IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1996, Seite 74 f.


SANITÄR


Konsens oder Frust

Möglichkeit und Grenzen der physikalischen Wasserbehandlung

Auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Umwelt-Akademie und der Hamburger Wasserwerke wurde am 16. Februar die Thematik der Physikalischen Wasserbehandlung erörtert. Derzeitiger Wissensstand sowie Möglichkeiten und Grenzen dieses Verfahrens sollten dargestellt und diskutiert werden. Die Leitung dieser Fachtagung hatte Dr.-Ing. Hanno Hames, Technischer Geschäftsführer der Hamburger Wasserwerke.

"Nichts Neues von der physikalisch-chemischen Front" oder "Wissenschaftler führten Verbalattacken", könnten die Überschriften dieser Tagung gewesen sein. Die Referenten des Seminars bemühten sich in ihren Vorträgen um Sachlichkeit, doch während der Diskussionsrunden fanden sich die Dozenten in alten Argumentationsschienen wieder, die oftmals emotional besetzt waren und keinen Raum für Konsensgespräche ließen.

Ziele und Inhalte

Ziel des Veranstalters war es, die Vertreter der chemisch-physikalischen Grundlagenforschung, der angewandten Forschung, der Gerätehersteller, der Anwenderseite, der Wasserversorgungsunternehmen und der Installationstechnik zusammenzuführen, um eine sachorientierte Auseinandersetzung mit diesem Thema zu erreichen.

Die über 100 Teilnehmer der Veranstaltung hatten die Möglichkeit sich über den derzeitigen Wissensstand der physikalischen Wasserbehandlung zu informieren. Die von vielen Fachleuten erhofften Ansätze zu einer gemeinsamen Erarbeitung neuer Wege zur wissenschaftlichen Beweisführung konnten nicht erfüllt werden. Vielmehr war in den Diskussionsrunden eine Verhärtung der Standpunkte festzustellen.

Dr. Wögerbauer und sein "Tischtennisballmodell" zur Verdeutlichung der Raumstrukturen der Kalkkristalle.

Der Referent Dr. Andreas Burger, Rehau, sprach über die wissenschaftlichen Grundlagen und Erklärungsmodelle und hält die Anwendung der Technologie für sinnvoll, wenn aufgrund der empirischen Daten und Erfahrungen entsprechende Entscheidungskriterien vorliegen. Sein Resümee: "Durch die zur Zeit gesicherten Erkenntnisse und die laufenden Entwicklungen ist der Vormarsch physikalischer Methoden nicht nur im Bereich der herkömmlichen Wasserbehandlung, sondern auch in der Wasseraufbereitungstechnologie und in anderen Anwendungen zu erwarten."

Ein zentrales Thema der physikalischen Wasserbehandlung erläuterte Dr. Rupert Wögerbauer. Er sprach über Kristallkeimbildung, dargestellt am Beispiel der elektrostatischen Wasserbehandlung und berichtete über labortechnische Verfahren zum Nachweis dieser Effekte.

Standpunkte und Gegensätze

Dr. Kruse, vom staatlichen Materialprüfungsamt NRW, stellte klar seine Position dar. Er sehe keinen Ansatzpunkt, um mit dem vorhandenen naturwissenschaftlichen Wissen die Wirkung der physikalischen Geräte zu verstehen. Und was noch wichtiger sei, es gebe keinen stichhaltigen Nachweis für die Wirksamkeit eines dieser Geräte.

Hier lagen die Standpunkte sehr weit auseinander und daher konnte man sich nicht auf das, von Dr. Ivo Wagner, Karlsruhe, vorgestellte Verfahren des DVGW-Arbeitsblatts W 512 einigen.

Zur Beweisführung des Inkrustationsabbaus sieht Dr. Kruse als einfachstes Mittel die skizzierte Installation - Parallelität der Rohrstrecken. Erstaunt war er aber über die geringe Resonanz unter den Herstellern.

Für Prof. Dr. Frahne, Steinbeis-Transferzentrum, ist die physikalische Wasserbehandlung ein ernstzunehmendes Thema und er sieht im Gegensatz zu Kruse durchaus wissenschaftliche Nachweisverfahren. Er nannte hier insbesondere ein Kapillartestverfahren, das in Anlehnung an den Test für Scale-Inhibitoren entwickelt wurde. Dieses Verfahren weise schließlich einen Weg, bei dem alle relevanten Parameter fortlaufend registriert werden könnten und der damit auch manipulationssicher und zertifizierungsfähig sei.

Forschung und Phänomene

Für einige Wissenschaftler war eine eingehende Grundlagenforschung dringend erforderlich, um Phänomendarstellungen zu ergründen. Es gebe mittlerweile genügend Erfahrungswerte um den Beweis führen zu können, daß elektrostatische und magnetische Verfahren funktionierten. Richtig sei jedoch auch, daß dies nicht bei allen Wässern und unter allen Betriebsbedingungen der Fall sei. Diese Sichtweise untermauerten Frahne, Wögerbauer und Dr. Joan Davis, ETH Zürich, die in ihrem Vortrag eine weitreichende Phänomendarstellung der physikalischen Technologie bot. Sehr umstritten waren ihre Ausführungen zu "Biologischen Systemen", in denen sie auf eine positive Wirkung beim Pflanzenwachstum hinwies.

Kurt Olbrich, Institut für Interdisziplinäre Grundlagenforschung, berichtete über seine Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung der Kristallkeimbildung. Er konnte
beobachten, daß sich Kristallstrukturen unter Einwirkung bestimmter physikalischer Geräte veränderten, diese Wirkung aber nur begrenzte Zeit anhielt.

Ende der Tagung. Der Druck war genommen, man konnte aufeinander zugehen und diskutierte sachlich in kleineren Gesprächsrunden.

Dipl.-Ing. Bernhard Schelten-Peterssen, Wehr, stellte ein neues Verfahren vor, um den Inkrustationsabbau in Rohrleitungen nachzuweisen. Dieses Verfahren soll unter reproduzierbaren Bedingungen den Durchfluß im Rohrsystem messen. Einmal direkt nach der Montage des Behandlungsgerätes und ein weiteres Mal unter gleichen Bedingungen drei bis sechs Monate später.

Praxisbericht und Ausblick

Dipl.-Ing. Peter Wagner, Technischer Werkleiter der Stadtwerke Rottenburg am Neckar, konnte sozusagen als Unbeteiligter seine Erfahrungen mit physikalischen Wasseraufbereitungsanlagen im Bereich der Stadt Rottenburg vermitteln. Im Einzugsbereich des Wasserwerks seien ca. 300 Anlagen der unterschiedlichsten Hersteller in Betrieb. Er konnte über eine Reihe von Anwendungsbeispielen berichten, die den gewünschten Erfolg erzielt hätten.

Prof. Dr. Reller war bemüht, die Diskussionen sachlich und zielgerichtet zu halten, konnte jedoch während der Tagung keinen Konsens erzielen. Reller sah aufgrund der Vielschichtigkeit der Problemstellungen eine Zusammenarbeit von Wissenschaftlern fachübergreifend als dringend notwendig an. Ein weiterer Workshop in kleinerem Kreis wurde unter den Teilnehmern diskutiert.


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