IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14-15/1996, Seite 48 ff.


REPORT


Besonders empfehlenswert für Technikfans: Das Zuiderzeemuseum im nordholländischen Enkhuizen. Im Freilichtmuseum, einem "lebendigen Museumsdorf" (daneben gibt es auch ein Innenmuseum) wird der Eindruck bezüglich des Wohnens und Arbeitens rund um die Zuiderzee in der Zeitspanne zwischen 1880 und 1930 vermittelt. Gerade dieser Zeitraum macht das Museum für SHK-Handwerker interessant, da auch Heizungs- und Pumpenanlagen zu besichtigen sind.

Traditionell sind die Niederländer mit dem Lebenselixier "Wasser" eng verbunden: Nicht selten leidvoll. Doch Hochwasserkatastrophen und Überflutungen lehrten die Menschen den Umgang mit dem kühlen Naß. Heute genießen die Niederländer den Ruf der Weltmeister unter den Wasserbauern. Imposante Bauwerke und eindrucksvolle Museen zeugen von ihrem Einfallsreichtum.

Wo noch vor 65 Jahren die Gezeiten den Tagesablauf der Menschen bestimmten, befindet sich heute einer der größten Binnenseen Europas: Die ehemalige Zuiderzee wurde, durch den Bau des Abschlußdeiches zwischen Den Oever in Nordholland und Kornwerderzaand in Friesland, zum Ijsselmeer (im niederländischen verwendet man den Begriff "zee" für das deutsche "meer" und den Begriff "meer" für das deutsche "see").

Endlich sicher

Am 28. Mai 1932 wurde das letzte Loch im Abschlußdeich gedichtet. Dadurch wurde die salzige Zuiderzee allmählich zum süßen Binnengewässer. Nach einem fast ewigen Kampf gegen die Naturgewalten hatten die Niederländer es endlich geschafft, auch dieses Gebiet vor Überflutungen zu sichern (insgesamt wurde nahezu die Hälfte des Grund und Boden in den Niederlanden der See abgetrotzt). Heute ist das Ijsselmeer eines der größten Trinkwasserreservate Europas, das, vor allem in heißen Sommern, schon einige Male vor dem Kollaps stand.

Die Sicherheit von Mensch und Tier hatte aber auch gravierende Folgen für die Bevölkerung: Die wichtigste Existenzgrundlage, die Fischerei, wurde den Bewohnern an der Zuiderzee genommen, Inseln waren jetzt mit dem Festland verbunden und ehemalige Hafenstädte lagen plötzlich im Binnenland. Die meisten Fischer verloren die Aussicht auf eine gesicherte Existenz und mußten ihren Beruf aufgeben. Davon waren natürlich auch die von der Fischerei abhängigen Betriebe wie Räuchereien, Böttchereien, Korbmacher, Segelmacher und Werften betroffen.

Funktionsschema der Dampfwäscherei.

Bereits damals fürchtete man, daß wichtige Erinnerungen sehr schnell in Vergessenheit geraten würden und plante ein Museum. Doch es sollte noch bis 1983 dauern, ehe die Pläne Wirklichkeit wurden.

15 Jahre hat allein der Bau des Museums in Anspruch genommen. Dabei gingen die Niederländer mit größter Gewissenhaftigkeit ans Werk. Nicht Rekonstruktionen stellten für die Verantwortlichen das non plus ultra dar, sondern Originale. Ganze Kirchen, Bauernhöfe, Fischerhäuser, Hafenanlagen usw. wurden demontiert und auf dem Land- oder Wasserweg nach Enkhuizen verfrachtet. Dort angekommen begann der detailgetreue Wiederaufbau. Selbst die Lage der Originalstandorte wurde eingehalten.

Im Stil der Jahrhundertwende

Ungefähr 130 Gebäude aus 42 verschiedenen Orten zählt das Freilichtmuseum. Viele der Gebäude sind komplett eingerichtet und unzählige Geschichten über Lebensgewohnheiten und Schiksale sind dort dokumentiert. Doch damit nicht genug: Durch zahlreiche Aktivitäten und Präsentationen fühlt man sich als Besucher in die Vergangenheit zurückversetzt.

Die Windwassermühle von Hemelum reguliert den Wasserstand nach dem Archimedes-Prinzip.

Im Urker Viertel spielen Museumsarbeiter das Wohnen und Arbeiten, wie es sich um 1905 auf der Insel Urk abspielte. Darüber hinaus zeigen u.a. Schmiede, Segelmacher, Böttcher und Korbmacher die handwerkliche Kunst der Jahrhundertwende. Natürlich kommt auch der Bootsbau und die Fischerei nicht zu kurz. Und der frisch geräucherte Fisch ist sozusagen "vom Feinsten".

Kampf gegen das Wasser

Landgewinnung ist ein ständiges Thema für die Niederländer - auch heute noch. Selbst das Land hinter den Deichen, die Polder - die Beinahekatastrophe von 1994 gilt als letzter Beweis - sind ständig von Wasser bedroht. Komplizierte Systeme, bestehend aus Deichen, Gräben, Mühlen und Schleusen, dienen zur Regulierung des Wasserhaushaltes.

Gleich mehrere Beispiele dieser Art der Landgewinnung und -sicherung zeigt das Freilichtmuseum. Imposant: Die Windwassermühle von Hemelum, die ab Mitte des vorigen Jahrhunderts bis 1947 ein ca. 50 ha großes Gelände entwässerte. Das Prinzip ist gut zu erkennen: Überflüssiges Wasser (Regen- oder durch die Deiche gesickertes Kuverwasser) wird in Gräben und Kanälen gesammelt und bei einem bestimmten Wasserstand von der Wasserwindmühle abgepumpt.

Kernstück der Dampfwäscherei: Das Kesselhaus. Von 1904 bis 1934 sorgte der Heizer Berend van Ommen für gleichmäßig brennendes Feuer, das auch nachts nicht ausgehen durfte. Der heiße Dampf trieb einen Kolben an, der über einen Lederriemen die Waschtrommeln drehte. ...

Abgepumpt? Ja, abgepumpt! Die Wasserwindmühle treibt eine hölzerne Schraubenwinde an, die nach dem Archimedes-Prinzip arbeitet. Und dieses Prinzip ist die Urform der heute bekannten Pumpen. Überschüssiges Wasser gelangt auf diese Weise über eine Spülschleuse ins Ijsselmeer.

Unter Dampf

Die ehemalige Wäscherei der Familie van der Kamp verfügt über erstaunliche Technik. Das ehemals in Ijsselmuiden ansässige Unternehmen war um die Jahrhundertwende einer von vier Wäschereibetrieben am Ijsselmeerdeich. Wohlhabende Bürger aus größeren Städten wie Amsterdam oder Den Haag zählten zur Kundschaft.

Van der Kampīs Wäscherei erlangte eine gewisse Berühmtheit, bleichte man die Wäsche doch noch nach alter Art und Weise. Dazu wurde die Wäsche zunächst in ein Säurebad getaucht und anschließend, zum bleichen in der Sonne, auf Bleichfeldern ausgelegt. Die ständig größer werdende Wäschemenge verlangte schließlich nach mechanisierten Arbeitsverfahren. So trieb z.B. ein Pferd die hölzerne Waschanlage an.

Doch was hat die Wäscherei mit SHK-Technik zu tun? 1910 ersetzte van der Kamp die Pferdekraft durch eine Dampfmaschine. Sie trieb nicht nur große Waschtrommeln an, der Dampf wurde auch zur Produktion von Seife, für die Warmwasserbereitung und für die auf dem Dachboden installierte Zentralheizungsanlage genutzt.

... Darüber hinaus wurde die Energie für die Heizung auf dem Dachboden und für die Produktion von warmem Wasser genutzt.

In einem solchen Betrieb hatte keiner der Mitarbeiter einen leichten Job. Chlordampf und Seifenlauge machten den Waschfrauen und Knechten schwer zu schaffen und Spüler saßen nach vorn gebeugt auf dem Steg, um die Wäsche im Graben zu spülen. Allesamt Knochenarbeit, auch für den Heizer im Kesselhaus, der täglich den Kessel mit Kohle unter Dampf setzen mußte.

In der Hauptsaison heutiger Ferienzeiten ist der gesamte Arbeitzsprozeß identisch. Morgens in aller Frühe werden der Kessel befeuert, die Waschtrommeln mit Wäsche gefüllt und aufmerksam und vorsichtig die ledernen Transmissionsriemen um die Antriebswellen gelegt, bevor schnaufend, über eine Triebstange in Gang gesetzt, die Waschtrommeln anfangen können zu rotieren.

"Frühgeschichtlicher" Warmwasserbereiter in einem Frisörsalon der Jahrhundertwende.

Jetzt gilt es ständig für genügend Dampf zu sorgen. Nach dem eigentlichen Waschvorgang wird die Wäsche im Graben ausgespült, auf das Bleichfeld gelegt, durch den Dampfwringer gezogen, ausgeschlagen (um Trockenfalten zu vermeiden) und auf Trockenständern auf dem Dachboden getrocknet. Das dort installierte Heizungssystem (ringförmig in dem gesamten Raum angebrachte Konvektoren) unterstützt den Trockenprozeß.

Fazit

Das Zuiderzeemuseum in Enkhuizen ist immer eine Reise wert. Für jeden. Detailtreue und perfekte Inszenierung lassen den Gedanken an eine Zeitreise aufkommen. Vergleichbar ist das Hagener Handwerksmuseum, das eine ähnliche Zielsetzung verfolgt.

Daten und Fakten

Freilichtmuseum

Besteht seit 1983 als lebendiges "Museumsdorf" mit 130 Gebäuden aus 42 verschiedenen Orten und Museumshafen.

Themen: Leben und Arbeiten um die Jahrhundertwende an der ehemaligen Zuiderzee. Naturgebiet mit u.a. einem Bauernhof aus der Bronzezeit.

Öffnungszeiten:5. April bis 27. Oktober täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Eintrittspreise:
Erwachsene 15,- Hfl, Senioren (+ 65) 12,- Hfl, Kinder (4 - 12 Jahre) 10,- Hfl, Kinder (unter 4 Jahre) gratis.

Innenmuseum

Besteht seit 1950 in einem Komplex restaurierter Gebäude der Vereinten Ost- und Westindischen Handelskompanie aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Themen: Verschiedene Ausstellungen über sieben Jahrhunderte Zuiderzeegeschichte und Schiffshalle.

Öffnungszeiten: Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr. Das Innenmuseum ist ab 12. August 1996 bis Mitte 1998 wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten geschlossen. Einige Neueinrichtungen und Ausstellungen bleiben bis zum 27. Oktober 1996 zugänglich.

Eintrittspreise:
Erwachsene 5,- Hfl, Senioren (+ 65) 4,- Hfl, Kinder (4 - 12 Jahre) 4,- Hfl, Kinder (unter 4 Jahre) gratis.

Weitere Informationen:
Zuiderzeemuseum, Postbus 42
1600 AA Enkhuizen (NL)
Tel.: 0031228310122


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