IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1996, Seite 35 ff.
INTERVIEW
Rennen um die Nachfolge
Noch ist offen, wer Nachfolger des ZDH-Präsidenten Heribert Späth wird. Um das Amt bewerben sich gleich mehrere Kandidaten, so der Präsident der Handwerkskammer Berlin, Dieter Blaese, der Vorsitzende des Umweltausschusses ZDH und Kammerpräsident von Braunschweig, Dieter Geiler, der Koblenzer Kammerpräsident Karl-Heinz Scherhag (MdB) und Dieter Philipp, Kammerpräsident der Handwerkskammer Aachen.
Letzterem, Dieter Philipp, werden große Chancen eingeräumt. Die IKZ-HAUSTECHNIK führte mit ihm ein Interview, um insbesondere zu erfahren, welche Vorstellungen der Kandidat zur Stärkung der Fachverbandsseite sowie zu möglichen Änderungen der Handwerksordnung hat.
Übrigens: Die Personalentscheidung fällt im November auf der ZDH-Vollversammlung.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie kandidieren für das Amt des ZDH-Präsidenten. Was haben Sie, Herr Philipp, an Fähigkeiten und Vorstellungen, die Ihre Mit-Bewerber nicht haben?
Philipp: Meine Mitbewerber für das Amt des ZDH-Präsidenten sind gute Kandidaten. Sonst wären sie nicht erfolgreiche Unternehmer, die sich über ihren Betrieb hinaus seit vielen Jahren intensiv ehrenamtlich für die Interessenvertretung des Handwerks engagieren. Wir alle haben in den vergangenen Jahren in diversen Gremien eng, harmonisch und erfolgreich zusammengearbeitet. Diese Gemeinsamkeit ist mir wichtig, auch wenn wir derzeit miteinander im Wettbewerb um das Amt des höchsten Repräsentanten des deutschen Handwerks stehen. Ähnlich übereinstimmend sind unsere handwerkspolitischen Vorstellungen. In nahezu allen wichtigen Fragen sind wir bislang nach intensiver sachlicher Arbeit zu einer gemeinsamen Auffassung gekommen, die alle mittragen konnten.
Was uns allerdings unterscheidet, sind einige "natürliche Voraussetzungen" wie ich sie einmal bezeichnen möchte. Als jüngster Kandidat glaube ich, in unserer Handwerksorganisation für einen echten Generationswechsel einstehen zu können. Auch meine Herkunft aus der Europastadt Aachen scheint mir eine besonders gute Voraussetzung zu sein, um das Handwerk in den kommenden Jahren erfolgreich vertreten zu können. Weitaus mehr als bisher wird die europäische Dimension auch für das Handwerk eine bedeutende Rolle spielen. Die Erfahrung in der grenzüberschreitenden Tätigkeit, die ich als Unternehmer und als Bürgermeister in Aachen sammeln konnte, würde ich gerne für die berufsständische Interessenvertretung auf europäischer Ebene einbringen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Chancen rechnen Sie sich aus, und wie sind die bisherigen Reaktionen auf Ihre Kandidatur?
Philipp: Die Reaktionen auf meine Kandidatur sind bislang ausschließlich positiv. Zahlreiche Ermutigungen aus allen Teilen Deutschlands haben mich in meiner Bewerbung bestärkt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die wirtschaftliche Situation spitzt sich in den zurückliegenden Monaten zu, die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden dementsprechend schärfer. Welche Politik sollte der ZDH als Interessenvertretung des Handwerks gegenüber der Regierung, der übrigen Wirtschaft und den Gewerkschaften verfolgen?
"Das gravierendste Problem für unsere Handwerksbetriebe sind die derzeit hohen Lohnkosten."
Philipp: Das gravierendste Problem für unsere personalintensiven Handwerksbetriebe sind die derzeit hohen Lohnkosten, vor allem die explosionsartig angestiegenen Lohnzusatzkosten. Nur wenn es der Politik gelingt, diese Lohnzusatzkosten spürbar zu reduzieren, hat der Standort Deutschland eine Chance im internationalen Wettbewerb. Nur dann können wir Handwerker ein weiteres Ausufern der Schwarzarbeit verhindern und mit sicheren Arbeitsplätzen den Arbeitsmarkt stabilisieren.
Was für eine entscheidende Rolle das Handwerk für den Arbeitsmarkt spielt, haben erst zum Jahresbeginn die Ergebnisse der Handwerkszählung unterstrichen. Diese Rolle müssen wir fortan betonen und entsprechend maßgebliches Gewicht einfordern, wenn es um die Vertretung unserer Interessen gegenüber der Politik, den Gewerkschaften, aber auch der übrigen Wirtschaft geht. Dabei dürfen wir Handwerker allerdings nicht übersehen, daß wir in einem engen Wechselverhältnis mit der Industrie, dem Handel und auch den öffentlichen Auftraggebern arbeiten. Die gemeinsamen Interessen von Wirtschaft, Tarifpartnern und Politik dürfen wir trotz oder gerade wegen der neuen Stärke des Handwerks nicht aus den Augen verlieren.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die Globalisierung der Wirtschaftsmärkte ist rasant fortgeschritten. Zunehmend erscheint das deutsche Handwerk innerhalb dieser weltweiten Konkurrenz wie ein Relikt aus einer überkommenen Zeit. Ist es tatsächlich ein Auslaufmodell oder hat es Chancen zu überleben?
"Chancen gibt es für die Betriebe, denen es gelingt, Leistungen aus einer Hand auf einem hohen qualitativen Niveau anzubieten."
Philipp: Der eigenständige Wirtschaftsbereich Handwerk ist auch in einer Phase verstärkter Globalisierung der Wirtschaftsmärkte alles andere als ein Relikt aus überkommenen Zeiten. Mehrere Trends unterstreichen die Zukunftschancen unserer Klein- und Mittelbetriebe. Da sind einerseits die handwerklichen Zulieferer, von denen bereits viele durch flexibles Agieren am Markt den Schritt zu einer internationalen Ausrichtung erfolgreich geschafft haben. Und was unsere Absatz- und Auftragsmärkte vor Ort anbetrifft, so wird es auch hier künftig ein gesundes Potential geben, vor allem für Betriebe, denen es gelingt, Leistungen aus einer Hand auf einem hohen qualitativen Niveau und mit einem ebenso hohen Dienstleistungs- und Serviceanteil anzubieten. Das beste Beispiel dafür ist das SHK-Gewerbe. Aufgabe der Handwerksorganisation wird es sein, die Betriebe bei der Ausrichtung auf neue Technologien auf die Dienstleistungsgesellschaft zu unterstützen. Vor Ort muß dies geschehen durch Technologietransfer, Weiterbildung und Beratung. Und auf Bundesebene müssen wir dafür sorgen, die Berufsbilder und die Ausbildung den Erfordernissen zügig anzupassen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Stichwort Ausbildungskatastrophe: Auch in handwerklichen Betrieben werden weniger junge Leute eingestellt. Woran liegt es und wie kann man dies ändern?
"Mit unserer hohen Ausbildungsleistung haben wir ein Recht darauf, angemessene Rahmenbedingungen einzufordern."
Philipp: Noch ist die Zahl der Lehrstellen im Handwerk steigend, allerdings leider nur geringfügig im Vergleich zu den Vorjahren. Ich bin trotzdem sicher, daß es der Wirtschaft auch in diesem Jahr wieder gelingen wird, ihr Ausbildungsplatzversprechen einzuhalten. Gerade wir Handwerker, die wir ja maßgeblich dazu beitragen, sollten uns nicht davon irritieren lassen, wenn uns andere durch Heraufbeschwören einer "Ausbildungskatastrophe" unter Druck setzen wollen. Mit unserer hohen Ausbildungsleistung haben wir vielmehr ein Recht darauf, angemessene Rahmenbedingungen für die Ausbildung von Lehrlingen einzufordern. Dazu gehört auch der Hinweis, daß die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen bei steigender Kostenbelastung immer schwieriger wird. In diesen Zusammenhang gehört unsere Forderung an die Politik, die Ausbildungszeiten in den Berufsschulen besser zu organisieren und flexibel zu gestalten, damit unsere Lehrlinge wieder mehr Zeit für die Ausbildung im Betrieb haben.
Eine hohe Kostenbelastung für die ausbildenden Betriebe stellt außerdem die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung dar. Leider haben sich Bund und Länder entgegen ihrem Versprechen aus der Finanzierung der ÜLU weitgehend zurückgezogen. Die Kosten bleiben überwiegend auf den Betrieben hängen. Wer an die Betriebe appelliert, mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen, sollte sich zunächst an die eigene Nase fassen. Völlig untauglich sind die neuerdings wieder aktuellen Überlegungen, mit einer Ausbildungsplatzabgabe das Problem lösen zu wollen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Vielfach wird beklagt, daß die Unternehmer, auch die aus dem Handwerk, derzeit total frustriert seien, von der Politik, von ihrer eigenen Interessenvertretung usw. Eine bleierne Lustlosigkeit mache sich breit und lähme nicht zuletzt die Arbeit in Innungen, Kreishandwerkerschaften, Verbänden und Kammern. Sehen Sie eine Chance für eine neue Aufbruchstimmung?
Philipp: Frust und Lustlosigkeit, Angst und lähmende Besitzstandswahrung sind zwar zunehmend verbreitet, gehören aber nicht zu den Eigenschaften von Handwerksunternehmern. Unsere jungen Meisterinnen und Meister gehen mit Engagement und Risikobereitschaft ihre persönliche Karriere an. Wir müssen ihnen in dieser Zeit den Sinn und Zweck der Gemeinschaft und die Vorzüge der freiwilligen Fachverbandsmitgliedschaft vermitteln. Gleiches gilt auch für die Kammern. Alle Mitgliedschaften, ob freiwillig oder Pflicht, müssen immer wieder durch zeitgerechte Dienstleistungen und aktive Handwerkspolitik begründet werden. Akzeptierte Mitgliedschaften führen zur Mitarbeit und erzeugen die notwendige Aufbruchstimmung, nicht nur die eigene Karriere, sondern auch die Gemeinschaftsaufgaben aktiv anzugehen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Eine der großen handwerkspolitischen Aufgaben der nächsten Zeit und damit auch des nächsten ZDH-Präsidenten ist die Novellierung der Anlagen A und B der Handwerksordnung. Neue Berufe sollen geschaffen werden, die Zuordnung mehrerer bestehender Berufe soll geändert werden. Welche Grundlinie sollte hier Ihrer Meinung nach verfolgt werden?
"Die SHK-Berufe sind ein Beispiel für den Wandel von Handwerksberufen durch technische Veränderungen und veränderte Erfordernisse im Markt."
Philipp: Die Novellierung der Anlage A und B der Handwerksordnung beeinflußt maßgebliche Felder im Handwerk: 1. die zukünftige Marktorientierung der Handwerksberufe und ihre Entwicklungschancen, 2. die Verbandsstrukturen, da diese den Entwicklungen der Handwerksberufe im Markt folgen und 3. das gesamte Aus- und Weiterbildungswesen. In sich schneller wandelnden Märkten müssen wir eine Ordnung finden, die es dem Handwerk ermöglicht, kunden- und marktorientiert alle erforderlichen Leistungen auszuüben. Neue Entwicklungen, neue Märkte, die ihren Ursprung im Handwerk haben oder aus anderen Entwicklungen kommend mit Leistungen des Handwerks gleichzusetzen sind, müssen hierbei der HWO zugeordnet werden. Über die fachliche Betreuung durch die Verbände ist möglichst frühzeitig Einigkeit im Handwerk zu erzielen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Einer der Vorschläge in diesem Zusammenhang lautet, die bis jetzt getrennten Berufe der SHK-Branche zusammenzulegen. Darüber gibt es auch in dem entsprechenden Verband unterschiedliche Auffassungen. Können Sie den Fachverband SHK NRW unterstützen, der argumentiert, der bisherige Zuschnitt solle beibehalten werden, vor allem weil er sich am Markt bewährt hat?
Philipp: Die SHK-Berufe sind ein hochinteressantes Beispiel für den Wandel von Handwerksberufen durch technische Veränderungen und veränderte Erfordernisse im Markt. Die Handwerksordnung muß hierauf reagieren, indem sie in Zukunft die Gemeinsamkeiten im Angebot fördert, andererseits aber auch den unterschiedlichen Schwerpunkten der gewachsenen Berufe mit entsprechenden Aus- und Weiterbildungsgängen Rechnung trägt. Nur so können auf Dauer genügend Ausbildungsplätze bereitgestellt werden. Nur so können sich die Berufsfelder bedarfsgerecht, kunden- und marktorientiert entwickeln, sowohl durch Überschneidungen wie auch Spezialisierungen und Abgrenzungen.
Die fachliche Betreuung durch die Fachverbände und rechtliche Betreuung durch Handwerkskammern müssen die Einhaltung der Regeln in enger Abstimmung miteinander gewährleisten. Im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen immer König Kunde und die zukünftigen Märkte für Handwerksunternehmen. Das Handwerk insgesamt unterliegt diesem ständigen Innovationsprozeß, ohne bewährte Strukturen leichtfertig aufzugeben. Ich bin sicher und werde dazu beitragen, daß am Ende des derzeitigen Abwägungsprozesses im SHK-Bereich eine einvernehmliche Lösung stehen wird, in der die Argumente des Fachverbandes SHK NRW ihre Berücksichtigung gefunden haben.
Dr. G. M
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