Effizienzlabel für bestehende Wärmeerzeuger
Ab dem Jahr 2016 hält das Label schrittweise auch im Bestand Einzug
Da ging es mal richtig schnell: Kurz nach der Einführung der Kennzeichnungspflicht mit Energieeffizienzlabeln für neue Wärmeerzeuger werden voraussichtlich ab Beginn 2016 auch bestehende Heizkessel in einem gestuften Konzept mit Effizienzlabeln ausgezeichnet. Welche Bedingungen diesem Labeling zugrunde liegen, wie es umgesetzt werden soll und welche Effekte dadurch erwartet werden, beschreibt das nachstehende Interview.
Noch erhitzt die erst mit dem 26. September dieses Jahres endgültig umgesetzte Ökodesign-Richtlinie sowie die Energy Label Directive (ELD) für neue Wärmeerzeuger die Gemüter. Deren Kern: Sowohl Produkte als auch Anlagen der Heiztechnik müssen nach verschiedensten Kriterien hinsichtlich ihrer Effizienz bewertet und dann mit einem Energieeffizienzlabel versehen werden. Für den Fachhandwerker und den Fachplaner hieß das erst einmal: unbezahlte Mehrarbeit – denn das Label muss bereits in der Angebotsphase ausgewiesen und dem Kunden vorgelegt werden. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, dann wird bereits Beginn 2016 auch eine Pflicht zur Energieeffizienz-Kennzeichnung für Bestandsanlagen kommen. Hierdurch erhoffen sich sowohl Politik als auch Hersteller und Verbände eine Auflösung des viel zitierten Sanierungsstaus im Heizkeller und eine spürbare Beschleunigung der Austauschquote von Altanlagen. Der Clou dabei: Der Betreiber der Heizanlage muss nicht für die Kosten des Labelings aufkommen, der Schornsteinfeger als „ausführendes Organ“ erhält durch ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Kostenentschädigung für den entstehenden Aufwand. Mit einer Übergangsregelung im Jahr 2016 haben u. a. auch Heizungsfachbetriebe, die mit dem Kunden im Vertragsverhältnis stehen, die Möglichkeit zur Erstellung eines Labels. Zum Thema Label für Bestandsanlagen sprachen wir mit Karl-Heinz Backhaus, Leiter Politik, Verbands- und Normungsmanagement Vaillant.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie sind die Entstehungsgeschichte und der Hintergrund des Gesetzes zum „Altanlagenlabel“?
Karl-Heinz Backhaus: Ca. 14,5 Mio. Wärmeerzeuger – das sind 71 % des Bestandes – sind unzureichend effizient und entsprechen nicht dem Stand der Technik. Im Hinblick auf die Klimaziele der EU und Deutschland ist dies ein erhebliches Potenzial zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, das mit überschaubaren Investitionen und Aufwand erschlossen werden könnte. Mitte 2013 ist bereits die Idee bei uns entstanden, dass mit dem Labeling von Bestandsanlagen der Abbau des Sanierungsstaus im Heizkeller beschleunigt werden könne. Wir haben unser Konzept dann in den Verbänden diskutiert, anschließend der Politik vorgestellt und als Maßnahme für den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) über den BDH vorgeschlagen. Die Idee wurde anschließend unter dem Begriff „Nationales Effizienzlabel für Heizungs-Altanlagen“ in den NAPE aufgenommen, der im Dezember 2014 im Bundeskabinett verabschiedet wurde. Das Ganze sollte dann möglichst schnell in einem entsprechenden Gesetz umgesetzt werden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche konkreten Auswirkungen könnte das Label für Bestandsanlagen haben?
Karl-Heinz Backhaus: Wir haben in sechs europäischen Ländern Untersuchungen durchgeführt, welche Auswirkungen das Labeling von Bestandsanlagen haben könnte. Das Ergebnis: Die Verbraucher sind sich im Allgemeinen nicht über den energetischen Zustand ihrer Heiztechnik bewusst und vertrauen auf das „ok“ des Schornsteinfegers nach der Abgasmessung und Anlagenprüfung. Die Wärmeerzeuger werden deswegen in der Regel erst dann getauscht, wenn eine größere Reparatur ansteht oder die Anlage irreparabel defekt ist. Bei der derzeitigen Austauschquote von ca. 3 % wäre der Kesselbestand dadurch erst in rund 25 Jahren saniert. Eine Kennzeichnung ineffizienter Kessel könnte deswegen den „schlafenden Riesen“ wecken und gleichzeitig ein Türöffner für Energieberatung und den Heizungscheck werden.
Auf die Frage, wie sie auf eine schlechte Energieeffizienzbewertung ihres Wärmeerzeugers reagieren würden, antworteten Endkunden überraschend deutlich. 7 % der Befragten würden den Heizkessel umgehend tauschen, 9 % würden ihn innerhalb der nächsten zwei Jahre wechseln und weitere 50 % sind an dem Thema interessiert und würden sich beraten lassen. Im Endeffekt würde dies einer Erhöhung der jährlichen Austauschrate um 20 % von 3,1 auf 3,7 % gleichkommen, so das Fraunhofer ISI, das die Bundesregierung bei der Erstellung des NAPE unterstützt hat.
IKZ-HAUSTECHNIK:Auf welchen gesetzlichen Grundlagen fußt das kommende Labeling von Altanlagen? Und welche Anlagen sind davon betroffen?
Karl-Heinz Backhaus: Bereits Ende 2014 wurde der Vorschlag im Rahmen des NAPE im Bundeskabinett verabschiedet. Als gesetzliche Grundlage muss das Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz (EnVKG) angepasst werden. Hierbei handelt es sich um die nationale Umsetzung der EU-weiten ELD, die auch Grundlage für das Labeling von Neugeräten ist. Die ursprünglich vorgesehene gesetzliche Änderung der Kehr- und Überwachungsverordnung (KÜO) ist nicht erforderlich, weil die Kosten für das Labeln nicht durch den Endkunden, sondern vollständig durch das BMWi getragen werden.
Das Labeln seiner Heizanlage ist für den Betreiber zwar kostenfrei. Er muss es aber dulden und kann es nicht ablehnen. Anders als in der Ökodesign-Richtlinie, in der nur Wärmeerzeuger mit einer Heizleistung bis zu 70 kW gelabelt werden müssen, ist die Vorlage im Bestandslabeling deutlich weiter gefasst. Es müssen Heizgeräte bis zu 400 kW Leistung bewertet und mit einem Energieeffizienzlabel versehen werden. Weil für die Bandbreite der Geräte von 70 bis 400 kW keine Berechnungsmethode innerhalb der Ökodesign-Richtlinie existiert, hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit dem BDH hier ein Verfahren und einen Algorithmus ausgelegt, der auch Wärmeerzeuger mit diesen Leistungen erfassen und hinsichtlich ihrer Effizienz bewerten sowie vergleichen kann.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie ist die Bewertung des Labels aufgebaut? Und wie wird der Endkunde über das Ergebnis informiert?
Karl-Heinz Backhaus: Das Label entspricht mit den Werten der Einstufung dem für Neugeräte. Somit lässt sich ein klarer Vergleich zu neuen Anlagen der Wärmeerzeugung ziehen. Gelabelt werden ausschließlich Gas- und Öl-Wärmeerzeuger – nicht die Anlagenperipherie bzw. deren Gesamtzustand. Dies kann sicherlich ein Ansatzpunkt für Kritik sein. Jedoch war es die Zielsetzung, das Labeling von Bestandsanlagen so einfach und kostengünstig wie nur eben möglich umzusetzen – daher sind auch keine Messungen vor Ort erforderlich. Unser Ziel ist es, dass das jeweils erteilte Label zu einem Türöffner sowohl für eine fundierte Energieberatung als auch den Heizungscheck wird.
Nach der Erstellung des Labels muss dieses deutlich sichtbar auf der Vorderseite des Wärmeerzeugers angebracht werden. Anschließend wird dem Betreiber der Heizanlage eine offizielle Broschüre des BMWi übergeben, in dem das Label und mögliche Energiekosten-Einsparungen erläutert werden. Gleichzeitig erfolgt das Angebot zur Energieberatung und dem Heizungscheck sowie der Hinweis auf aktuelle Förderprogramme.
Im vermieteten Mehrfamilienhaus sollen sowohl der Vermieter als auch die Mieter über die Geräteeinstufung informiert werden und die Informationsbroschüre erhalten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wann soll das Gesetz in Kraft treten? Und wie ist die konkrete Zeitplanung für die Umsetzung?
Karl-Heinz Backhaus: Die Inkraftsetzung des neuen Gesetzes wird bis Ende 2015 erwartet. Um einen nachhaltigen Effekt auf den Markt auszuüben, werden Bestandsanlagen in einem gestuften Konzept gelabelt. So lässt sich zum einen ein „Einmal-Effekt“ sicher vermeiden. Geplant ist derzeit, die ältesten Kessel zuerst zu kennzeichnen und im Laufe der Zeit die betroffenen Baujahre stufenweise zu verjüngen. In 2016 dürfen dann ausschließlich Wärmeerzeuger mit einem Baujahr bis einschließlich 1986 gelabelt werden. Im Folgejahr sind dann alle Anlagen mit einem Baujahr bis inklusive 1991 betroffen.
In 2016 wird das Labeling jedoch noch freiwillig sein und erst 2017 gesetzlich verpflichtend. Dahinter stecken Berechnungen, die davon ausgehen, dass durchschnittlich rund 2,0 Mio. Wärmeerzeuger pro Jahr in einem Sieben-Jahres-Plan gelabelt werden sollen. Geht man aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und Marktbefragungen davon aus, dass ca. 7 % der Betreiber von als ineffizient gelabelten Heizgeräten einen kurzfristigen Gerätetausch durchführen, entspräche dies einem zusätzlichen Marktvolumen von rund 140 000 Geräten pro Jahr.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie hoch bewerten Sie die Energieeinsparpotenziale?
Karl-Heinz Backhaus: Alleine durch den Tausch des alten Wärmeerzeugers gegen ein aktuelles Gas- oder Öl-Brennwertgerät inklusive neuer Regelungstechnik und einer Hocheffizienzpumpe wird die Effizienz um 20% gesteigert und der Ausstoß von Treibhausgasen entsprechend reduziert. Darüber hinaus werden mit dem reinen Kesselaustausch oft weitere Effizienzpotenziale realisiert, wie z. B. ein hydraulischer Abgleich oder die Rohrdämmung im Keller. Dadurch wird die Effizienz im Allgemeinen um weitere 15 % angehoben. Werden zusätzlich Erneuerbare Energien wie Solarthermie eingebunden, reduzieren sich die Emissionen und der Primärenergiebedarf um ca. 45 %. Kommen höher investive Technologien wie Elektro- oder Gas-Wärmepumpen bzw. die Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz, können sogar Reduzierungen von über 60 % erzielt werden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wer wird für das Labeln verantwortlich sein?
Karl-Heinz Backhaus: Die hoheitliche Aufgabe für das Labeling wird ausschließlich der jeweils bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger erhalten. Hierfür erhält dieser pro gelabelter Anlage einen Kostenausgleich in Höhe von 8 Euro. Das Labeling soll im Zuge der kontinuierlichen Feuerstättenschau umgesetzt werden. Freiwillig können auch andere Berufsgruppen wie SHK-Fachhandwerker, Gebäudeenergieberater oder Energiepass-Ausstellungsberechtigte die Kennzeichnung durchführen. Diese wird jedoch nicht entlohnt. Darüber hinaus müssen diese Berufsgruppen in einem vertraglichen Verhältnis im Hinblick auf die Heiztechnik oder die energetische Sanierung des Gesamtgebäudes mit dem Betreiber verbunden sein.
IKZ-HAUSTECHNIK:Wie können Bestandsanlagen sicher eingestuft und bewertet werden?
Karl-Heinz Backhaus: Für die Einstufung von Wärmeerzeugern im Bestand erhält der Schornsteinfeger über das BMWi eine entsprechend detaillierte Liste. Die Daten hierfür müssen die Hersteller von Wärmeerzeugern bereitstellen. Ist der Hersteller nicht mehr am Markt tätig oder können Daten für das jeweilige Gerät nicht mehr beschafft werden, erfolgt eine normative Einstufung über die Gerätekategorie und das Baujahr. Die Liste wird sowohl im Internet auf der Website des BMWi als auch im Rahmen einer App zur Verfügung stehen. Gleichzeitig stellt das BMWi eine Software zur Verfügung, mit der die Effizienzklassenbewertung automatisiert durchgeführt werden soll.
IKZ-HAUSTECHNIK: Mit welchem Erfolg rechnen Sie für die gesamte Maßnahme?
Karl-Heinz Backhaus: Es hört sich nicht nur nach einer nachvollziehbaren, sondern auch nachhaltigen und durchdachten Aktion an – das neue Gesetz zum Energieeffizienz-Labeling von Heizanlagen im Bestand. Glaubt man den Ergebnissen aus Marktbefragungen, ließen sich hiermit die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung und der EU auf der einen und der Sanierungsstau im Heizkeller auf der anderen Seite lösen. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Investitionen für das Programm vergleichsweise gering ausfallen. Es ist allen Beteiligten am Markt zu wünschen, dass mit der neuen Verordnung tatsächlich der gewünschte Erfolg erzielt wird.
Bilder: Vaillant Deutschland GmbH & Co. KG, Remscheid