IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14-15/1996, Seite 78 f.
MITARBEITERFÜHRUNG
Die "innere" Kündigung
Wirtschaftliche Krisenzeiten stärken das Phänomen
Horst-Dieter Bunk
In wirtschaftlichen Krisenzeiten legt ein Unternehmer meist seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Auftrags- und Ertragslage seines Unternehmens. Ein wesentliches Problem, das parallel im eigenen Bereich - dem Mitarbeiterbereich - auftritt, wird leider oft genug übersehen: Das Phänomen der "inneren" Kündigung.
In wirtschaftlichen Krisenzeiten tritt bei bestimmten Mitarbeitern ein Verhalten zutage, das Führungsfachleute mit "innerer Kündigung" bezeichnen. Bestimmte Mitarbeiter wie auch Führungskräfte, die sich bisher sehr engagiert und motiviert für "ihre" Firma eingesetzt haben, lassen sich auf einmal hängen: Sie machen Dienst nach Vorschrift. Eine Einstellung, die mit einem "Mir-ist-das-doch-alles-egal oder Zu-blöd-Verhalten" umschrieben werden kann, ist unterschwellig zu spüren. Dieses Verhalten, das zudem nicht offensiv nach Außen gezeigt wird, hat weitreichende Folgen. Es wirkt sich - wird es nicht oder zu spät bemerkt - letztendlich negativ auf das Unternehmensergebnis aus. Aus diesem Grund ist es von besonderer Wichtigkeit, daß Führungskräfte diese Motivationsveränderung der Mitarbeiter frühzeitig erkennen. Nur eine rechtzeitige Intervention und Gegensteuerung kann das Unternehmen hier vor größeren Schäden bewahren.
Perspektiven fehlen
Die innerliche Aufgabe des Engagements ist besonders bei früher sehr engagierten Mitarbeitern zu beobachten. Es überrascht aus diesem Grund die Vorgesetzten. Der Anlaß für dieses Verhalten, so haben Betriebspsychologen festgestellt, kann meist auf gravierende Führungsfehler, berufliches Scheitern der Mitarbeiter, Perspektivlosigkeit, oder auf ein eingeengtes Aufgabenfeld zurückgeführt werden. Woran liegt es nun, daß diese Gruppe von Mitarbeitern und Führungskräften "ihren" Betrieb innerlich verlassen haben und dennoch an ihrem Arbeitsplatz bleiben?
Keine Existenzangst mehr
Diese Mentalität beschränkt sich meist auf einen bestimmten Mitarbeiterkreis. Nur wer einen Arbeitsplatzwechsel nicht mehr vornehmen kann oder will und glaubt, unkündbar zu sein, kann dieses Verhalten ohne Gefahr an den Tag legen. Wer wegen einer vertraglichen, sozialen oder fachlichen Absicherung keine Kündigung zu befürchten hat, setzt die eigene Existenz durch ein derartiges Verhalten nicht aufs Spiel; der Mitarbeiter geht kein Risiko ein. Als besonders anfällig gelten, so haben Untersuchungen ergeben, insbesondere folgende Mitarbeitergruppen:
- der langjährige (fast) unkündbare Mitarbeiter,
- der kurz vor der Rente oder Pensionierung stehende,
- der hochqualifizierte Mitarbeiter, der durch den Arbeitsmarkt nur schwer zu ersetzen ist,
- der einzige Spezialist in der Firma oder Region.
Aber auch Konzessionsträger aus dem Mitarbeiter- oder Führungsbereich zeigen mitunter dieses Verhalten. Mitarbeiter die keine Aufstiegsmöglichkeiten (mehr) haben oder denen sie verbaut wurde, zählen ebenso dazu.
Führungsfehler als Ursache
Die innere Kündigung hat meist sehr viel tiefersitzende Gründe als es oberflächlich scheint. Deren Ursachen liegen nicht unbedingt bei den Mitarbeitern. Führungsfehler der Vorgesetzten zeigen hier ihre schwerwiegenden Folgen. Wer (noch) autoritäres Führungsverhalten an den Tag legt und im wesentlichen zur Motivation der Mitarbeiter Geldanreize bietet, arbeitet mit Führungsstilen, die nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Sie motivieren in keinem Fall, oder jedenfalls nicht dauerhaft. Eine Führungskraft, die sämtliche Entscheidungen selbst fällt, alles nur über den eigenen Schreibtisch laufen läßt, alles am besten weiß, durch Informationsweitergabe Machtverlust befürchtet und dies alles auch ständig zum Ausdruck bringt, hinterläßt eine breite Spur der Resignation. Betrachten und behandeln Führungskräfte ihr Kapital "Mitarbeiter" als durchschnittlich oder als unzulänglich, so müssen sie sich über das beschriebene Verhalten nicht wundern. Es sind nur die Folgen ihres falschen Führungsverhaltens.
Geldanreize allein helfen nicht
Mitarbeitermotivation und Leistung ausschließlich mittels Geld zu erreichen, ist demnach ein gravierender Führungsfehler und zeugt von Nichtkenntnis moderner Personal- und Unternehmensführung! Diese Art der Motivation führt für die Betriebe langfristig in eine Sackgasse. Krisenzeiten, in denen das Phänomen der "inneren Kündigung" auftritt, sind bekanntlich auch Zeiten knapper Mittel. Wurden die Mitarbeiter in guten Zeiten vorwiegend mittels Geldzulagen ruhig gestellt und so bei der Stange gehalten, hat das Unternehmen jetzt in Zeiten knapper Mittel doppelte Probleme: im Finanz- und Mitarbeiterbereich. Außerplanmäßige Gehaltserhöhungen oder ansehnliche Prämien, die von eventuell unabkömmlichen Mitarbeitern verlangt werden, damit sie nicht abwandern, sollten generell Ausnahmefälle sein. Führungsfachleute haben schon immer vor dem übermäßigen Einsatz des Instruments Geldanreiz gewarnt! Einer Schlüsselkraft, so meinen sie, sollte nicht der Arbeitsplatz "vergoldet" werden, nur weil ihr Vorgesetzter unfähig ist, sie richtig zu führen und zu motivieren. Oft kam der Bruch nach einiger Zeit doch; die goldenen Ketten hielten nur kurze Zeit. Wer überzeugend führt, Kenntnisse moderner Personal- und Unternehmensführung besitzt und diese Kenntnisse auch umsetzt, läßt die geschilderten Probleme gar nicht erst entstehen oder aber sehr bald verfliegen. Zeitgemäße Mitarbeiterführung wird zum Schlüsselproblem jedes Führungsverhaltens und somit auch zur Grundlage kostenorientierter Unternehmensführung.
Was sind Führungsfehler?
Nur die Führungskraft, die weiß, welche Fehler gemacht werden können und die zudem in der Lage ist, das eigene Verhalten zu reflektieren, kann diese Fehler im eigenen Unternehmen vermeiden. Die folgende Auswahl möglicher Führungsfehler kann dazu dienen, eigenes Führungsverhalten zu überprüfen. Die häufigsten Führungsfehler von Vorgesetzten sind:
- Eingriffe in den Aufgabenbereich unterstellter Mitarbeiter,
- Abweisen von Informationen, die von "unten" kommen,
- Chefentscheidungen werden ohne Erklärungen und ohne Sinnzusammenhang angeordnet,
- für Erfolge ist nur der Chef zuständig,
- Mißerfolge und deren Folgen haben nur die Mitarbeiter verursacht,
- eigene Fehlentscheidungen werden vertuscht,
- fehlende oder unzureichende Übertragung von Kompetenzen,
- Übertragung einer Unzahl von Aufgaben, die selbst als lästig empfunden werden,
- alles über meinen Schreibtisch,
- demotivierende Kontrollen und ständiges Mißtrauen,
- absprechen der Kompetenz der Mitarbeiter,
- kein Handlungsspielraum bei der Aufgabenerfüllung,
- Verantwortung trägt nur der Chef,
- keine Stellvertretung leitender Stellen.
Abschied von der autoritären Führung
Die aufgeführten Beispiele verdeutlichen eindrucksvoll, daß Mitarbeiter heutzutage höhere Ansprüche an die Führungsqualitäten ihrer Vorgesetzten stellen. So darf nicht ignoriert werden, daß die Schwierigkeit der Mitarbeiterführung in gleichem Maße ansteigt wie die Entwicklung unserer Gesellschaft. Das Selbstbewußtsein unserer Mitarbeiter entwickelt sich ständig, sie benötigen daher unbedingt entwicklungsfähige und selbstbewußte Vorgesetzte. Führungskräfte werden aus diesem Grunde heutzutage nach Persönlichkeit, Durchsetzungsvermögen, Überzeugungskraft und Motivationsstärke beurteilt. Sie benötigen zur effizienten Mitarbeiterführung Selbstdisziplin, Pragmatismus, gesundes Selbstvertrauen und gesunden Menschenverstand. Das bedeutet, daß eine Führungskraft von nur formaler Autorität Abschied nehmen muß. Titel und Rangstufen bilden keine Führungsgrundlage mehr. Wer als Vorgesetzter nicht durch Sachkunde und dem Wissen um Menschenführung zu überzeugen vermag, ist nicht mehr in der Lage, seine Mitarbeiter zu motivieren - Weiterbildung tut not! Moderne Mitarbeiterführung verlangt die Weitergabe von Kompetenz, Verantwortung und Informationen an die Mitarbeiter. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter am Führungs- und Entscheidungsprozeß! Mitarbeiter- und situationsorientierte Führung ist ein geeignetes Instrument, das auch dem Phänomen der "inneren Kündigung" wirkungsvoll entgegenwirken kann.
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