IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1996, Seite 26 ff.
VERBÄNDE AKTUELL |
Niedersachsen
Landesverbandstag 1996
Zum 8. Mal auf der Insel Norderney! - mit diesem Hinweis auf die Bevorzugung der Insel als Veranstaltungsort für den Landesverbandstag wurden die Teilnehmer auf Norderney willkommen geheißen.
Blickfang
Ein großer Bogen, zusammengeschweißt aus Heizkörperteilen, Rohren und Ausdehnungsgefäßen, zog nicht nur die Blicke der Teilnehmer auf sich, sondern wurde auch von den Insulanern und Feriengästen ausgiebig bewundert. Natürlich gibt es zu diesem Bogen auch eine Geschichte: Theo Kluin, stellvertretender Obermeister auf der Insel und - neben Joachim Rosenboom - unser Hauptorganisator vor Ort, feierte vor wenigen Wochen seine Silberhochzeit. Zu diesem Anlaß überraschten ihn die Mitglieder seines Chores, die Döntje Singers von Norderney, indem sie diesen eigens dafür konstruierten Bogen vor seinem Haus aufstellen ließen. Mit abgeändertem Text wurde er dann zum Blickfänger des Verbandstages, bevor er in Zukunft den Eingangsbereich der Firma schmücken wird.
Der Willkommensgruß an die Teilnehmer: der Bogen aus Heizkörpern, Rohren und Ausdehnungsgefäßen. |
Mit rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war der Verbandstag sehr gut besucht - auch das spricht für den Beliebtheitsgrad der Insel. Das wie immer umfangreiche Programm wurde nicht nur dem Bedürfnis nach Geselligkeit mit einer Fahrt in See am ersten und dem Festball am zweiten Abend gerecht: Während der Donnerstag im Zeichen der Aussprache zwischen Obermeistern und Vorstand sowie der Vorstandssitzung stand, fanden am Freitag außer einem Vortrag "Einführung in die Gesprächspsychologie" im Rahmen des Damenprogramms ganztags öffentliche Sitzungen des Ausschusses für Betriebswirtschaft und der Technischen Fachausschüsse statt, über die in der IKZ-HAUSTECHNIK (in diesem Heft) ausführlich berichtet wird. Das Interesse an den Vorträgen war so groß, daß nur wenige sich durch das schöne Wetter zu einem Abstecher an den Strand verleiten ließen. Nach dem Referat des Finanzministers, Hinrich Swieter, zum Abschluß der Mitgliederversammlung am Samstag stand fest, daß sich die Mühe aller Beteiligten gelohnt hat und der Landesverbandstag 1996 als erfolgreiche Veranstaltung in Erinnerung bleiben wird.
Sie brachten Stimmung an Bord: die Döntje-Singers am Begrüßungsabend. |
Aussprache zwischen Obermeistern und Vorstand
Wie bereits in den Vorjahren begann der Verbandstag mit einer Aussprache zwischen Obermeistern und Vorstand. Sinn dieser Treffen ist, allgemein interessierende Fragen der Verbandsarbeit im Vorfeld der Mitgliederversammlung zu diskutieren.
Zunächst ging es um die diesjährigen Tarifverhandlungen, die bisher noch zu keinem Ergebnis geführt haben. Die Verhandlungen dürften sich weiterhin schwierig gestalten, weil die Gewerkschaft in diesem Jahr nicht nur eine Erhöhung der Vergütungen fordert, sondern auch den Abschluß eines "Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung". Die Verhandlungen sollen Ende Juli fortgesetzt werden.
Im Mittelpunkt der Aussprache standen die neuen Entwicklungen beim Vertriebs- und Absatzweg, namentlich das Konzept "Bäderwelt" der Thyssen-Handelsunion in Zusammenarbeit mit der Bauhausgruppe. Die vielfältige Kritik an diesem Konzept und die darüber hinausgehenden Reaktionen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Partner des Handwerks kann nur sein, wer am dreistufigen Vertriebsweg festhält; dies gilt für Großhändler und Hersteller gleichermaßen.
- Die Mehrzahl der Kunden verlangt Qualität und Service zu einem angemessenen Preis. Das Handwerk erfüllt diese Bedingungen.
- Die Übernahme abhängiger Lohnarbeit, d.h. die Degradierung zum "Schrauber", dient nur den Absatzinteressen anderer.
- Das Handwerk muß sich seiner Marktmacht bewußt werden: Untersuchungen haben gezeigt, daß über 80% des gesamten Sanitärgeschäftes über das qualifizierte Handwerk abgewickelt werden.
- Die Überlegungen müssen dahin gehen, wie Großhandel und Handwerk beim Aufbau von Ausstellungen (z.B. "Ulmer Modell") zusammenarbeiten können. Allgemeingültige Patentrezepte zur Stärkung der Einzelhandelsfunktion gibt es allerdings nicht.
Das Verlangen nach Boykottaufrufen und persönliche Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Nur gemeinsames Handeln vor Ort kann erfolgreich sein.
Mitgliederversammlung
Zur Mitgliederversammlung am Samstagvormittag im "Haus der Insel" konnte LIM Klaus D. Maring neben zahlreichen Delegierten der Innungen eine Reihe von Ehrengästen begrüßen, insbesondere die 1. Vorsitzende des Landesverbandes Unternehmerfrauen im Handwerk Niedersachsen, Irmgard Mausolf, den Bürgermeister der Stadt Norderney, Remmer Harms, Kurdirektor Garrelf Remmers, die Ehrenmitglieder Dr. Hans-Georg Augustin und Hans-Detmar Kölschtzky sowie Christopher Strobel. Bürgermeister Harms und Kurdirektor Remmers nahmen die Gelegenheit wahr, ein Grußwort an die Teilnehmer zu richten. Beide gaben noch einmal ihrer Freude darüber Ausdruck, daß Norderney bei den Tagungsteilnehmern so beliebt ist, daß sie die Insel bereits zum achten Mal als Veranstaltungsort für den Verbandstag gewählt haben. Man sei bemüht, den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen - wie überhaupt die Orientierung am "Kunden" im Vordergrund stehe.
LIM Klaus D. Maring dankte in seiner Ansprache den Organisatoren des Verbandstages. |
Insoweit gebe es durchaus Parallelen zum Handwerk. Auch eine 200jährige Geschichte als Nordseeheilbad schließe nicht aus, neue Wege zu beschreiten. So sei man dabei, eine Chipkarte zu entwickeln, auf der alle angebotenen Leistungen gespeichert seien, die nach Bedarf abgerufen werden könnten. Dem Gast solle damit das lästige Bezahlen jeder Einzelleistung abgenommen werden. Wenn der Verbandstag das nächste Mal in Norderney stattfinde, könnten die Teilnehmer hiervon sicherlich bereits Gebrauch machen.
LIM Maring bedankte sich in seiner Ansprache zunächst bei allen Beteiligten für die Ausrichtung dieses Verbandstages; sein besonderer Dank galt der Norderneyer Metallgewerbe-Innung mit OM Herbert Motzkus und Theodor Kluin an der Spitze. Sodann ging der Landesinnungsmeister noch einmal auf die Diskussion zum Thema "Absatz- und Vertriebsweg" ein. Er konnte dabei auf "Leitlinien" verweisen, die der Zentralverband bereits vor zehn Jahren verabschiedet hat und die heute noch Gültigkeit besitzen. Sie müssen nur angewendet und fortgeschrieben werden. Die Kernaussagen sind bereits im vorstehenden Bericht über die Aussprache zwischen Obermeistern und Vorstand wiedergegeben.
Theo Kluin hieß die Teilnehmer auf Norderney willkommen. |
Nach Abhandlung der Regularien und der Festlegung des nächsten Verbandstages (der Verbandstag 1997 findet in der Zeit vom 5. - 7. Juni in Cuxhaven statt) stand der Punkt "Ehrungen" auf der Tagesordnung. In Würdigung ihrer Verdienste um das Handwerk wurden ausgezeichnet mit der Großen Ehrennnadel in Gold:
- Helmut Haubrich (Nordhorn)
- Franz Henne (Bad Bevensen)
- Werner Kroll (Schöppenstedt)
- Wolfgang Schreiber (Ahausen)
Finanz- und Steuerpolitik im Umbruch - was hat die mittelständische Wirtschaft zu erwarten?
Zu diesem Thema referierte der Niedersächsische Finanzminister Hinrich Swieter. In seiner Ansprache richtete er zunächst Grüße des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und des Wirtschaftsministers Dr. Peter Fischer aus, bevor er das Thema seines Referates in zwei Abschnitte gliederte:
"Finanz- und Steuerpolitik im Umbruch" - dies war der erste Teil des Themas. Der Minister führte dazu aus, daß die heftigen politischen Diskussionen der letzten Monate allen Menschen in der Bundesrepublik deutlich gemacht haben: Bund, Länder und Gemeinden stecken in einer schweren Finanzkrise. Nun würden ja öffentlich viele Rezepte gehandelt, wie der Staat aus dieser Krise herauskommen kann.
Er bat aber darum, bei diesen Überlegungen drei Tatsachen zu berücksichtigen. Die erste Tatsache sei, daß die Einnahmen der Länder zu 80% aus Steuern, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen bestünden, den größten und wichtigsten Einnahmequellen. Einbrüche bei diesen Einnahmen hätten schwerwiegende Folgen. Die zweite Tatsache sei die, daß die offiziellen Steuerschätzungen, auf denen die Haushalte des Bundes und der Länder basierten, und die tatsächlichen Steuereinnahmen seit drei Jahren immer weiter auseinanderklafften.
Dazu nannte er ein paar Zahlen, die das Tempo und die Dramatik dieser Entwicklung deutlich machen sollten: "Nach der jüngsten Steuerschätzung - und das war vor vier Wochen - müssen Bund, Länder und Gemeinden ihre Einnahmeerwartungen für 1996 und 1997 gegenüber der Steuerschätzung vom Mai 1995, also in nur zwölf Monaten, um 120 Milliarden DM herunterschrauben. Einen derartigen Einbruch bei den Steuereinnahmen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben.
Und nun zu den Zahlen für Niedersachsen: Nach unserer Mittelfristigen Finanzplanung aus dem Jahr 1992 hätten wir 1996 mit Steuereinnahmen von 34 Milliarden DM rechnen können. Nach der jüngsten Steuerschätzung sind es nur noch 28 Milliarden DM, also 6 Milliarden DM weniger. Entsprechendes gilt für den Haushalt 1997. Das heißt: Solche Entwicklungen werfen jede, selbst die vorsichtigste Planung über den Haufen.
Die Zahlen beweisen, daß wir es in Deutschland nicht mit ein paar "Dellen" in der Entwicklung der Einnahmen zu tun haben. Wir sind vielmehr konfrontiert mit schwerwiegenden Veränderungen in der Struktur der Einnahmen. Dazu ein Beispiel:
Niedersachsens Finanzminister Hinrich Swieter: "Kooperation statt Konfliktkurs - dies ist der Weg aus der Krise." |
Die acht wichtigsten Bonner Gesetze zur steuerlichen Entlastung der Wirtschaft - darunter das Steueränderungsgesetz von 1992 und das Standortsicherungsgesetz von 1993 - haben seit 1990, und ich rechne 1996 mit ein, zu Steuermindereinnahmen von insgesamt rund 66 Milliarden DM geführt. Davon hatten der Bund rund 26 Milliarden DM, die Länder rund 25 Milliarden DM und die Gemeinden knapp 15 Milliarden DM zu verkraften. Und das sind nun wahrlich keine "Peanuts".
Der Minister nannte als Ursache der Strukturveränderungen die bisherigen Steuerrechtsänderungen und die zahlreichen Möglichkeiten, legal Steuerzahlungen zu verringern oder ganz zu vermeiden. Diese Gestaltungsmöglichkeiten, alle Steuersparmodelle, seien weit intensiver genutzt worden, als es die Bundesregierung erwartet habe. Verschweigen wolle er in diesem Zusammenhang aber auch nicht das Thema der bewußten Steuerhinterziehung.
Nachdem er so die Krise bei den Einnahmen der öffentlichen Hände umrissen hatte, kam er zu der Ausgabenseite: "In wichtigen Politikbereichen sind die - überwiegend gesetzlich begründeten - Ausgaben wesentlich schneller gestiegen als die Einnahmen. So stiegen allein in Niedersachsen zum Beispiel die Sozialhilfeleistungen zwischen 1991 und 1995 um 1 Milliarde DM auf 3,8 Milliarden DM. Ein anderes Beispiel: der Unterhaltsvorschuß. Da stiegen die Leistungen im gleichen Zeitraum von 36 Millionen DM auf 160 Millionen DM. Die Finanzkrise hat also auch ihre Ursache darin, daß sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben erheblich verschoben hat.
Es bringt nichts, in dieser Krise mit Schuldzuweisungen an die eine oder andere Adresse zu operieren. Denn wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Wir alle haben unseren Anteil daran, daß wir jetzt in dieser Krise stecken - die Politik, Bund, Länder und Gemeinden, die unterschiedlichen Interessenverbände und die gesellschaftlichen Gruppen. Sicher ist, daß ein Aufschwung der Konjunktur in dieser Krise allenfalls eine kurzfristige Entlastung bringt. Die langfristigen Finanzierungsprobleme kann er aber auf keinen Fall lösen.
Was wir jetzt brauchen, ist nicht kurzatmiges Krisenmanagement. Was wir brauchen, sind langfristige strukturelle Reformen. Was wir brauchen, ist das, was ich eine neue gesellschaftliche Solidarität nennen möchte. Denn Strukturen können wir nur gemeinsam reformieren. Und weil es keine Patentrezepte gibt, muß das Motto heißen:
"Kooperation statt Konfliktkurs."
Hinrich Swieter erinnerte noch einmal an die aktuelle finanzpolitische Lage, wonach in diesem und im nächsten Jahr 120 Milliarden DM weniger als erwartet in die öffentlichen Kassen fließen werden. Dieser Realität müsse man sich stellen. Für jeden einzelnen heiße das: Das Wünschbare müsse sich am finanziell Machbaren orientieren. Dazu gehöre zum einen eine gerechte Verteilung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wobei Aufgaben und Finanzausstattung wieder in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden müsse. Zum anderen müsse der Staat entscheiden, welche Aufgaben er zukünftig noch leisten wolle oder könne, welche Aufgaben er abbaue oder verlagere. Zum dritten müßten Interessenverbände und gesellschaftliche Gruppen ihre Ansprüche an den Staat selbstkritisch überprüfen, denn für sie gälten die Regeln von Adam Riese ebenso wie für einen Finanzminister: Wenn die Einnahmen des Staates stagnierten, könne es bei den Ausgaben insgesamt keine Zuwächse geben. Das sei so schlicht wie wahr.
Im zweiten Teil seines Referats - der Frage: Was hat (in Zeiten einer Finanzkrise) die mittelständische Wirtschaft zu erwarten - sagte der Minister: "Ich gebe zunächst eine theoretische Antwort und die auch noch im Konjunktiv: Eigentlich könnte der Mittelstand in Deutschland eine Politik erwarten, die seiner Rolle in unserer Gesellschaft gerecht wird. Sie alle wissen - sicher konkreter als ich, daß die Wirklichkeit anders aussieht, allen Bonner Beteuerungen zum Trotz.
Dabei ist der Mittelstand - und nicht allein die Großindustrie - ganz unbestritten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, und das gilt vor allem für Niedersachsen. Hier stellen die mittelständischen Betriebe:
- rund 90 Prozent der Unternehmen,
- etwa 80 Prozent der Patentanmeldungen,
- knapp zwei Drittel der Arbeits- und Ausbildungsplätze,
- über 60 Prozent der Sozialabgaben,
- mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes
und
- immerhin mehr als 40 Prozent der Bruttoinvestitionen.
Das sind Zahlen, die eine Menge über die Leistungsstärke, das unternehmerische Engagement und auch über den Erfolg des Mittelstandes aussagen. Und dazu trägt das Handwerk entscheidend bei. Die Handwerkszählung im vergangenen Jahr hat ergeben, daß etwa 530000 Menschen in rund 50000 niedersächsischen Handwerksbetrieben Arbeit finden.
Das Handwerk gehört damit schon von der Zahl der Firmen und Beschäftigten her zu den bedeutenden Wirtschaftsbereichen. Es spielt aber auch eine große gesellschaftliche Rolle. Zusammen mit den anderen Unternehmen des Mittelstandes aus Industrie, Handel, Dienstleistungen, den Freien Berufen ist das
Handwerk ein wichtiger Stabilitätsfaktor
für die Beschäftigung in unserem Land. Diese Leistung kann nicht hoch genug bewertet werden. Ich möchte das ausdrücklich betonen, gerade auch vor dem Hintergrund dessen, was wir zur Zeit erleben:
Manche Großkonzerne zahlen keine Körperschaftssteuer mehr, ähnlich ist es bei der Gewerbesteuer. Das liegt an den vielen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Nahezu alle großen Unternehmen bauen massiv Arbeitsplätze ab. Gleichzeitig erhalten sie aber staatliche Subventionen in Milliardenhöhe. Manche kassieren mehr Subventionen, als sie Steuern zahlen.
Die Politik der Bundesregierung, ziemlich einseitig die Interessen der großen Unternehmen zu bedienen, hat volkswirtschaftlich nichts gebracht: Die Wirtschaft wurde um 66 Milliarden DM entlastet, die Zahl der arbeitslosen Menschen stieg jedoch auf 4 Millionen. Hätten sich die kleinen und mittleren Betriebe genauso verhalten wie die großen Konzerne, stünde die Bundesrepublik vor einem wirtschaftlichen Desaster.
Sportliche Höchstleistungen: hier allerdings nur im Ansatz... |
Doch gerade die kleinen und mittleren Unternehmen waren es, die die Zahl ihrer Beschäftigten fast über alle Wirtschaftszyklen der letzten Jahrzehnte hinweg erhöht haben. Und ihnen ist es zu verdanken, daß der dramatische Abbau von Arbeitsplätzen in den großen Konzernen wenigstens zum Teil aufgefangen worden ist.
Dasselbe gilt auch für das Thema:
Ausbildung
Während sich viele große Unternehmen Stück für Stück aus ihrer Verantwortung stehlen, jungen Menschen Berufschancen zu eröffnen, ist es gerade das Handwerk, das in großer Zahl Ausbildungsplätze bereitstellt. Allein die niedersächsischen Handwerksbetriebe haben im vergangenen Jahr zusätzlich mehr als 1100 Ausbildungsplätze geschaffen. Auch das belegt die große gesellschaftliche Verantwortung, von der ich vorhin gesprochen habe. Dies gilt besonders für den Bausektor: Der Mittelstand erbringt nicht nur 75 bis 80 Prozent der Bauleistungen, er stellt auch vier von fünf Ausbildungsplätzen.
Ich bin sicher, daß diese Verantwortung auch für die Zukunft gilt. Meine Bitte jedenfalls ist, daß die Handwerksbetriebe, daß Sie alle - trotz der zur Zeit alles andere als rosigen Konjunktur im Baugewerbe - auch in den nächsten Jahren so viele Ausbildungsplätze bereitstellen wie irgend möglich, um damit jungen Menschen eine Berufs- und Lebensperspektive zu geben.
Zu Recht werden Sie nun aber fragen: Wo bleibt denn die ‘Gegenleistung’ des Staates für dieses Engagement, konkret: die Gegenleistung der niedersächsischen Landesregierung?
Die Antwort heißt:
Ganzheitliches Mittelstandskonzept
Wie Sie wissen, haben Landesregierung und Wirtschaftsverbände vor kurzem einen 40-Punkte-Katalog vereinbart, der Zug um Zug in die politische Wirklichkeit umgesetzt werden soll. Ziel ist genauso eine stärkere finanzielle Entlastung der Betriebe wie auch ein Abbau von Bürokratie.
Ich hoffe sehr, daß das auch so klappt, wie wir uns das vorgenommen haben. Vielleicht hat sich ja der eine oder andere Verband im Detail noch etwas mehr gewünscht. Aber insgesamt sind wir, wie ich denke, auf dem richtigen Weg. Vor allem, weil es ein gemeinsamer Weg ist. Und gemeinsames Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand in Niedersachsen zu verbessern."
Der Minister räumte ein, daß er bei dieser Gelegenheit nicht alle 40 Punkte des vereinbarten Konzepts erläutern könne; er wolle sich auf einige wenige beschränken:
"Erster Punkt im Konzept ist die verstärkte
Förderung von Existenzgründungen
und mehr Beschäftigung. Mehr Betriebe heißt: mehr Arbeitsplätze und damit Entlastung des Arbeitsmarktes, heißt: mehr Beitragszahler und damit Entlastung der sozialen Sicherungssysteme.
In einem ersten Schritt werden Landesregierung und Mittelstand eine gemeinsame Image-Kampagne durchführen. Auch, um noch mehr Frauen für das Thema Selbständigkeit zu gewinnen. Das Existenzgründerinnen-Programm zum Beispiel hat sich bislang bestens bewährt. Verstärkt wird auch die Beratung. Zudem müssen die Förderprogramme der EU, des Bundes, aber auch des Landes überschaubarer und nutzerfreundlicher werden.
In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema Risikokapital. Wie überhaupt die Landesregierung in Gesprächen mit den Kreditinstituten erreichen will, daß diese ihre bislang sehr restriktive Vergabepraxis lockern. Denn Tatsache ist: Mittelständische Betriebe brauchen meist nur ‘kleine’ Finanzierungen.
Nächster Punkt: Es soll sichergestellt sein, daß nur noch die Betriebe, die die Voraussetzungen der Vergabeordnung erfüllen, öffentliche Aufträge ausführen, und daß keine Schattenwirtschaft gefördert wird. Wir wollen zudem eine Gleichstellung von Kooperationen mittelständischer Betriebe mit Einzelbewerbern, wir wollen die Vergabe von handwerksgemäßen Teillosen, und wir wollen die Auftragsvergabe an Generalunternehmer, wo immer dies möglich ist, vermeiden.
Ich sage das vor dem Hintergrund einer Diskussion, die zur Zeit nicht nur von der EU-Kommission in Brüssel, sondern auch von interessierter Seite in der Bundesrepublik wieder losgetreten worden ist. Sie kennen das Stichwort:
Vergabegesetz
Ich möchte daran erinnern, daß Bundestag und Bundesrat sich zwar einheitlich gegen ein Vergabegesetz ausgesprochen haben. Brüssel jedoch hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik angestrengt. Es wurde zwar wegen eines Formfehlers eingestellt. Aber das nächste Verfahren kommt bestimmt.
Was das bedeutet, kann ich hier kurz in zwei Sätzen zusammenfassen: Die bisherige Vergabe nach Leistungsbereichen wäre kaum noch aufrecht zu erhalten. Und damit würden sehr viele, wenn nicht sogar die meisten Bauleistungen zum Beispiel an Generalunternehmer vergeben, um den Bauablauf nicht zu gefährden.
...und Clownerie der "Fliegende Engländer"... |
Ich will hier ganz deutlich feststellen: Ich halte nach wie vor überhaupt nichts von einem Vergabegesetz. Und zwar deswegen nicht, weil es mittelstandsfeindlich ist. Ich bin auch sicher, die Landesregierung wird alle Hebel in Bewegung setzen, um ein solches Gesetz zu verhindern.
Wichtiger Punkt ist weiter der
Abbau von hemmender Bürokratie
Die Landesregierung ist dabei, zu prüfen, inwieweit öffentliche Dienstleistungen auf die gewerbliche Wirtschaft und die Freien Berufe verlagert werden können. Als Finanzminister füge ich hinzu: Wir müssen die Privatisierung auch unter dem Gesichtspunkt vorantreiben, den Haushalt zu entlasten.
Die mittelständische Innovations- und Forschungsförderung muß und soll ausgebaut werden. Auch hier kommt es auf eine qualifizierte und unabhängige Beratung an. Niedersachsen war bisher schon beim Thema Wissens- und Technologietransfer auf einem guten Weg. Aber Sie wissen: Nichts ist so gut, daß es nicht noch besser werden könnte.
Ein weiterer Punkt im Konzept ist das Thema:
Steuern und Lohnnebenkosten
Sie kennen dazu die Vorschläge des Bundes. Stichworte: das sogenannte Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung und das Jahressteuergesetz 1997. Wir klagen zu Recht über unser kompliziert-chaotisches deutsches Steuerrecht. Unbestritten ist es die größte Steuervereinfachung, wenn ein Gesetz ganz gestrichen wird. Aber ich halte es für ein Unding, gerade die Vermögenssteuer abzuschaffen, wie die Bundesregierung das vorgesehen hat. Und ich will hier deutlich sagen: Da macht die Landesregierung nicht mit. Einmal unter dem Gesichtspunkt der sozialen Symmetrie. Man kann nicht auf der einen Seite Arbeitnehmer, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Kranke, Rentner zusätzlich belasten und die großen privaten Vermögen schonen. Ich halte das für unanständig.
Zum zweiten: Die Vermögenssteuer ist eine Einnahme der Länder. 1995 betrug das Aufkommen bundesweit rund 8 Milliarden DM, in Niedersachsen rund 700 Millionen DM. Auf diese Einnahmen kann kein Land ersatzlos verzichten. Daher haben die meisten SPD-regierten Länder, darunter Niedersachsen, einen gemeinsamen Gesetzesantrag im Bundesrat eingebracht, der generell nur noch eine Vermögenssteuer von 0,5 Prozent vorsieht und der auch die Erbschaftssteuer umfaßt.
...faszinierten das Publikum beim Festball. |
Auch bei der Reform der Erbschaftssteuer wird es darum gehen, welches Vermögen in welcher Höhe von der Besteuerung verschont bleiben soll. Natürlich müssen wir uns dabei an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientieren. Das heißt: Die Freibeträge müssen ausreichend hoch sein. Ich denke aber, es müssen nicht gleich Millionenbeträge sein.
Im übrigen bin ich auch hier für eine angemessene Verschonung der betrieblichen Vermögen. Denn der Übergang von einer Generation auf die nächste sollte durchaus - auch steuerlich - erleichtert werden, um auch dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu verbessern.
Nun zu dem Bereich, den die Bundesregierung
"Unternehmenssteuerreform"
nennt, der aber in Wahrheit unter dem Gesichtspunkt ‘Gemeindefinanzreform’ diskutiert werden muß. Denn es geht im Kern um die Finanzausstattung der Gemeinden. Es geht um ihre Fähigkeit, auch künftig für Betriebe wie Arbeitnehmer eine möglichst optimale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Sie kennen die Stichworte: Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und Senkung der Gewerbeertragssteuer.
Beides ist zwar auch Bestandteil unseres gemeinsamen Mittelstandskonzepts. Ich will aber auch hier kein Geheimnis daraus machen, daß ich - als Finanzminister wie auch als Kommunalpolitiker - zu dem Thema in Teilen meine eigene Sicht der Dinge habe.
Die Gewerbekapitalsteuer ist inzwischen weitgehend zu einer reinen Großbetriebssteuer verkümmert: Nur etwa 15 Prozent der Unternehmen zahlen überhaupt noch Gewerbekapitalsteuer, und davon sind 90 Prozent große Unternehmen. Der Mittelstand ist also kaum betroffen, und ich vermag nicht einzusehen, warum zum Beispiel große Banken oder große Versicherungsunternehmen, die eh schon hohe Gewinne ausweisen, auch noch von der Gewerbekapitalsteuer freigestellt werden sollen.
Vermutlich aber wird die Gewerbekapitalsteuer nicht zu halten sein, und auch in der SPD mehren sich die Stimmen, die bereit sind, bei entsprechender Kompensation für die Gemeinden auf diese Steuer zu verzichten. Kompensation heißt dabei für mich: Revitalisierung der Gewerbeertragssteuer. Das heißt: Ich möchte auch die Freien Berufe mit einbeziehen. Auch Ärzte oder Rechtsanwälte, die ja oft nicht gerade kleine Praxen haben, nutzen die Infrastruktur der Gemeinden. Eine Gemeinde kann also, bei einer breiteren Grundlage, die Hebesätze reduzieren - mit der Folge, daß zwar einige zusätzlich belastet, aber viele entlastet werden.
Was die Bundesregierung zur
Senkung der Lohnnebenkosten
vorgelegt hat, führt zu einer Verschärfung der sozialen Schieflage, aber zu keiner spürbaren Entlastung der Betriebe. Das gemeinsame Mittelstandskonzept - und dies ist auch die Position der Landesregierung - fordert hingegen, daß versicherungsfremde Leistungen in den sozialen Sicherungssystemen aus Steuergeldern finanziert werden müssen, und das ist auch vernünftig.
Finanzierung aus Steuergeldern heißt: Steuererhöhungen, gar keine Frage. Ich würde mich aber freuen, wenn dabei etwas objektiver, fairer und sachgerechter diskutiert würde. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.
Berechnungen haben ergeben, daß die Lohnnebenkosten um mindestens 60 Milliarden DM - manche sprechen sogar von 80 Milliarden DM und mehr - pro Jahr gesenkt werden könnten, wenn die versicherungsfremden Leistungen aus Steuern finanziert werden. Dabei wäre zum Beispiel bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer - nach Berechnungen von Wissenschaftlern wie von Unternehmensberatern - die Entlastung der Unternehmen und der Arbeitnehmer bei den Lohnnebenkosten weit höher als die zusätzliche Belastung der Verbraucher. Und ähnliche gesamtwirtschaftliche Rechnungen gibt es auch beim Thema Ökosteuer. Ich denke, auch bei dieser Diskussion sind die Regeln von Adam Riese ganz hilfreich.
Lassen Sie mich als letzten Punkt aus dem Katalog den
Bereich Schule/Ausbildung
ansprechen. Zum einen: Wir wollen nicht nur die Hauptschule stärken und die Qualität des Unterrichts verbessern. Wir wollen auch besondere Ausbildungsmodelle für Abiturientinnen und Abiturienten entwickeln, um für diese Schülergruppe die berufliche Bildung attraktiver zu machen. Zwei Modellprojekte sind bereits mit dem Handwerk vereinbart.
Klar ist auch, daß die Organisation des Berufsschulunterrichtes künftig flexibler wird. Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr findet der Unterricht nur noch an einem Berufsschultag in der Woche statt. Ich hoffe, daß dieses Niedersachsen-Modell auch auf Bundesebene umgesetzt werden kann.
Und denken Sie bei dem, was die Landesregierung macht, bitte auch an das Stichwort ‘Meister-Bafög’. Nicht zuletzt dem Ministerpräsidenten ist es zu verdanken, daß wir dies in trockene Tücher bekommen haben - und die große Nachfrage zeigt, wie wichtig das war.
Sie sehen an all diesen Aktivitäten: Es passiert in Niedersachsen - auch wenn es nicht immer spektakulär ist - eine Menge zugunsten der mittelständischen Wirtschaft. Wir sollten dies, gerade vor dem Hintergrund der Finanzlage, auch nicht kleinreden."
Dialog
Der Minister beendete seinen Vortrag mit einem Hinweis darauf, daß es zwischen den Verbänden des Mittelstandes und der Landesregierung bislang sehr gute und aus seiner Sicht sehr konstruktive Gespräche gegeben habe. Es sei fest vereinbart, diesen Dialog kontinuierlich fortzusetzen. Er wünschte, daß dieses Beispiel auch bei anderen Interessenverbänden Schule machen würde.
Ausschuß für Betriebswirtschaft
In der öffentlichen Sitzung forderte der Ausschußvorsitzende Reiner Möhle die Kollegen auf, die Partnerschaft mit den Großhändlern unter dem Aspekt der Vertriebstreue zu beurteilen.
Der Ausschußvorsitzende, Reiner Möhle, Osnabrück, begrüßte die zahlreich erschienenen Kollegen. Zunächst bedankte er sich bei der Innung Norderney und in Person bei den Herren Rosenboom und Kluin für die viele Arbeit, die diese in die Ausrichtung des Verbandstages investiert haben.
Reiner Möhle, Osnabrück, Vorsitzender des Ausschusses für Betriebswirtschaft FV Niedersachsen. |
Betriebsvergleich 1995
Aufgrund der vorläufigen Ergebnisse des Betriebsvergleiches ist die Rentabilität der SHK-Betriebe von durchschnittlich +2,8% in 1994 auf +2,4% in 1995 gesunken. Wobei nach Möhles Ausführungen davon ausgegangen werden muß, daß die Betriebsergebnisse 1995 in nicht unerheblichem Ausmaß durch die Auflösung sogenannter "stiller Reserven" beeinflußt worden sind, was in 1994 sicherlich nicht in diesen Größenordnungen der Fall gewesen ist. Allein 17,5% der teilnehmenden Betriebe weisen für 1995 ein negatives Betriebsergebnis aus.
Betriebliches Rechnungswesen
Der Ausschußvorsitzende bemängelte die in erschreckend zahlreichen SHK-Betrieben fehlende Preiskalkulation. Die Preise für den Stundenverrechnungssatz und den Materialverkauf werden in der Regel nicht aufgrund einer betrieblichen Kostenrechnung ermittelt und überprüft; mit Blick auf die Preise der vermeintlichen Konkurrenz wird nur darauf geachtet, diese in der Regel zu unterbieten. Häufig würden auch "in grauer Vorzeit errechnete Preise" jährlich mit einem an den Tarifabschlüssen orientierten Prozentsatz fortgeschrieben. Die Ursache für dieses Verhalten sieht Möhle in den fehlenden Kalkulationsgrundlagen in vielen Betrieben. Wesentliche Daten, wie die Anzahl der verrechneten Stunden, Abwesenheitszeiten und nicht verrechenbare Anwesenheitszeiten werden nicht erfaßt. Weiterhin ist ohne eine entsprechende Kontrolle des Materialein- und -verkaufs eine qualifizierte Aussage über die realisierten Materialzuschläge nicht möglich. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung auf dem SHK-Markt forderte er die Kollegen auf, diese Defizite schnellstmöglich zu beheben. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, die in Zusammenarbeit mit dem Fachverband NRW erarbeiteten Preisvorschläge für die Berechnung von Entsorgungsleistungen und den Einsatz von Spezialgeräten durch eine betriebliche Kalkulation zu überprüfen und eine Verrechnung gegenüber den Kunden vorzunehmen.
EDV
Nach Ansicht des Vorsitzenden kann davon ausgegangen werden, daß die EDV in vielen Fällen im praktischen Einsatz die Qualität einer "besseren Speicherschreibmaschine mit Rechenfunktion" erfüllt. Dieses liegt zum einen an den Möglichkeiten der vorhandenen Software, aber auch an der praktischen Umsetzung im Betrieb. Beispielsweise wird die Möglichkeit einer integrierten, begleitenden Baustellenüberwachung viel zu selten eingesetzt. Der sinnvolle Einsatz einer guten Branchensoftware soll den Betrieb von Routinearbeiten entlasten und einen rationellen Personaleinsatz ermöglichen. Keinesfalls darf EDV einen erhöhten Personalbedarf zur Folge haben.
Liquidität
Ein Thema, welchem häufig zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. In vielen Fällen ist der Grund für die angespannte kurzfristige Liquidität in einer schleppenden Rechnungsschreibung zu suchen. Laut Betriebsvergleich 1995 sind rund 22% der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch flüssige Mittel gedeckt. Einschließlich der Forderungen errechnet sich ein Deckungsgrad von über 100%. Ließe sich der Forderungsbestand nur auf die Hälfte reduzieren, so könnte der SHK-Betrieb über erheblich höhere flüssige Mittel in Form von Barmitteln und Bankguthaben verfügen. Dieses würde die Zinsbelastung senken und die Position gegenüber Banken und Großhandel deutlich verbessern.
Die große Anzahl von Zuhörern zeigte das Interesse an den Fachvorträgen. |
Partnerschaft mit dem Großhandel
Aus aktuellem Anlaß forderte Möhle seine Kollegen auf, diese Partnerschaft unter dem Aspekt der Vertriebstreue zu beurteilen. Eine echte Partnerschaft mit den SHK-Betrieben kann nicht bestehen, wenn der Großhandelspartner die traditionelle Schiene des dreistufigen Vertriebsweges verläßt und seine wirtschaftliche Perspektive im Direktverkauf an Endkunden sieht. Um die Folgen einer solchen Strukturveränderung zu verdeutlichen, brachte er hierzu ein kleines Beispiel aus Südamerika: Der Erzählung nach wird dort das Material von Kunden direkt eingekauft. Für die Installation besorgt man sich das Personal von der Straße. Dort sitzen die Monteure auf ihren Werkzeugkisten und warten darauf, von Kunden angeheuert zu werden.
Sollte sich der SHK-Markt in Deutschland in diese Richtung entwickeln, so würde man dann nicht mehr vom SHK-Betrieb, sondern vom "Schrauber der Nation" reden müssen. Damit dieses nicht eintritt, ist eigene Initiative des SHK-Handwerks gefordert. Im Raum Osnabrück-Stadt und -Land sind Handwerker, Großhandel und Industrie im sogenannten Osnabrücker Modell koordiniert. Gemeinsam wird die Werbung gegenüber dem Endkunden betrieben. An festgelegten Tagen kommen die Kunden zu Tausenden in die Ausstellungen und werden dort durch die Innungsmitglieder beraten. Weiterhin beteiligt man sich gemeinsam an Regionalmessen und anderen Veranstaltungen. Dieses ist kein Selbstläufer, sondern bedeutet, daß erhebliche Arbeit seitens der Innungsmitglieder geleistet werden muß. Daß es sich lohnt, zeigt das Beispiel Osnabrück.
Zum Schluß seiner Rede forderte er seine Kollegen in Niedersachsen auf, ausschließlich vertriebstreue Großhändler durch Geschäftsbeziehungen zu unterstützen und die vorhandene Stellung im Markt dazu einzusetzen, den dreistufigen Vertriebsweg in Deutschland in der bewährten Form aufrechtzuerhalten.
Handwerk und Steuern 1996
Jahressteuergesetz 1997
Referent Prof. Dr. jur. utr. Michael Popp, Düsseldorf, begann seinen Vortrag mit den voraussichtlichen Änderungen, die sich aus dem Jahressteuergesetz 1997 ergeben werden. Bedarfsbewertung beim Grundbesitz.
Bedarfsbewertung
Das Bundesverfassungsgericht hat den Steuergesetzgeber verpflichtet, bis Ende 1996 für die Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Schenkungen Neuregelungen einzuführen, die zu einer einheitlichen Besteuerung sämtlicher Wirtschaftsgüter führt. Zur Bewertung von Grundbesitz ist anstelle einer allgemeinen Neubewertung eine Bedarfsbewertung eingeführt worden. Diese Bedarfsbewertung wird lediglich für die Berechnung der Erbschafts-, der Schenkungssteuer sowie der Grunderwerbssteuer zugrunde zu legen sein. Dieser neue Wert wird sich aus einem Bodenwert und einem Gebäudewert zusammensetzen.
Prof. Dr. Michael Popp, Düsseldorf, blieb auch bei der Diskussion keine Antwort schuldig. |
Der Bodenwert wird aus einer noch zu erstellenden Bodenwertkarte entnommen werden können, in der der Wert des Grund und Bodens nach aktuellen Verkäufen bemessen wird. Der Wert des Gebäudes soll nach einem noch festzulegenden Preis für den Quadratmeter umbauten Raumes ermittelt werden. Auf diesen Wert wird ein Abschlag von 30% anzuwenden sein. Auch das Alter des Gebäudes wird durch einen prozentualen Abschlag Berücksichtigung finden. Als Faustformel bleibt festzuhalten, daß die bisherigen Einheitswerte mit einem Faktor von 4,0 bis 4,5 multipliziert werden können.
Erbschafts- und Schenkungssteuer
Im Gegenzug zu der Erhöhung der Grundstückswerte ist bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer eine deutliche Erhöhung der persönlichen Freibeträge vorgesehen. Demnach soll der Freibetrag für Übertragungen auf den Ehegatten 1 Mio. DM, für Übertragungen eines Elternteils auf ein Kind 750000 DM und einen Enkel 150000 DM betragen, jeweils für einen Zeitraum von 10 Jahren. Vorgesehen ist weiterhin die Reduzierung von bisher vier auf nunmehr drei Steuerklassen. Der Steuerklasse I werden zukünftig neben den Ehegatten und den Kindern auch Enkel angehören. Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wird der Höchststeuersatz bei Erwerb von mehr als 10 Mio. DM auf 25% festgesetzt. In allen Steuerklassen sind Steuersatzreduzierungen geplant.
Übertragung von Betriebsvermögen
Der derzeit bestehende Freibetrag für Betriebsvermögen in Höhe von 500000 DM, der seit 1996 um einen 25prozentigen Bewertungsabschlag erweitert worden ist, soll laut Jahressteuergesetz eine Erhöhung des Bewertungsabschlages auf 50% erhalten.
Vermögenssteuer, Gewerbesteuer
Die Abschaffung der Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer wird angestrebt. Würde sich der Gesetzgeber zu einer Neuregelung der Vermögenssteuer entschließen, so kann er für die Dauer von fünf Jahren (1997-2001) eine Übergangsregelung schaffen.
Ansparabschreibung
Laut ß 7g EStG kann erstmals für das Kalenderjahr 1995 bzw. für das Wirtschaftsjahr 95/96 eine Ansparabschreibung in Anspruch genommen werden. Kleine und mittlere Betriebe mit einem Einheitswert von 240000 DM und einem Gewerbekapital von 500000 DM sind berechtigt, für künftige Anschaffung und Herstellung eines Wirtschaftsgutes eine gewinnmindernde Rücklage von bis zu 50% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bilden. Begünstigt sind ausschließlich neue bewegliche Wirtschaftsgüter, die innerhalb der nächsten beiden Jahre angeschafft oder hergestellt werden. Die Investitionshöhe ist auf 600000 DM begrenzt. Wird keine Investition getätigt, ist die Rücklage aufzulösen und mit 6% zu verzinsen.
Die richtige Rechtsform
Unter rein steuerlichen Gesichtspunkten stellte Prof. Popp die Vorteile der Personengesellschaft heraus. Die Wahl der Rechtsform ist in Deutschland derzeit nicht steuerneutral. Will man haftungsrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigen, so bevorzugt er die Rechtsform der GmbH & Co KG als eine Konstruktion, die sowohl die steuerlichen Vorteile der Personengesellschaft als auch eine Haftungsbeschränkung beinhaltet. Allerdings sind die Vorteile des Aufbaues einer Altersversorgung für den Unternehmer in der GmbH ohne weitere rechtliche Besonderheiten auszunutzen.
Die steuerlichen Vorteile der GmbH & Co KG bestehen in der Differenz bei den Einkommens- und Körperschaftssteuersätzen bzw. bei der Ausnutzung des Gewerbesteuerfreibetrages. Um hier die Nachteile einer GmbH auszugleichen, empfiehlt Popp die Zusammenführung von GmbH’s in einen personenbezogenen Konzern mit Gewinn- und Verlustabführung. Bei dieser Konstruktion ist gewährleistet, daß auch Verluste aus einer GmbH in eine Personengesellschaft übertragen werden können. Somit könnte ein großer steuerlicher Nachteil der GmbH´s ausgeglichen werden. Eine weitere steuerliche Gestaltungsmöglichkeit besteht in der Aufteilung eines Gesamtunternehmens in zwei oder mehrere Parallelunternehmen.
Verträge des Unternehmers mit dem Unternehmen
Hier ist in erster Linie der Arbeitsvertrag des Geschäftsführers relevant. Prof. Popp führte aus, daß zunehmend Urteile zur Höhe der Geschäftsführervergütung ergehen, die die Gestaltungsmöglichkeiten wesentlich einschränken. Nach aktueller Sachlage sind 75% der Geschäftsführervergütung als Gehalt zu zahlen. Die Tantiemenvereinbarung darf 25% der Gesamtvergütung nicht übersteigen. Maximal 50% des Gewinns können als Tantieme ausgeschüttet werden. Es sollen auch schon erste Urteile bezüglich der Eingrenzung der Höhe eines Geschäftsführergehaltes ergangen sein. Hier ist aber noch von Einzelfallurteilen auszugehen.
Der Vertrag eines Geschäftsführers mit seiner Gesellschaft muß schriftlich fixiert sein. Er sollte eine Gehaltsvereinbarung, eine Tantiemenregelung, Altersversorgung, Dienstwagennutzung, betriebliche Versicherung sowie Reisekostenregelung enthalten. Die Tantieme sollte nach dem Gewinn und nicht nach dem Umsatz bemessen sein. Will ein Geschäftsführer Überstundenvergütung sowie teilweise steuerfreie Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge gegenüber seiner Gesellschaft abrechnen, so setzt dieses eine exakte Arbeitszeitregelung und prüfbare Stundenaufzeichnungen voraus.
Bei der Anrechnung für die Nutzung von Geschäftsfahrzeugen für private Zwecke sind entweder die aktuellen steuerlichen Pauschalsätze anzuwenden oder die tatsächlich privat gefahrenen Kilometer durch die lückenlose Führung eines Fahrtenbuches nachzuweisen.
Verträge mit der Familie
Bei der Beschäftigung von Familienangehörigen im eigenen Unternehmen sind Ehegattenarbeitsverträge oder Verträge mit Kindern abzuschließen. Im Rahmen dieser Arbeitsverhältnisse sind Abfindungen oder arbeitnehmerfinanzierte Pensionzusagen für Ehegatten möglich.
Im Verlauf des Vortrages wurde heftig diskutiert, und Prof. Popp blieb keine Antwort schuldig. Aufgrund seiner absoluten Fachkenntnis ist es ihm gelungen, das teilweise trockene Thema interessant und verständlich den zahlreichen Zuhörern nahezubringen. Diese bedankten sich durch gespannte Aufmerksamkeit und langanhaltenden Applaus.
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