Wertewandel in der Solarthermie
Eine Standortbestimmung über die jetzigen und zukünftigen Rahmenbedingungen für die Wärmeversorgung mit Solarthermieanlagen in Deutschland
Die Solarthermie befindet sich in Deutschland in einer Krise. In diesem Beitrag geht es um die Ursachen, um das Potenzial für die Energiewende, um "Power to Heat" und um die Wirtschaftlichkeit solarthermischer Kollektoren.
Patient Solarthermie – Krankheitsverlauf und Befund
Bis Ende der 1990er-Jahre funktionierte der Wettbewerb um die besten Kollektoren. Weil es eine Nachfrage gab, strebten alle namhaften Anbieter nach immer leistungsstärkeren. Unter der rot-grünen Regierung ab 1998 setzte sich eine einheitliche Förderung der Bruttokollektorfläche im Marktanreizprogramm (MAP) durch. Seitdem besteht kein Anreiz mehr, bessere Kollektoren zu kaufen oder zu entwickeln. Denn die finanzielle Förderung fällt umso geringer aus, je kleiner die notwendige Kollektorfläche ist. Die Einführung dieser BAFA-Förderung im MAP bestraft jede Innovation hin zu besseren Kollektoren. Auch dass diese Förderung vorübergehend den Markt belebte, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Die KfW (Förderbank des Bundes), im MAP zuständig für größerer Solaranlagen, fördert anteilig jede Investition effizienzunabhängig. Bei Großanlagen steht die Effizienz in aller Regel automatisch im Fokus, weil der Investor hier sehr auf die Wirtschaftlichkeit schaut.
Der Verzicht auf Verbindlichkeit bei Funktions- und Ertragsangaben sowie auf Funktionsnachweise hat das Vertrauen in die Solarthermie stark beschädigt. Diese Politik wurde geradezu zwangsläufig von übertriebenen, leichtfertigen Versprechen und infolgedessen von vielen Enttäuschungen begleitet.
Etwa zu der Zeit, als die Flächenförderung eingeführt wurde, begann der rasante Aufschwung der Photovoltaik. Sie wiederholte aber nicht die Fehler der Solarthermie, sondern lieferte von Anfang an Ertragsgarantien, ließ sich exakt nach ihren gemessenen Erträgen fördern und bot nach außen ein einheitliches Erscheinungsbild. Mit dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) gelang es der Photovoltaik anfangs, pro 1 kWh bis zum 40-Fachen der Förderung von Solarthermie zu erwirken. Seitdem sieht sich die Solarthermie zusätzlich zu ihren eigenen Hemmnissen und Problemen einem regelrechten Förderkannibalismus ausgesetzt. Erst in jüngster Zeit normalisiert sich die Förderung der Photovoltaik durch die Degression im EEG wieder.
Heute ist die Solarthermie in Deutschland trotz Energiewende und gestiegener Preise stark geschwächt und befindet sich ernsthaft in Gefahr, ganz von der Bildfläche zu verschwinden. Aber kann das überhaupt passieren? Nur vorübergehend, denn ohne Solarwärme ist eine Energiewende nicht möglich. Von den ca. 9 PJ (Petajoule) des Endenergieverbrauchs in Deutschland werden 40% als Wärme mit Temperaturen unter 100°C gebraucht, dagegen weniger als 25% als Strom. Von diesem Viertel wird wiederum etwa ein Viertel mit Erneuerbaren Energien erzeugt, vorwiegend mit Biomasse, Wind- und Wasserkraft. Die Photovoltaik leistet kaum 1% zur Endenergie dazu.
Power to Heat – Rettung oder Verzweiflung?
Die Photovoltaik und Windkraft brauchten sich bisher mit der Verwendung der Energie nicht auseinanderzusetzen. Denn die Verteilung und Speicherung oblag dem Netz, und die Kosten dafür übernahm der Stromkunde. Die Solarthermie musste dagegen schon immer komplette Systeme inklusive der Speicherung liefern.
Wärme lässt sich deutlich günstiger speichern als Strom. Dies legt auch für Stromerzeuger eine Wärmespeicherung nahe. Aber damit wird der ganze vorherige Aufwand zur Stromerzeugung mit einem Bruchteil des Wirkungsgrades der Solarthermie – inklusive der inzwischen bereits aufgelaufenen Subventionen dafür – konterkariert. Die gleiche Menge Wärme kann man mit Solarthermie zu viel geringeren Kosten haben. Wer vor Jahren hätte mit Photovoltaik Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen und speichern wollen, wäre herzlich verspottet worden. Das hat sich nur aufgrund des EEGs geändert. Volkswirtschaftlich sowie physikalisch-technisch ist davon nicht viel zu halten, auch wenn es sich heute möglicherweise „besser rechnet“. Weil der Strom sowieso schon da ist – wenn auch nicht dann, wenn er am meisten gebraucht wird –, soll er wenigstens zum Heizen genutzt werden.
Schaut man auf Bild 1, verkleinert sich bei „Power to Heat“ die grüne Fläche für Wärme, während die rote für Strom größer wird. Dies geschieht auch bei jeder Wärmepumpe. Sie ist eine Stromheizung, auch wenn dabei weniger Strom zum Einsatz kommt, als danach Wärme zur Verfügung steht. Nur müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit beim Heizen mit Wärmepumpen auch die Umwelt entlastet wird: Erstens muss die Leistungszahl wesentlich höher sein als der aktuelle, zeitgleiche (nicht über das Jahr gemittelte) Primärenergiefaktor, mit dem der Strom erzeugt wird. Zweitens darf die Wärmepumpe nicht zu Spitzenlastzeiten gebraucht werden. In der Praxis sind oft beide Bedingungen nicht erfüllt. Im Jahresmittel und besonders, wenn die Wärmepumpe am meisten gebraucht wird, ist ihre Leistungszahl geringer als der Primärenergiefaktor im Stromerzeugungsmix.
Dafür müssen Spitzenlastkraftwerke Kapazitäten vorhalten.
Es wäre unproblematisch und durchaus sinnvoll, mit Wärmepumpen den Stromanteil zu Grund- und Schwachlastzeiten zu erhöhen, um dabei Primärenergie zur Wärmeerzeugung einzusparen. Aber zur Strom-Spitzenlastzeit ist dies ein falscher Weg, weil damit der Bedarf an Kraftwerkskapazität u.U. erhöht wird. Eine vernünftige Bewertung von Strom bedürfte eines jahreszeitlichen oder sogar monatlich aufgelösten Primärenergiefaktors. Für den Wärmepumpen- bzw. Heizstrom erfolgte dann in den Wintermonaten kein Schönrechnen mehr. Für Sommerstromverbraucher hingegen würde sich damit ein vernünftiger und besonders preiswerter Betrieb mit Strom aus Erneuerbaren Energien empfehlen.
Das Potenzial der Solarthermie
In Bild 2 wird der Wärmebedarf näher betrachtet. Bei etwa 100°C wird für heute die ökonomische Grenze gezogen. Das macht ein Substitutionspotenzial von gut 40% des Endenergiebedarfs aus (40% von 9000 PJ = 3600 PJ). Nach heutigem Stand der Technik könnten mit relativ kleinen Solarwärmespeichern bei höchstens 4 Stunden Sonnenscheindauer am Tag in Summe 10 % des Endenergiebedarfs (= 900 PJ) für Raumwärme, Trinkwassererwärmung und Prozesswärme bis 100°C) gedeckt werden. Dazu würden etwa 500 Mio. m2 Kollektorfläche benötigt, was etwa der Fläche des Bodensees entspricht. Da momentan in Deutschland etwa 18 Mio. m2 installiert sind und jährliche kaum 1 Mio. m2 hinzukommen, wird deutlich, dass der Weg noch weit ist.
Eine besondere Pionierrolle müssten die Netzwärme und die Prozesswärme übernehmen, weil vor allem dort bereits Solarwärmekosten von 45 – 90 Euro/MWh ohne Förderung möglich sind. Mit einer Kurzzeitspeicherung zwischen 1 und 6 Tagen könnten mit ca. 21% vom Endenergiebedarf (= 2000 PJ) fast so viel wie der gesamte Strombedarf Deutschlands mit Solarthermie gedeckt werden.
Es wird deutlich, dass Deutschland zu klein ist oder zu viel Energie braucht, um beliebig große Anteile abdecken zu können. Und es ist wichtig, bei den verfügbaren Flächen mit den höchstmöglichen Wirkungsgraden eine sinnvolle Aufteilung zwischen Photovoltaik und Solarthermie vorzunehmen.
Solar-Keymark-Kollektorvergleiche
Der Kollektor ist der Motor jeder Solaranlage. Er allein setzt die Leistungs- und Ertragsgrenzen. Die Wirtschaftlichkeit einer Solaranlage hängt überproportional von einer hohen Kollektorleistung ab, weil die Verluste im nachgeschalteten Netz immer annähernd in gleicher Höhe anfallen.
Welche Kollektoren gibt es am Markt und was leisten sie? Aus der Schweiz wurde 2012 ein Vakuumflachkollektor vorgestellt, der das Potenzial eines Spitzenreiters hat. Aber auch aus Deutschland gab es Innovationen. So erlebte die CPC-Vakuumröhren-Kollektortechnologie 2012 einen deutlichen Entwicklungssprung. Durch ein Verfahren zur Plasmabeschichtung ließ sich der Kollektorertrag zwischen 15 und 90% für Prozesstemperaturen von 60 bis 180°C steigern.
Die folgenden Ergebnisse sind einer aktuellen Studie vom ITW der Universität Stuttgart entnommen. Mit dem Programm Ceno-Calc wurden die Kollektor-Jahreserträge von acht Kollektoren für den Standort Würzburg berechnet. Dieses unabhängige, wissenschaftliche Simulationsprogramm wird von sämtlichen europäischen Kollektor-Testinstituten zur Berechnung der Jahreserträge (Annual Collector Output, ACO) genutzt. Ceno-Calc rechnet mit einer konstanten mittleren Kollektortemperatur und ohne thermischen Stillstand. Verluste, außer denen des Kollektors, bleiben unberücksichtigt. Das Programm simuliert also keine Systeme, ist aber ein sehr gutes Werkzeug, um Kollektoren zu vergleichen. Die Ergebnisse werden fast immer mit Wasser ermittelt. Verwendet man ein anderes Fluid, sind die realen Ergebnisse grundsätzlich kleiner als die berechneten.
Bild 3 zeigt die Abhängigkeit verschiedener Kollektortypen von der mittleren Kollektortemperatur. Vor dem Hintergrund, dass Solarwärme am besten bei 85 bis 95°C gespeichert wird, um die Kapazität der Speicher gut zu nutzen, gibt es unterhalb von 50°C kaum solarthermische Anwendungen. Auch beim solaren Heizen werden meistens deutlich höhere Kollektortemperaturen gebraucht.
Die Bruttoflächen-Kollektoreffizienz auf der linken y-Achse von Bild 3 zeigt, wie viel Sonnenenergie in Wärme verwandelt wird. Ein preiswerter Flachkollektor schafft bei 50°C etwa 30% oder entsprechend der rechten y-Achse ca. 400 kWh/a. CPC-Plasma-Vakuumröhrenkollektoren und Vakuumflachkollektoren liefern 60% mehr und bei 100°C das Fünffache. Sehr gute Flachkollektoren mit selektivem Absorber werden nur noch selten und der Kollektor „Bester FK …“ nahezu ausschließlich für Fernwärmeprojekte eingesetzt.
Die beiden besten Kollektorbauarten liefern bei 50°C etwa 55% der Jahresstrahlung als Wärme, bei 100°C noch gut 40%. Das entspricht gegenüber Photovoltaik einer 3- bis 4-fachen Flächenausnutzung. Außer bei sehr niedrigen Temperaturen liefern Kollektoren mit Vakuumtechnik stets weitaus höhere Jahreserträge als Flachkollektoren mit Einscheibenverglasung und mineralischer Dämmung.
Bild 4 zeigt die Unterschiede im Kollektor-Jahresertrag bei 75°C für dieselben Kollektoren in Abhängigkeit von ihrer Ausrichtung. Alle Kollektoren büßen bei Ost- oder Westausrichtung ca. 130 kWh/m² ein. Während der sehr gute Flachkollektor dabei ca. ein Drittel verliert, sind es bei den besten Kollektoren weniger als ein Viertel. Deshalb verstärken sich auch die relativen Unterschiede zwischen den Kollektoren bei Abweichung von Süden noch weiter. Das toleranteste Verhalten gegenüber Südabweichung zeigt der Heat-Pipe-Kollektor, allerdings auf recht niedrigem Niveau. Ähnlich, aber noch ausgeprägter, verhält es sich mit dem Neigungswinkel.
Zusammengefasst eignen sich viele Kollektoren schlecht, horizontal oder weit nach Osten oder Westen ausgerichtet zu werden. Dennoch werden möglicherweise zukünftig die innerstädtischen Fassaden wichtiger als die Dächer,
- weil viele Dächer bereits verbaut sind,
- weil die Montage günstiger sein kann (viele Dächer haben statisch keine Reserven),
- weil es in der Fassade keine gegenseitige Verschattung gibt,
- weil Fassadenwärme kostbarer ist (es wird mehr Wärme im Winter als im Sommer genutzt),
- weil die Photovoltaik Fassaden i.d.R. nur schlecht nutzen kann.
Beispiele von Solarthermie mit Hochleistungskollektoren
Die größte Wirtschaftlichkeit lässt sich mit Solarthermie-Großanlagen und mit Hochleistungskollektoren erzielen. Deshalb sollen hier Beispiele gezeigt werden, wo 1 MWh Wärme bei einem Temperaturniveau zwischen 80 und 100°C ohne Förderung bereits zwischen 45 und 90 Euro und mit Förderung zwischen 25 und 65 Euro kostet. Bei Großanlagen ist Solarthermie heute bereits günstiger als Öl. Sie könnte sogar den Gaspreis unterbieten, wenn es einen Massenmarkt gäbe. Davon würden schließlich auch Kleinanlagen für Einfamilienhäuser profitieren. Bei der Kalkulation mit Solarwärme weiß man für 20 – 30 Jahre im Voraus den Preis nach dem Wertmaßstab von heute. Zukünftige Geld- oder Energiepreisinflationen würden die Rechnung nach-
träglich verbessern.
Nach dem gleichen Muster wurden seit 2006 bereits 350 größere und große Anlagen in 20 Ländern mit einer Gesamtfläche von 50000m² gebaut. Das Haupt-augenmerk der Technologieplattform DSTTP zur Wiederbelebung der Solarthermie liegt auf der Senkung der Kosten. Zur Erreichung dieses Ziels muss ein Aufschwung mit großen Solaranlagen vorangehen.
Zusammenfassung
Die Solarthermie erlebt seit 2008 zwar einen gewaltigen Abschwung, ist aber keineswegs am Ende. Denn eine Energiewende ist bei einem Substitutionspotenzial von 40% der Endenergie ohne Solarthermie nicht zu bewerkstelligen. Solarwärme blieb bisher immer ein nachrangiges Thema, weil damit Energie „nur“ gespart, aber kein Deal gemacht werden kann. Beim Kunden ist sie als Spar- und Autarkietechnologie sehr beliebt. Doch ohne den Nachweis von Ertrags- und Funktionsversprechen wird kein Vertrauen entstehen.
Mit einem „Weiter so!“ wird die Solarthermie nicht gesunden. Der Solarthermie-Weltmarkt entwickelte sich auch dann weiter, wenn Deutschland einmal keine Rolle mehr spielen sollte. Dabei trägt die ökonomischste Technik das Siegel „Made in Germany“. Etwa 50.000 m² dieser CPC-Hochleistungskollektoren sind zur Vermeidung von ca. 500 GWh bzw. ca. 15.000 t CO2 bereits im Einsatz.
Autoren:
Stefan Abrecht, Solar Experience GmbH, Keltern
Dr. Rolf Meissner, Ritter XL Solar GmbH, Karlsbad
Bilder: Ritter XL Solar
www.ritter-xl-solar.de