IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1996, Seite 132 ff.
RECHT
Was muß ich zum Arbeitszeugnis wissen?
RA Thomas Feil
Herr H. ist als Mitarbeiter in einem Installationsbetrieb beschäftigt. Als sich nach seiner Kündigung das Arbeitsverhältnis dem Ende zuneigt, möchte er - wie üblich - ein Zeugnis über seine bisherige Tätigkeit haben. Sein Chef bittet ihn, einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Herr H. bereitet zu Hause mit Hilfe eines Freundes einen Entwurf vor und schreibt ihn maschinenschriftlich auf weißem Schreibmaschinenpapier. Sein bisheriger Arbeitgeber ist mit dem Zeugnistext einverstanden, setzt seinen Firmenstempel auf den Entwurf, ergänzt Ort und Datum, unterschreibt und gibt das Zeugnis an Herrn H. zurück. Herr H. ist damit nicht zufrieden. Er hat Angst, daß bei Bewerbungen negativ auffällt, daß das Zeugnis nicht auf Firmenpapier geschrieben ist und er so einen schlechten Eindruck macht. Deshalb fordert er seinen Chef auf, das Zeugnis noch einmal auf Firmenpapier zu schreiben. Dieser Wunsch wird abgelehnt.
Hat Herr H. jetzt ein Recht auf ein Zeugnis auf Geschäftspapier?
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem ähnlichen Fall entschieden, daß ein solcher Anspruch besteht. Für das höchste deutsche Arbeitsgericht ist ein Zeugnis nur dann ordnungsgemäß, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist.
Neben der äußeren Form ist der Inhalt des Arbeitszeugnisses oft ein Streitpunkt zwischen Arbeitgeber und dem scheidenden Arbeitnehmer. Arbeitgeber sind häufig unsicher, welche Informationen genannt werden dürfen oder müssen und welche besser nicht genannt werden sollen. Durch diese Unsicherheit wird das Schreiben eines Arbeitszeugnisses zu einer unangenehmen Pflicht.
Die zentrale Zeugnisvorschrift: ß 630 BGB"Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teile ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und Führung im Dienste zu erstrecken." Entsprechende Vorschriften in ß 73 HGB für kaufmännische Angestellte, in ß 113 GewO für gewerbliche Arbeitnehmer, in ß 8 Berufsbildungsgesetz für Auszubildende. |
Zwei Grundsätze der Zeugniserteilung
Oberster Grundsatz bei der Zeugniserteilung ist die Wahrheitspflicht. Das Zeugnis darf nur Tatsachen enthalten, die der Wahrheit entsprechen. Verdächtigungen, Behauptungen oder Unterstellungen gehören nicht ins Zeugnis. Dabei ist der Maßstab eines wohlwollenden, verständigen Arbeitgebers anzulegen. Damit ist auch der zweite wichtige Grundsatz bei der Zeugniserteilung genannt: Die wohlwollende Beurteilung. Sie kann unter Umständen in einem gewissen Widerspruch zu der Wahrheitspflicht stehen. Dabei hat die Wahrheitspflicht auf jeden Fall Vorrang vor der wohlwollenden Beurteilung!
Zwei Ziele der Zeugniserteilung
1. Das Arbeitszeugnis soll eine Unterlage für eine Bewerbung sein und
2. das Arbeitszeugnis soll den neuen Arbeitgeber über den Arbeitnehmer unterrichten.
Wer erstellt das Zeugnis?
Das Zeugnis ist grundsätzlich vom Arbeitgeber selbst oder in Ausnahmen durch eine von ihm beauftragte, dem zu beurteilenden Arbeitnehmer übergeordnete Person auszustellen. Das Vertretungsverhältnis ist durch den Zusatz i.V. oder ppa. kenntlich zu machen. Personen, die nicht im Betrieb des Arbeitgebers angestellt sind (z.B. Rechtsanwälte), können kein Zeugnis ausstellen.
Zwei Zeugnisarten
Arbeitszeugnisse werden unterteilt in einfache und qualifizierte Zeugnisse. Bei einem einfachen Zeugnis sollen lediglich Art und Dauer der Beschäftigung bestätigt werden. Ein qualifiziertes Zeugnis soll dagegen noch Informationen über Führung und Leistung enthalten. Der Arbeitnehmer kann wählen, welche Zeugnisart er möchte. Ein Zwischenzeugnis entspricht von seinen Anforderungen einem Endzeugnis. Der Unterschied ist nur, daß das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt. Alle Zeugnisse sind schriftlich auszustellen.
Checkliste für ein einfaches Zeugnis:Name und Vorname Berufsbezeichnung (Anschrift) (Geburtsdatum) Art der Beschäftigung (Sonderaufgaben) Dauer des Arbeitsverhältnisses |
"Stimmen Sie den Inhalt und die Formulierung des Zeugnisses mit ihrem Mitarbeiter ab. Sie sparen sich viel Ärger." |
Was muß ein einfaches Zeugnis enthalten?
Grundsätzlich muß jedes Zeugnis zunächst den Namen und Vornamen des Arbeitnehmers sowie die Berufsbezeichnung enthalten. Anschrift und Geburtsdatum sind mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers aufzunehmen. Die Art der Beschäftigung ist vollständig und genau zu beschreiben, so daß sich ein Dritter hierüber ein Bild machen kann. Der neue Arbeitgeber soll einen Eindruck über die Eignung des Arbeitnehmers für den neuen Arbeitsplatz erhalten. War der Mitarbeiter z.B. mit Sonderaufgaben beauftragt, so sind diese im Zeugnis zu erwähnen und nicht nur allgemeine Angaben zu machen. Des weiteren muß im Zeugnis die Dauer des Arbeitsverhältnisses aufgeführt sein. Maßgeblich ist hier die rechtliche Dauer. Kürzere Unterbrechungen wie Urlaub und Krankheit sind nicht aufzunehmen.
Checkliste für ein qualifiziertes Zeugnis:Name und Vorname Berufsbezeichnung (Anschrift) (Geburtsdatum) Art der Beschäftigung (Sonderaufgaben) Dauer des Arbeitsverhältnisses Leistung und Führung |
Was muß ein qualifiziertes Zeugnis enthalten?
Das qualifizierte Zeugnis enthält neben den Angaben des einfachen Zeugnisses Ausführungen über Leistung und Führung, bezogen auf die ganze Beschäftigungsdauer. Es müssen alle wesentlichen Tatsachen angegeben werden, die für eine Gesamtbeurteilung des Beschäftigten notwendig und für einen Dritten von Interesse sind. Dabei dürfen einmalige Vorfälle, die für den Arbeitnehmer untypisch und nicht charakteristisch sind, nicht ins Zeugnis aufgenommen werden. Wie das Zeugnis im einzelnen formuliert wird und welche Worte gebraucht werden, ist Sache des Arbeitgebers.
Die oben dargelegten Grundsätze der Zeugniswahrheit und der wohlwollenden Beurteilung sind Maßstab für den Arbeitgeber. Das Zeugnis darf nichts Falsches enthalten und darf keine wichtigen Informationen auslassen. Das bedeutet, daß auch negative Äußerungen ins Zeugnis kommen können, wenn sie für Dritte wichtig sind und der Wahrheit entsprechen. Ein qualifiziertes Zeugnis muß also entgegen der allgemeinen Meinung nicht nur Positives enthalten. Das Risiko, daß auch negative Äußerungen im Zeugnis auftauchen, geht der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einem qualifizierten Zeugnis ein.
Wer erhält ein Zeugnis?
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Auch nebenberuflich und geringfügig beschäftigte können ein Zeugnis verlangen. Von der Rechtsprechung ungeklärt ist die Frage, ob Aushilfskräfte einen solchen Anspruch haben. Bei kurzen Beschäftigungszeiten ist eine Beurteilung des Arbeitnehmers nicht möglich. Deshalb ist dann nur ein einfaches Zeugnis auszustellen, in dem die Tätigkeiten des Arbeitnehmers aufgeführt werden.
Wann ist ein Zeugnis zu erteilen?
Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis entsteht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daraus wird oft gefolgert, daß der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Zeugnis erhalten darf. Dies würde jedoch jede Bewerbung des Arbeitnehmers erschweren, da er kein Zeugnis vorlegen könnte. Aus diesem Grund geht man heute davon aus, daß der Anspruch auf ein Zeugnis ab dem Zeitpunkt der Kündigungserklärung besteht.
Wird weit vor der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt oder wird ein Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beendet, so entsteht der Anspruch auf ein Zeugnis mit dem Beginn der gesetzlichen Kündigungsfrist. Ansonsten hat der Mitarbeiter nur einen Anspruch auf ein vorläufiges Zwischenzeugnis.
Verwirkung, Verjährung, Ausschlußfristen
Sofern die jeweils gültigen Tarifverträge keine andere Regelung vorsehen, verjährt der Zeugnisanspruch 30 Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch auf ein Zeugnis kann schon vorher verwirkt sein. Beispielsweise wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf ein Zeugnis nicht geltend gemacht hat. Für den Arbeitgeber ist dann der Eindruck entstanden, daß der Arbeitnehmer seinen Anspruch nicht mehr ausüben will. Außerdem ist es dem Arbeitgeber nach einem längeren Zeitraum unzumutbar, ein Zeugnis auszustellen. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht wirksam auf seinen Anspruch auf Zeugniserteilung verzichten. Ob danach ein Verzicht möglich ist, ist umstritten; das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bisher offen gelassen.
Durchsetzung des Zeugnisanspruchs vor Gericht
Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Zeugnis vor dem Arbeitsgericht durchsetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß der Arbeitgeber beweisen, daß das Zeugnis ordnungsgemäß ausgestellt wurde.
Schadensersatz bei Zeugnisfehlern
Eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer kann entstehen, wenn er es unterläßt, ein Zeugnis zu erteilen oder ein unrichtiges oder unvollständiges Zeugnis erstellt. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber gegenüber einem neuen Arbeitgeber schadensersatzpflichtig sein, wenn das Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und dadurch ein Schaden entstanden ist. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der alte Arbeitgeber davon ausgehen muß, daß der Arbeitnehmer etwaige Verfehlungen auch am neuen Arbeitsplatz begehen werde. Man sollte daher die Wahrheitspflicht nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Vorsicht ist bei sogenannten Gefälligkeitszeugnissen geboten, mit dem man den Arbeitnehmer in einem günstigen Licht erscheinen lassen will. Kommt es zu einem Kündigungsschutzprozeß, so ist das Zeugnis nach dem Bundesarbeitsgericht Maßstab dafür, wie der Arbeitgeber Leistung und Führung des Arbeitnehmers beurteilt. Der Einwand, daß man dem Arbeitnehmer die Zukunft nicht verbauen wolle, mit ihm jedoch in Wirklichkeit nicht zufrieden war, nützt dann nichts mehr.
Kein Zeugnis: Arbeitsbescheinigung und Auskunft
Das Arbeitszeugnis ist von einer Auskunft und einer Arbeitsbescheinigung zu unterscheiden. Nach ß 133 AFG ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung auszustellen. Sie muß alle Tatsachen enthalten, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wichtig sind. Dazu gehören unter anderem Angaben zur Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers, Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses und der Grund der Beendigung. Für die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung ist der Vordruck der Bundesanstalt für Arbeit zu verwenden. Die Bescheinigung ist dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Diese Arbeitsbescheinigung ist jedoch kein Ersatz für ein Arbeitszeugnis.
Eine Auskunft muß der bisherige Arbeitgeber an Dritte geben, wenn der Arbeitnehmer dieses verlangt. Auch ohne den Willen des Arbeitnehmers kann eine Auskunft erteilt werden, wenn ein berechtigtes Interesse daran vorliegt, beispielsweise wenn der Arbeitnehmer sich bei dem Dritten beworben hat. Eine Anfrage von seiten eines neuen Arbeitgebers ist unzulässig, wenn der Arbeitnehmer sich in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis befindet.
Der Inhalt der Auskunft unterliegt den selben Grundsätzen wie das Zeugnis. Die Auskunft muß wahrheitsgemäß sein, und die Beurteilung darf nicht anders als im Zeugnis sein. Die Haftung des Arbeitgebers für seine Auskunft entspricht der Haftung bei der Zeugniserteilung.
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