Tablet an Kessel – Kessel an Tablet
Die Vernetzung von einzelnen Komponenten in der Heizungstechnik steigert die Energieeffizienz und verbessert den Service gegenüber dem Anlagenbetreiber
Das „Internet der Dinge“ ist in aller Munde und verändert unsere Welt. Immer mehr Geräte kommunizieren miteinander, ohne manuelle Eingriffe. Dieser Trend betrifft auch das SHK-Handwerk, z. B. bei Beratung, Angeboten, Installation und Wartung. Ein SHK-Bereich, in dem die Digitalisierung deutlich zu erkennen und vorangeschritten ist, sind die Wärmeerzeuger.
Die Vorteile von Smart-Home- und Automationslösungen sind für den Endnutzer zweifelsfrei gegeben. Doch das Smart-Home-System hat sich bisher in Deutschland bislang nicht durchsetzen können. Das mag verschiedene – teils nicht unberechtigte – Gründe haben. Daher stellen sich viele Handwerksbetriebe die Frage, inwieweit sie sich mit der Technik überhaupt auseinandersetzen sollen.
Doch der Bereich wird sich entwickeln, so sehen es viele Experten und Branchenverbände. Mitdenkende technische Systeme weisen ein enormes, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial in vielen Anwendungsbereichen aus. Auch wenn technisch noch nicht alles optimal ist, z. B. was Kompatibilität und Kommunikationsfähigkeit von Systemen unterschiedlicher Hersteller betrifft, so wird der Trend gerade in der Heiztechnik nicht mehr aufzuhalten sein.
Das Interesse der Verbraucher scheint auch zu wachsen. In einer repräsentativen Umfrage der Technischen Universität München und Deloitte beispielsweise zum Thema „Smart Home aus Konsumentensicht“ aus dem Jahr 2015 rangiert die smarte Heizungsregelung im Interesse von Verbrauchern auf Platz 2. Demnach sind 34 % der Deutschen an einer solchen Heizungssteuerung interessiert oder äußerten eine konkrete Kaufabsicht.
Heizung liefert viele Daten
Ob Heizkessel, Wärmepumpe, Solaranlage oder Mikro-Blockheizkraftwerk: Die neue Generation von Wärmeerzeugern ist internetfähig. Außerdem können diese Wärmeerzeuger zu einem ökonomisch und ökologischen Gesamtsystem vernetzt werden. So holt das smarte System für die Hausbewohner den maximalen Nutzen aus dem jeweiligen Energieträger heraus. Optimal aufeinander abgestimmte Systeme schonen Umwelt und Geldbeutel. Zudem steigern sie die Wohnqualität und erhöhen den Komfort.
Eine Vielzahl von Herstellern haben Produkte im Programm, welche die IP-Schnittstelle bereits mitbringen. So kann der Endkunde meist mit einer kostenlosen App alle Geräte per Smartphone und PC von zu Hause und unterwegs bedienen. Die Steuerung kann individuell entsprechend den Anforderungen konfiguriert werden. Der Anlagenbetreiber hat dabei den Betriebsmodus sowie die Energieverbräuche von Heizung und Trinkwassererwärmung stets im Blick. Ist eine Solaranlage integriert, wird auch der solare Ertrag erfasst und angezeigt. Alle Geräte mit einer Netzwerkschnittstelle (Ethernet) können mit dem Breitbandanschluss des Kunden verbunden werden.
Sparsam und komfortabel zugleich
Dank der Internetschnittstelle sind die Wärmeerzeuger über das zukünftige Wetter informiert. Ist es beispielsweise morgens kalt, liefern Heizkessel oder Wärmepumpe noch bevor die Hausbewohner aufstehen Wärme und haben den Warmwasserspeicher gut gefüllt. Steigt die Temperatur im Laufe des Tages an, reduziert das System den Betrieb der Heizung selbstständig. Ist beispielsweise eine thermische Solaranlage installiert, priorisiert das System je nach vorhergesagter Sonneneinstrahlung die Solaranlage und reduziert automatisch den Energieverbrauch des Wärmeerzeugers (Gas, Öl, Strom).
Individuell anpassbare bzw. vordefinierte Profile machen den Einstieg in die smarte Regelung für den Nutzer einfach. Vordefinierte Profile können beispielsweise „Zuhause“, „Nacht“, „Abwesend“ oder „Urlaub“ sein.
Ein Beispiel für individuell anpassbare Tagesprogramme: Sind alle Bewohner tagsüber aus dem Haus, muss die Heizung natürlich nicht die volle Leistung aufbringen. Am Abend jedoch, wenn alle zurück sind, soll wieder Wohlfühltemperatur herrschen. Auch was für die einzelnen Bewohner jeweils die Wohlfühltemperatur ist, lässt sich individuell definieren. Sind alle zu Hause, wird automatisch die höchste Wohlfühltemperatur gewählt. Ändert sich die Tagesroutine kurzfristig, genügt ein Fingertipp auf dem Touchpad an der Heizungsanlage oder auf der Smartphone-App.
Bereits heute sind einige Wärmeerzeuger Smart-Grid-fähig. Das bedeutet, das System priorisiert selbstständig günstigen Strom und puffert die Wärme für die Zeit, in der Strom teurer ist. Hausbesitzer profitieren also automatisch von einem vorteilhaften Tarifmix.
Meldungen aus der Ferne
Eine Internetvernetzung fungiert aber auch als Sprachrohr zwischen Endkunden, Installateuren und dem Werkskundendienst des Kesselherstellers. So können beispielsweise Produkte und Dienstleistungen aufgrund der Echtzeitdaten optimiert und neue Services entwickelt werden. Die Heizungsanlage meldet dem Hausbesitzer und/oder SHK-Betrieb zudem, wenn eine Wartung fällig ist. Wartungen können so besser geplant werden. Optimierungen erfolgen sogar auch oft direkt vom Computer oder über das Smartphone aus. Besteht Servicebedarf, weil die Anlage nicht korrekt funktioniert, kann dies also nicht nur frühzeitig angezeigt, sondern oftmals auch per Fernwartung rasch erledigt werden.
Heizungsfachfirmen können also durch den Fernzugriff auf Heizsysteme ihre Servicedienstleistungen und die Kundenbindung erhöhen. Nach Einwilligung des Endkunden haben sie die Möglichkeit, dessen Anlage bequem aus der Ferne im Blick zu behalten, Änderungen bei den Einstellungen vorzunehmen und Servicemeldungen abzufragen. Via Internet lässt sich eine große Anlagenanzahl kontrollieren. Die Apps der Herstellerfirmen ermöglichen die Bedienung und Fernüberwachung zahlreicher Heizungsanlagen in mehreren Gebäuden. Tritt ein Fehler auf, der nicht per Fernwartung zu erledigen ist, weiß der Fachhandwerker dennoch schon vorab anhand der angezeigten Daten, welches Ersatzteil er voraussichtlich braucht und kann es sofort mitnehmen. Das spart Zeit, zusätzliche Wege und Kosten für Kunden wie für Handwerksbetriebe.
Gerade für Mittel- und Großanlagen in Mehrfamilienhäusern oder öffentlichen und gewerblichen Gebäuden verspricht die Vernetzung von Wärmeerzeugern eine höhere Betriebssicherheit. Sie ist dort besonders wichtig, weil die Auswirkungen häufig gravierend sind. Ein nicht oder nicht optimal funktionierendes Heizungssystem kann schnell hohe Kosten verursachen. Dieses Risiko lässt sich mittels Fernüberwachung rund um die Uhr inklusive Aufzeichnung von Anlagendaten sowie der Betriebs- und Störungsmeldungen minimieren.
Auch für Wärmelieferungs- oder Wartungsverträge ist die Fernüberwachung geeignet, z. B. um Energieverbrauchswerte abzufragen. Gerade bei der Gebäudeautomation sind viele Maßnahmen
möglich: Ein Gateway leitet Betriebs- oder Störungsmeldungen an beliebige Ziele, z. B. als E-Mail, weiter. Frei schaltbare Ein- und Ausgänge sowie frei anschließbare Fühler und Zähler ermöglichen es, weitere Geräte für die gesamte Heiztechnik via Internet zu kontrollieren und zu steuern. Hierzu zählen die Wassermangelsicherung, Pumpen, Füllstand des Öltanks, Druckwächter, Neutralisierungseinrichtung von Brennwertkesseln u. a. m.
Praktisch sind integrierte Datenspeicher. Sie erfassen alle Informationen der Anlage, etwa Raum-, Vorlauf- und Warmwassertemperatur oder den Status von Brenner, Heizkreispumpen und Mischern. Mit einer entsprechenden Software lassen sich diese Daten auch grafisch darstellen. Die Systemspezialisten aus der Industrie ermöglichen so einen hohen Nutzerkomfort für den Endverwender, begleitet von einem besonderen Service des Fachhandwerkers.
Nachrüsten ist möglich
In vielen Gebäuden gibt es eine Zentralheizung, die nicht direkt mit einem Regler im Wohnraum kommuniziert. Für diesen Fall haben namhafte Heizungshersteller eine Lösung per Upgrade-Kit entwickelt, z.B. „MB100-LAN“ (Junkers), „Logamatic web KM 200“ (Buderus), „Internet Service Gateway“ (Stiebel Eltron) oder die „Vitotronic/Vitrol-App“ (Viessmann). Zu beachten ist jedoch, dass nicht alle Heizkessel smart aufgerüstet werden können. Es empfiehlt sich, beim Herstellerservice anzufragen oder auf der Website des Herstellers zu überprüfen, inwieweit ein Upgrade möglich ist. Viele Heizkessel, die sich aufrüsten lassen, können auch nachträglich in ein Smart-Home-System integriert werden.
Ist der Heizkessel bereits zu sehr in die Jahre gekommen, ist ein Heizkesseltausch notwendig. Wichtig aus der Sicht von Herstellern ist daher, dass das Handwerk als Experte und im direkten Kontakt mit Endkunden offen für die neuen Technologien ist und diese fördert.
Seit Januar 2016 stellt der Bund zusätzliche Förderungen für den Austausch der Heizungen bereit. Die Förderung wird in Form von Zinsverbilligungen und Zuschüssen gewährt und ist Teil des neuen Anreizprogramms Energieeffizienz, für das die Bundesregierung insgesamt 165 Mio. Euro pro Jahr über drei Jahre eingeplant hat. Sie ist allerdings auch an einige Mindestanforderungen gebunden. Wer sich dann für einen neuen Heizkessel entscheidet, findet eine Vielzahl von Herstellern, deren Wärmeerzeuger die IP-Schnittstelle bereits mitbringen und die ab Werk App-tauglich sind.
Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin