IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 2/1996, Seite 71 ff.
VERHANDLUNGSFÜHRUNG
Gewinnen, ohne zu siegen
Auf partnerschaftliche Weise erfolgreich verhandeln
Dipl.-Kfm. Manfred R. A. Rüdenauer (Schlußteil)
Die letzte Folge Ihres Verhandlungsratgebers ist dem Abschluß gewidmet, dem Ziel, auf das die vorangehende Verhandlung ausgerichtet ist. Bei einer gut geführten Verhandlung ergibt sich die von uns gewünschte Vereinbarung - sofern sie unter Berücksichtigung der Partnerbedürfnisse überhaupt möglich ist - wie von selbst als Endpunkt des vorangegangenen Überzeugungsprozesses. Das bedeutet aber nicht, daß auch der formelle Beschluß, die formelle Entscheidung des Verhandlungspartners automatisch erfolgt. In der Regel müssen wir das am Ende der Verhandlung selbst bewirken. Der Zeitpunkt dazu ist reif, wenn der Verhandlungspartner seinen Nutzen deutlich erkannt hat (oder doch erkannt haben müßte, denn er kann dies aus taktischen Erwägungen heraus ja zu verbergen suchen). Als Übergang zum Abschluß bieten sich verschiedene Vorgehensweisen an, von denen wir die wichtigsten in dieser Folge vorstellen.
Gut Ding will Weile haben
Je nach dem Umfang und der (wirtschaftlichen) Bedeutung des Verhandlungsobjekts benötigt die Hinführung des Verhandlungspartners zum Abschluß mehr oder weniger Zeit. Große Dinge wollen eben gut überlegt sein, bevor man sich entscheidet. Das geht uns selbst ja auch nicht anders. Mit dem Drängen auf den Abschluß sollten Sie deshalb vorsichtig sein. Oft ist es besser, dem Verhandlungspartner Zeit zu lassen, um die Nutzenerkenntnis und die Motivation, den Nutzen auch zu realisieren, in seinem Kopf reifen zu lassen.
Auf der anderen Seite sollten Sie den Abschluß nicht unnötig verzögern. Bei entscheidungsschwachen Verhandlungspartnern ist es sogar angebracht, dem Entschluß etwas nachzuhelfen. Dabei müssen Sie aber sehr behutsam sein. Die Abwägung, wie im Einzelfall mit dem Verhandlungspartner zu verfahren ist, erfordert aber gutes Einfühlungsvermögen, und die Lenkung des Partners auf den Abschluß hin muß mit sehr viel Fingerspitzengefühl erfolgen.
Partner-Signale beachten
Seine Bereitschaft zum Abschluß signalisiert der Verhandlungspartner beispielsweise durch seine Zustimmung zu unseren Nutzenformulierungen oder dadurch, daß er sich für Einzelheiten interessiert, die eine Vereinbarung bereits voraussetzen, z.B. "Wann könnte denn frühestens mit den Arbeiten begonnen werden?" oder "Ich möchte aber gern das WC getrennt vom Bad".
Beobachten Sie Ihren Verhandlungspartner und hören Sie ihm gut zu, damit Sie seine Signale mitbekommen. Fordern Sie ihn auch heraus, seine Bereitschaft zum Abschluß zu bekunden, indem Sie ihm Entscheidungsfragen stellen, z.B.: "Möchten Sie die Chance, Ihren Kundenkreis zu erweitern, durch eine Kooperation mit uns wahrnehmen?", "Ab wann möchten Sie Ihren Vorteil gern wahrnehmen, lieber ... oder ...?" oder "Wann möchten Sie mit (wichtigster Nutzen des Angebots bzw. der zu treffenden Vereinbarung) beginnen, ... oder lieber ...?". Die Reaktion des Partners auf Ihre Fragen zeigt Ihnen, wie weit die Abschlußbereitschaft in ihm schon gediehen ist. Außerdem erfahren Sie auf diese Weise etwas von möglicherweise noch vorhandenen Bedenken und Einwänden.
Nutzenbewußtsein des Partners stärken
Ein anderer erfolgversprechender Übergang zum Abschluß ist es, die wichtigsten Nutzen für den Verhandlungspartner noch einmal plastisch und einprägsam zu formulieren. Dafür haben wir grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
1. Entweder wir wiederholen den Partner-Nutzen summarisch, mit einem Vorschlag für die Vereinbarung am Schluß, etwa so: "Wenn ich einmal zusammenfassen darf, hätten Sie von ... (vorgesehene Vereinbarung) ganz klar die Vorteile ... (wichtigste Nutzen für den Gesprächspartner), deshalb schlage ich vor ..."
2. Oder wir wiederholen den ermittelten Partner-Nutzen einzeln, jeweils mit einer Kontrollfrage am Schluß, die den Verhandlungspartner dazu auffordert, seine Nutzenerkenntnis zu bestätigen. Zum Beispiel: "Wir haben gemeinsam festgestellt, daß die Brennwerttechnik für Ihre Anwendungsbedingungen ideal wäre. Das ist doch richtig?" (Anstelle der Kontrollfrage können wir auch eine stumme Frage stellen.) Nachdem der Verhandlungspartner bestätigt hat, fahren wir fort: "Wir haben ausgerechnet, daß Sie jährlich ca. DM ... an Betriebskosten einsparen würden" (es folgt wiederum eine Kontrollfrage oder eine stumme Frage).
Nach erneuter Bestätigung durch den Partner folgt: "Und wir haben herausgefunden, daß Sie die Investition in diese umweltfreundliche Technik bereits in ... Jahren amortisiert hätten" (Kontrollfrage oder stumme Frage).
An diese weitere Partner-Bestätigung schließen wir an: "Sie würden mit dieser Investition also einerseits erheblich zur Schonung unserer Umwelt und andererseits beträchtlich zur Verbesserung Ihres Betriebsergebnisses beitragen. Vom Vorteil der hohen Standzeit und Betriebssicherheit der Anlage gar nicht zu reden." (Kontrollfrage oder stumme Frage).
Nach der zu erwartenden Bestätigung durch den Verhandlungspartner steuern wir auf die Entscheidungsfrage zu: "Diese (sicherlich beachtlichen) Vorteile sollten Sie sich nicht mehr länger entgehen lassen. Deshalb schlage ich vor, daß wir einen zeitnahen Liefer- und Montagetermin vereinbaren. Wäre es Ihnen recht, ...?" oder einfach: "Ab wann möchten Sie diese (doch sicherlich beachtlichen) Vorteile für Ihren Betrieb nutzen?"
An diesem Beispiel erkennen Sie, wie wir unseren Verhandlungspartner zu einer Folge bejahender Reaktionen bewegen können, indem wir ihn nach und nach an seinen selbst erkannten Nutzen erinnern. Die Bejahung der Entscheidungsfragen erscheint danach zwingend, um die erkannten Vorteile zu realisieren. Verkäufer nehmen danach die eigentliche Abschlußhandlung vor, indem sie z.B. ihren Auftragsblock zur Hand nehmen und zu schreiben beginnen. Sollte sich der Partner in dieser Phase der Verhandlung doch noch schwertun, einer Vereinbarung zuzustimmen, lenken sie seine Aufmerksamkeit nochmals auf seinen möglichen Nutzen und versuchen dabei, seine Motivation zur Verwirklichung des erkannten Nutzens zu stärken, z.B.:
- "Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre es für Sie erheblich wirtschaftlicher, mit der neuen Technik zu arbeiten. Da sollten Sie sich den Vorteil ... (wichtigste Nutzen für den Verhandlungspartner) nicht länger entgehen lassen und ..."
- "Sie haben festgestellt, daß Sie mit ... (Verhandlungs-Objekt) ... (wichtigste(r) Nutzen für den Gesprächspartner) ... erreichen können. Da läge es doch nahe, daß Sie sich den Vorteil jetzt gleich sichern."
- "Wir haben ausgerechnet, daß Sie mit der neuen Heizungsanlage jährlich ... Mark Betriebskosten sparen. Jeder Tag, um den Sie Ihre Entscheidung hinausschieben, kostet Sie also eine ganze Menge Geld. Deshalb sollten Sie ..."
- "Welche Einzelheiten möchten Sie noch überlegen, bevor Sie entscheiden? Ich glaube nicht, daß die Entscheidung morgen leichter fallen wird. Aber Sie verzichten bis dahin auf ..." (erkannten Nutzen erwähnen).
Zur Entscheidung führen
Während der Verhandlung muß der Partner unter Berücksichtigung seiner Bedürfnisse und seiner Situation schrittweise zur Entscheidung geführt werden. Ein Verkäufer von Herrenoberbekleidung hat sich diese Erkenntnis zunutze gemacht und hat z.B. mit dieser Methode großen Erfolg: Kommt ein Kunde in sein Geschäft, erkundigt er sich erst nach dessen Wunsch. Dann hilft er ihm, eine befriedigende Erfüllung seines Wunsches zu finden, indem er ihm nacheinander Alternativfragen stellt. "Denken Sie an einen Anzug für den Alltag oder eher an etwas für feierliche Gelegenheiten?" - "Bevorzugen Sie hellere Farben oder möchten Sie lieber einen gedeckteren Ton?" - "Finden Sie ein Uni-Dessin schöner oder tragen Sie lieber etwas stärker Gemustertes?" usw. bis der Kunde selbst zu einem Ergebnis seiner Suche findet.
Den Partner Farbe bekennen lassen
Unentschlossene Verhandlungspartner müssen zu einer Entscheidung angestoßen werden. Verhandlungspartner, die sich nicht entschließen wollen, müssen dazu gebracht werden, das auch offen zu bekennen. Trägt der Verhandlungspartner z.B. immer neue Einwände vor oder wiederholt er Bedenken, die im Verlaufe der Verhandlung nicht ausgeräumt werden konnten, sollten Sie so darauf reagieren: "Würden Sie meinen Vorschlag akzeptieren/einer Vereinbarung zustimmen/die Anlage von unserem Unternehmen erneuern lassen, wenn Ihre Bedenken hinsichtlich ... (Einwand des Partners) ausgeräumt wären?" oder "Ist ... Ihr einziges Bedenken, das einer Vereinbarung noch im Wege steht?" Auf diese Weise zwingen Sie Ihre Verhandlungspartner auf sanfte Weise, Farbe zu bekennen, ob sie wirklich mit Ihnen abschließen wollen oder nicht.
Positiver Ausklang
Nach dem Abschluß, den bei partnerschaftlichen Verhandlungen alle Beteiligten gutheißen werden, folgt der Dank für das konstruktive (angenehme) Gespräch oder für den Auftrag und ggf. noch ein hoffnungsvoller Ausblick auf die anschließende Zusammenarbeit. Verhandlungen sollten immer mit einer positiven Geste enden, auch dann, wenn sie schwierig waren und es zu keiner Vereinbarung gekommen ist. Mit ein paar verbindlichen Worten halten wir uns die Tür zu weiteren Verhandlungen mit unserem Partner offen.
Die Weichen für die Zukunft stellen
Im Anschluß an die Verhandlung werden ihre Ergebnisse verwirklicht: Die Beteiligten verhalten sich im Sinne ihrer Vereinbarung, erfüllen ihre eingegangenen Verpflichtungen, nehmen ihre Rechte wahr, führen die vorgesehenen Aktivitäten aus. Erst die praktische Umsetzung der Verhandlungsergebnisse zeigt, was die Verhandlung wirklich gebracht hat.
Durch die Qualität der Umsetzung der Verhandlungs-Ergebnisse beweisen wir unserem Verhandlungspartner, daß sein in uns gesetztes Vertrauen gerechtfertigt war. Damit schaffen wir gleichzeitig die besten Voraussetzungen für zukünftige Verhandlungen mit diesem Partner.
Für künftige Verhandlungen lernen
Jede Verhandlung ist eine Gelegenheit, für künftige Verhandlungen zu lernen. Beispielsweise erkennen wir, wie realistisch unsere Beurteilung der Ausgangslage der Verhandlung war, wie zutreffend unsere Einschätzung der Bedürfnisse und Entscheidungsprämissen unseres Partners war, wie gut es uns gelungen ist, seine Wirklichkeit mittels Fragen zu explorieren und wie erfolgreich wir mit der partnerorientierten Argumentation waren. Sehen wir Verbesserungsmöglichkeiten, nehmen wir uns für das nächste Mal vor, diese zu verwirklichen. Aber eines nach dem anderen. Setzen Sie Prioritäten und beseitigen Sie die erkannten Schwachpunkte nach und nach. Nur so können Sie sich ausreichend darauf konzentrieren und die Verbesserung kontrollieren.
Mißerfolge gibt es nicht, sondern allenfalls Erfolge, die hinter unseren Erwartungen zurückbleiben, unseren Maßstäben nicht ganz genügen. In solchen Fällen fragen wir uns nüchtern und ohne Selbstvorwürfe, woran es gelegen hat, daß wir nicht das erreicht haben, was wir erreichen wollten. Aus unseren Erkenntnissen ziehen wir die Konsequenzen gleich für die nächste Verhandlung. Verbesserungsmöglichkeiten aufzuschieben hieße, freiwillig auf größeren Erfolg zu verzichten.
Auch sollten wir uns fragen: Was kann ich persönlich aus der Verhandlung lernen? Denn Verhandeln ist wie jede Kommunikation auch Ausdruck unserer Persönlichkeit. Verlauf und Ergebnis unserer Verhandlungen werden ebenso maßgeblich durch unsere persönlichen Charakteristika wie durch unsere verhandlungsrelevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbestimmt. Vergegenwärtigen Sie sich deshalb von Zeit zu Zeit auch Ihre persönlichen Stärken und Schwächen. Ihre diesbezüglichen Erkenntnisse zeigen Ihnen, in welcher Weise Sie noch an sich selbst arbeiten sollten, um vom guten zum besseren Verhandler zu werden.
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