Wenn Kälte Wärme liefert
Eisspeicher – eine Alternative zu den etablierten Energiequellen
Eine riesige Zisterne unter der Terrasse und Absorber auf dem Dach – zwei Wärmequellen vereint, zu einem effizienten Heizsystem. Dafür entschied sich eine Familie im niederbayerischen Landshut, um örtliche Hürden zu umgehen. Nach einem Jahr wurde Bilanz gezogen: Der Hausherr und kalifornischer Physikprofessor rechnete nach und bekam ein positives Ergebnis – für Umwelt und Geldbeutel gleichermaßen.
Ein System, das auf den ersten Blick paradox erscheint, aber auf den zweiten mit Effizienz und Umweltfreundlichkeit überzeugt. Da überrascht es nicht, dass ein Professorenehepaar für angewandte Physik das System hinterfragt und sich letztlich dafür entschieden hat. Für ihr Grundstück mit 660 m2 in starker Hanglage, 190 m2 Wohnfläche im Niedrigenergiehaus und den Wunsch nach möglichst optimaler Energieeffizienz, kamen nur wenige Heizsysteme infrage. Gas als fossiler Brennstoff war kein Thema. Die Grundwasserschutzzone im Baugebiet erlaubte keine Grundwasser-Wärme-Pumpe und für Erdkollektoren war das Grundstück schlicht zu klein. Die viel diskutierte Pelletheizung kam ebenso wenig infrage. So standen letztlich nur die Luft-Wärmepumpe sowie die Kombination aus Wärmepumpe und Eisspeicher zur Wahl. Diese Variante der Sole/Wasser-Wärmepumpe gewann.
Die Physik des Wassers
Im Neubau ist mittlerweile jeder dritte Wärmeerzeuger eine Wärmepumpe, Tendenz steigend. Mit dem Eisspeicher kann eine weitere Energiequelle zur Wärmegewinnung genutzt werden. Dabei handelt es sich um eine Zisterne mit eingebautem Wärmeübertrager, die im Garten vergraben und mit Leitungswasser gefüllt wird. Das Prinzip ist alt, die Technik neu: Mit dem Eisspeicher wird zum einen Wärme aus der Umgebungsluft, der Sonneneinstrahlung und dem Erdreich in das System eingebunden, zum anderen dient er als Wärmespeicher, wenn die Wärmepumpe diese Energiequellen aktuell nicht nutzt. Zusätzlich zur Wärmepumpe werden spezielle Kollektoren auf dem Dach angebracht. Diese nehmen die Wärme der Umluft sowie der Sonne auf und speichern diese Energie direkt im Speicher.
Den Namen „Eisspeicher“ trägt er deshalb, weil er auch dann noch Wärme liefert, wenn sein Wasserinhalt bereits gefriert. Im Sommer fungiert er als normaler Pufferspeicher und Wärmequelle für die Wärmepumpe. Während Schlechtwetterperioden im Sommer, in der Übergangszeit und im Winter entzieht die Wärmepumpe der Zisterne die benötigte Energie zum Heizen und zur Warmwasserbereitung. Dabei kann sie dem Speicher so viel Wärme entziehen, dass das Wasser in der Zisterne vereist. Dies geschieht mit einer beeindruckenden Leistungszahl, denn hier kommt ein weiterer physikalischer Effekt zum Tragen. Diese, sogenannte Kristallisationswärme ist 100 % regenerative Energie, die ebenfalls für die Hauswärme und das Warmwasser genutzt wird. Der Energiegewinn aus der Phasenumwandlung von Wasser zu Eis ist so hoch, dass ein Teil des Wärmebedarfs im Winter damit gedeckt werden kann. Zum Wiederauftauen der Zisterne wird an warmen Tagen die von der Sonne, der Umgebungsluft und der Erdwärme gelieferte Energie genutzt. So kann der Vereisungsprozess immer wieder neu genutzt werden.
Ein Blick auf die Installation
Es wurden bereits über 1000 Anlagen dieser Art realisiert. Bestes Beispiel, das Niedrigenergiehaus im niederbayerischen Landshut. Im Frühjahr 2016 setzten die Fachhandwerker die Betonzisterne mit einem Durchmesser von 3,20 m und einer Höhe von 3,30 m aus dem Hause Viessmann mit einem Autokran in die bereits ausgehobene und mit Leitungen zum Haus versehene Baugrube. Ein Blick in den offenen Speicher zeigt spiralförmig angebrachte Rohrleitungen. Dabei handelt es sich um zwei Wärmeübertrager – ein Regenerations- und ein Entzugswärmetauscher. Ein Temperaturfühler im Zentrum des Eisspeichers liefert Daten an die Heizungssteuerung, mit denen diese regelt, ob Energie gespeichert oder entzogen wird.
Im Technikraum hatte das Team des Heizungsbauers Hans Bick eine 10-kW-Wärmepumpe sowie einen Warmwasserspeicher mit 390 l Inhalt für Trink- und Brauchwasser und einen Pufferspeicher mit 400 l Inhalt für das Heizungswasser eingebaut und mit dem Eisspeicher verbunden. Die Montage des Eisspeichers, vom Reinheben bis zum Anschließen an die Heizung, dauerte etwa einen Tag, der Einbau des Warmwasser- und des Pufferspeichers sowie das Anbringen der 16 Absorber weitere vier Tage. Diese schwarzen Kollektoren liegen auf Schienen, montiert auf der Süd-Seite des Daches. Leitungen führen über senkrechte Rohre in den Technikraum im Keller. Nach etwa einer Woche konnten die zwei verantwortlichen Mitarbeiter von Hans Bick das Heizsystem in Betrieb nehmen. Im September, bei 19 °C Außentemperatur, herrschten im Eisspeicher ca. 15 °C und die Absorber auf dem Dach wiesen 39 °C auf.
Visuell zeigt sich das Heizsystem praktisch in jedem Zimmer. Denn dort findet sich jeweils ein Wärmeregler inkl. Thermometer. Die Firma Viessmann liefert zu diesem Heizsystem Programme mit, um ein optimales Raumklima zu schaffen. Vor Ort lassen sich diese Programme an die individuellen Wünsche der Bewohner anpassen. So herrschen im Schlafzimmer der Familie immer 15 °C, während die Bäder 25 °C aufweisen.
Alles unter Kontrolle
Der Besitzer kontrolliert regelmäßig alle drei Zähler – die Außentemperatur, die Temperatur im Eisspeicher und die Temperatur der Absorber. Das Ergebnis nach einem Jahr: Im Eisspeicher lagen die Temperaturen bei mindestens 0 °C. Selbst im Januar war der Eisspeicher nicht komplett vereist. Auch hier spielt die Physik eine wesentliche Rolle: An der Stelle, wo der Entzugswärmeübertrager sitzt, wird es kälter, das Wasser friert hier schneller. Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich aus. Durch die Anordnung der Wärmeübertrager wird aber zunächst in der Mitte des Speichers die Wärme entzogen. So wird vermieden, dass durch die Volumenzunahme des Eises die Zisterne beschädigt wird. Die Energie, die beim Phasenübergang der 10000 l Wasser zu Eis frei werden, beträgt etwa 1100 kWh. Bei einem täglichen Wärmebedarf des Hauses von 30 kWh (an den kältesten Tagen im Winter) reicht also allein die Schmelzwärme des Eisspeichers aus, das Haus etwa einen Monat lang zu versorgen.
Auswertung im ersten Jahr
Tatsache ist, der Anschaffungspreis liegt etwa 10 000 Euro über dem einer reinen Luft-Wärmepumpe. Allerdings liegt auch die Energieeffizienz und damit die Umweltfreundlichkeit weit über den Ergebnissen einer Luft-Wärmepumpe. Je schneller und höher der Strompreis steigt, desto schneller rechnet sich die Investition. Im ersten Jahr lag der Jahresverbrauch an konventionell bezogenem Strom für Heizung und Warmwasser des 2-Personen-Eigenheims bei etwa 4000 kWh. Der Haushaltsstrom wird über einen eigenen Zähler abgerechnet. Gleichzeitig läuft das Heizsystem über zwei Zähler, einmal für Hoch- und einmal für Niedertarif. Dabei bezahlen die Besitzer etwa 20 Ct/kWh im Hochtarif und etwas mehr als die Hälfte im Niederstromtarif, von 22:00 bis 06:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen. Damit liegt die Familie bereits im ersten Jahr unter den Berechnungen einer Luft-Wärmepumpe oder einem anderen, vergleichbaren Heizsystem. Legt man den aktuellen Strompreis zugrunde, ergibt sich eine Amortisation nach etwa 12 Jahren. Der Eisspeicher selbst kann praktisch unbegrenzt eingesetzt werden. Die inneren Rohre aus Kunststoff könnten nur durch UV-Einstrahlung oder mechanische Gewalt zerstört werden. Die Lebensdauer des gesamten Heizsystems hängt an der Wärmepumpe, diese wird üblicherweise mit mindestens 18 Jahren angesetzt.
Überprüfung durch den Bauherren
Der Hausherr und emeritierte Physikprofessor rechnete nach: „Ich wollte wissen, wie viel wir etwa durch den Eisspeicher im Gegensatz zur Luft-Wärmepumpe sparen, also nutze ich mein physikalisches Know-how, um das regelmäßig auszurechen.“ Dafür berechnet man gerne die Jahresarbeitszahlen. Sie setzen die übers Jahr erzeugte Wärme ins Verhältnis zum Strom, der für den Antrieb der Wärmepumpe eingesetzt wurde. Bei einer reinen Luft-Wärmepumpe sollte das Verhältnis größer als 3,0 sein. Im Idealfall mehr als 4. Allerdings schwanken die Jahresarbeitszahlen einer Luft-Wärmepumpe. In einem Jahr mit hohen Durchschnittstemperaturen ist die Jahresarbeitszahl schnell über 4. Bei niedrigen Jahres-Durchschnittstemperaturen sinkt sie schon mal auf 3. Der Eisspeicher sorgt dagegen dafür, dass die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpen-Anlage konstant hoch ist, da er weitgehend unabhängig von den momentanen Außentemperaturen die Wärme bereitstellt.
Die Berechnungen des Physikers haben ergeben, dass sie im letzten Winter maximal 30 kWh pro Tag an Wärmeenergie benötigten. Eine Luft–Wärmepumpe hätte laut Statistik etwa 60 kWh verbraucht. Das bedeutet eine Ersparnis von 50 % und damit etwa 6 Euro Stromkosten pro Tag – basierend auf den Daten im ersten Jahr der Nutzung. „Mir als Physiker gefällt, dass das System zwei Wärmequellen hat und die Quelle nutzt, die am wärmsten ist, und so am effizientesten. Wenn wir draußen 5 °C und Sonne haben, nutzt die Wärmepumpe als Wärmequelle den Absorber auf dem Dach und nicht den Eisspeicher. Der wird geschont, bis sein Einsatz ökonomisch und ökologisch wirklich sinnvoll ist“, ergänzt der Bauherr.
Für die Zukunft plant die Familie noch die Installation von etwa 20 m² PV-Modulen mit 4 kW Peak-Leistung. Zusammen mit einem Elektroauto, quasi als mobiler Speicher, könnte die Familie völlige Unabhängigkeit vom Stromanbieter erreichen und für die nächsten 20 Jahre einen fixen Kostenblock Energie absichern.
Der Installationsbetrieb zeigt sich überzeugt
In Deutschland gibt es nur wenige Hersteller, die Eisspeicher anbieten. Einer davon ist Viessmann. Die Herstellung der Eisspeicher erfolgt in Deutschland. Interessierte Heizungsbauer werden geschult, um die Installationen fachgerecht vorzunehmen. Der Eisspeicher an sich ist praktisch wartungsfrei, sodass mit dem normalen Service einer Wärmepumpe zu rechnen ist. Trotz seines innovativen und effizienten Systems ist der Eisspeicher noch eine Seltenheit, u. a. wegen der hohen Anschaffungskosten. „Für Grundstücke mit Hanglage oder von geringer Größe oder wenn Bohrungen für Erdwärmesonden nicht infrage kommen, ist der Eisspeicher ideal. Aber kurz- und mittelfristig sehe ich noch keinen rasanten Anstieg. Persönlich halte ich das System für absolut überzeugend“, ergänzt Wolfgang Ruß, verantwortlicher Meister von Hans Bick. Mit der neuen Energieeinsparverordnung (EnEV) werden ökologische Heizsysteme wie der Eisspeicher weiter unterstützt, auch im Vergleich zu einer Gasheizung. Durch Zusatzkosten für weitere energetische Elemente, wie für größere Solarspeicher oder einen zusätzlichen Holzheizkessel, nähern sich die Anschaffungskosten immer weiter an denen von Eisspeicheranlagen an. Noch ist die Preisdifferenz relativ hoch, aber es scheint nur eine Frage der Zeit, bis sich das Niveau angleicht.
www.viessmann.de
www.hansbick.de