IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/1996, Seite 77 ff.
LÜFTUNG
Mehrfachnutzen durch hocheffiziente Wärmeaustauschersysteme
Ing. Heinz Schilling
Mit einem hocheffizienten Wärmeaustauschersystem auf der Basis eines regenerativen Verfahrens kann Energie gespart und so umweltbelastenden Emissionen vorgebeugt werden. Hocheffiziente Wärmeaustauschersysteme und deren multifunktionale Nutzung im Kreislaufverbundsystem führen zu dauerhaft rentablen Anlagen. Die in diesem Beitrag beschriebenen Wärmeaustauschersysteme sind auch zur Sanierung komplexer Anlagen geeignet, da wärme- und kältetechnisch weitgehend autarke Lösungen möglich sind.
1. Basisdefinition zur Themenstellung
1.1 Mehrfachnutzeffekt
Wird ein Bauteil, ein Gerät oder ein System für seine bestimmungsgemäße Anwendung nur zeitweise benutzt oder notwendig, ist eine sinnvolle Kombination mit anderen Funktionen eine wesentliche Voraussetzung für dauerhaft rentable Lösungen. Aus dem täglichen Leben sind sicherlich jedem zahlreiche Mehrfachnutzungen von Apparaturen jeglicher Art bekannt. In einer Klimaanlage zum Beispiel werden zur thermischen Behandlung der Luft meist ein Wärmerückgewinner, ein Ersatzvorwärmer, ein Nacherwärmer und ein Kühler eingesetzt. Die notwendigen Funktionen können jedoch mit System und bei geeigneter Verschaltung auch mit nur einem Wärmeaustauscher gewährleistet werden. Bei Einsatz eines hocheffizienten Wärmeaustauschers wird dabei gleichzeitig noch die Qualität der Wärmeübertragung verbessert und die Betriebssicherheit erhöht.
1.2 Energieeinsparung = vorbeugender Umweltschutz
Jede Aktivität erfordert Energie. Der Aktivitätsgrad (Leistung) bestimmt dabei die notwendige Energiebereitstellung und den Energieverbrauch. Besser oder richtiger als die Bezeichnung Energieverbrauch wäre es, hier von der Nutzung einer Temperatur- bzw. einer Potentialdifferenz zu sprechen, denn Energie kann nicht verbraucht werden, sondern nur von seinem Weg eines höheren Wärmepotentials zu einem niedrigeren Wärmepotential genutzt werden.
Lebewesen könnte man z.B. als hocheffiziente Niedertemperatur-Wärmekraftmaschinen für autarken Betrieb der angeschlossenen Energie-/Temperaturpotentialverbraucher bezeichnen. Auch hier wirkt die Wärmeentwicklung aus einem Verbrennungsprozeß im Vergleich zur Umgebungstemperatur als treibende Temperaturdifferenz. Einer effektiven Energieumwandlung geht hier ein äußerst sparsamer und rationeller Energieverbrauch voraus. Dies sollte für den gesamten technischen Bereich ebenfalls als Vorbild dienen. Überlegungen zur Energieerzeugung müssen deshalb unbedingt mit rationeller Energieverwendung bzw. effizienten Systemen einhergehen. Effiziente Systeme sparen von vornherein Energie und dienen so einem sinnvollen, vorbeugenden Umweltschutz.
1.3 Hocheffiziente Wärmeaustauscher
Hocheffiziente Wärmeaustauscher sind die Basisbausteine einer energiesparenden Technologie bzw. effizienter Systeme. Die Effizienz ist durch das Verhältnis Aufwand zu Nutzen definiert. Beim Wärmeaustauscher bezieht sich dies auf den Temperaturaustauschgrad und den dafür notwendigen Primärenergieaufwand. Die Neuentwicklung eines Wärmeaustauschers in Gegenstrom-Schicht-Bauweise für den Luft-Wasser-Bereich ermöglicht Austauschgrade von 90% für beide Medien gleichzeitig. Werden diese hocheffizienten Wärmeaustauscher im lüftungstechnischen Bereich eingesetzt, z.B. zur Wärmerückgewinnung, so werden im Jahresmittel etwa 40 bis 50 W Primärenergie pro 1000 W zurückgewonnene Wärmemenge notwendig. Dies entspricht einer Leistungsziffer im Jahresmittel von 1:20 bis 1:25.
2. Hocheffiziente Wärmeaustauscher im Kreislaufverbundsystem
Kreislaufverbundsysteme dienen zunächst der regenerativen Wärmerückgewinnung in lüftungstechnischen Anlagen. Dabei wird jeweils über einen Wärmeaustauscher (Rekuperator) in der Fortluft und in der Außenluft - ein Rohrsystem zwischen diesen beiden Wärmeaustauschern und ein zirkulierendes Medium aus Wasser oder Wasser-Glykol - Wärme aus der Fortluft entzogen und indirekt auf die Außenluft übertragen. Kreislaufverbundsysteme wurden bisher zusätzlich in die lüftungstechnischen Anlagen integriert und besaßen ausschließlich die Funktion einer ersten Vorerwärmung der Außenluft durch Wärmerückgewinnung.
Bild 1: Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauscher (GSWT)
1 Wärmeaustauscherschicht
2 einstückige, parallel zueinander liegende Wärmeleitlamellen
3 Luftstrom-Eintritt
4 Luftstrom-Austritt
5 Wasserstrom-Eintritt
6 Wasserstrom-Austritt
7 Luftteilstrom "Wärmeaustauscherschicht"
8 Rohrführungen quer zum Luftstrom
2.1 Wärmerückgewinnung über das Kreislaufverbundsystem
Bisher erreichbare effektive Austauschgrade zwischen einem Fortluft- und Außenluftstrom lagen bei 40 bis 45%. Unter Einbeziehung von latenter Wärme durch Kondensation hoher Feuchte in der Fortluft. Fortluftüberschuß oder auch Leckluft im Umluftbereich wurden "Rückwärmegrade" (Definition gemäß VDI 2071) bis 65% erreicht. Mit Einsatz von Wärmeaustauschern in Gegenstrom-Schicht-Bauweise (GSWT, Bild 1), werden jedoch erstmals effektive Systemaustauschgrade von 80% erreicht, und dies auch bei rein sensibler Rückgewinnung (ohne Kondensation), bei ausgeglichenen Luftströmen und bei absolut umluftfreier Betriebsweise. Die Fortluftwärme wird dabei zu 90% auf das zirkulierende Kreislaufwasser und das dabei erreichbare Wärmepotential im Wasser und dann in Folge zu 90% auf die Außenluft übertragen. Der Systemaustauschgrad errechnet sich dabei zu 0,9 x 0,9 = 0,81 P 80%. Die Fortluft dient dabei mit ihrem Energiepotential als vollwertiger Wärme-/Energieträger; wenn man so will als Niedertemperatur-Heizkessel besonderer Bauart auf regenerativer Basis.
2.2 Temperaturpotentialaustausch
Wärmeaustauscher mit einem effektiven Temperaturaustauschgrad von 90%/90% (je Wärmetauscher) übertragen nicht nur eine Wärmemenge, sondern auch die Temperaturpotentiale. Beispiel: Wärmeaustausch zwischen einem Medium Luft von 30°C und einem Medium Wasser von 10°C. Nach dem Wärmeaustauschprozeß ist die Luft 12°C kalt und das Wasser auf 28°C erwärmt. Das Wärmepotential der Luft befindet sich nun auf dem Wasser und das Kältepotential des Wassers auf der Luft. Dieser doppelte Potentialaustausch macht jede Luftkühlung zur Wassererwärmung bzw. Lufterwärmung zur Wasserkühlung und erklärt gleichzeitig die Schreibweise 90%/90%. Diese Wirkungsweise ermöglicht es, bisher kaum nutzbare Wärme- und Kältepotentiale für Heiz- und Kühlprozesse einzusetzen und führt zur drastischen Einsparung an ansonsten immer neu zu erzeugenden Wärme- und Kältepotentialen.
3. Mehrfachnutzung von Wärmeaustauschersystemen
Wärmeaustauscher und Wärmeaustauschersysteme in der Qualität, wie sie in den Abschnitten 1.3, 2.1 und 2.2 beschrieben wurde, wären natürlich weit unterfordert, würde man sie nur zur Wärmerückgewinnung im herkömmlichen Sinne nutzen. Die Qualität und Effizienz der Wärmeaustauscher hat die multifunktionale Nutzung dieser Geräte geradezu herausgefordert und macht den Einsatz in Anbetracht der künftigen Energie- und Umweltprobleme unverzichtbar.
3.1 Multifunktionale Nutzungen im Kreislaufverbundsystem (Bild 2)
3.1.1 Hundertprozentige Vorerwärmung
Der hohe Systemaustauschgrad von 80% gewährleistet z.B. selbst bei -10°C Außenluft und 22°C Fortluft eine Aufwärmung der Zuluft auf ca. 16°C. In Räumen mit innerer Wärmelast entspricht dies bereits 100% der erforderlichen Aufwärmung. Die Wärmerückgewinnung würde somit bereits 100% der Wärmelast abdecken.
Bild 2: Anlagenschema für die multifunktionale Nutzung im Kreislaufverbundsystem
1. WRG-Standardsysteme, GSWT-Modulblöcke für Wärmeentzug und Wärmeabgabe mit Verrohrung. Optional: Partielle Kühlung und Entfeuchtung der Luft durch spezielle wasserseitige Anströmung;
2. Nutzung latenter Fortluftwärme zur ganzjährigen Vorerwärmung von Brauch- und Beckenspeisewasser. Für Schwimmhallen und Feuchträume mit Wasserverbrauch;
3. Indirekte Heizung, Nachheizung oder Solarenergieeinspeisung. WRG-Kreislauf wird gleichzeitig als Heizkreislauf benutzt, luftseitige Widerstände für Erhitzer werden eingespart;
4. Indirekte Kühlung oder Nachkühlung. WRG-Kreislauf wird gleichzeitig als Kühlkreislauf benutzt, luftseitige Widerstände für Kühler werden eingespart;
5. Einspeisung von Fremdwärme zur gleichzeitigen Nutzung des Fortluft-Wärmetauschers als Rückkühlwerk;
6. Kältepotential der Außenluft im Winter zur freien Kühlung nutzen;
7. Rückluftbypass für glycolfreie frost- und vereisungssichere Kreislaufverbundsysteme, Ventilator-Motorwärme kann im Sommer energiesparend direkt abgeführt werden;
8. Indirekte adiabatische Kühlung der Außenluft durch den Kühleffekt einer Befeuchtung der Fortluft (8a) oder gesonderter Außenluft (8b);
9. Luftführung primärenergiesparend: Luftleistung über Befeuchtung und Wärmeaustauscher nur nach Bedarf, geringe Druckverluste sparen Ventilatorarbeit.
Die hohe Betriebssicherheit der Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauscher mit einer weit höheren Redundanz wie z.B. für eine Wärmeerzeugung und deren Verteilung macht nicht nur weitere Vorerwärmer in Lüftungssystemen unnötig, sondern reduziert gleichzeitig die sonst vorzuhaltende Heizleistung. Gleichzeitig entfällt der sonst vom Ventilator zu überwindende Druckverlust für den Vorerwärmer.
3.1.2 Nacherwärmung
Wird zu der ohnehin bereits hohen Erwärmung der Außenluft durch die Wärmerückgewinnung eine weitere Nacherwärmung erforderlich, kann diese effektiv über das Kreislaufverbundsystem mit indirekter Einspeisung erfolgen. Eine Erhöhung der Wassertemperatur im Kreislaufverbundsystem um 1 K erwärmt die Zuluft bereits um 0,9 K. Es kann also auf ganz niedrigem Niveau nachgeheizt werden. Ein sonst üblicher Wärmeaustauscher im Luftstrom als Nacherwärmer entfällt, ebenso die luftseitigen Druckverluste etc.
3.1.3 Naturkühlung - Kälterückgewinnung
Ist im Sommer die Abluft kälter als die Außenluft, wird über das Kreislaufverbundsystem die Außenluft gekühlt.
Beispiel: Außenluft 32°C, Fortluft 26°C, DJ = 6 K; bei einem Austauschgrad von 80% entspricht dies DJ = 4,8 K. Die Außenluft wird mit Hilfe der Wärmerückgewinnung auf ca. 27,2°C abgekühlt. Benutzt man den Fortluftstrom gleichzeitig durch einfache Befeuchtung mit minimalem Wasserverbrauch zur adiabatischen Kältegewinnung, so sind je nach dem Ausgangsfeuchtegehalt der Fortluft Zulufttemperaturen zwischen 18 und 23°C möglich.
3.1.4 Naturkühlung - freie Kühlung
Wird über die Wärmerückgewinnung die Außenluft erwärmt, z.B. von 10°C auf 20°C, so wird gleichzeitig das Kältepotential der Außenluft auf das Umlaufwasser des Kreislaufverbundsystems übertragen. Bevor dieses Kältepotential dazu genutzt wird, Wärme aus dem Fortluftstrom zu entziehen, können vorrangig vorhandene oder notwendige Kühlprozesse bedient werden. Zentralkälteanlagen können reduziert und ab einer bestimmten Außentemperatur ganz abgeschaltet werden.
3.1.5 Naturkühlung - Brunnen-, Fluß-, Seewasserkühlung
Der Einsatz hocheffizienter Gegenstrom-Schicht-Wärmeaustauscher ermöglicht die Nutzung bereits geringster, natürlicher Kältepotentiale.
Beispiel: Mit einem 18grädigen Brunnenwasser (Rheinuferwasser im Spätsommer bei Düsseldorf) kann die Außenluft noch auf 19°C abgekühlt werden. Diese Art der Kühlung ist absolut regenerativ und umweltneutral. Auch das Kältepotential zwischen 10 und 25°C eines ohnehin zu erwärmenden Brauchwassers kann vor der eigentlichen Erwärmung zur Kühlung benutzt werden. Dies gilt auch für sonstige Wasserströme, z.B. zur Bewässerung, WC-Spülung und dergleichen. Hier wird dem Wasser vor seiner Nutzung das Kältepotential zur Kühlung entzogen und geringfügig aufgeheizt, z.B. auf 25°C.
3.1.6 Brauchwasservorerwärmung
In der Fortluft von Schwimmhallen oder Duschen kann die Wärme trotz hoher Wärmeübertragung auf die Außenluft, selbst bei sehr tiefen Außentemperaturen, nicht voll genutzt werden, da die entziehbare Wärmemenge, bedingt durch den latenten Anteil, größer ist als der Bedarf für die Aufwärmung. Über das Kreislaufverbundsystem der Wärmerückgewinnung besteht jedoch die Möglichkeit, Wärme auszukoppeln und das ohnehin zu erwärmende Brauch- und Beckenspeisewasser vorzuerwärmen. Auch die Außenluftwärme im Sommer kann für die Wassererwärmung genutzt werden, wobei dabei gleichzeitig der Kühleffekt für den Zuluftstrom genutzt werden kann.
3.1.7 Solarwärmenutzung
Das Kreislaufverbundsystem kann als Niedertemperaturheizkreis angesehen werden. So wie Kältepotentiale ein- bzw. ausgespeist werden können, ist auch die Ein- und Ausspeisung von Niedertemperaturwärme, z.B. über Solaranlagen, möglich. In Abschnitt 3.1.2 wurde gezeigt, daß bereits mit geringen Temperaturerhöhungen, ggf. durch Solarwärme, eine 100%ige Heizlastdeckung erreicht werden kann.
3.1.8 Rückkühlung mit vorrangiger Wärmenutzung
Der hocheffiziente Wärmeaustauscher im Fortluftstrom kann ganzjährig auch zur Rückkühlung aus externen Kühlprozessen wie für eine Kältemaschine, eine Maschinenkühlung o.ä. benutzt werden; dies natürlich mit entsprechender Schaltung zur vorrangigen Nutzung der Wärme, solange im System dazu Bedarf vorhanden ist.
4. Rentabilität durch Substitution
Hocheffiziente Wärmeaustauschersysteme dienen nicht nur der Energieeinsparung, sondern sie ersetzen auch gleichzeitig andere Lüftungsbauteile wie Vorerwärmer, Nacherwärmer, Kühler, einschließlich deren Verrohrung, Armaturen usw. Außerdem reduzieren sie sonst vorzuhaltende Heizleistungen einschließlich deren Anlageteile wie Wärmeerzeuger, Schornsteine, Baukörper usw.
In Verbindung mit der multifunktionalen Nutzung im Kältebereich werden die sonst erforderlichen Kälteanlagen, Rückkühlwerke einschließlich deren Verrohrung und baulichen Anlagen, stark reduziert oder ganz ersetzt. In Folge betrifft dies auch die Elektroanschlußleistungen.
Bei Neuanlagen werden die Investitionskosten für die hocheffiziente Wärmeaustauschertechnologie bereits durch die Substitution aus den anderen Gewerken ersetzt oder führen zu extrem niedrigen Amortisationszeiten. Werden Mehraufwendungen bereits nach ein oder zwei Jahren amortisiert, führt dies, bezogen auf die Laufzeit bzw. Lebensdauer der Anlage, durch die eingesparten Betriebskosten zu hohem Kapitalrückfluß und dies bei minimalem Erhaltungsaufwand.
Erweiterte Fassung aus: Bundesbaublatt, Heft 3/1992
B i l d e r : SEW-GmbH
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