IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 12/1996, Seite 3


EDITORIAL


Falscher Werfer mit richtigem Lasso?

Frank Linnig

Wirtschaftskorrespondent der
IKZ-HAUSTECHNIK

Wie heißen die zwei derzeit bekanntesten deutschen Bad-Städte? Ganz klar: Viernheim und Hanau. Einer breiteren Öffentlichkeit bisher und künftig - wenn überhaupt - wohl nur durch häufigere Autobahn-Staumeldungen geläufig, halten sie manche in der dreistufigen Sanitärwelt jetzt gar für den Nabel derselben. Beim (Reiz-)Wort genommen, kommt das auch hin, geht’s doch in der Tat um eine schöne, große "Bäderwelt". Genauer: Um den neuen Einzelhandels-Coup von Thyssen Handelsunion und Bauhaus bzw. seine beiden Pilotprojekte.

Getreu der Devise "Diskutiert und teilweise schwadroniert wurde lange genug" machte der Düsseldorfer Handelsgigant Nägel mit Köpfen und realisierte ein Fachgeschäftskonzept, das dem klassischen Vertriebsweg entflohene Verbraucher wieder einfangen soll. So jedenfalls heißt es. Als Lasso dient primär die komplette Badleistung (Markenprodukte und Montage inklusive) zu festen Preisen und ebensolchen Terminen. Klingt im Prinzip sehr vernünftig - und ist es sicher auch.

Ungeachtet dessen scheint der Vorstoß die Sanitärbranche in ihren - freilich ohnehin nicht mehr so stabilen - Grundfesten zu erschüttern. Während die Industrie einen "Schritt in die richtige Richtung" lobt (s. Interview mit DSI-Sprecher Wolfgang H. Molitor in diesem Heft), läuft das Handwerkslager Sturm. Es attackiert so ziemlich alles; von der Wahl des Mit-Gesellschafters Bauhaus über die "völlig unzureichende" Einbindung der Installateure bis zur generellen Konzernstrategie, die ja in Gestalt von Thyssen Schulte auch auf dem Großhandelsgleis fahre. Was die derart Gescholtenen zu den Vorwürfen sagen, ist auf den Seiten 43 bis 57 nachzulesen.

Respekt verdient ihr Entschluß, ihr "Bäderwelt"-Engagement nicht insofern zu vertuschen, als sie es über irgendeine anonyme Firma abwickeln und damit "offiziell" außen vor bleiben. Diese Eindeutigkeit fehlte jedoch bei der gesamten Informationspolitik völlig. Hier muß sich Thyssen gravierende Versäumnisse z.B. auf dem Feld der rechtzeitigen Fachpressearbeit und damit der nötigen "Breitenwirkung" ankreiden lassen. Statt dessen folgte man "dem Rat aller Experten" (das können nur selbsternannte gewesen sein) und trat "zunächst den Marsch durch die Instanzen" an. Dabei läuft einem bekanntlich schnell die Zeit davon; besonders dann, wenn konkrete (Eröffnungs-)Termine im Raum stehen. Wer die Aufklärungsfunktion so "blauäugig" wahrnimmt, darf sich letztlich weder über bundesweit verschickte Aktenvermerkkopien noch darüber wundern, daß die Inflation von Gerüchten, Eigeninterpretationen und "Hast Du schon gehört?"-Wissen irgendwann jede Sachdiskussion tötet.

Die hätte zum Beispiel auf der Basis eines VDS-Papieres erfolgen können, das seit einigen Wochen ebenfalls kursiert. Darin einigten sich alle drei Vertriebsstufen auf eine gemeinsame "Sprachregelung" in punkto "Einzelhandel". Zitat: "Die Einzelhandelsfunktion ist vorrangige Aufgabe des Handwerks. Es muß jedoch jedem anderen Investor (Industrie, Großhandel und andere) möglich und erlaubt sein, auf diesem Sektor aktiv zu werden, soweit Qualitäts- und Leistungsanforderungen akzeptiert werden. Das unternehmerische Engagement darf von der Branche nicht diskriminiert werden (u.a. Logistik, Preisgestaltung), soweit die Regeln des fairen Wettbewerbs beachtet werden."

Daran gemessen, ist "Bäderwelt" eine der neuen Einzelhandels-Versionen, an die sich die sanitäre Szene gewöhnen muß. Vermutlich bereitet das dem Endverbraucher die wenigsten bis gar keine Schwierigkeiten. Der Rest wird sich schon finden - im Abwarten hat die Branche ja Übung genug.


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