Abwärmenutzung aus Rechenzentren
Möglichkeiten – Potenziale – Einsatzgebiete
Rechenzentren verbrauchen jede Menge Strom – doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn durch die entstehende Serverwärme produzieren sie auch Energie, die in den meisten Fällen allerdings immer noch ungenutzt verpufft. „Abwärmenutzung“ lautet das Schlüsselwort, mit dem Rechenzentren durchaus zum Lieferanten von Energie werden können. Doch was steckt dahinter?
Ungenutze Energiepotenziale in Rechenzentren
In Zeiten, in denen die Digitalisierung immer weiter voranschreitet und der Begriff Internet of Things (IoT) auch in privaten Haushalten Einzug hält, ist der Bedarf an Rechenleistung so groß wie nie. Gerade im Hinblick auf Themen wie autonomes Fahren, Industrie 4.0 und Big Data wird sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen. Mit ca. 12 Mrd. kWh pro Jahr beträgt der Anteil von Rechenzentren am Gesamtstrombedarf Deutschlands laut Borderstep Institut schon heute 2 %. In Frankfurt, dem größten Internetknoten der Welt, ist der Anteil der Rechenzentren am Gesamtstromverbrauch der Stadt mit 20 % noch sehr viel höher. Neben den Servertechnologien selbst verbraucht die Kühlung dabei am meisten Strom – und nahezu alles davon wird in Wärme umgewandelt.
Deutschlands Rechenzentren gehören zu den weltweit effizientesten. Doch dass auch hier noch viel Luft nach oben ist, zeigt der oft nachlässige Umgang mit Abwärme. Diese durch die Server produzierte Wärme wird immer noch zu großen Teilen mithilfe teurer Kühlanlagen ungenutzt an die Umgebung abgegeben. Es wird also buchstäblich kostbare Energie verschwendet, die sich an anderen Stellen hervorragend nutzen ließe. Dabei stehen momentan alle Zeichen auf Effizienzsteigerung: Die Nachfrage nach Rechenzentren ist hoch und lässt ihren Strombedarf trotz effizienter Versorgungstechnik weiter steigen. Die Politik hat es sich bereits zum Ziel gemacht, den Primärenergieverbrauch in Deutschland bis 2050 halbieren zu wollen. In Anbetracht solch ambitionierter Vorhaben sollte man gerade im Bereich Rechenzentren neue Ansätze zur Energienutzung ins Auge fassen.
Doch was bedeutet „Effizienz“ für Rechenzentren überhaupt? Ein kleiner Exkurs gibt Aufschluss: Die Effizienz, oder auch „Power usage effectivness“, kurz PUE, ist eine Kennzahl, die das Verhältnis zwischen Gesamtenergieverbrauch und Energieverbrauch der IT darstellt. Damit ist sie immer größer als 1. Selbst wenn man sich dem Wert von 1 beliebig annähern könnte, folgt daraus immer noch, dass 100 % der IT-Leistung als Wärme frei werden und im ungünstigsten Fall ungenutzt verpuffen. Ein niedriger PUE-Wert beweist also noch lange nicht, dass ein Rechenzentrum tatsächlich in jeder Hinsicht effizient arbeitet. Wie also lässt sich die entstandene Abwärme sinnvoll verwerten?
Möglichkeiten zur Abwärmenutzung
Die wohl größte Herausforderung bei der Abwärmenutzung liegt in der Suche nach einem geeigneten Abnehmer derselben. Das Rechenzentrum produziert das gesamte Jahr über Wärme – im Idealfall sollte sie also auch über diesen Zeitraum hinweg abgenommen werden. Mögliche Anwendungsgebiete können neben Nah- und Fernwärmenetzen auch spezielle Objekte wie Schwimmbäder, Wäschereien oder Gewächshäuser sein, die permanent Wärme benötigen. Wichtig ist hierbei, dass die Wärmeleistung auf einem nutzbaren Temperaturniveau bereitgestellt wird. In Rechenzentren überwiegt aktuell noch die klassische Luftkühlung, bei der mit Kaltwasserregistern ausgestattete Umluftklimageräte die Luft im Serverraum umwälzen und so die Wärme abtransportieren. Hieraus ergeben sich Kaltwasserrücklauftemperaturen von 18 bis 30 °C. Im sogenannten „High Performance Computing“, kurz HPC, können die Wärmelasten durch höhere Leistungsdichten nur mit direkter Wasserkühlung abgeführt werden. Der direkte Wärmeübergang zwischen Server und Medium erzielt Rücklauftemperaturen von ca. 60 °C. Es wird erwartet, dass die technische Weiterentwicklung der IT-Komponenten auch außerhalb des HPC-Bereichs eine Erhöhung der Leistungsdichten hervorbringen wird. So werden die Voraussetzungen für eine effektive Abwärmenutzung günstiger.
Die Planung neuer Rechenzentren sieht zumeist eine lokale Abwärmenutzung vor, das heißt, die Abwärme wird innerhalb des Rechenzentrums selbst verwendet. Das hat seine Gründe in dem niedrigen Temperaturniveau, das mit 18 bis 30 °C zumeist nicht für direkte Heizzwecke ausreicht.
Innerhalb des Rechenzentrums bietet es jedoch hervorragende Bedingungen, um beispielsweise eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe mit einer sehr guten Leistungszahl (COP) zu betreiben. In den meisten Fällen wird die Heizlast des Rechenzentrums nur durch die Aufenthaltsräume bestimmt und steht in keiner Relation zur anfallenden Abwärme des Rechenzentrums. So wird die Heizung zwar mit einem sehr geringen Primärenergieeinsatz betrieben, jedoch deckt dies zum Teil nur 1 % der anfallenden Wärme ab.
Einsatzgebiete
Um das Abwärmepotenzial besser ausschöpfen zu können, reicht es nicht aus, in der abgeschlossenen Einheit des Rechenzentrums zu bleiben – es muss viel umfassender gedacht werden. Sieht man mal von den großen Colocation-Anbietern (Firmen, die Rechenleistung verkaufen) ab, integrieren viele Firmen ihre Rechenzentren in große Liegenschaften. In solchen Gebäudekomplexen kann das Verhältnis zwischen Heizlast und vorhandener Abwärme ausgeglichener sein. Auch hier bietet der Einsatz von Wasser/Wasser-Wärmepumpen ein geeignetes Temperaturniveau.
Einen ähnlichen Ansatz greift das Konzept der Technischen Universität Darmstadt auf, die mit dem Projekt „Rechenzentren als Baustein der Energiewende auf Quartiersebene“ den diesjährigen Deutschen Rechenzentrumspreis gewann. Das Projekt sieht eine Kopplung des universitätseigenen Fernwärmenetzes und eines Hochleistungsrechners mit Rücklauftemperaturen von 60 °C vor. Eine Wärmepumpe soll auf der Verflüssigerseite 70 °C für das Fernwärmenetz bereitstellen und gleichzeitig den auf der Verdampferseite zirkulierenden Rücklauf des Kaltwassers zur Serverkühlung von 60 °C auf 50 °C abkühlen.
Ein Beispiel zur noch umfassenderen Nutzung liefert uns das im Bau befindliche Rechenzentrum „Elementica“ im schwedischen Stockholm. Hier leiten Fernwärmerohre die Abwärme nach einer Anhebung des Temperaturniveaus mittels Wärmepumpen direkt zum Biomasseheizkraftwerk Värtaverket. Dort wird sie anschließend zu Fernwärme veredelt. Auf diese Weise soll die gesamte Abwärme zurückgewonnen und in das Fernwärmenetz der Stadt Stockholm eingespeist werden – das entspricht im Jahr etwa
112 GWh gewonnener Wärmeenergie und damit dem Wärmebedarf einer Kleinstadt mit ca. 20 000 Einwohnern.
Wohin mit der Wärme im Sommer?
In Deutschland gingen im Jahr 2015 27 % des Energieverbrauchs zulasten von Raumwärme. Außerhalb der Heizperiode ist der Bedarf an Raumwärme allerdings sehr gering. Dem gegenüber erfordert z. B. die Warmwassererzeugung eine kontinuierliche Wärmebereitstellung. Der Anteil des durch Wärme verursachten Gesamtenergieverbrauchs betrug hierfür im Jahr 2015 etwa 5 %. Diese Angabe mag zunächst gering erscheinen, der absolute Wert macht das Potenzial dieses Anwendungsgebietes jedoch deutlich: So wurde für die Warmwasserbereitung im Jahr 2015 eine Energie von 443,85 Petajoule aufgewendet. Dies entspricht 123,29 TWh. Stellt man diese Zahl dem Stromverbrauch und damit dem Abwärmepotenzial aller Rechenzentren von 12 TWh im selben Jahr gegenüber, stellt man fest, dass sich auch außerhalb der Heizperiode geeignete Wärmeabnehmer finden.
Auch die Gebäudeklimatisierung ist eine denkbare Option zur Abwärmenutzung im Sommer. Wird die Abwärme in dieser Jahreszeit in ein Fernwärmenetz gespeist, können Absorptionskältemaschienen für die nötige Kühlung sorgen. Dabei treibt die Wärme das in einer Salzlösung gebundene Kältemittel aus, um den Kälteprozess erneut zu ermöglichen.
Abwärmenutzung in Deutschland – Potenziale
Trotz aller Vorteile und Bestrebungen, Rechenzentren effizienter zu gestalten, fällt die Abwärmenutzung hierzulande bisher eher gering aus. Denn neben der Verfügbarkeit spielt beim Betrieb von Rechenzentren natürlich auch die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle. Der Kosten-Nutzen-Faktor ist deshalb auch bei der Abwärmenutzung von zentraler Bedeutung. Für einen Rechenzentrumsbetreiber gehören in der Regel nicht die Investitions- sondern die Betriebskosten zu den Hauptaufwendungen. Wie schon erwähnt muss die Abwärme in den meisten Fällen auf ein höheres Temperaturniveau gehoben werden, um sie für Abnehmer nutzbar zu machen. Werden hierfür Wärmepumpen eingesetzt, die als Antriebsenergie elektrischen Strom benötigen, verursacht das Kosten für den Betreiber. Legt man nun einen realistischen Verkaufspreis für Wärme von 40 Euro/MWh zugrunde, müssen die Kosten für den Betrieb der Wärmepumpe pro MWh unter 40 Euro liegen. Mit einem für die Industrie durchschnittlichen Strompreis von 15 Cent/kWh bzw. 150 Euro/MWh stellt man schnell fest, dass die Wärmepumpe mindestens mit einem COP von 3,75 arbeiten müsste, um wirtschaftlich zu bleiben. Gerade im Bereich der Hochtemperatur-Wärmepumpen ist dies ein ambitioniertes Ziel und führt in den meisten Fällen zu einer Nullrechnung. Jedoch beschränkt sich der Ertrag für den Betreiber nicht nur auf den Verkauf von Abwärme, sondern er spart auch einen Teil der abgenommenen Wärmeenergie in Form von Kälteenergie und somit auf Seite der Kälteerzeugung ein. Dies sollte in jedem Einzelfall genauer betrachtet werden, da der Ertrag stark vom EER der Kälteerzeugung abhängt.
Vergleicht man den Strompreis in Deutschland mit dem der anderen EU-Staaten, wird das Problem sehr deutlich: Deutschland hat mit 15 Cent/kWh den zweithöchsten Strompreis in der EU. Einen großen Anteil daran hat die EEG-Umlage mit 6,88 Cent/kWh. Allerdings dient diese Umlage dem Zweck, den Ausbau von Erneuerbaren Energien zu fördern. Es ließe sich also darüber nachdenken, Anlagen, die Abwärmenutzung ermöglichen und damit genau diesem Ziel entsprechen, von der EEG-Umlage zu befreien.
Fazit
Die Abwärmenutzung bietet ein großes Potenzial, Rechenzentren noch effizienter zu machen. Es gibt bereits verschiedene Ansätze in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten, diese Wärme entsprechend zu nutzen. Hier ist es jetzt auch Aufgabe der Politik, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Akteure der Rechenzentrumsbranche für dieses Thema zu mobilisieren und dafür zu sorgen, dass die Fernwärmenetzbetreiber ihre Netze öffnen und für die Rechenzentrumsabwärme bezahlen.
In der nahen Zukunft werden die Kühlwassertemperaturen der IT-Komponenten höchstwahrscheinlich weiter steigen und eine effektivere Abwärmenutzung ermöglichen. Gerade bei der Entstehung neuer Rechenzentren sollten in Konzeption und Planung alle Möglichkeiten zur Abwärmenutzung in Betracht gezogen werden.
Autor: Dipl.-Ing.(FH) Timm Weis,
Energiesystemtechnik,
dc-ce RZ-Beratung GmbH & Co. KG