IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/1996, Seite 16 ff.
HOTLINE
Betriebliche Finanzierung
Christian Weber*
Viele Gründe sprechen für eine frühzeitige, wohldurchdachte Auswahl der betrieblichen Finanzierung. Dabei gilt: Es ist nie zu früh, aber häufig zu spät! Die Redaktion der IKZ-HAUSTECHNIK hat sich daher entschlossen, eine Hotline zum Thema "Betriebliche Finanzierung" als kostenfreie Dienstleistung exklusiv für unsere Leser einzurichten. Im folgenden werden Grundzüge der betrieblichen Finanzierung dargestellt. Letztlich weist jedes Unternehmen Besonderheiten auf, über die auf Basis spezifischer Informationen gesprochen werden muß. Hierzu soll die im Juni vorgesehene Hotline Gelegenheit geben. Dieser Beitrag soll Sie, liebe Leser, bei der Auswahl Ihrer Fragen an unseren Finanzexperten unterstützen.
Modellbilanz und Finanzierungsherkunft
Anhand der nachfolgenden beispielhaften Modellbilanz sollen Zusammenhänge veranschaulicht werden:
Aktiv | Passiv |
Anlagevermögen | Eigenkapital |
Immobilien | Haftkapital |
Maschinen | Gesellschafterdarlehen |
Gewinne | |
Umlaufvermögen | Fremdkapital |
Forderungen | Verbindlichkeiten Banken |
Waren | Verbindlichkeiten Lieferanten u. Dritte |
Für unser Thema ist letztlich die gesamte Passivseite einer Bilanz zu behandeln. Die Finanzierung eines Unternehmens teilt sich grundsätzlich auf in eigene Mittel und Fremdkapital.
Das Eigenkapital wird vom Gesellschafterkreis entweder in Form von Geldeinbringung zur Anschaffung von Vermögen oder als Sacheinlage erbracht. Das Eigenkapital bietet das substantielle Rückgrat eines Unternehmens und sollte stets so bemessen sein, daß auch wirtschaftlich schwache Zeiten hiermit überbrückt werden können. Aus der Sicht Dritter dokumentiert die Eigenkapitalquote die Identifikation der Gesellschafter mit ihrem Unternehmen.
Teilweise legen dem Unternehmen verbundene Personen oder Firmen auch Gelder in Form einer stillen Beteiligung ein, die eigenkapitalähnlichen Charakter hat. Nach außen treten diese Beteiligungsgeber als Gesellschafter nicht in Erscheinung, haben aber je nachdem, ob sogenannte typische oder untypische stille Beteiligungen bestehen, ähnliche Rechte und Pflichten wie der Gesellschafterkreis hinsichtlich Informationen über den Geschäftsverlauf und Gewinn- bzw. Verlustzuteilungen.
Fremde Mittel stehen einer Firma in Form von Forderungen Dritter zur Verfügung. Wesentlichstes kurzfristiges Finanzierungsinstrument im laufenden Geschäftsbetrieb dürfte die Lieferantenverbindlichkeit sein.
Sofern für ein Unternehmen die Möglichkeit besteht, auf Ziel, d.h. mit einer vereinbarten Verzögerung nach Warenerhalt, zahlen zu können, scheint dies grundsätzlich eine sehr günstige Form von Kredit zu sein, da für die Verbindlichkeit von seiten der Lieferanten kein Zins erhoben wird. Allerdings ist dem Preis eines Gutes bei Zielzahlung stets die Skontozahlung gegenüberzustellen. Hierbei besteht zu einem Sofortabschlag von z.B. 2% auf die Rechnungssumme praktisch keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative, sofern die entsprechende Liquidität vorhanden ist.
Die wesentlichste Position für die Finanzierung eines Unternehmens nimmt neben den Gesellschaftern letztlich der Bankenbereich ein. Üblicherweise hat ein Kreditinstitut die Hausbankfunktion und betreut den Betrieb in allen Belangen. Von der normalen Betriebsmittelfinanzierung in Form z.B. eines Barkredites oder Diskontkredites zum Ankauf von Handelswechseln über feste Investitionsdarlehen für die Anschaffung von Maschinen bis hin zur langfristigen Finanzierung von Immobilien wird alles aus einer Hand dargestellt.
Im langfristigen Bereich werden bei Immobilienfinanzierungen teilweise hierauf spezialisierte Hypothekenbanken eingeschaltet. Diese betreiben allein das Immobiliengeschäft und sind daher häufig auch von der Kondition für einen Kredit im Rahmen der bestehenden Finanzierungsgrenzen (bis zu 60% des Objektwertes) für die Kreditnehmer attraktiv.
Fördermittel
Bei der Finanzierung von Anlagevermögen oder Gründungsvorhaben besteht zudem die Möglichkeit, bei der / oder über die jeweilige Hausbank zinsverbilligte Kredite aus Landes- oder Bundesmitteln, z.B. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), in Anspruch zu nehmen. Diese Fördermittel sind allerdings streng zweckgebunden und nur anteilig zur Finanzierung von Investitionen heranzuziehen. Die verbleibenden Beträge von z.B. beim KfW-Mittelstandsprogramm 25% müssen vom Unternehmen selbst oder durch Hausbankkredite dargestellt werden.
Spezialinstitute und Finanzierungsstruktur
Neben den üblichen Kreditgebern gibt es Spezialinstitute, die sich bestimmten Geschäftsfeldern verschrieben haben. So bietet das Factoringverfahren die Möglichkeit, Forderungen vom Unternehmen an den Factor (= Factoringgesellschaft) unter Abzug bestimmter Kosten und Zinsen zu verkaufen. Der Factor kümmert sich dann auch um den Forderungseinzug sowie das Mahnwesen und entlastet das Unternehmen zusätzlich in logistischer Hinsicht.
Das Leasingverfahren bietet die Möglichkeit, Anlagevermögen überlassen zu bekommen, ohne es kaufen zu müssen. Der geleaste Gegenstand bleibt Eigentum der Leasinggesellschaft und geht für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum zur Nutzung in das Unternehmen über. Am Ende dieses Zeitraumes besteht dann die Möglichkeit, das Investitionsgut zu vorher vereinbarten Konditionen zu übernehmen oder aber an den Leasinggeber zurückzugeben und somit nicht selber für den Verkauf Sorge zu tragen.
Grundsätzlich sollte die Finanzierungsstruktur im Unternehmen stets so beschaffen sein, daß das Anlagevermögen durch Eigenkapital und langfristige Kredite gedeckt oder besser überdeckt werden. Dadurch wird vermieden, daß bei einem Liquiditätsengpaß zur Bedienung kurzfristiger Verbindlichkeiten z.B. eine Maschine verkauft werden muß und dem Unternehmen so die Basis der wirtschaftlichen Existenz entzogen wird.
Das Umlaufvermögen, das nicht durch langfristige Darlehen oder Eigenkapital gedeckt ist, kann dann durch Barkredite, Factoring, Lieferanten usw. finanziert werden. Der "Puffer" für Liquiditätsengpässe oder die Finanzierung evtl. entstandener Verluste bleibt stets das Eigenkapital, so daß es im Interesse des Unternehmens wie auch der Gesellschafter selbst sein muß, hier ausreichende Mittel bereitzustellen und Reserven zu schaffen sowie diese Basis durch eine vernünftige Entnahmepolitik zu erhalten.
Materielle Erfordernisse
Nachdem vorstehend auf Wege und Strukturen der betrieblichen Finanzierung eingegangen wurde, soll nun Grundsätzliches über materielle Erfordernisse aus Banksicht genannt werden.
Wesentliche Grundzüge der Anforderungen, die für eine Finanzierung an ein Unternehmen gestellt werden, gibt bereits die Rechtsform der Gesellschaft vor. Gesellschafter einer Einzelfirma, oHG oder die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft haften über das im Unternehmen befindliche Haftkapital hinaus auch persönlich für betriebliche Verbindlichkeiten, z.B. im Insolvenzfall. Neben der Bilanz der Unternehmung wird daher stets auch die Vermögensbasis des vollhaftenden Gesellschafters bewertet werden. Die Vermögenssphären sind aufgrund des über die wirtschaftlichen Zusammenhänge hinaus gegebenen Haftungsverbundes nicht zu trennen und müssen als Ganzes gewertet werden.
Bei Kapitalgesellschaften oder Mischformen, wie z.B. der GmbH & Co. KG, ist die Haftbasis auf die im Unternehmen befindlichen Kapitalien beschränkt. Falls neben Stammeinlagen oder aufgelaufenen Gewinnen noch Darlehen der Gesellschafter in der Firma sind, haften diese nicht automatisch den Gläubigern der Gesellschaft für deren Forderungen.
Gleiches gilt normalerweise für Einlagen stiller Gesellschafter. Nur falls sich dieser Personenkreis über eine Bürgschaft oder Rangrücktrittserklärung weitergehend verpflichtet, können die Darlehen als haftende Masse angesehen werden.
Kurzfristige Kredite werden von den Banken je nach wirtschaftlicher und materieller Verfassung eines Unternehmens entweder ohne Besicherung oder mit sicherheitenmäßiger Unterlegung gegeben. Zur Besicherung von Betriebsmittelkrediten werden teilweise auch kurzfristige Sicherheiten gestellt. Hier sind die Lager-Sicherungsübereignung, die Abtretung von Forderungen (Zession) oder Verpfändung bestehender liquider Mittel beispielhaft zu nennen.
Der Wert von Sicherungsübereignungen oder Zessionen für eine Bank ist unter kritischen Ansätzen sehr begrenzt, da zunächst von den vorhandenen Umlaufvermögensteilen die bestehenden Lieferantenverbindlichkeiten wegen Eigentumsvorbehaltes subtrahiert werden. Von der dann verbleibenden Position werden Sicherheitsabschläge zwischen 30% und 50% gemacht, da im Verwertungsfall erfahrungsgemäß von Bankseite weder zur üblichen Marktkondition Ware verkauft werden kann, noch Schuldner einer Gesellschaft bei Bekanntwerden einer Insolvenz auf erstes Anfordern ohne neuerliche, sehr kritische Bewertung der gelieferten Ware zahlen.
Bei der Finanzierung von beweglichem Anlagevermögen werden ebenfalls Abschläge vorgenommen, da diese Güter im Verwertungsfalle nur selten zu Zeitwerten oder marktüblichen Preisen von einer Bank verkauft werden können.
Die Finanzierung von Maschinen wird auch aufgrund dieser Problematik stets nur über die wirtschaftliche Lebensdauer auf Basis des Abschreibungszeitraumes vorgenommen. Zudem wäre es nicht sinnvoll, Kredite für ein bereits abgeschriebenes Wirtschaftsgut bedienen zu müssen und dem Betrieb so Mittel zu entziehen, die zur Finanzierung neuer Investitionen notwendig wären.
Bei allen langfristigen, d.h. länger als vier Jahre laufenden Krediten ist eine absolut sichere Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung einer Firma kaum möglich. Daher besteht für eine Bank hier ein grundsätzliches Besicherungsbedürfnis an langlebigen Wirtschaftsgütern.
Bei vorhandenem Immobilienbesitz ist eine Absicherung über Grundschulden üblich, wobei die Immobilienfinanzierungen für Gewerbebetriebe über längstens zehn Jahre laufen sollten.
Die Bewertung einer Gewerbeimmobilie unterscheidet sich grundsätzlich von der Beurteilung selbstgenutzter Wohngebäude, die auf Basis der Gestehungskosten vorgenommen wird. Eine Gewerbeimmobilie wird auf Ertragswertbasis bewertet. Hierbei wird der marktüblich zu erzielende Mietpreis kapitalisiert und auf die wirtschaftliche Lebensdauer der Gewerbeimmobilie hochgerechnet, die je nach Bauweise zwischen 50 und 80 Jahren liegt. Die Lage spielt hierbei eine besondere Rolle, da die Infrastruktur für eine gewerbliche Liegenschaft von hoher Bedeutung ist.
Ein schwieriges Thema ist zudem die Bemessung des Altlastenrisikos bei der Übernahme von bestehenden Gebäuden, die zuvor als Produktionsflächen genutzt wurden. Von den ermittelten Beleihungswerten nimmt die Bank dann auch hier einen Wertabschlag vor, um dem Verwertungsrisiko bei einer Insolvenz und den entsprechend niedrigeren zu erzielenden Preisen Rechnung zu tragen.
Neben den üblichen Krediten gibt es zur Risikobegrenzung herangezogene Instrumente in Form von Bürgschaften oder Garantien. So wird häufig die Absicherung von Garantieverpflichtungen eines Lieferanten über ein Gewährleistungsaval erforderlich. Die Gegenposition wäre die Absicherung der Zahlung des Waren- oder Leistungsempfängers durch eine Zahlungsbürgschaft. Sofern zwischen den Vertragspartnern eine Anzahlung vereinbart wurde, kann diese ebenfalls durch eine Bankbürgschaft dahingehend abgesichert werden, daß bei nicht ordnungsgemäßer Lieferung der angezahlten Ware die Bank die bereits geflossene Anzahlung zurückerstattet.
Die Summe der im Kundenauftrag herausgelegten Avale wird von der Bank in einem separaten Kreditrahmen zusammengefaßt, der dem Unternehmen zur Verfügung steht. Es handelt sich hierbei um Eventualverbindlichkeiten der Bank, die in der Kundenbilanz nicht ausgewiesen werden müssen. Da eine Bank keine Produktions- oder Dienstleistungen für Firmen erbringen kann, wird stets nur die Zahlung von Geld zugunsten des Begünstigten in die Bürgschaft aufgenommen.
Weil eine Prüfung der der Bürgschaft zugrundeliegenden Leistung bei Anforderung des Bürgschaftsbetrages von Bankseite ebenfalls nicht möglich ist, werden die Bürgschaften so gestellt, daß die Bank auf erstes Anfordern bei Nennung des entsprechenden Grundes ohne Prüfung der Berechtigung dieses Anspruches zahlen muß. Die Beiziehung einer Bankbürgschaft empfiehlt sich insbesondere im Fall einer Geschäftsabwicklung mit Neukunden.
Fragen zum Gesamtkomplex der betrieblichen Finanzierung wird der Verfasser dieses Artikels gern im Juni beantworten. Allen Lesern sei an dieser Stelle ein guter geschäftlicher Erfolg - auch als Basis zur Erfüllung der eingegangenen finanziellen Verpflichtungen - gewünscht.
* Christian Weber, Direktor der Dresdner Bank AG und Leiter der Filiale Arnsberg - Neheim-Hüsten.
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