. 10. 84, Az: 21 U 182/83, abgedruckt in Baurecht 86, S.225).
2.3.4 Abändern von ß 4 Nr. 3 VOB/B
In ß 4 Nr. 3 in Verbindung mit ß 13 Nr. 3 VOB/B ist geregelt, daß der Auftragnehmer dazu verpflichtet ist, dem Auftraggeber Bedenken gegen die vorgegebene Planung, das vom Auftraggeber vorgeschriebene Material oder gegen mangelhafte Vorleistungen anderer Unternehmer mitzuteilen.
Reagiert der Auftraggeber hierauf nicht, kann der Auftragnehmer die Leistung grundsätzlich ausführen, ohne später für diejenigen Mängel zu haften, die auf Ursachen zurückzuführen sind, bezüglich deren er Bedenken mitgeteilt hatte.
Klauseln, die dem Auftragnehmer auch für den Fall mitgeteilter Bedenken die volle Verantwortung für später auftretende Mängel auferlegen, greifen ebenfalls in den Kernbereich der VOB/B ein und sind daher unwirksam.
2.3.5 Abändern von ß 4 Nr. 7 VOB/B
Gemäß ß 4 Nr. 7 VOB/B ist für mangelhafte Leistungen des Auftragnehmers vor der Abnahme eine Nachbesserungspflicht, aber auch ein Nachbesserungsrecht geregelt.
Klauseln, die dem Auftragnehmer dieses Nachbesserungsrecht dadurch nehmen, daß sie dem Auftraggeber bei Vorliegen solcher Mängel das Recht einräumen, die Mangelbeseitigungskosten von der Schlußrechnung abzusetzen, greifen ebenfalls in den Kernbereich der VOB/B ein.
2.3.6 Das Abändern von ß 8 Nr. 1 VOB/B
Schließt der Auftraggeber in den von ihm gestellten Bedingungen ß 8 Nr. 1 VOB/B aus, so greift er damit in den Kernbereich der VOB ein.
ß 8 Nr. 1 VOB/B räumt zwar dem Auftraggeber die jederzeitige teilweise oder vollständige Möglichkeit zur Kündigung des Vertrages ein - er regelt jedoch (ebenso wie ß 649 BGB) insofern einen gerechten Ausgleich hierfür, als dem Auftragnehmer der Erhalt seines Vergütungsanspruchs auch für die gekündigte Leistung eingeräumt wird. Er muß sich hiervon lediglich die durch die Nichtausführung ersparten Kosten abziehen lassen.
Die Abänderung dieser ausgewogenen Regelung zu Lasten des Auftragnehmers führt dazu, die VOB nicht mehr "als Ganzes" bestehen zu lassen.
Dies betrifft sowohl Klauseln, die die vollständige Vertragskündigung unter Ausschluß von ß 8 Nr. 1 VOB/B regeln, als auch solche, die dies nur auf den Entfall einzelner Positionen oder Teilleistungen beziehen.
2.3.7 Die Abänderung von ß 9 Nr. 3 VOB/B
Kündigt der Auftragnehmer den Vertrag aus wichtigem Grund im Sinne von ß 9 Nr. 1 a oder b VOB/B, so hat er gemäß ß 9 Nr. 3 VOB/B Anspruch auf angemessene Entschädigung nach ß 642 BGB.
Ändert der Auftraggeber diese Regelung dahingehend ab, daß der Auftragnehmer in einem solchen Kündigungsfall nur Anspruch auf Vergütung der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen, nicht jedoch auf Schadenersatz hat, so ist die VOB nicht mehr als "Ganzes" vereinbart. Auch eine solche Klausel ist daher unwirksam.
2.3.8 Wenn ß 12 VOB/B abgeändert wird
a) ß 12 Nr. 1 VOB/B
Es stellt einen ganz wesentlichen Anspruch des Auftragnehmers dar, kurzfristig nach Fertigstellung seiner Leistung, deren Abnahme verlangen zu können. Mit der Abnahme sind für den Auftragnehmer wesentliche Rechte verbunden. So beginnt zu diesem Zeitpunkt die Gewährleistungsfrist, der Gefahrübergang gem. ß 7 VOB/B tritt ein, usw.
Regelt eine Klausel abweichend von ß 12 Nr. 1 VOB/B beispielsweise, daß die Leistung erst dann als abgenommen gelten soll, wenn das Gesamtbauvorhaben seinerseits abgenommen ist, so stellt dies einen Eingriff in die VOB/B dar, der dieses Klauselwerk "als Ganzes" beeinträchtigt. Solche Klauseln sind unwirksam.
b) Wenn statt ß 12 VOB/B der
ß 640 BGB vereinbart wird
Nach VOB kann im Gegensatz zur BGB-Regelung schon dann Abnahme verlangt werden bzw. eintreten, wenn die Leistung "funktioniert", ohne daß dies eine vollständige und in allen Bereichen mangelfreie Leistung voraussetzen würde.
Das OLG Stuttgart hat deshalb entschieden, daß die Regelung der Abnahme nach BGB dazu führe, die VOB nicht mehr "als Ganzes" annehmen zu können (Urteil OLG Stuttgart vom 23. 12. 1988, AZ: 9 U 205/88).
c) ß 12 Nr. 5 VOB/B
Die Abnahmefiktionen des ß 12 Nr. 5 VOB/B begünstigen den Auftragnehmer über die Möglichkeit einer "schlüssigen" Abnahme nach dem BGB hinaus ganz wesentlich. Der BGH hält deshalb den formularmäßigen Ausschluß der Abnahmefiktionen des ß 12 Nr. 5 VOB/B für "schädlich" i.S. der Einhaltung der VOB "als Ganzes", allerdings nur in Zusammenhang mit anderen VOB-Abweichungen. Diese Ansicht ist problematisch, da es die VOB/B in ß 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B selbst zuläßt, im Vertrag die fiktive Abnahme auszuschließen. Der BGH läßt allerdings immerhin eine abweichende Regelung der Abnahmefiktion zu, wenn diese nicht vollständig ausgeschlossen werden. Im übrigen bleibt vorerst auch offen, ob der BGH die VOB/B schon dann nicht mehr "als Ganzes" anerkennen will, wenn ausschließlich - bei sonst unveränderter VOB/B - ß 12 Nr. 5 VOB/B ausgeschlossen wird. Diese Frage ist daher noch nicht abschließend geklärt.
Die Klausel,
"Eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ist ausgeschlossen"
läßt ß 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B unberührt, schließt allerdings ß 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B aus. Während das LG München dies für ausreichend erachtet, die VOB/B nicht mehr als der Inhaltskontrolle entzogene Regelung anzusehen, hat der BGH die Revision gegen dieses Urteil angenommen, so daß die Möglichkeit besteht, daß hier eine abweichende Meinung vertreten wird. Die BGH-Entscheidung liegt zur Zeit noch nicht vor!
Fortsetzung folgt in IKZ-HAUSTECHNIK 18/96
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